7. Die Wächter

"Some know each other before they meet. Others don't know each other, even after they meet." — Yasmin Mogahed

„Deine Familie ist schräg", meinte Elin, als ich nach dem Abendessen mit ihr telefonierte, wo wir uns gegenseitig von dem ersten Schultag berichtet hatten und ich ihr anschließend von meinem Gespräch mit meiner Großmutter erzählte.

„Weiß ich doch. Ich habe das Gefühl, dass wir Geheimnisse haben, die reif für Harry Potter wären."

„Du glaubst, eine Hexe zu sein?", fragte sie amüsiert und ich verdrehte die Augen, was sie natürlich nicht sehen konnte. „Nein, aber ich glaube normal ist das nicht. Es ist die Art komisch, wie wenn man plötzlich erfährt, dass Elfen und Kobolde real sind." Ich aß nebenbei Schokolade, versuchte meine Nerven und auch meinen Magen zu beruhigen und das konnte Schokolade schon immer am besten.

„Könnte aber doch gut sein", merkte sie an und ich hörte, wie sie irgendwelche Papiere aufräumte, so wie es raschelte. „Ich meine, du schaffst es, dass Pflanzen nie aber auch wirklich niemals sterben, selbst wenn du sie Monate nicht gießen würdest, würden sie munter weiterleben."

„Vielleicht haben wir in der Familie einfach nur einen grünen Daumen?", merkte ich nicht sehr überzeugt an, was sie lachen ließ. „Ja klar, das wird es sein. Nein, aber im Ernst, du musst mehr dazu herausfinden. Ich meine, was auch immer das alles ist, es hat deine Cousine umgebracht oder verschwinden lassen und da solltest du informiert sein, besonders auch was die heißen Zwillinge damit zu tun haben."

„Ich habe nie gesagt, dass sie heiß sind", merkte ich zerknirscht an, lächelte dennoch bei dem Gedanken an Hayden und Reed und was für eine Wirkung die zwei auf einen haben konnten und das auf eine ganz unterschiedliche Weise. Mit Hayden wollte man einfach Zeit verbringen, fand ihn großartig, lustig und interessant. Reed hingegen war faszinierend und so unglaublich schwer einzuschätzen, dass einem der Kopf schwirren konnte. Ich wurde mal wieder rot im Gesicht von der bloßen Erinnerung an ihn ohne Oberteil und sah automatisch zum Fenster, doch ich hatte meine Vorhänge zugezogen, wollte am liebsten nie wieder aus dem Fenster blicken müssen.

„Oh bitte, so wie du sie beschrieben hast, kann es nur eines bedeuten: Heiß."

„Wenn du meinst", sagte ich, wollte das gar nicht zu sehr an mich heranlassen. Hayden war zwar nett und witzig und sehr offen, aber von dem Moment an, wo wir die ersten Worte gewechselt hatten, war irgendwie klar gewesen, dass wir zwei nie ein Ding sein würden, es fühlte sich nicht richtig an. Reed war eine andere Nummer, immerhin sah er wirklich verdammt gut aus, aber er war ein Arsch und vor denen hielt man besser Abstand, die Meinung teilten Elin und ich eigentlich, aber weil ihr erster Schultag öde verlaufen war, fand sie alles, was ich zu berichten hatte, furchtbar spannend und den Gedanken an eine Romanze wohl erheiternd. Ich fand den Gedanken eher erschreckend. Liebe war nicht mein Fall, ich hasste Liebesgeschichten, wollte keinen Romeo für meine Julia finden, besonders weil ich nicht scharf darauf war, zu sterben wegen eines Kerls, den ich paar Tage kannte, wie die liebe Julia es tat. Nein, nein, Liebe machte nur Ärger, ich wollte meine Ruhe.

„Dennoch solltest du sie ausfragen, sie könnten mehr wissen, wenn deine Familie schon schweigt."

„Ich wüsste nur nicht, wie ich das geschickt anstellen sollte", erwiderte ich. „Ich kann kaum zu Hayden gehen und sagen: 'Hey, wir sind ja Nachbarn und unsere Familien hassen sich offenbar, willst du mir sagen, was ihr getan habt, um unseren Hass auf euch zu ziehen?'"

„Ich sehe kein Problem damit."

„Natürlich siehst du keins", lachte ich.

Ein Klopfen an meiner Zimmertüre ließ mich aufschauen, als meine Mutter schon eingetreten kam.

