20. Reeds Sicht Teil 2
"If there ever comes a day when we can't be together, keep me in your heart, I'll stay there forever." - Winnie the Pooh
Reed
Ich hatte meine wertvolle Zeit nicht für eine lächerliche Feier der Wächter verschwenden wollen. Ich hatte diesen Abend nutzen wollen, um mir in der abgelenkten Stimmung weitere Informationen zu beschaffen, die für mich nützlich sein könnten. Es wäre ideal gewesen. Es wurde zwar alles umso besser bewacht, doch nur von außen. Im Quartier selbst hätte ich mich unbeobachtet bewegen können, mir meine Informationen besorgen können, ohne dass es irgendwer mitbekommen hätte, doch dann hatte ich an Alice gedacht. Sie würde hier sein. Natürlich würde sie hier sein, sicher gekleidet in wunderschönen Gewändern, umgeben von ihrer Familie und ihren Freunden, und die Vorstellung ebenfalls mit ihr zusammen hier zu sein, mit ihr zu tanzen und glücklich zu sein, hatte mich beflügelt. Ich vermisste sie immerzu, wenn sie nicht gerade bei mir war, und ich wollte so gern Zeit mit ihr verbringen. Ich wollte so gerne mit ihr unbeschwert Zeit verbringen, ohne den Krieg oder Rowan oder irgendein anderes Grauen vor Augen. Ich wollte mit ihr tanzen, sie glücklich und unbeschwert sehen. Konnten all die Pläne nicht einen Abend warten? Damals zu den Dunklen Tagen hatte ich so viel wertvolle Zeit verloren, weil ich meine Pläne nie aufschieben wollte. Ich hatte sie vor alles und jeden gestellt und dadurch alles verloren. Nie wieder wollte ich es so enden lassen.
In meinen dunkelsten Albträumen sah ich immer noch Grace, als sie mich an diesem einen Tag angefleht hatte, bei ihr zu bleiben, sie nicht zu verlassen. Wäre ich damals geblieben, wäre all das nie geschehen, dann wäre meine Welt nicht zerbrochen. Nie wieder würde ich meine Pläne über alles stellen! Nie wieder!
Also war ich gekommen und Alice hatte mir die Sprache regelrecht geraubt, so wunderschön sah sie aus, so überwältigend war es ihr so nahe zu sein, von ihr angesehen zu werden, als ob ich ihre ganze Welt wäre. Ich verdiente es nicht so angesehen zu werden und doch konnte ich nicht leugnen, dass ich es liebte. Zu sehen, wie sehr sie mich liebte, ließ meine eigenen Gefühle für sie nur noch stärker werden. Es war absurd. Ich konnte kaum glauben, sie noch mehr lieben zu können als ich es längst tat, doch dann sah ich sie an und merkte, dass es doch ging.
Natürlich musste nur mal wieder irgendwer den wundervollen Moment zwischen uns ruinieren, in diesem Falle mein nerviger Zwilling.
Ich sah Alice wehleidig nach, wie sie im Quartier verschwand und wandte mich fast etwas genervt an Hayden.
„Was willst du?" Ich wollte lieber Zeit mit Alice verbringen, mit ihr tanzen, sie bewundern. Konnte dieses Gespräch nicht warten?
„Wir zwei müssen dringend reden!"
„Und das hat keine Zeit bis morgen zu warten?"
„Nein! Ich will endlich wissen, was du mir wegen Alice verschweigst!"
Verblüfft von seinen Worten sah ich ihn an und blinzelte irritiert. Damit hatte ich nicht gerechnet.
„Alice?"
„Ich will keine Ausreden! Ich will die Wahrheit hören!" Er war aufgebracht. Betrunken, eindeutig betrunken, aber auch sehr aufgebracht. Was genau wusste dieser Idiot? Oder viel eher, was glaubte er zu wissen?
„Ich war vor ein paar Tagen mit ihr unterwegs, als etwas Eigenartiges geschehen ist... sie... für einen Moment da war sie nicht mehr sie selbst, doch ich dachte nur, es wäre die Aufregung mit dem Haus und den Erinnerungen an früher und alles gewesen... und vorhin im Saal..."
