19. Ehre die Götter
"We were dancin' all night, then they took you away, stole you out of my life, You just need to remember..." – Lana del Rey
Die Feier zur Ehre der Götter war größer und wilder als ich es mir vorgestellt hatte. Ich hatte nicht gedacht, dass so viele kommen würden, dass so viele sich in so schweren Zeiten trauen würden, hier aufzutauchen. Immerhin gab es Verräter in den Reihen. Es war schwer zu sagen, wem man wirklich trauen konnte und wem nicht. Die ganze Angelegenheit war riskant, aber umso bewachter war alles.
Am Eingang allein standen so viele Wachen, dass man sich so unwohl wie bei einer Flughafen Sicherheitskontrolle fühlen konnte; der Große Saal, in dem die Feier stattfand, war ebenfalls von allen Seiten bewacht. Keiner konnte überhaupt ins Quartier, ohne sich vorher richtig auszuweisen. Zutritt hatten sowieso nur Mitarbeiter, Personen aus den Linien der Wächter, Einwohner des Dorfes oder Leute, die persönliche Einladungen erhalten hatten, wie Elin zum Beispiel.
Die Kleider, die sie und ich uns gekauft hatten, standen uns blendend. Wir sahen tatsächlich aus wie Feen, zumindest kam ich mir so vor, gesehen hatte ich eine Fee noch nie, um es wirklich beurteilen zu können. Ich hatte in mein gelocktes Haar Blumen eingeflochten und Elin trug Haarschmuck, der sie aussehen ließ wie eine Göttin. Im Licht des Saals leuchtete dieser in allen möglichen Farben.
„Das letzte Mal, als wir so hübsch gekleidet zu einer Feier gegangen sind, ist es ziemlich eskaliert", merkte sie nervös an, als wir den Großen Saal betraten, wo in der Mitte ein paar Pärchen bereits tanzten, die meisten jedoch um die errichtete Tanzfläche herumstanden und sich unterhielten. Das alles zu sehen, ließ einen beinahe vergessen, dass eigentlich Krieg herrschte. Es war schön mal kurz so abgelenkt zu werden und sich dieser Illusion hingeben zu dürfen. Genau das hatte ich gebraucht nach allem, was sonst los war.
„Ich hoffe mal sehr, dass diese Feier nicht genauso ein Ende finden wird." Ich wollte nur einen friedlichen Abend haben. Ich wollte Spaß haben und tanzen und den Bräuchen der Wächter zusehen. Wie genau die Götter hierbei nämlich geehrt werden, wusste ich noch nicht und ich war höchst interessiert mehr zu erfahren.
„Das wäre eine Schande um meinen hübschen Anzug. Nochmal halb sterben klingt nicht spaßig", sagte Hayden, der mit Sam im Schlepptau zu uns lief.
Sein Anzug war wirklich hübsch. Er war schwarz, glitzerte jedoch ganz fein, so dass es fast aussah wie ein eigener Nachthimmel voller Sterne.
Sam trug einen weißen Anzug mit einer roten Fliege und an Haydens Seite strahlte er fast wie ein echter Stern.
„Ihr seht hübsch aus", sagte er charmant.
„Kann ich zur zurückgeben."
„Wissen wir, Sonnenschein, wissen wir", seufzte Hayden gespielt theatralisch und Elin verdrehte so wie ich auch die Augen. Mir fiel auf, dass Hayden mich zwar anlächelte, sein Blick jedoch etwas Abschätzendes an sich hatte. Er betrachtete mich eingehender, beinahe prüfend. Sicher vergewisserte er sich, dass ich nicht jeden Moment umkippen würde. Ich würde ihm heute Abend wohl beweisen müssen, dass ich nicht drohte, jeden Moment zu sterben, nur weil ich bei unserem letzten Ausflug umgekippt war.
„Wie wäre es mit Alkohol?", fragte Sam und sofort schüttelte ich den Kopf.
„Nach der letzten Feier sollte jeder bei klarem Verstand bleiben."
„Dieses Mal sind wir auf einer Feier der Wächter und nicht der Reiter. Das Essen und Trinken ist selbst für Normalos ungefährlich." Hayden zwinkerte Elin zu, die noch nicht ganz überzeugt wirkte.