„Ähm, wir reden morgen weiter, ok? Meine Mum ist da."

„Ok Kleine. Verpatze es nicht." Mit den Worten legte sie auf und ich legte mein Handy zur Seite, sah meine Mutter erwartungsvoll an. Es war nicht üblich, dass sie einfach in mein Zimmer kommt. Wenn sie es tat, dann nur um zu nörgeln, mir eine Arbeit aufzutragen oder weil ich sie gerufen hatte, aber einfach so war seltsam.

„Ich habe deinen Bruder ins Bett gebracht und dachte, wir zwei sollten ein wenig reden", sprach sie ihre ersten Worte und näherte sich mir unsicher, wo ich die Schokolade zur Seite träumte, Platz machte.

Ich trug schon meinen Schlafanzug, war bereit eigentlich gleich schlafen zu gehen, doch ich liebte es Zeit mit meiner Mum zu verbringen, besonders jetzt, wenn alles so chaotisch war.

„Ja, Dari war heute sehr auf Entdeckungstour hier im Haus."

„Hat er denn was Interessantes gefunden?", fragte sie und setzte sich zu mir aufs Bett.

„Er wollte es mir nicht verraten", lachte ich und sah zu ihr. In meinen Augen war sie einfach wunderschön, sah jünger aus als sie es war. Wie ich und die meisten in der Familie hatte sie braunes Haar, trug ihres ungefähr bis zu den Schultern, hatte ebenfalls eine sehr gebräunte Haut, die bei ihr anders als bei mir jedoch schöner glänzte. Ich hatte ihre grünen Augen geerbt und eben diese grünen Augen sahen mich nun besorgt an.

„Ja, dein Bruder kann manchmal stur sein wie sein Vater."

„Oh ja", erwiderte ich, ließ meine Hand in ihre nehmen.

„Ich weiß, du kriegst mit, dass hier vieles etwas... etwas seltsam zu sich geht, aber du brauchst dich nicht zu sehr um alles zu sorgen, Alice", versicherte sie mir und ich hätte fast trocken aufgelacht, doch wie sollte ich mich nicht sorgen? Ich war wenige Tage hier und es kam mir vor, als ob überall Geheimnisse wären. Geheimnisse, von denen ich nie gedacht hätte, dass sie existieren würden.

„Wieso sagt ihr nicht einfach die Wahrheit und gut ist? Was bringen diese Geheimnisse?", fragte ich verzweifelt, ich war immerhin kein Kind mehr, würde vieles doch verstehen, würde die Wahrheit verkraften. Es konnte unmöglich so weltbewegend sein.

„Ich habe deinem Vater versprochen, zu schweigen, aber Cameron hat uns erzählt, dass du dich mit Hayden und Reed Wentworth angefreundet hast und ich denke, es wäre besser, wenn du einige Dinge weißt, bevor sie dir etwas erzählen und die Wahrheit verdrehen", sagte sie, klang unsicher und ich richtete mich etwas mehr auf, denn ich hätte nicht gedacht noch Antworten zu kriegen, nicht so schnell zumindest und sicher auch nicht so. Schien so, als ob sie Angst hätte, dass ich von unseren Nachbarn Antworten erhalten würde und zwar die Art von Antwort, die ihre Familie wohl logischerweise besser dastehen lassen würde.

„Was ist denn mit den beiden? Was haben wir für ein Problem mit dieser Familie?"

„Die Feindschaft existiert seit Jahrhunderten, aber es wurde erst vor nicht ganz zu langer Zeit bewiesen, dass sie zurecht vorhanden ist. Diese Familie bringt nur Ärger mit sich, also wenn ich dir mehr erzähle, versprich mir bitte... versprich mir, dass du dich vor ihnen in Acht nimmst und ihnen nicht so einfach vertraust, ok?" Besorgt sah sie mich dabei an, drückte meine Hand fester und ich nickte hilflos, verstand nicht, vor was sie sich so sehr fürchtete, es waren doch nur zwei normale Jungs und keine Monster.

„Nun gut, ich habe das Gefühl, dass du mir nicht glauben wirst bei dem, was ich zu sagen habe, aber versuch es wenigstens. Erinnerst du dich an die Gutenachtgeschichte, die ich dir vorgetragen habe, als du ganz klein warst? Die mit den fünf besonderen Menschen und ihren Kräften?" Ich zog irritiert meine Stirn kraus, verstand nicht, was diese Geschichte hiermit nun bitte zu tun hatte, doch ich erinnerte mich vage an sie, nickte deswegen. Inwiefern würde eine Kindergeschichte das alles erklären können?