„Was war da?" Nervös sah ich ihn an. Es gab Dinge, die ich sehr stark vor Alice geheim halten wollte, die ich aus Sicherheit, dass auch ja nichts zu ihr durchdrang, auch vor anderen geheim halten wollte. Dass Hayden die Wahrheit herausfinden würde, hätte mir bewusst sein müssen. Er mochte in vielen Dingen ein Schwachkopf sein, aber leider war er nicht so blöd wie ich es manchmal gern hätte.
Kellin hatte mich davor gewarnt.
Er hatte so schnell hinter alle Banne und Versteckspiele schauen können. Er war aber auch immer gut darin gewesen, einen zu durchschauen. Dass Hayden früher oder später dahinterkommt, war klar gewesen. Seine Bindung zu ihr war einfach zu stark, um ewig blind zu bleiben.
„Ich weiß nicht, ob Mrs Flores Punsch stärker war als angenommen, aber... ich habe sie angesehen und für einen ganz kurzen Moment..."
Weiter kam er nicht, da in dem Moment ein lauter Knall ertönte.
Das Quartier bebte, Hayden und ich flogen von der Wucht zu Boden, wo ich für einen kurzen Moment ganz überwältigt von dem Chaos war, das dem Knall folgte.
Alice
Das war das einzige, was in meinem Kopf vor sich ging, kaum realisierte ich die Gefahr.
Alice war da drinnen.
Es gab eine Explosion.
Alice war während der Explosion dort drinnen gewesen.
„ALICE!", schrie ich und richtete mich auf, ließ Hayden zurück, der sich langsamer als ich aufrichtete. Ich wollte ins Gebäude, ich wollte sie finden, ich musste sie finden, nur da kamen mir Massen an Leuten entgegen und mit ihnen eine Staubwolke, die mich husten ließ.
Ich wollte nicht schwächeln, ich durfte nicht schwächeln.
Sie war definitiv am Leben. Ich spürte unser Band deutlich, doch ich spürte auch, dass irgendwas ganz und gar nicht in Ordnung war.
Sie schrie regelrecht nach Hilfe und plötzlich kam mir das alles wie ein schrecklicher Albtraum vor, der sich zu wiederholen drohte.
In einer Erinnerung, die ich tief in mir weggesperrt hatte, hatte ich einst auch zu der Liebe meines Lebens rennen wollen. Ich hatte sie retten wollen, ich hatte ihre Hilferufe gehört und hatte sie erreichen wollen, nur war ich damals nie schnell genug gewesen.
Was war nur geschehen? Was hatte diese Explosion ausgelöst?
Wo war sie?
Wo bist du Wo bist du? Wo bist du?
Innerlich schrie ich.
Ich quetschte mich an den Gästen vorbei nach innen, wo es fast unmöglich war, klar zu sehen. Dennoch rannte ich weiter, hörte die Schreie und war entsetzt von den völlig zertrümmerten Überresten des Großen Saals. Die Decke war zerstört, Wände eingerissen. Auf dem Boden lagen Menschen, überall war Blut.
Ich suchte nach vertrauten Gesichtern und fand Riley.
„Verdammt! Was ist geschehen? Wo ist Alice?", fragte ich und zog meine Jacke aus, presste sie ihm auf die blutende Stelle in seinem Magen.
Er brachte nur ein Wort hervor, um meine Welt beinahe ebenso zum Einsturz zu bringen wie den Saal.
Ein Name und ich wusste, ich hatte alles verloren.
„Rowan."
Sie war fort.
Sie war einfach fort.
Rowan hatte sie und für mich gab es keinerlei Möglichkeit, sie zurückzubekommen. Sie gehörte ihm. Selbst wenn ich es schaffe an seinen Wachen vorbeizukommen und zu ihr zu gelangen, würde sie nicht freiwillig mitkommen können. Ich würde sie dort herauszerren müssen, wenn ich ihr nicht schaden wollte. Das alles war heikel. Rowan war durch sie so verdammt viel stärker und allein nur daran zu denken, was er ihr gerade im Moment antat, dass er sich von ihr nährte, sie folterte... mir wurde schlecht. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Ich wusste gar nicht, wie ich überhaupt noch funktionieren sollte.
Mir kam alles wie ein einziger Strudel vor. Die Hälfte meiner Erinnerungen war verschwunden. Wie genau ich aus dem Quartier herausgekommen und bei meinen Eltern im Haus gelandet war, wusste ich nicht. Ich wusste nur, dass ich nun in meinem alten Zimmer saß und beinahe geistesabwesend Hayden seine lästigen Fragen zu Alice und einigen meiner Geheimnisse beantwortete, versuchte derweil nicht durchzudrehen. Ich musste sie retten. Ich musste irgendwas tun.