„Ich besorge uns allen Mrs Flores Spezialpunsch, Warren hat mir vorgeschwärmt, wie toll der sein soll, wir sollten das testen", sagte Sam und lief los, nur um keine zwei Minuten später mit vier Bechern zurückzukommen. Der Inhalt war rot und roch gar nicht nach Alkohol, weswegen ich zaghaft an dem Getränk nippte. Es schmeckte süß und fruchtig. Das war gefährlich. Wenn man den Alkohol nicht schmeckte, verführte einen das zu schnell mehr zu trinken als das man sollte.
„Das schmeckt verführerisch gut", sprach Elin meine Gedanken aus.
„Ich denke, wir belassen es bei einem Glas."
„Spaßbremsen", schnaubte Hayden, aber das waren wir gewiss nicht. Nach dem Fiasko an Silvester wollten wir nur einfach wachsamer sein. Damals waren wir naiv gewesen und am Ende wäre Hayden fast gestorben und Daisy war seitdem in der Unterwelt. Eigentlich sollte Hayden genau deswegen auch vernünftiger handeln, doch vielleicht versuchte er durch den Alkohol eben genau das zu vergessen.
Während er und Sam alle Viertelstunde ein neues Glas holten, tranken Elin und ich nur unser eines Glas leer und es reichte. Ich fühlte mich etwas lockerer und fand die vielen Fremden auch nicht mehr irritierend.
Wir tanzten zusammen ganz ungezwungen, trafen auf Reyna, die jedoch so beschäftigt mit Nasrin war und mit dieser in einer Ecke am Herumturteln war, dass wir sie nicht dabei störten. Wir nahmen Iran bei uns auf, die sich dem Besäufnis der Jungs anschloss und bald mit ihnen nur noch am Kichern war, da Hayden ein neues Spiel erfunden hatte, in dem er die ganzen gehobeneren Gäste verarschte. Er nannte es ‚allen Gästen neue Namen geben' doch es war ganz ehrlich einfach nur fies, was er tat, auch wenn er bei manchen Spitznamen wohl voll ins Schwarze traf.
„Ah, da kommt schon Lord ‚ich bin nicht fett, meine Hose ist nur in der Wäsche eingelaufen', und neben ihm die verehrte Lady ‚meine Vorfahren waren Pferde'." Hayden sagte diese Dinge so gefährlich laut, dass ich fast befürchtete, er könnte einen Krieg in den Reihen der Wächter auslösen, sollte irgendwer sich angesprochen fühlen. Währenddessen lachten er, Sam und Iran so laut, dass Iran kurzzeitig drohte, an ihrem Getränk zu ersticken, und andere Gäste sich von dem Lärm belästigt fühlten.
„Du bist richtig fies", sagte Elin, musste dennoch kichern.
„Ich bin ehrlich, aber ja, das läuft wohl auf das gleiche hinaus. Man muss mit ein bisschen Kritik klarkommen."
„Würdest du es denn?", fragte ich und er zuckte mit den Schultern.
„Ich bin perfekt, du kannst mich nicht verletzen, Sonnenschein."
„Du bist nicht so heiß wie du glaubst", sagte Elin und Hayden schnappte empört nach Luft. „Das ist eine dreiste Lüge."
„Ja, er ist nämlich unfassbar heiß", sagte Sam und küsste ihn auf die Wange, was Hayden kurz ablenkte. Entweder war seine Aufmerksamkeit wegen des Alkohols so schnell zu verlieren oder Sam hatte einfach diesen Einfluss auf ihn, denn schon knutschten beide wie wild herum.
„Das war nicht meine Absicht", sagte Elin, die angewidert den Blick abwandte, während die zwei in dem betrunkenen Zustand sich eher die Gesichter ableckten. Ja, wer sah schon gerne dabei zu, wie ein Pärchen sich gegenseitig die Zungen in den Rachen schob.
