40. Dunkles Omen
"Parting is such sweet sorrow that I shall say good night till it be morrow." - William Shakespeare
Die Schule am nächsten Tag verlief einfacher, nun, wo der ganze Trubel endlich ein Ende gefunden hatte. Es waren keine Wachen zu meinem Schutz mehr da, jetzt, wo man sich sicher war, dass Kellin außerhalb des Landes war, da er erneut irgendwo weit weg von England gesichtet wurde.
Ich hatte keine Probleme mit Reed, den ich zwar heute nicht so oft sah wie gewollt und meist nur vom Weiten, doch er lächelte mir zu, zeigte mir, dass er seine Meinung nicht geändert hatte seit gestern, und ich vergaß somit auch alles, was in den ganzen letzten Tagen geschehen war.
Ich vergaß Kellin, die komischen Zahlen, die er aufgeschrieben hatte, ich vergaß all das Drama und war einfach glücklich. Es war schön endlich mal so sorgenfrei zu sein, sich wieder etwas normal zu fühlen, das Leben wie gewohnt leben zu können.
Ich begleitete Daisy nach der Schule ins Quartier, auch wenn ich nicht viel Lust hatte so schnell dorthin zurück zu müssen, doch es gab zum einen noch Nasrin, nach der ich sehen wollte, und zum anderen wollte ich Zeit mit Daisy verbringen, da sie wie so oft ihren Nachmittag dort verbrachte.
Zu gern wäre ich jetzt zwar bei Reed, aber wir wohnten nebeneinander, wir würden es schon schaffen uns heute noch zu begegnen.
„Tut mir leid Mädchen, aber derzeit kann keiner zu Nasrin. Ihre Eltern sind bei ihr und sie ist viel zu sehr auf Medikamenten, um mit jemanden reden zu können", sagte Mrs Flores bedauernd, als wir sie nach dem Mädchen fragten.
„Und wann werden die Medikamente runter gestellt?", fragte Daisy, doch die Frau schüttelte nur den Kopf. „Kann ich nicht sagen. Ihre Anfälle werden schlimmer und schlimmer, man hat Angst, dass man sie irgendwann nicht mehr ruhigstellen kann."
„Ist Iran denn da?", fragte sie weiter und wieder schüttelte Mrs Flores den Kopf. „Nein, sie war gestern bis spät abends hier, das Mädchen sollte versuchen sich etwas mehr auf ihr Studium zu konzentrieren."
„Es ist ihre kleine Schwester", merkte ich an. Wenn Dari solche Probleme hätte, würde ich auf mein Studium scheißen und niemals von seiner Seite weichen.
„Natürlich ist sie das, aber sie liegt ja nicht im Sterben und noch ist nicht alle Hoffnung verloren."
„Wenn sich was an ihrem Zustand ändert, sagen Sie doch Bescheid, oder?", fragte Daisy sie und mütterlich legte Mrs Flores ihr Hand auf Daisys Schulter und nickte. „Natürlich, meine Kleine."
Ich machte meine Hausaufgaben neben Daisy im Großen Saal, grübelte dabei viel über Nasrin nach und leider auch über Reed, der sich zu oft in meine Gedanken schlich und der mir schmerzlich fehlte. Wie konnte es sein, dass von heute auf morgen er so ein großer Teil meines Lebens wurde? Gerade noch glaubte ich ihn erwürgen zu können, so wie er mich nervte, und nun war ich Hals über Kopf verliebt, zumindest fühlte es sich wie Liebe an, vielleicht war es auch einfach nur diese Zuneigung ihm gegenüber, die so enorm durch die Bindung war? Ich wusste es nicht zu sagen. Die letzten Wochen hatten uns eben auch zusammengeschweißt. Es war so viel passiert, so viel Verrücktes, solche Dinge verbanden Menschen vermutlich, so wie Elin und ich wegen unserer vielen verrückten Erlebnisse ganz innig verbunden waren.
„Deine Freundin, Feyre, weiß sie eigentlich über all das hier Bescheid?", fragte ich Daisy nachdenklich, und überrascht von der Frage, sah sie mich an. „Nein, wie kommst du plötzlich darauf?"
„Ist es denn verboten jemanden hiervon zu erzählen?"
„Nicht, dass ich wüsste. Die meisten denken sowieso, man wäre verrückt, wenn man solche Dinge sagt. Ich denke, man sollte es nicht der ganzen Welt mitteilen einfach", meinte sie und legte ihren Stift weg.