„Ja, aber..."

„Die Kraft von einer dieser Menschen war es die Natur zu beeinflussen. Er konnte das Wetter verändern, die Meere bändigen oder eben Pflanzen schneller wachsen lassen", sprach sie weiter, ohne auf mich einzugehen, und verwundert sah ich sie weiter an. Sie wollte ganz sicher auf etwas hiermit hinaus mit dem Teil der Pflanzen und eben das brachte mich dazu, still zu sein und ihr aufmerksam zuzuhören.

„Erinnerst du dich noch an die anderen Kräfte?", fragte sie mich und ich konzentrierte mich, versuchte mich zu erinnern. Ich versuchte mich an all die vielen Male zu erinnern, wo ich in meinem Bett gekuschelt dagelegen war, während sie neben mir lag und diese Geschichte vortrug. Zu oft hatte ich sie hören wollen, war jedes Mal entzückt gewesen, so dass ich kaum etwas anderes hören wollte, doch das war nun auch wieder alles so furchtbar lange her.

„Ähm... einer konnte die Zeit beherrschen, ein weiterer war in der Lage die Götter heraufzubeschwören und... ich weiß nicht, was die anderen beiden waren."

„Der Vierte war der Wächter der Unterwelt, war das Tor zwischen der Welt der Toten und Lebenden und der Fünfte... der ist eigentlich nicht so wichtig", half sie mir und ich lächelte leicht. „Nicht so wichtig?"

„Für diese Geschichte gerade nicht, nein", meinte sie, schien das weniger amüsant als ich zu finden.

„Mum, was soll das nun aber alles? Das ist ein Märchen, mehr nicht."

„Es ist eben mehr als das, Alice", sagte sie eingehend und irritiert wollte ich mehr sagen, mehr fragen, doch sie sprach einfach weiter: „Deine Familie, die Familie deines Vaters ist eine Familie voller besonderer Leute, Wächter der Natur. Neben ihnen gibt es noch andere Wächter und vereint halten sie die Welt im Gleichgewicht, was nicht heißt, dass wir alle gut miteinander klarkommen müssen. Die Wächter der Natur und die Wächter der Zeit verabscheuen sich beispielsweise, dennoch müssen sie miteinander arbeiten für das Wohle der Welt."

„Die Wentworths, sie sind Wächter der Zeit?", fragte ich, dachte an Hayden und Reed, dachte daran, wie Hayden meinen Nachnamen betont hatte und wie Reed mich erst dann interessant gefunden hatte. War was an dieser Geschichte dran? Ich versuchte über meinen Schatten zu springen, das alles als wahr abzustempeln, aber eigentlich war es so verrückt, dass ich mir ein wenig bescheuert vorkam bei dem Versuch.

„Ja, aber nur weil man als Teil dieser Familie geboren wird, ist man noch lange kein richtiger Wächter. Mit dem Blut einer solchen Linie hast du jedoch von Natur aus Vorteile. So kannst du wie jeder in deiner Familie dich besser mit der Natur verstehen als normale Menschen. Mitglieder der Zeitlinie altern langsamer, können tausende von Jahren alt werden, ohne dass man es ihnen ansieht."

„Willst du mir gerade sagen, dass Hayden und Reed nicht einfach 18 Jahre alt sind?", fragte ich etwas schockiert, was nicht besser wurde, als sie den Kopf schüttelte und ich glaubte, das alles wäre ein schlechter Scherz, meine Mutter würde mich nun komplett auf den Arm nehmen, nur eigentlich war sie nicht der Typ, der solche Witze machen würde.

„Man altert eben viel langsamer mit diesem Blut, kann bis zu 3000 Jahre alt werden. Wenn ich mich nicht irre, müssten die beiden um die 300 sein? Ich weiß es aber nicht genau", sagte sie und ich keuchte entsetzt auf, doch das war eine Neuigkeit, mit der ich eher weniger gerechnet hätte. 300. Die zwei waren 300 verfluchte Jahre alt? Ich dachte ja sie wären sitzen geblieben und sahen deswegen irgendwie reifer als der Rest aus, aber nein, die beiden waren eigentlich steinalt.