„Überall verliebte Menschen, ist ja widerlich", sagte Iran ähnlich angewidert und ich hielt von der Aussage wie von allein nach Reed dabei Ausschau. War er auch hier? Ich hatte ihn nicht gefragt, ob er kommen würde. Würde er denn überhaupt hier sein wollen? Bisher spürte ich seine Nähe nicht und es stimmte mich ein wenig traurig. Es wäre schön gewesen, so einen sorglosen Abend mit ihm zu verbringen, mit ihm zu tanzen, ihn hier bei meinen Freunden zu haben, damit wir alle wenigstens kurz so tun könnten, als sei alles normal.
Ich sah mir die vielen Gäste an und nahm so auch am Rande kleine Bräuche wahr. So wurde in einer Ecke des Saals ein Altar mit Kerzen errichtet, ich sah einige Priesterinnen – deren Gesichter seltsam bunt bemalt waren und die nur weiße, formlose Gewänder trugen – durch die Reihen laufen, wo sie die Gäste mit roter Farbe an der Stirn markieren. Ich hoffte jetzt einfach, es war Farbe und kein Blut.
Ich wandte den Blick ab und fand Warren, wie er gutgelaunt und ausnahmsweise locker mit Mr Spencer und Mr Norbert sprach, dabei immer wieder verstohlen zu Mrs Flores herübersah, die mit irgendwelchen anderen Gästen plauderte und währenddessen lieber kritisch zu den Priesterinnen sah. Offenbar hielt sie nicht viel von der Gesichtsbemalung.
Dari wurde gerade lachend von Acyn durch den Saal gejagt und verärgerte ein paar der Gäste dabei. Ich musste grinsen, versuchte andere meiner Familie auszumachen und sah dabei Daisys Tante Ava an der Seite stehen, mit einem Teller Kuchen in der Hand, wo sie den tanzenden Paaren glücklich zusah und zum Takt der Musik wippte.
Ich folgten ihrem Blick und sah Grace, wie sie in der Mitte des Saals mit geschlossenen Augen zu der Musik tanzte und-
Stopp, ich sah Grace?
Wieder einmal in der Form eines kleinen Kindes stand sie da, sah so real aus wie jeder andere Gast auch. Sie war es nur nicht, sie konnte es nicht sein.
Wie von allein trugen meine Füße mich auf sie zu. Die anderen bemerkten es nicht. Elin und Iran unterhielten sich zu lebhaft dafür und Sam und Hayden hatten noch nicht genug voneinander bekommen.
Ich hielt erst, als ich sah, wie ein kleiner Junge auf Grace zulief. Ich musste ihn nur einen Moment ansehen, sein dunkles Haar sehen, das selbst so viel jüngere Gesicht und ich wusste, dass es Reed war. Eine Version von Reed als Kind.
Lachend lief Grace von ihm davon, so wie Dari gerade noch vor Acyn, und ich eilte ihnen nach.
„Du kriegst mich nicht", kicherte Grace und die beiden Kinder rannte aus dem Saal.
Ich rannte und rannte, versuchte Schritt zu halten, ihnen zu folgen, aber kaum bog ich um eine Ecke, waren beide fort, auch wenn ich ihr Lachen noch hallen hörte wie ein vergangenes Echo.
Wie konnte das sein? Wo waren sie hin verschwunden? Wieso waren sie überhaupt hier gewesen? Vor allem, wieso sah ich Reed bei Grace und das als Kinder?
Ich zuckte zusammen, als jemand am Saum meines Kleides zog und blickte erschrocken zu Grace hinab. Das kleine Mädchen sah aus ihren großen Augen zu mir auf und sofort kniete ich mich herab.
„Du bist hier. Wieso bist du hier? Wieso kann ich dich sehen?"
„Du musst dich erinnern", sagte sie eindringlich. „Du musst dich erinnern, er wird dich sonst umbringen."
„Wer wird mich umbringen?"
„Der böse Mann mit den blauen Augen. Er hat zu viele Namen und noch mehr Gesichter."
„Rowan... der Mann der vielen Namen", hauchte ich und sie nickte eingeschüchtert.
„Wenn du dich nicht erinnerst, wird er deine Seele kriegen. Wenn du dich nicht erinnerst, wird er dir alles nehmen. Dann wird die Dunkelheit siegen."