„Wieso hast du es ihr dann nie gesagt? Ich dachte, ihr wärt enge Freunde."
„Sind wir, aber es gibt Sachen, die schwer zu erklären sind. Wie erklärt man jemanden schon mit dem Herrscher der Unterwelt verbunden zu sein? Ich kann es ihr nicht einmal beweisen, sie würde denken, ich verliere den Verstand. Jemand wie du könnte seine Kräfte jederzeit präsentieren, so leicht habe ich es nicht." Ich nickte, doch da war wohl was dran. Würde Elin mir erzählen, sie hätte eine Bindung zu irgendeiner heidnischen Gottheit, ich würde definitiv denken, sie wäre irre, zumindest hätte ich es vor alledem gedacht. Ohne Beweis so etwas zu Ohren zu bekommen, war eben auch nicht einfach.
„Es würde vieles sicher vereinfachen, wenn sie es wüsste, oder?", fragte ich und sie zuckte mit den Schultern. „Sicher, aber bis jetzt ist es mir nicht sehr in die Quere gekommen. Ich mache nicht viel außerhalb der Schule mit Freunden, als dass ich mich sonderlich auffällig benehmen würde. Sie ist nur etwas erstaunt über Hayden, dass er von heute auf morgen ständig an meiner Seite ist, ohne dass wir ein Paar sind, aber selbst darüber ist sie mittlerweile hinweg."
„Ich habe es gar nicht erst versucht geheim zu halten", gestand ich. „Ich habe meiner besten Freundin recht schnell alles berichtet."
„Wer ist denn deine beste Freundin?", fragte sie neugierig. Ich hatte Elin nie vorher erwähnt, fand es nun im Nachhinein seltsam. Elin wusste alles über Daisy und die anderen, doch keiner wusste von ihr, dabei war sie eine umwerfende Person und die anderen sollten sie kennen.
„Elin, sie wohnt nicht hier, aber wir haben vieles zusammen durchgestanden und um ehrlich zu sein, vermisse ich sie schrecklich."
„Und sie hat dir geglaubt?", fragte Daisy beeindruckt und ich nickte, war nach wie vor erstaunt darüber und gleichzeitig auch unendlich dankbar dafür.
„Es liegt vermutlich daran, dass meine Kräfte sich vorher schon angedeutet hatten. Sie hat gesehen, wie halbtote Zimmerpflanzen in meiner Nähe zu neuem Leben erwachten, Blumen in meinem Zimmer selbst im kältesten Winter blühten, sie fand es immer eigenartig und glaubt mir deswegen, auch wenn sie sicher erst richtig überzeugt ist, wenn ich vor ihren Augen einen Baum wachsen lassen werde oder so." Daisy lachte von meinen Worten, packte ihr Schulzeug weg und ich tat es ihr gleich, hatte keinen Kopf mehr für Hausaufgaben, auch wenn ich ziemlich stark hinten dranhing, dank meiner vielen Fehltage. Wie sollte ich jemals das Schuljahr mit dieser Leistung schaffen?
„Dann solltest du sie auf jeden Fall mal herholen und ihr zeigen, was du kannst", merkte sie an.
Wir beide stoppten unser Gespräch, als wir hörten, wie andere näherkamen, die wild miteinander diskutierten, und sahen schon überrascht zu Reed, der in Begleitung von Warren und dem grimmigen Mr Spencer den Raum betrat.
„Ah, wie schön euch beide zu sehen", begrüßte Warren uns, während Mr Spencer irgendwas brummte, doch ich hatte sowieso nur Augen für Reed, der mich glücklich anlächelte, und sofort stand ich auf, wollte ihm schon in die Arme rennen, nur stoppte mich Warren davon, als dieser mich an der Schulter packte. „Ja die junge Liebe, aber leider musst du ganz kurz warten, bevor du dem jungen Reed in die Arme fallen kannst", tadelte er mich und verlegen sah ich von ihm zu Reed und wieder zurück. Was war hier los?
„Ich habe Warren hier über das, was gestern war, berichtet und offenbar hat er eine Vermutung dazu", klärte Reed mich auf, während Daisy sich nun neben mich stellte.
„Was war gestern denn?", fragte sie neugierig nach.
