32. Im Rausch

"Our greatest glory is not in never falling, but in rising every time we fall" - Oliver Goldsmith

Es war so eigenartig. Ich konnte nicht in Worte beschreiben, wie schräg Haydens Kraft doch war, aber ich kam mir ein wenig vor wie der schnellste Mensch der Welt, dabei waren die anderen einfach nur so langsam und ich nicht schnell.

Anfangs bemerkte ich natürlich keinen Unterschied. In einem Raum, wo sich nichts bewegte, war es eben schwer zu merken, ob das klappte, doch kaum betraten wir Hand in Hand den Flur, fiel mir auf, wie langsam alles geworden ist um uns herum. Die Wachen, die den Gang auf uns abliefen, hoben so langsam ihre Beine, dass jeder normale Mensch längst das Gleichgewicht verloren hätte, ich zumindest hätte es wohl, aber das war eigentlich eher weniger verwunderlich.

Jede Person, an der wir vorbeiliefen, schien uns nicht zu sehen, bewegte sich in Zeitlupe und unbemerkt gelangten wir nach draußen, raus aus dem Quartier, wo Hayden meine Hand wieder losließ, als wir auf das Taxi zuliefen, die Zeit wieder Normalität gefunden hatte.

„Und?", fragte Hayden aufgeregt wie ein kleines Kind, wollte mich eindeutig mit seiner Kraft beeindrucken.

„Hut ab, auch wenn es sicher noch aufregender gewesen wäre in einer Umgebung, wo sich sonst viel mehr bewegt."
„Kann ich sicher irgendwann arrangieren", versicherte er mir und öffnete die Hintertüre, wo ich schon Daisy vorfand.

„Hi", begrüßte ich sie und den Taxifahrer, einen älteren Mann mit einer großen Brille auf der Nase.

„Alice, ich kann echt nicht verstehen, wieso du freiwillig hierbei mitmachst."
„Mein schlechter Einfluss", sagte Hayden, der sich zu uns auf die Bank quetschte, die Türe schloss und das Auto schon weiterfuhr, offenbar die Adresse längst kannte von unserem nächsten Ziel.

„Ich will etwas Spaß haben, und den Wachen zu entkommen ist irgendwie aufregend, auch wenn sie ja nur zu meinem eigenen Schutz da sind."

„Ich bin ja da und kommt Kellin, trete ich ihm in den Hintern", versicherte Hayden mir und ich sah wie Daisy die Augen verdrehte. „Bring dich nicht in Schwierigkeiten. Dein Bruder ist gefährlich!"

„Ich werde mit ihm schon klarkommen", schnaubte Hayden unbeeindruckt, doch ich wollte ihn auch nur ungern in Kellins Nähe wissen. Als Reed vor diesem gestanden hatte, war ich schon nervös gewesen, aber Hayden wirkte so viel friedlicher, sanfter als Reed, er würde vor Kellin nur noch mehr ganz verloren aussehen, was ich auf gar keinen Fall wollte. Kellin war gefährlich und unberechenbar, wer weiß schon, ob er nicht sogar seine eigenen Brüder töten würde.

„Dem Angreifer immer in die Kehle schlagen, das ist ein Schwachpunkt", mischte der Fahrer sich vorne ein und ich lächelte von diesem Tipp. „Ja, merke dir das, Hayden."
„Wird gemacht", lachte dieser und nach 20 Minuten Fahrt, erreichten wir das Haus, in dem die Party stattfinden würde.

Wir waren in irgendeiner Reichengegend – welch Wunder aber auch – wo die Häuser allesamt pompös wirkten, ähnlich wie in meiner Nachbarschaft und in einer dieser Häuser stieg gerade eine wilde Party. Die Musik hörte man von außen bereits, im Vorgarten lagen die ersten betrunken auf der Wiese, vor der Haustüre knutschte ein Pärchen wild miteinanderherum und ich wusste, dass dieser Abend wild werden würde.

Wir bezahlten den Fahrer, der entsetzt zu dem Trubel vor dem Haus sah, ehe er kopfschüttelnd weiterfuhr, wir uns nun dieser Nacht stellen müssten.

„Ok, trinkt nichts von Fremden und versucht nicht allein wohin zugehen", sagte Hayden warnend, als wir das Haus betraten, wo die laute Musik einen halb taub werden ließ, und mein Herz fing das Rasen an bei der Menge an Leuten hier drinnen.

Es war heiß, stickig und es roch nach Alkohol und Schweiß, doch ich wollte das hier ja genießen, also musste ich da nun durch.