Wo war sie?
Wie ging es ihr?
War sie verletzt?
Hatte sie Angst?
Natürlich hatte sie Angst. Er war bei ihr.
Ich dachte daran, wie ich ihm einst vertraut hatte, wie ich ihn einst als Freund bezeichnet hatte und wie er dann Grace Kopf zertrümmert hatte.
Ich glaubte mich übergeben zu müssen, als ich mir vorstellte, er könnte so etwas nun wiederholen.
„Reed, hörst du mir überhaupt zu?" Hayden winkte mit einer Hand vor mein Gesicht.
„Ich verliere sie", hauchte ich. „Er wird ihren Verstand ruinieren. Er wird sie quälen. Er wird sie quälen, Hayden, er wird sie zerbrechen." Ich war den Tränen nahe, ich war selbst kurz davor, den Verstand zu verlieren.
„Deswegen müssen wir was unternehmen! Wenn alles, was du mir gesagt hast, stimmt, müssen wir handeln. Sofort!"
Ich verlor die Fassung. Nicht zu wissen, was mit ihr war, so machtlos zu sein, es quälte mich auf eine Weise, die ich schon lange nicht mehr so gespürt hatte. Ich brach in Tränen aus. Die Erinnerungen an damals, die Erinnerungen daran, wie ich zuvor versagt hatte, wie ich nur wieder versagte, es war alles zu viel. Ich glaubte seit hundert Jahren zu kämpfen, ohne Pause, und nun alles zu verlieren. Schon wieder.
„Fuck, bitte weine nicht, ich bin nicht sonderlich gut darin, Leute zu trösten."
„Ich kann nicht... ich kann nicht erneut alles verlieren, Hayden. Ich kann es einfach nicht. Wenn ich sie verliere... wenn ihr etwas passiert..."
„Malen wir nicht gleich den Teufel an die Wand, Reed. Alice ist eine kleine Kämpferin und wir holen sie da raus!"
„Und wie?", fragte ich ihn, wischte mir die Tränen weg, hasste mich dafür, so emotional und schwach zu sein.
„Wir werden uns mit Leuten zusammenschließen, die uns später mal viel kosten können."
Ich sprang vom Bett auf, alarmiert als ausgerechnet Acyn Noirs Stimme in meinem Zimmer hallte und dieser an meiner Türe gelehnt dastand.
„Wie bist du ins Haus gekommen?"
„Ich bitte dich. Ich bin Jäger, ich komme in jedes Haus, in das ich kommen will, und wir werden jetzt sofort planen, wie wir meine Schwester retten!" Sollte er nicht lieber bei seinem Bruder sein? Immerhin war dieser halbtot ins Krankenhaus geleifert worden.
„Was meinst du damit, dass wir uns mit Leuten zusammenschließen, die uns später viel kosten?" Misstrauisch sah Hayden ihn an und ich selbst horchte auf.
Acyn sah zu mir und lächelte beinahe grimmig. „Wir suchen die Hilfe von deinen Feinden auf."
„Die Hilfe von seinen Feinden?"
„Wie heißt es so schön, die Feinde meines Feindes sind meine Freunde?"
„Dumm nur, dass es so nicht funktioniert, wenn sie ursprünglich auch meine Feinde sind", sagte ich und hatte einen leisen Verdacht, wen er meinen könnte, und leider musste ich zugeben, dass sein Plan gar nicht mal so blöd war. Meine Feinde um Hilfe zu bitten war verdammt riskant, doch wüssten diese, wen Rowan im Besitz hat, würden sie nicht zögern uns zu helfen und anders als wir würden sie an Alice herankommen können
„Hierbei wird es funktionieren. Es muss!"
„Ich verstehe absolut gar nichts mehr", sagte Hayden sichtlich verwirrt und ich raufte mein Haar.
„Du weißt, dass wir damit nur eine weitere Dunkelheit anlocken, die es früher oder später auf Alice absehen wird? Bisher sind sie wegen ihr ahnungslos gewesen, ich hatte gehofft, dass es dabei bleibt."
„Hoffen wir einfach auf später, aber gerade zählt nur eines: Sie muss aus Rowans Klauen befreit werden, anderenfalls wird sie sterben! Alle anderen Feinde sind erst einmal egal. Wir müssen sie dort herauskriegen!"