„Wir küssten uns und anscheinend drehte meine Kraft etwas durch", klärte ich sie auf, merkte, wie ich rot wurde, doch mir war es nicht wirklich angenehm das so offen vor ihnen allen sagen zu müssen, besonders nicht vor jemanden wie Mr Spencer, der so wirkte, als ob er etwas Gemeines dazu kontern könnte, mich irgendwie besonders verabscheute. Was hatte ich dem Typen denn bitte getan, dass er mich so ablehnte? Na gut, er schien gegenüber jedem so ablehnend zu sein, außer vielleicht Warren, den er richtig zu vergöttern schien.
„Wir gehen die Sache deswegen langsam an und das am besten draußen, damit ich mir ein Bild von allem machen kann", sagte Warren freundlich. Wollte er etwa, dass Reed und ich uns vor ihnen allen im Garten küssten? Es wäre schräg, sehr schräg irgendwie, doch na gut, was sollte ich schon sagen.
Ich folgte ihnen allen den kurzen Weg in den hübschen Garten des Quartiers, wo ich unschlüssig stehen blieb, gute drei Meter von Reed getrennt.
„Überstürzt nichts sofort, ok?", warnte Mr Spencer uns unfreundlich wie immer, und unsicher sah ich zu Reed, fand die ganze Situation merkwürdig, doch mein Körper sehnte sich nach ihm, ich wollte zu ihm, wollte ihm nahe sein, also lief ich ihm entgegen, so wie er mir entgegenlief. Ich streckte meine Händen nach ihm aus, die er lächelnd ergriff und gleich fühlte ich mich besser, merkte, wie alle Last von mir fiel. Ich sah neugierig jedoch auch die Natur um uns herum an, wo mir sofort auffiel, wie auf der Wiese Blumen emporschossen.
„Sehen wir mal, was dieses Mal passiert", sagte Reed und zog mich noch näher an sich, legte seine Arme um mich, und über seine Schulter hinweg sah ich, wie einer der Büsche anfing zu wackeln, das Gras ebenfalls anfing hier zu wachsen wie in meinem Garten schon und bevor mehr geschehen konnte, rief Warren: „Ok, das reicht, auseinander!"
„Liegt es an mir?", fragte ich verwirrt. „Ich merke es gar nicht geschehen."
„Es liegt in der Tat an dir, aber ich denke, du hast keine Macht hierbei", sagte er bedauernd und wechselte einen besorgten Blick mit Mr Spencer, der nachdenklich wirkte, während Daisy ahnungslos wie ich auch zu sein schien.
„Mädchen, als Kellin Wentworth das Ritual anfing, was für Bestandteile hat er benutzt, was hat er gesagt?", fragte Mr Spencer harsch und ich zuckte leicht zusammen, doch was hatte das nun hiermit zu tun.
„I-ich weiß es nicht, ist es nicht egal?"
„Nein, also denk nach!", erwiderte er und ich zuckte zusammen von seinen nicht sehr freundlichen Worten, doch ein Blick von Warren genügte, dass Mr Spencer ruhiger wurde und wie gewünscht dachte ich nach, dachte an den Moment in Kellins Zimmer zurück.
„Da waren Kerzen, Knochen irgendwelche Kräuter oder Pflanzen", sagte ich, versuchte mich an mehr zu erinnern, doch leicht war es nicht, immerhin hatte ich nur an eine Flucht in dem Moment denken können.
„Weiter", sagte Warren freundlich und ich dachte angestrengt nach.
„Mein Blut hat er dazugegeben und dann irgendwelche Worte gemurmelt, aber ich weiß nicht in welcher Sprache, Latein vielleicht?"
„Eher Altgriechisch", murrte Mr Spencer, wirkte besorgt.
„Was ist denn nun?", fragte Reed ungeduldig, während die beiden Männer Blicke tauschten.
„Es gibt ein Rituale, mit dem man sich aneinanderbinden kann, doch es hätten Materialien für dieses gefehlt, die Alice nicht erwähnt hatte und die sie wohl eindeutig erkannt hätte, oder hast du eine Schlange zufällig gesehen? Oder einen großen Stein?" Ich schüttelte den Kopf, keins von beiden war da gewesen.
„Was für ein Ritual hat Kellin dann durchgeführt, wenn nicht dieses?", fragte Daisy nun und ich hatte das Gefühl, dass egal was es auch war, es nichts Gutes gewesen sein konnte.