„Das ist doch... das ist doch unmöglich wahr, Mum. Warum erzählst du mir so etwas?"

„Weil es die Wahrheit ist und ich nicht will, dass dir was geschieht."

„Also denkst du, sie wollen mir was antun? Wieso sollten sie?", fragte ich, klang leicht hysterisch, das war noch verrückter als irgendwas sonst. Wenn ich erfahren hätte eine Hexe zu sein und nun nach Hogwarts zu müssen, wäre das weniger absurd gewesen als das.

„Ich denke nicht, dass sie dir was anhaben, aber die Welt ist gefährlich und... Dinge sind zerrüttet."

„Das ergibt keinen Sinn, alles ergibt keinen Sinn. Wenn du die Wahrheit sagst und die beiden angenommen 300 Jahre alt sind, was kann man dann bitte, wenn man ein echter Wächter ist?" Wie stark könnte es noch gesteigert werden bitte? Fast unsterblich zu sein klang schon mächtig genug meiner Meinung nach.

„Als Wächter der Natur bist du auf einem bestimmten Gebiet sehr stark. Deine Vorfahrin Cara, die Großmutter deines Großvaters, sie war sehr vertraut mit dem Wasser, konnte es nach ihrem Willen bändigen und beherrschen."

„Wie in Avatar", murmelte ich, was sie lächeln ließ.

„Könnte Ähnlichkeiten haben", gab sie mir recht und ich schüttelte den Kopf, war so verblüfft und überfordert von all den Informationen allmählich.

„Wächter der Zeit haben meistens dieselbe Kraft, und zwar die Gabe in die Zeit zu reisen", erklärte sie mir weiter und ich konnte mich nicht bremsen und musste laut auflachen, klang ein wenig hysterisch dabei jedoch. „Zeitreisen? Ok, das wird mir echt zu viel", sagte ich und stand vom Bett auf, raufte mir die Haare, aber das alles war unmöglich wahr. „Wenn du Zeitreisen ins Spiel bringst, platzt mir der Kopf, denn das ist ein Gebiet, wo bei mir sämtliche Logik aufhört."

„Wirklich? Bei Zeitreisen hört es auf aber Wasserbändigen ist normal?", fragte sie mich neckend und ich schüttelte den Kopf, glaubte immer noch, das alles wäre ein Scherz, doch Elin und ich hatten beim Thema Zeitreisen vor einigen Jahren mal einen halben Anfall gekriegt, weil wir versucht haben zu verstehen, welches Prinzip von Zeitreisen das naheliegendste wäre und es war zum verrückt werden. Es war nicht möglich. Wie sollte so etwas bitte möglich sein? Sie könnten doch alles ständig verändern in der Vergangenheit, oder nicht? Nein, ich wollte nicht darüber nachdenken, sonst fange ich noch zu Schreien an.

„Ok, nein das ist absolut verrückt. Was soll ich mit dieser Geschichte anfangen? Wie soll es mir was bringen? Ich verstehe langsam nichts mehr, außer, dass ich denke, wir sind alle irre."

„Du wolltest die Wahrheit, hier hast du sie. Jetzt weißt du, was es mit unserer Familie auf sich hat und was es mit den Wentworths auf sich hat", meinte sie schlicht und stand auf, schien nicht mehr preisgeben zu wollen.

„Ich verstehe immer noch nicht, wieso ihr euch aber verachtet und ich verstehe auch immer noch nicht, ob das hier die Wahrheit ist oder ob du nicht durchdrehst."

„Der genaue Grund ist albern und ich drehe gewiss nicht durch, Schatz. Du solltest nun aber schlafen und vielleicht vor deinem Vater nicht erwähnen, inwiefern du nun Bescheid weißt. Ich werde es ihm sagen, aber glücklich wird er nicht sein."

„Aber ich habe immer noch mindestens tausend Fragen. Was ist mit den anderen Wächtern? Wieso gibt es diese Wächter? Wenn Zeitreisen möglich-"

„Fragen, die man wann anders beantworten kann. Ich denke, dein Kopf wird wirklich platzen, wenn du alles auf einmal erfährst, also ruhe dich aus und wir reden morgen weiter." Sie stand nun ebenfalls von meinem Bett auf und lief auf mich zu, drückte mir einen Kuss auf die Stirn und strich mir über die Wange.