„An was soll ich mich aber erinnern?"
„Er wird kommen. Er wird dich kriegen." Sie wirkte plötzlich ganz verängstigt, sah sich panisch um, als ob sie etwas sehen könnte, das ich nicht sah. Sie wirkt richtig angstvoll und rannte auch schon los, ehe ich auch nur ein weiteres Wort aus ihr hätte herauskriegen können.
Ich eilte ihr augenblicklich nach, bog um die nächste Ecke und knallte gegen Reed. Gegen den echten Reed.
„Wohin denn so eilig?" Sein Lächeln raubte mir den Atem und ließ mich vergessen, wen ich da gerade noch gejagt hatte.
Er sah einfach umwerfend aus. Schwarzer Anzug, perfekt gekämmtes Haar und dazu das Lächeln, das mich wackelige Knie kriegen ließ.
„Du bist hier."
„Wolltest du etwas fliehen, bevor ich da bin?"
„Ich hatte Angst, du würdest gar nicht erst auftauchen."
„Ich hatte es mir überlegt, aber ich konnte mir nicht die Chance entgehen lassen, dich in einem hübschen Kleid zu sehen." Er musterte mich, nahm jedes noch so kleine Detail meines Outfits auf und mein Herzschlag beschleunigte sich gleich.
„Gefällt dir das Kleid?", fragte ich ihn und lächelte schüchtern.
„Du gefällst mir." Er nahm meine beiden Hände in seine, drückte sie sanft und zog mich dabei näher zu sich. Seine Stirn lag gegen meine und ich lächelte selig, als er unsere Lippen vereinte.
Es war ein kurzer Kuss, der jedoch reichte, um mich glücklich zu stimmen.
„Also, wohin wolltest du so eilig fliehen? Hat Mr Norbert schon das Singen angefangen?"
„Nein, ich dachte nur, ich hätte etwas gesehen", sagte ich und er wirkte kurz besorgt.
„Wollen wir in den Garten? Ich habe keine Lust auf all die anderen Gäste und die frische Luft hilft sicher dabei, wieder etwas klarer denken zu können", sagte er und ich würde gern Luft schnappen und noch viel lieber allein mit ihm bleiben.
Ein letztes Mal sah ich den Gang an, der verlassen wirkte, auch wenn ich für einen kurzen Moment glaubte, in der Ferne das Lachen von Kindern zu hören. Diese Begegnung war gruselig gewesen, nur leider wusste ich mit der Warnung nicht gerade viel anzufangen. Ich sollte mich erinnern. An was?
Ich ließ mich von Reed zum Garten führen, der völlig verlassen war und in dem ein angenehm warmer Wind wehte. Es roch nach frischen Blumen hier und ich sah verträumt zum Sternenhimmel über uns auf.
„Wie wäre es mit einem richtigen Tanz? Jetzt können wir uns endlich berühren, jetzt gibt es keine Banne, die uns trennen."
„Soll ich wieder singen?", fragte ich scherzend, als er meine Taille schon umgriff und ich meine Hände an seine Schultern legte. Vielleicht war diese Feier wirklich anders als der Ball an Silvester. Kein böses Unheil, keine Reiter. Er und ich waren zusammen, wir durften zusammen sein.
„Wieder mystische Lieder von Spieluhren, die du nie gesehen hast?" Er zog fragend die Brauen in die Höhe und ich verdrehte meine Augen. „Du hast deine Geheimnisse und ich habe meine."
„Dann werde ich mit Freude deine Geheimnisse herausfinden, so wie du mit Freude meine herausfinden wirst."
„Wäre es nicht leichter, wenn wir einfach ehrlich wären?"
Er lächelte und wir drehten uns zusammen im Kreis, als ob wirklich Musik zu hören wären.
„Nein." Er schüttelte den Kopf, hatte ernsthaft darüber nachgedacht. „Nichts wäre einfacher. Die Dinge, die ich bisher verborgen halte, halte ich zu deinem Schutz verborgen, auch wenn ich es wohl nicht mehr lange schaffen werde."