„Das Gegenteil von einem Bindungsritual, er hat deine Bindung zu Reed vergiftet", sagte Warren entsetzt und ich hatte tausende Fragen, die mir sofort durch den Kopf schossen, aber er sprach weiter, bevor ich auch nur eine stellen konnte. „Er kann eure Bindung nicht einfach aufheben, er hat sie bestehen lassen müssen, aber mit dem Ritual zwingt er euch auf Abstand. Die Pflanzen spielen verrückt, wenn ihr zu nahe seid, behaltet ihr nicht den Abstand, könnte es fatale Folgen haben."
„Wieso würde er das tun?", fragte ich, konnte das nicht begreifen. Ich sollte auf Abstand zu Reed gehen? Wie sollte das funktionieren? Wir waren Partner. Wir hatten uns gerade zusammengetan, wir konnten uns doch nicht sofort wieder trennen.
„Weil mein Bruder nach keinen Spielregeln spielt. Er plant etwas und versucht uns in die Irre zu leiten. Ihm geht es nicht nur darum, Alice zu entführen und zu besitzen wie mit Malia, er hat irgendwas anderes vor", sagte Reed gereizt, raufte sich die Haare.
„Und was? Denkst du nicht, du überschätzt deinen Bruder etwas? Kellin ist wie ein Kind, das Streiche spielt und dem es egal ist, was für Folgen seine Taten haben", merkte Warren an, doch Reed schüttelte den Kopf. „Sie kennen ihn nicht wie ich. Was für einen Grund hat er so etwas zu tun? Er hat etwas vor."
„Kann man diesen Fluch oder was auch immer aufheben?", fragte ich verzweifelt, mir war es egal, was Kellin plante, ich wollte nur, dass es wieder aufhörte.
„Nur derjenige, der ihn über euch legte, kann ihn aufheben."
„Da können wir genauso gut versuchen Luft mit den Händen zu fangen. Man versucht seit 14 Jahren Kellin zu fangen, er wird nicht so schnell in unsere Nähe mehr kommen", sagte Reed verbittert, aufgebracht und eilte davon, ließ uns anderen alle stehen und ich spürte, wie mein Herz nach ihm schrie, ich ihm nachwollte, doch ich würde ihm nie wieder nach können.
Kurz hatte ich gedacht, wir könnten es schaffen, wir könnte eine Zukunft haben, wir könnten glücklich werden, nur Kellin hatte alles zerstört und so schnell wie das hier angefangen hatte, so schnell war es wieder vorbei, einfach zu Ende.
„Es wird sicher einen Weg geben das rückgängig zu machen, auch ohne Kellin", sagte Daisy aufmunternd, schien jedoch nicht sehr stark daran zu glauben. Mr Spencer eilte Reed nach, während Warren bedauernd wirkte. „Wir werden daran arbeiten, aber vorerst solltet ihr wirklich auf Abstand bleiben, wenn ihr andere und euch selbst nicht gefährden wollt", meinte er, ehe er auch nach Innen ging, ich mir wieder verloren vorkam, das konnte doch alles nicht wahr sein. Es konnte wirklich nichts auf Dauer gut sein, eine Katastrophe folgte der Nächsten.
Ich musste mich ablenken, wollte nicht zu sehr darüber nachdenken, was ich erfahren hatte, dass ich Reed nie wieder nahekommen könnte womöglich, wir auf Abstand zu bleiben hatten. Ich hatte mich also zu Hause erst einmal in mein Zimmer verkrochen und Malias Tagebuch herausgefischt, wollte mehr zu Kellin herausfinden, wollte wissen, was sein verdammtes Problem war, wieso er sich so schrecklich benehmen musste, wie man nicht vorher hatte erkennen können, was für eine Gefahr er darstellte. Ich las das Buch deswegen nicht wieder am Ende, schlug es erneut mehr in der Mitte auf.
31.08.2005
Ich mache mir Sorgen um Kellin. Er meinte, er würde alles im Griff haben, doch ich bin mir sicher, dass er das nur sagt, um mir keine Angst zu machen. Ich glaube, wir werden beobachtet, ich glaube nicht, dass jemand zulassen kann, dass wir mit unserem Wissen weiter durch die Gegend laufen und allen davon berichten. Die ganze Angelegenheit ist größer als ich dachte und ich weiß langsam nicht mehr, an was ich wirklich glauben sollte. Kellin meinte, alte Beschwörungsformeln gefunden zu haben, um die Götter zu kontaktieren, doch es wäre vermutlich immer noch besser jemanden aus der Götterlinie mit an Bord zu holen, ich würde mich sicherer fühlen, doch wer wäre schon bereit, die Götter zu hintergehen? Nein, vermutlich müssen wir es ohne andere Hilfe durchstehen, auch wenn Lilien anfängt Verdacht zu schöpfen. Ständig bietet sie mir ihre Hilfe an, meint, ich könnte mit ihr reden, aber ich will sie nicht in die Sache ziehen, wir haben schon zu viele mit-hineingezogen.