Die Zeit ohne Alice verging anders. Es war fast wie die letzten hundert Jahre. Da war mir jeder Tag wie eine Woche vorgekommen und jede Woche war so langsam wie ein ganzer Monat vergangen. Nun glaubte ich die Zeit würde sich rückwärts bewegen müssen. Jedes Mal, wenn ich auf die Uhr sah, schien weniger Zeit vergangen zu sein als zuvor. Zu Warten war eine Qual. Ich hasste es untätig herumzusitzen. Es war nicht meine Art nichts zu tun und zu warten. Leider konnte ich absolut nichts bewirken und zu wissen, dass ich Schuld daran trug, machte mich wahnsinnig. Wäre ich nicht gewesen, hätte sie ihre Seele nicht an Rowan verschenkt. Nur meinetwegen hatte sie da getan und nun bezahlte sie den Preis dafür und ich hasste mich mehr denn je.
Fünf Tage war Alice nun schon bei Rowan. Fünf verfluchte Tage, in denen keiner auch nur einen Anhaltspunkt hatte. Ich hatte gehofft, auch nur ein Fünkchen unserer Verbindung aufzuschnappen, doch es war, als würde sie gar nicht wirklich existieren. Ich tastete nach unserem Band und am anderen Ende war nur Dunkelheit.
Ich war mindestens zehn Mal drauf und dran gewesen, loszumarschieren und sie aus seinen Klauen zu befreien. Jedes Mal hatte Hayden mich zügeln müssen. Wir hatten einen Plan und wir würden ihn abwarten müssen. Alles andere würde nur den Tod von einem von uns bedeuten. Es machte mich jedoch wahnsinnig nicht zu wissen, wie es ihr geht, nicht für sie da sein zu können. Er folterte sie. Raubte er ihr auch den Verstand? Wie wird es erst sein, wenn sie wieder bei mir wäre? Erinnerungen an längst vergangene Zeiten kamen mir wieder hoch. Als Rowan damals Grace den Verstand zerstört hatte, war meine Welt zerbrochen. Ich erinnerte mich sehr gut an die unzähligen vergossenen Tränen, wie oft ich sie beruhigen musste, wie oft ich sie verloren hatte. Daran zu denken, wie dieses Monster das stärkste und tapferste Mädchen, das ich je kennen lernen durfte, so zerbrochen hatte, so dass es Angst vor seinem eigenen Schatten bekommen hatte, es war abscheulich gewesen. Wenn es sich nun wiederholt... nein, es durfte sich einfach nicht wiederholen!
„Ich hasse es, wenn du so durch die Gegend tigerst. Kannst du dich nicht endlich setzen!"
Genervt verdrehte ich die Augen von Palinas Worten. Sie hatte gut reden. Zwar beruhigte es mich, dass sie bisher Alice nicht sterben sah, doch das musste nichts bedeuten. Manchmal sah sie den Tod von einen sehr plötzlich. Die Zukunft ist im stetigen Wandel. Vor einigen Monaten noch hatte sie Alice sehr oft sterben sehen, hauptsächlich wegen Rowan – zumindest vermuten wir es, konkrete Bilder hat sie nie gesehen – aber kaum hatte ich sie mit in die Vergangenheit genommen, hatten diese Aussichten auf einen Tod gestoppt, was mich enorm beruhigte. Ich wollte im Moment nicht auch noch um Alice Leben durchgehend bangen müssen.
„Ich finde es immer noch schräg, dass ihr alle zusammenarbeitet", sagte Sam, der ja unbedingt mit meinem Bruder auch hier sein musste, Arnold und Palina dadurch besser kennen lernte und sah, wie diese mit mir zusammen arbeiteten, dadurch Verräter an das Quartier waren, was bisher noch nicht offiziell bekannt war und besser auch nicht weiter an Bekanntheit ergattert.
Hayden bewahrte zwar den Rest meiner Geheimnisse, vor allem alles, was ich ihm nun wegen Alice anvertraut hatte, doch hierbei hatte er ihn eigeweiht und ich hatte notgedrungen auch Acyn Noir einweihen müssen. Schätze langsam kam die Zeit, wo wir alle unsere Kräfte vereinten, immerhin hatten wir dasselbe Ziel vor Augen.