„Hätten wir nicht einfach Zauberer sein können?", fragte ich, das wäre einfacher gewesen, da gäbe es nicht viel zu erklären.

„Schön wäre es, aber nein", lachte sie und lief weiter zur Türe. „Und nun ruhe dich aus, du hast morgen Schule." Ja, Schule. Dort würde Hayden sein und Reed. Beide wissen, wer ich war und ich wusste nun, wer sie waren, falls das alles hier wahr ist. Es kam mir so absurd vor, doch wie erklärte ich mir sonst, dass mit den Pflanzen? Die Geheimnisse? Das Gerede von Wächtern? Meine Mutter würde mir nicht einfach so Märchen auftischen, es war nicht ihre Art und solange sie nicht wirklich verrückt geworden ist, war das alles einfach irre.



Ich hatte gehofft, meine Albträume würden hier an diesem Ort ein Ende finden, dass ich endlich nach dem ganzen Stress wegen des Umzugs Ruhe finden würde, leider schien es, als würden sie durch die Geschichte meiner Mutter zu neuem Leben erweckt werden, sich verändern. Ich sah vor mir eine faszinierende Klippe wieder, die einen Anblick bot, der einem die Sprache verschlagen konnte. Es war als würde man bis zum Horizont das Meer erkennen, ein Paradies erkennen, näherte man sich jedoch dem Abgrund, so erkannte man, dass der Schein trübte. Das Meer dort unten war stürmisch, heimtückisch, düster und gefährlich. Jedes Mal hörte ich jemanden nach mir schreien, panisch meinen Namen schreien und jedes Mal wollte ich mich umdrehen, sehen, wer es war, sehen, was los war, doch jedes Mal rutschte ich stattdessen einfach ab, flog herunter, sah das dunkle Wasser auf mich zurasen, ehe ich erwachte.

Ich riss schwer atmend meine Augen auf, um nur gleich erneut zu denken, in einem Traum gefangen zu sein, denn mein Zimmer hatte sich über Nacht verändert. Es war dunkel und ich erkannte nicht viel, doch das, was ich sah, machte mir Angst. Mit Entsetzen musste ich feststellen, dass mein Zimmer einem Urwald glich. Die paar Pflanzen in meinem Zimmer schienen in den wenigen Stunden einen Wachstumsschub bekommen zu haben, der es in sich hatte. Mein Zimmer war nicht wiederzuerkennen und besorgt schaltete ich das Nachtlicht an, sah mit Grauen das ganze Ausmaß hiervon. Sie hatten die Decke und Wände umschlungen, waren zu einer Größe emporgewachsen, die für ihre Art nicht einmal möglich wären und es entsetzte mich so sehr, dass ich nicht anders konnte als zuschreien. Ich schrie einfach und wusste nicht wieso, aber das war nicht normal, es machte mir Angst. Wie sollte es normal sein? Was war schon noch normal? Wer wacht auf und hatte ein Zimmer, das von Pflanzen verschlungen wurde? Nein, das war eindeutig zu viel für mich, sollte doch die ganze Gegend geweckt werden, es war mir egal, ich war fertig mit den Nerven.

Meine Türe ging auf und ganz alarmiert von meinem Geschrei stürzte meine halbe Familie ins Zimmer. Mein Vater hatte eines seiner Gewehre in der Hand, Cameron einen Baseballschläger und sie alle wirkten angriffsbereit, zumindest solange, bis sie mein Zimmer richtig zu Gesicht bekamen.

„Was zum...", murmelte mein Vater ganz entsetzt und Dari drückte sich mit großen Augen an ihm vorbei, sah mit offenem Mund die vielen Pflanzen an.

„Wow. Darf ich mein Zimmer auch so haben, Mum?"

„Oh du meine Güte", hauchte diese derweil entsetzt und ich sprang aus meinem Bett, fiel ihr ganz verstört in die Arme und klammerte mich hilfesuchend an ihr fest, fast als würde sie mich vor den Pflanzen beschützen können.

„Bring sie nach unten", sagte mein Vater und ich ließ mich ganz benommen von meiner Mutter nach unten führen, wohin uns Dari folgte. Ich setzte mich im Salon auf eines der Sofas, glaubte ein wenig zu träumen. Das war doch alles unmöglich echt.