Verdattert las ich den Eintrag durch, verfluchte das Mädchen innerlich, dass sie so verschlüsselt alles aufschreiben musste. Vermutlich müsste ich noch weiter vorne zu Lesen anfangen, um zu verstehen, aber eigentlich wollte ich es vermeiden unbedingt jeden Eintrag zu lesen, ich fühlte mich jetzt schon schäbig genug für das Schnüffeln. Dennoch schlug ich einige Seiten weiter vorne auf, las weiter.
10.08.2005
Meine Eltern waren zu Besuch, es war nicht ein langer Besuch, doch ich bin froh, sie endlich mal wieder zu Gesicht bekommen zu haben, vor allem, weil ich so auch Cameron wiedersehen konnte, der Kleine wächst meiner Meinung nach viel zu schnell. Auf meinen Wunsch, dass sie doch herziehen könnten, sind sie wie üblich nicht eingegangen. Sie halten nichts von der Stadt, würden nicht einmal mir zuliebe herziehen. Kellin hat sich erneut mit den Reitern in der Zwischenzeit getroffen und auch wenn ich ihnen nicht traue, so meint er, sie wären die Richtigen hierfür. Ich hoffe er irrt sich nicht.
„Die Reiter", murmelte ich, war erstaunt, dass die Zwei mit den Reitern zusammengearbeitet hatten, war ebenfalls sehr erstaunt, wie vertraut Malia und Kellin waren. Die Zwei schienen keinerlei Differenzen gehabt zu haben, schienen sich ja ziemlich gut zu verstehen, zusammen zu arbeiten. Wie konnte es zwischen ihnen bitte so enden?
Ich war innerlich versucht, die Reiter aufzusuchen, um mehr zu erfahren, doch Leuten wie ihnen konnte man nicht trauen, sie waren immerhin irgendwie die Bösen hierbei. Nein, ich würde nichts riskieren, wusste nicht, ob sie mir überhaupt die Wahrheit sagen würden.
Ich klappte das Buch zu, wollte zwar mehr erfahren, doch wenn ich ehrlich war, schwirrte mir der Kopf nur jedes Mal, wenn ich etwas aus dem Buch las.
Ich versteckte es wieder gut vor den Augen anderer und verließ mein Zimmer. Ich wollte eigentlich nach unten und sehen, wann es Abendessen geben würde, brauchte Essen, um besser denken zu können, doch etwas anderen ergatterte meine Aufmerksamkeit vorher.
„Was machst du da?", fragte ich Cameron, der im Musikzimmer am Klavier saß und gedankenverloren irgendwelche Tasten drückte. Es war schräg ihn einfach so hier oben zu sehen, keiner aus meiner Familie hielt sich je im Musikzimmer auf, hier gab es ja außer dem Klavier nichts und das spielte keiner.
„Malia hat wunderschön spielen können. Sie war immer begabt gewesen. Meine Eltern haben mir immer vorgeschwärmt, dass sie schon mit vier Jahren so gut spielen konnte, dass die Leute weinten, wenn sie es hörten. Ich habe es nie gelernt, der Lehrer hat nach der ersten Stunde gemeint, ich wäre ein talentloses Stück", sagte er und ich lächelte leicht von seinen Worten, doch mir ging es kaum anders. Ich war alles andere als begabt, konnte weder richtig ein Instrument spielen noch malte ich hübsche Bilder oder konnte sonst irgendwas besonders gut.
Wehleidig sah ich ihn an, dachte daran, gerade erst ihre tiefsten Gedanken und Gefühle gelesen zu haben, fragte mich, wie viel er davon wusste, was er alles von damals noch wusste, doch er war ein Kind gewesen, so alt wie Dari, als sie starb, er würde kaum was Brauchbares mehr wissen können dazu.
„Nicht jeder ist begabt. Wenn ich spiele, klingt es auch immer grauenvoll."