„Finde dich damit ab", murrte ich und setzte mich auf einer der Stühle. Dieses Warten tat mir nicht gut. Gemeinsam waren wir in meinem derzeitigen Versteck, wartete auf die Rückkehr Acyns, der hoffentlich mal gute Nachrichten mit sich bringen würde. Seit dem Angriff im Quartier hatte es von denen nicht viele gegeben. Zu viele Verletzte, zu viel Zerstörung und eindeutig zu viele Verräter. Bisher wusste immerhin keiner, wie Rowan unbemerkt ins Gebäude kommen konnte. Die einzig gute Neuigkeit bisher war wohl, dass Riley noch nicht tot war, aber wenn ich ehrlich war, informierte ich mich nicht wirklich aktiv über seinen Gesundheitszustand um mehr zu wissen. Ich wollte es gern, aber wenn ich an ihn dachte, dachte ich sofort nur wieder an Alice und dann brach ich halb zusammen.
Hayden sah genauso ungeduldig wie ich auf seine Uhr, ehe er zu mir blickte, mich schräg musterte.
„Was?", fragte ich patzig.
„Nichts, nichts. Ich überlege nur."
„Dann mach das, ohne mich anzustarren."
Er schnaubte. „Bilde dir nicht zu viele in. Ich starre dich nur an, weil du echt beschissen aussiehst."
„Danke, wirklich." Hayden wusste, wie man Leute aufmuntern konnte.
„Ich meine ja nur. Die Augenringe sehen langsam aus wie schwarze Löcher. Du solltest schlafen."
Nun war ich derjenige, der schnaubte. „Schlafen? Wie soll ich schlafen? Alice hat keine Ruhe also habe ich keine Ruhe. Punkt!"
„Ich kann immer noch nicht glauben, dass du nicht besser aufgepasst hast", sagte Palina. „Was hat es uns gebracht so auf sie aufzupassen? Und nun ist sie trotzdem bei ihm gelandet! Mal wieder."
„Palina", sagte Arnold besänftigend.
„Was? Es ist doch so. Rowan hat gewonnen. Er hat das Mädchen, er wird uns daran hindern, zu siegen."
„Wird er nicht", sagte ich sachlich und unterdrückte meine Wut. „Er wird nicht gewinnen und er wird ihr nichts antun!"
„Woher willst du das wissen? Wie kannst du dir so sicher sein?" Aufgebracht erhob sie sich von ihrem Platz und ich war schon dabei, laut zu werden, stand mittlerweile selbst, als da die Türe jedoch aufging und Acyn eintrat, jede Wut von mir wich.
„Sie holen sie heute raus!"
Ich atmete auf. Eine unheimliche Last fiel von meinen Schultern, zum Teil zumindest.
Sie würden Alice retten. Sie würde heute, wenn alles gut geht, frei sein. Ich würde sie heute wieder in meinen Armen halten. Sie wäre wieder bei mir.
Egal was wäre, egal was Rowan ihr auch angetan haben mochte, ich würde da sein, ich würde ihr helfen. Ich hatte schon einmal tiefe Wunden heilen müssen, die Rowan verursacht hatte, ich würde es jederzeit wieder, auch wenn ich so sehr hoffte, dass es dieses Mal nicht so schlimm wäre. Wem machte ich nur was vor? Grace war damals nur wenige Minuten in Rowans Händen gewesen und auf ewig zerstört worden. Alice war seit fünf Tagen bei ihm. Die Angst kam zurück, packte mich, zerdrückte mich.
„Hey, es wird alles gut", sagte Hayden aufmunternd. „Du siehst sie heute wieder, sie wird frei sein und alles wird gut werden."
„Du hast gesehen, was er damals getan hat."
„Damals hat er sehr unüberlegt gehandelt, sehr impulsiv und er hat selbst gesagt, dass er es bereute, weil es seinen Plänen im Weg stand. Er hat das alles jetzt so gut geplant, wieso sollte er es ruinieren, in dem ihr sofort den Verstand ruiniert?"
„Wollen wir wirklich streiten, wer Rowan am besten versteht?", fragte Sam seufzend. „Alice ist eine kleine Kämpferin, sie wird nicht von seinen Spielen einknicken."