„Wie meinst du das?" Ich zog meine Stirn kraus und er ließ mich einmal um meine eigene Achse drehen, ehe er mich enger zu sich zurückzog, seine Arme nun regelrecht um mich schlang, als ob er meinen Körper spüren wollte.
„Die Wahrheit entgleitet mir. Ich habe Angst, dass wenn ich es dir nicht sage, es bald jemand anderes wird und dann... dann wäre das schlecht."
„Du weißt, dass du verwirrend bist, oder?"
„Ohja." Er grinste erheitert und küsste mich auch schon, ließ das Gespräch damit enden.
Noch einen kurzen Kuss würde ich nicht ertragen und so hielt ich ihn bei mir fest, drang mit meiner Zunge in seinen Mund ein, stupste spielerisch seine eigene an und sein Griff um mich wurde fester, bestimmender.
Seine Zunge gewann den kleinen Kampf und ich gab mich dem geschlagen, stöhnte in seinen Mund hinein, vor allem, als seine Hände zu meinem Po wanderten, sich an diesen krallten, mich damit nur gleich ganz wuschig werden ließ.
Ein Räuspern in der Nähe brachte mich dazu, ruckartig von Reed abzulassen und mit glühenden Wangen und ganz außer Atem sah ich zu Hayden, der ein paar Meter entfernt stand und zum einen amüsiert und zum anderen auch leicht angewidert zu uns blickte.
„Kann ich dir helfen, Bruder?", fragte Reed, der einen Arm dabei wieder um mich legte.
„Ich wollte mit dir reden. Ich denke, wir zwei sollten dringend mal miteinander ein Gespräch führen... allein."
„Ich warte dann mal drinnen", nuschelte ich leicht verlegen und lies von Reed ab.
„Ich bin gleich wieder bei dir, mehr als fünf Minuten an Zeit gebe ich ihm nicht", versprach er mir und ich lächelte, ließ mir einen letzten Kuss auf die Stirn geben.
Als ich an Hayden vorbeikam, wirkte dieser trotz des vielen Alkohols mal wieder seltsam nachdenklich, doch weil ich ihn fragend ansah, zwinkerte er mir spielerisch zu und seufzend ging ich wieder nach innen.
Es war furchtbar stickig hier und heiß. Am liebsten wäre ich nur wieder raus, aber vorher wollte ich wenigstens Elin finden, um sicherzugehen, dass sie wohlauf war.
„Da bist du ja." Riley packte mich am Arm und stoppte mich, bevor ich in der Menge verschwinden konnte. „Acyn war krank vor Soge. Ich habe ihm ja gesagt, dass du nicht verloren gegangen bist." Frech grinste er mich an und ich lächelte beruhigend.
„Mir geht es gut. Ich war nur an der frischen Luft. Hast du Elin gesehen?"
„Sie und Iran sind glaube ich in Richtung Toilette gegangen. Acyn fährt Dari heim, er ist müde und ich sollte dich suchen. Bin ich froh, dass du da bist. Wenn er zurückkommt und du immer noch weg gewesen wärst, dann hätte er mich umgebracht."
„So theatralisch", schnaubte ich, als auch schon Warren auf uns zulief.
„Alice, da bist du ja, ich hatte gehofft dich für die Opfergaben zu finden."
„Opfergaben?", fragte ich und zog die Stirn kraus.
„Irgendwie muss man die Götter ja ehren", sagte Riley und verdrehte dabei die Augen. „Mit Essen, Tieren, Gold und sonst was, aber wozu brauchst du Alice? Das ist der Job der Priester. Die laufen hier doch schon überall herum."
„Ich dachte mir, wenn wir einer unserer Wächter dabeihaben, ist die Opfergabe umso persönlicher und als unser neustes Mitglied in den Reihen und jemand, der ganz viel Schutz benötigt, wäre es nur angebracht, Alice zu erwählen."
Riley hatte mit einem sehr kritischen Blick Warrens Worte angehört. Er wirkte nicht glücklich und ich war es ehrlich auch nicht. Ich verstand ja, worauf Warren hinauswollte, aber ich sah mich nicht als die geeignete Person für irgendwelche göttlichen Rituale und Opfergaben. Da könnten sie sich gern jemand anderes heraussuchen.