Ich schmiss meinen Mantel auf den Berg an Jacken neben der Türe, hoffte, ich würde ihn weder finden können später, ehe ich den anderen mehr ins Innere folgte.

Ich sah einige bekannte Gesichter aus der Schule, sah den seltsamen Colin wild auf dem Kaffeetisch tanzen ohne Oberteil, sah wie Mädchen in Gruppen ihre Körper aneinanderrieben, während sie verführerisch versuchten zu tanzen. Ich sah, wie in einer Ecke gerade Leute Flaschendrehen spielten. Das hier war die klassische Party. Elin würde es lieben und durchdrehen vor Freude, ich hingegen würde dringend was zum Trinken brauchen, um lockerer zu werden.

„Wollt ihr was Trinken?", fragte Hayden und während Daisy mit dem Kopf schüttelte, nickte ich, würde Alkohol hierfür brauchen, ansonsten wäre ich zu schüchtern, zu nervös, um mich wohlfühlen zu können.

Wir folgten ihm in die Küche, wo es von Getränken und Bechern nur so wimmelte, erneut Paare an der Theke gelehnt wild herumknutschten und ich wollte nicht wissen, was in den Schlafzimmern wohl gerade geschah. Ich nahm einen Becher entgegen, den Hayden mir reichte, trank das Zeug, das süß schmeckte.

„Was ist das?", fragte ich ihn, der wohl dasselbe trank.

„Vodka und Energy, trink genug davon, und du bleibst die ganze Nacht wach", sagte er und ich sah Daisys kritischen Blick, doch ich würde mir ja nicht die Kante geben, wollte sicher nicht im Quartier alles vollkotzen müssen und mir am Ende von Warren und Mrs Flores eine Standpauke anhören, als ob sie meine Eltern wären. Nein, nein, davon hatte ich genug. Ich kannte meine Grenzen beim Trinken, wollte mich nur etwas lockerer fühlen dürfen, mehr nicht.

Die erste Stunde verlief recht unspektakulär. Ich tanzte mit Daisy zu irgendwelchen 2000er Liedern, versucht sie aufzulockern, da mein dritter Becher von dem Zeug es bei mir bereits schaffte mich etwas entspannender werden zu lassen.

Hayden begrüßte ständig neue Leute, wanderte von einem Punkt zum nächsten herum, machte kurz mit irgendeinem blonden Mädchen herum, ehe er wohl wieder genug hatte und weiterzog. Amüsiert beobachtete ich das Benehmen von diesem, versuchte meine Sorgen und Probleme so gut es ging abzuschalten, verscheuchte Kellin aus meinem Kopf, mein kleines Drama mit Reed, war froh hier zu sein, zu tanzen und das unbeschwert.

„Oh hi, wie cool, dass ihr da seid", begrüßte uns Harper, die mit uns in die Schule ging und schon deutlich angetrunken zu sein schien, so wie sie herumtorkelte.

„Hey Harper", begrüßte ich sie freundlich, so wie Daisy auch, die sofort mit dieser über irgendwelche anderen aus der Schule sprach, deren Namen mir recht wenig sagten, weswegen ich das nutzte, um mir was Neues zum Trinken zu besorgen, da ich so keine Angst haben musste, Daisy allein zu lassen. Diese schien sich weitaus weniger wohl hier zu fühlen und ich fragte mich echt, wie sie das jedes Mal sonst mit Hayden durchgehalten hatte bei so etwas anwesend zu sein.

Ich lief in die Küche, mischte mir etwas von der großen Auswahl an Getränken zusammen und wollte damit schon wieder gehen, als ich jedoch Chris bemerkte und dieser mich auch.

„Mäuschen, du bist ja wirklich hier", rief dieser euphorisch aus und lief auf mich zu, wo mir auffiel, wie die meisten ehrfürchtig wirkten. Ich vergaß manchmal auch, was für einen Ruf er, Dawson und Reed doch hatten, dass sie die Gefährlichen waren, dass sie für Schlägereien bekannt waren, man sich lieber nicht mit ihnen anlegen sollte. Es war komisch zu wissen, dass sie diese Seite an sich hatten, denn zu mir waren er und Dawson zumindest bisher immer so lieb und nett gewesen.

„Hey, wo sind deine Freunde?", fragte ich freundlich, nippte etwas an dem Getränk, stellte es neben mich auf die Theke.

„Sie müssten hier irgendwo-"
„Alice!" Wie gerufen kam Reed in Begleitung von Dawson auf mich zu und ich schluckte schwer davon, meinen Partner so schnell wieder zu sehen, zu sehen, wie verdammt gut er aussah, obwohl er wie Hayden auch einfach nur ganz in schwarz gekleidet war. Das wirklich Beunruhigende war wohl einfach eher, dass er sauer wirkte, sehr, sehr sauer. Ich hatte mit nichts anderem gerechnet. Oh man, ich wollte das hier klären, zumindest war das der Plan gewesen, doch so wie er gerade wirkte, würde das kaum was werden und auf Flucht zu gehen erschien mir schlauer.