Ich wollte so gern daran glauben dürfen, doch sie hatte keine Möglichkeit sich zu wehren, wie sollte ihr Kampfgeist dann irgendwas bewirken? Ich versuchte diese Gedanken zu verscheuche. Heute würde man sie retten. Sie würde zu mir zurückkommen und egal was Rowan ihr auch angetan hat, er würde dafür bezahlen, doch meine Liebe für sie würde in keiner Weise gemindert werden. Ich würde sie nach wie vor begehren, lieben und daran würde nichts und niemand je etwas ändern können.
„Wenn sie erst befreit wird, wird Rowan durchdrehen. So leicht wird er kaum aufgeben", merkte Arnold als einer der wenigen in diesem Raum sachlich an. Er war trotz der grässlichen Lage die Ruhe selbst. Wie üblich.
„Nein, ich muss sie fortbringen", stimmte ich zu und Acyn schnaubte.
„Fortbringen? Ich lasse dich sicher nicht mit meiner Schwester in die Zeit verschwinden!"
„Willst du mich etwa stoppen?", fragte ich herausfordernd und bedrohlich lief er einen Schritt auf mich zu, so dass Hayden sich hastig dazwischen stellte.
„Wir sollten unsere Kraft eher nutzen, Rowan zu stoppen."
„Und wie?"
„Was war denn mit deiner Gefangenen?", fragte Hayden und ich verdrehte mal wieder die Augen, bereute es immer mehr ihm so ziemlich alles erzählt zu haben, so auch meine glückliche Begegnung mit der Thronanwärterin im Jahr 1910, Kalma oder Andrea – wie sie sich nun lieber nannte – die ich mit mir in diese Zeit gebracht hatte, als meine Gefangene. Als jemand, der kein echter Mensch war, war es möglich, sie mit mir durch die Zeit zu verschleppen. Hier wäre sie nützlich als im Jahr 1910.
Ursprünglich hatte ich sie verwenden wollen, um einen Deal mit Hades auszuhandeln, das war nur alles andere als leicht. Einen Gott wie ihn zu beschwören war schwer und da ich keine Bindung zu ihm besaß, müsste ich erst noch einen Weg für dieses Vorhaben finden. Kalma kann nützlich sein, sehr nützlich sogar, nur wusste ich nicht, wie ich mir das am geschicktesten zu Nutzen machen könnte.
„Es ist nicht gerade leicht, Kontakt zu den Göttern aufzunehmen, vor allem in die Unterwelt", merkte ich an.
„Du hattest doch schon einen Pakt mit Hades, oder nicht?", fragte Acyn stirnrunzelnd.
„Ja, aber der ist vorbei und ich muss erst noch einen Weg finden, ihn hierher zu holen für einen neuen Deal... oder um in die Unterwelt zu gelangen."
„Wie hast du es zuvor geschafft?", fragte Sam interessiert und ich schloss die Augen, erinnerte mich an die beiden Deals zurück, die ich mit dem Gott der Unterwelt geschlossen hatte. Einen für meine Macht, den andere für seine Hilfe.
„Du brauchst das Blut von jemanden, der aus der Unterwelt stammt", sagte ich.
„Und diese Person wäre?", fragte Sam und Hayden atmete gequält auf.
„Grace."
„Dann hat sich das ja wohl erledigt", murmelte Sam und zog dann kritisch die Augenbrauen in die Höhe. „Hast du nicht aber einen Deal erst vor einigen Monaten abgeschlossen? Das hat ohne Grace ja auch funktioniert."
„Weil ich Daisy dafür hatte und da sie mit Hades verbunden ist, war es machbar."
„Wieso sterben alle wichtigen Leute nur immer", seufzte Sam deprimiert und nahm Haydens Hand in seine, als dieser traurig das Gesicht von der Erinnerung an Daisy verzog.
„Wir werden einen Weg finden", sagte Acyn standhaft. „Egal welchen. Aber erst holen wir Alice da raus!"
„Danach wird er kommen", sagte Palina warnend, offenbar waren unsere Leben gerade alle auf einen schmalen Pfad gerutscht. Wir gingen aktiv gegen Rowan vor, das könnte uns alles kosten und Palina spürte es, selbst wenn sie noch nichts Konkretes sehen konnte.
„Soll er nur, ich habe noch eine Rechnung mit ihm offen!"
Wörter: 3480
Aloha :) Ich hoffe es hat euch gefallen. Im Nächsten geht es bei Alice weiter. Was denkt ihr, wie es ihr bei dem lieben Rowan so ergangen ist? Eure Meinung interessiert mich wie immer brennend. Sonntag geht es weiter xx
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