„Ich denke ja nicht, dass der sehr klug wäre und wüssten die anderen meiner Familie Bescheid, würden sie das genauso sehen", merkte Riley an. Was genau er gegen diese Zeremonie hatte, wusste ich nicht, doch ich war dankbar, dass er mich nicht zwingen würde, da mitzumachen.
„Es ist doch nichts Großes dabei", sagte Warren lächelnd. „Nur eine kleine Ehre für die Götter, mehr nicht."
Ich hörte der kleinen Diskussion nicht mehr zu. Meine Aufmerksamkeit wurde anderweitig beansprucht, als ich plötzlich ein ganz eigenartiges Gefühl verspürte. Es veranlasste mich dazu, mich genauer im Saal umzusehen. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden, als ob irgendwas nicht richtig war, irgendwas nicht stimmte. Mein Herz fing schneller zu schlagen an, ich kam mir seltsam erdrückt hier vor, verspüre das Bedürfnis zu fliehen.
„Irgendwas stimmt hier nicht", sagte ich nur leider zu leise bei der lauten Musik und dem Gespräch der beiden Männer.
Das ungute Gefühl in mir stieg an. Ich wurde nervös, packte Riley am Arm. Ich sah kurz goldenes Haar in der Menge, glaubte wieder Grace zu sehen und das Gefühl in mir machte mich panisch. Ich dachte an ihre Worte, die Angst, die sie gehabt hatte.
„Riley, irgendwas stimmt-"
Und dann knallte es.
In meinem Leben hatte ich noch nie etwas Vergleichbares erlebt, gespürt, gehört.
Der Große Saal flog in die Luft. Ich wurde weiter in den Raum hinein geschleudert, landete hart auf dem Boden und Staub umhüllte mich und jeden anderen. Ich verstand die Welt nicht mehr. Ich lag da, mein Körper schmerzte, mein Kopf drehte sich und verloren tastete ich mit meinen Händen nach einem Anhaltspunkt, was los war. Ich hörte nichts mehr außer einem lauten Piepsen in meinen beiden Ohren und meine Sicht war verschwommen. Überall war Staub, ich konnte ganz schwach den Sternenhimmel über mir sehen, wo vorher noch die Decke gewesen war.
Als ich meinen Kopf zur Seite drehte, sah ich Riley, der sich versuchte, aufzurichten und zu mir zu kommen. Er sagte etwas. Er schrie mir eher gesagt etwas entgegen und ich verstand nicht, wieso er so panisch war, was er von mir wollte. Ich wollte nur schlafen. Oh, ich wollte so sehr schlafen und hoffen, dass das hier nur ein böser Traum gewesen ist.
Ich sah jemanden in mein Blickfeld laufen. Kurz dachte ich, Hilfe wäre gekommen, jemand würde sich um uns kümmern, uns hier rausholen, nur leider war das keine Hilfe, ganz und gar nicht sogar. Voller Entsetzen musste ich mitansehen, wie diese neue Person Riley ein Messer in den Magen rammte, wie Blut sofort aus der Wunde quoll und wie mein Bruder zu Boden ging.
Der Anblick verstörte mich. Ich wollte schreien. Vielleicht schrie ich ja, ich hörte es nicht, ich hörte gar nichts. Ich konnte nur zu meinem Bruder sehen, der verzweifelt zu mir wollte. Obwohl er gerade erstochen wurde, überall Blut war, wollte er zu mir und ich wollte nichts anderes. Ich wollte ihm helfen, ich wollte meinen erstarrten Körper dazu bringen, sich zu bewegen, bis sich da der Angreifer vor mich kniete, mir die Sicht versperrte und ich in ein Paar heller Augen sah. In dem Moment wusste ich, dass es vorbei war.
Riley würde sterben, vermutlich würde jeder hier in diesem Saal sterben.
Ich würde es garantiert.
Er war gekommen.
Er hatte mich.
Rowan.
Wörter: 3357
Aloha :) Uhh Drama. Ich hoffe es hat euch gefallen. Das Nächste ist mal wieder aus Reeds Sicht. Dienstag geht es weiter xx
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