Noch bevor meine Mutter losgehen konnte, um mir einen Tee zur Beruhigung zu kochen, klingelte es bereits ganz stürmisch an der Türe. Hastig rannte sie zur Türe und ich versuchte in der Zwischenzeit meine Fassung zurückzugewinnen. Mein Zimmer war ein Urwald. Meine Pflanzen hatten soeben mein Zimmer halb aufgefressen. Daran war absolut rein gar nichts auch nur irgendwie normal. Was hatte das alles bitte zu bedeuten?

Ich sah zur Eingangshalle, als ich besorgte Stimmen von dieser hörte und keine Sekunde später stürmten schon Reed und Hayden Wentworth in den Salon. Meine Augen wurden ganz groß bei ihrem sehr unerwarteten Erscheinen, aber beide sahen aus, als wären sie gerade frisch aus ihren Betten gesprungen, als hätten sie gar nicht gezögert, um angelockt von meinen Schreien herzueilen. Hayden trug tatsächlich einen karierten Morgenrock, den er sich umgelegt hatte, da er obenrum nackt war und lediglich eine Jogginghose trug, so dass ich hastig zu Reed blickte, der Gott sei Dank bedeckter war. Er trug ein dunkles Shirt, dunkle Jogginghose und seine Haare waren ganz wirr, was ihm ziemlich gut stand meiner Meinung nach.

„Alles gut?", fragte Hayden ganz besorgt, zwang mich, den Blick von seinem Bruder abzuwenden, nun wieder zu ihm zu schauen. „Wir haben dich schreien gehört. Würde mich nicht wundern, wenn irgendwer die Polizei gerufen hat. Es klang, als würde dich jemand umbringen"
„Es ist alles gut", versicherte ich ihm, wusste nicht, was ich wirklich sagen sollte, wollte nicht wie eine komplette Irre wirken, aber andererseits wussten sie ja Bescheid. Die Geschichte meiner Mutter kam mir in den Sinn, ich erinnerte mich daran, was die zwei angeblich waren, und ich sah wieder zu Reed, der mich mit einer kraus gezogenen Stirn nachdenklich anblickte. Ich konnte es nicht ganz fassen, dass er hier war. Dass er und Hayden wirklich in Eile hergekommen waren, nur weil ich so geschrien hatte. Es war eine süße Geste, eine sehr süße Geste und ich war froh, dass in dem Moment der Rest der Familie zu uns kam, da ich sonst gar nicht aufgehört hätte Reed ganz hemmungslos anzustarren.

„Was machen die zwei hier?", fragte mein Cousin sofort angriffslustig, kaum sah er die Zwillinge.

„Wir sind nicht deinetwegen hier", sagte Reed abwertend und notgedrungen sah ich weg, als meine Mutter mit dem fertigen Tee zu mir lief, mir die heiße Tasse in die Hand drückte, doch die Wärme war angenehm. Ich kam mir vor, als ob ich vor Schock ganz ausgekühlt wäre.

„Es gibt keinen Grund zur Sorge. Ihr zwei Jungs könnt wieder gehen. Alice ist wohlauf, lediglich etwas durcheinander", sagte meine Vater ganz sachlich und sofort sah ich wieder zu den beiden Jungs, wo Hayden mir aufmunternd zulächelte, jedoch zur Türe schritt, während Reed mich einen Moment weiter recht konzentriert ansah, fast als würde er mich mit anderen Augen betrachten, fast als würde er irgendwas Bestimmtes in mir erkennen wollen. Bevor ich mir jedoch zu viele Gedanken hierüber machen konnte, wandte er sich auch ab, folgte seinem Bruder aus dem Haus heraus.

Überwältigt von dieser Nacht saß ich nur da, hörte kaum, was gesprochen wurde, kam mir eher ganz in Trance vor. Mein Leben hatte sich gerade verändert, ich wusste, dass es so war, dass alles von nun an anders sein würde, aber wirklich verstehen tat ich immer noch überhaupt nichts. Ich verstand diese Wächtersache nicht, verstand nicht, was mit mir nun war, was das zu bedeuten hatte. Ich wusste lediglich, dass es mir nicht gefiel und dass das eine Menge Ärger für mich bedeuten würde.


Wörter: 3571

Aloha :) Ich hoffe es hat euch gefallen. Ich habe das alte Kapitel mal gelöscht und neu geschrieben, wobei das Ende hauptsächlich verändert wurde. Was denkt ihr so über die ganze Geschichte mit den Wächtern? Würde mich über eure Meinung freuen xx

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