„Du bist echt gekommen", sagte Dawson glücklich, während Reed eindeutig nicht erfreut zu sein schien, ganz im Gegenteil. „Was tust du hier? Wie bist du hierhergekommen?"
„Geht dich nichts an!", erwiderte ich schnippisch. Natürlich wollte er mich nicht hier haben. Ich hörte seine Freunde lachen und lief schon zurück ins Wohnzimmer, hatte keine Lust zu streiten, wohin er mir aber natürlich folgen musste.

„Mein Bruder hat dir also geholfen zu entkommen", sagte er, zählte eins und eins zusammen.

„Na und? Immerhin behandelt er mich nicht wie ein Kleinkind!"
„Ja, Hayden ist so verantwortungsvoll, wo ist er überhaupt gerade? Vögelt er sich wieder durch die Menge? Er bringt dich raus und lässt dich allein, wie wunderbar."
„Als ob du so viel besser wärst in der Hinsicht", zischte ich, dachte an Charlotte und was er mit dieser wohl alles schon getan hatte, riss mich los, war hier, um Spaß zu haben und nicht erneut mit ihm zu streiten. Sollte er doch seine heiße Freundin suchen und mit ihr in einer der Schlafzimmer vögeln, mich interessierte es nicht! Was er konnte, konnte ich erst recht. Ok, ich wollte mich nicht unbedingt hier flachlegen lassen, aber man konnte auch anders Spaß haben. Es hätte mir klar sein können, dass er nicht mit mir hier unsere Differenzen klären würde. Er war in Sorge wegen Kellin und ich war doch noch reizbarer als gedacht.

„Wie viel hast du getrunken?", fragte er mich, musterte mich, wo mir auffiel, wie sein Blick öfters meinen Körper auf- und abglitt als sonst, er wohl etwas irritiert von meinem Outfit war, da ich mich sonst nicht so freizügig präsentierte wie jetzt, man mehr von meiner Figur und meinen weiblichen Vorzügen sehen konnte als üblich.

„Nicht viel, ich bin nicht betrunken und nun lass mich. Ich habe dich nicht gebeten, mein Babysitter zu sein, du kannst ruhig gehen", versicherte ich ihm.

„Und zusehen, wie du am Ende von irgendeinem Ekel belästigt wirst?"
„Muss nicht dein Problem sein, mit wem ich was wann habe", sagte ich sauer, wandte mich ab. Ich lief etwas weg von ihm, wo mir gleich ein weiteres vertrautes Gesicht auffiel.

„Harry", rief ich nach dem Jungen, der immer noch mit einer gebrochenen Nase zu kämpfen hatte.

„Alice", sagte er, als er mich sah und umarmte mich. „Bist du allein hier?"
„Nein, mit Hayden und Daisy, aber beide sind gerade unauffindbar", sagte ich. „Was ist mit dir?"
„Ich bin mit den anderen Jungs vom Fußballteam hier, auch wenn ich wegen der Nase nicht trinken kann." Er deutete auf seine offensichtlich geschwollene Nase dabei.

„Immer noch so schlimm also."
„Naja, es braucht Zeit. Ist aber amüsant nüchtern auf einer Party zu sein und alle zu beobachten, wie sie abgehen."
„Ich habe mich noch im Griff nicht ganz so peinlich zu sein", merkte ich an und er musste lachen.

„Naja, peinlich noch nicht, aber man merkt, dass du getrunken hast. Dort drüben ist übrigens deine Freundin." Er nickte zu einem Sofa, wo Daisy und Harper lachend drauf saßen und normal miteinander redeten, doch ich wollt tanzen und nicht reden.

„Ich glaube, ich bewege mich lieber etwas mehr."
„Breche dir einfach nicht alle Knochen dabei. Ich spreche aus Erfahrung, dass das nicht witzig ist", sagte er amüsiert und ich stellte mich gutgelaunt zu der tanzenden Menge, weg von Harry, weit weg von Reed, bewegte mich im Rhythmus der Musik, merkte, wie frei ich davon wurde, wie glücklich und unbeschwert.

Ich schloss meine Augen, hatte Spaß und wusste, dass der Alkohol half so zu sein, doch ich konnte nach wie vor klar denken, war nicht betrunken, so dass sich jemand sorgen müsste. Seit ich bei einer meiner ersten Partys anschließend Elins Zimmer vollgekotzt hatte, hatte ich meine Grenzen gelernt und würde sicher nie wieder so weit gehen wollen.