„Ich habe schon lange nicht mehr so oft an sie denken müssen wie zurzeit. Seit du hier bist, scheint es so, als würde sie Tag und Nacht in meinen Gedanken schwirren, dann erinnere ich mich immer wieder daran, wie sie mir ein paar Stücke vorspielte, wie sie mir, als ich jünger war, Gutenachtgeschichten vorlas, dann sehe ich ihr Lächeln wieder, aber auch den Tag, als meine Eltern mich ins Wohnzimmer zu sich holten und mir sagten, sie wäre fort." Bedauernd sah ich Cameron an, wusste überhaupt nicht, was ich darauf erwidern sollte, wie ich ihm helfen sollte, wollte nicht, dass er meinetwegen sich quälte, aber was sollte ich daran ändern? Mir war bewusst, dass meine Anwesenheit für viele verwirrend sein musste, hatte es ihm bei unserer ersten Begegnung angesehen, nur ich konnte doch nichts dafür, dass ich so aussah.
„Meine Mutter hat nur geweint und mein Vater hat versucht ruhig zu bleiben, doch er war so zerzaust gewesen, ich glaube, er hat nicht gemerkt, wie wenig Sinn seine Worte ergeben haben. Irgendwann kapierte ich auch, was los war, auch wenn ich erst ein paar Jahre später erfuhr, was wirklich geschehen war."
„Wieso erzählst du mir das alles?", fragte ich ihn, als er aufstand, sich durch sein Haar fuhr, gestresst und verzweifelt wirkte.
„Ich habe, um ehrlich zu sein, keine Ahnung. Jeder spricht davon, wie ähnlich du und meine Schwester euch doch seid, aber ihr seid es nicht", sagte er, musterte mich dabei. „Ihr seid komplett unterschiedliche Personen, du scheinst ein nettes, normales Mädchen zu sein, aber Malia, sie war nie normal, man kann das Wort gewöhnlich niemals benutzen, um sie zu beschreiben, und Kellin... dieser Bastard weiß das."
„Ich weiß auch, dass ich nicht wie sie bin. Ich kenne sie nicht und weiß es, aber was versuchst du mir zu sagen, Cameron?"
„Ich denke, ich versuche zu sagen, dass es hierbei nicht darum geht, dich in die Vergangenheit zu entführen oder ähnliches, es ist was anderes und du solltest vorsichtig sein", meinte er und verwirrt sah ich ihm nach, als er zur Türe schritt.
„Wohin gehst du?"
„Abendessen", erwiderte er schlicht, als ob nichts Schräges an diesem Gespräch gerade gewesen wäre und ließ mich stehen, als ob er nicht gerade das Merkwürdigste überhaupt gesagt hatte.
Mir kam es vor, er wüsste mehr, als er es zugab, als ob er mehr wüsste, was es mit Kellin auf sich hatte, als er sagte, doch vielleicht irrte ich mich ja auch nur?
Ich schüttelte seufzend den Kopf, wollte ihm schon nach, als etwas Seltsames geschah. Kurz wurde mir schwindelig, ich sah meine Sicht verschwommen, und notdürftig hielt ich mich am Klavier fest, vernahm Musik dabei. Es war, als ob hier jemand ein Instrument spielen würde, dessen Lied den ganzen Raum erfüllte, und neben der Musik hörte ich ein Mädchen freudig lachen. Sie summte dabei eine Melodie, die ich kannte, die ich selbst vor allem als ich jünger war immer gesummt hatte und von der meine Eltern sich nie erklären konnten, woher ich sie denn kannte. Genauso schnell wie das alles auftaucht, verschwand es jedoch wieder.
Meine Sicht klärte sich, ich stellte mich mehr aufrecht hin und sah mich um, doch von der Musik oder dem Lachen war nichts mehr zu hören, so war auch kein Mädchen zu sehen. Ich war allein im Zimmer, kam mir jedoch nicht wirklich allein vor.
Es war, als ob irgendwas oder irgendwer noch hier wäre, als ob ich beobachtete werden würde.
Eine Gänsehaut breitete sich auf meinem Körper aus und mein Blick fiel zu dem Schrank, wo Dari das Loch zum Dachboden entdeckt hatte vor ein paar Wochen. Nein, für Geister oder ähnliches hatte ich nun wirklich keine Nerven, das wäre zu viel des Guten.
Hastig ließ ich das Musikzimmer hinter mir, eilte ebenfalls runter zum Abendessen und weit weg von dem, was gerade gewesen war.
Wörter: 3614
Aloha :) Ich hoffe euch hat es gefallen, auch wenn es kaum was von Reed gab. Jetzt ist wohl leider wieder neues Drama am Start, aber mal sehen, was daraus noch wird. Freue mich über eure Meinung xx
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