Ich öffnete die Augen und sah, wie ein Typ mich anlächelte und ich lächelte zurück. Er sah gut aus, dunkles Haar, dunkle Haut, schien breit gebaut zu sein und mein Lächeln schien ihn eindeutig zu ermutigen, da er schon dabei war, auf mich zuzulaufen, mit mir zu tanzen, doch ehe er mich erreichen konnte, stellte sich Reed vor mich, blockierte den Zugang.

Kurz dachte ich, er würde mich wegziehen und wieder zickig sein, wieder darüber streiten, wieso ich doch hier war und alles, doch zu meinem Verblüffen, legte er seine Hände an meine Taille und tanzte mit mir.

„Wieso tust du das?", fragte ich leise, überrascht, während wir uns im Takt bewegten, uns auf eine seltsame Art so nahe waren.

Ich war fasziniert von seiner Nähe, seiner Ausstrahlung, legte meine Hände an seine Schultern und sah in sein Gesicht auf. Seine Augen sahen mich an und ich erschauderte von der Art, wie sie mein Gesicht musterten, kurz an meinen Lippen hängen blieben.

„Ich will nicht zusehen, wie irgendein Dreckskerl mit dir tanzt."
„Dann schau nicht hin", meinte ich und er verstärkte seinen Griff um meine Taille, zog mich enger an sich.

„Das Wissen reicht, um mich wütend zu machen", sagte er und ich sah ihn verwirrt an. „Wieso?" Es sollte ihm doch egal sein. Ich könnte doch eigentlich tun, was ich möchte, es könnte ihn nicht stören und doch tat es das.

„Stell doch nicht immer so furchtbar viele Fragen, das hier ist nicht der passende Ort, für diese Antworten", sagte er genervt und ich lächelte, schaffte es wohl wirklich immer wieder seine Nerven zu überstrapazieren, aber mir egal, er nervte mich in gleichermaßen zurück. Ich krallte mich mehr an ihn fest, drückte meinen Körper enger an seinen und hatte keine Ahnung, woher ich den Mut nahm, obwohl... eigentlich wusste ich es sehr wohl, danke Alkohol.

Reeds Hände strichen leicht unter mein Oberteil, berührten nun nicht mehr das Stück Stoff, sondern meine nackte Haut, ließ diese ganz heiß werden von dem Hautkontakt. Ich sah wie magisch angezogen in seine Augen, klammerte mich nun eher an seinem Nacken fest, verspürte das Bedürfnis, ihm noch näherzukommen und mein Blick fiel auf seine Lippen. So gern hätte ich ihn geküsst, wäre über meinen Schatten gesprungen, hätte ihn genauso geküsst wie er mich im Wald küsste, doch ganz so mutig war ich dann doch nicht, wollte nicht erneut alle Grenzen überschreiten, dennoch änderte sich etwas zwischen uns. Wir hatten zu Tanzen aufgehört und keine Ahnung mehr, wie das geschah, doch plötzlich waren wir weg von den Leuten und ich wurde von ihm gegen die nächste Wand gedrückt und seine Hände lagen nun an meinem Hintern, wo sie sich wie vor fast einer Woche im Treppenhaus schon festgriffen und dieses Mal entwich mir dabei ein zufriedenes Seufzen, was er deutlich hörte und mir die Röte ins Gesicht trieb. Oh Gott, was tat ich hier bitte? Ich musste mich dringend wieder in den Griff kriegen, nur es erschien mir so unmöglich, nicht, solange er mir so nahe war, mich so festhielt, mich so ansah.

„Fuck Alice, ich muss dir was sagen", raunte er, presste seine Stirn gegen meine, schloss die Augen und ich legte meine beiden Hände an seine Brust, spürte seinen Herzschlag zu deutlich, der genauso beschleunigt war wie mein eigener.

„Was ist?", fragte ich unschuldig und er öffnete wieder die Augen, sah mich mit einer Art an, die neu war. Er wirkte so sanft, so verliebt fast schon und ich wurde ganz kribbelig von diesem Blick, konnte mich nicht erinnern, wann mich je irgendwer zuvor so angesehen hatte. Er war gerade dabei, zu antworten, als Hayden sich zu uns stellte, besorgt wirkte, weswegen wir uns schlagartig voneinander lösten. Reed ließ von mir ab und schwer atmend lehnte ich an der Wand, kam mir noch ganz zerzaust vor und das obwohl eigentlich nichts geschehen ist dieses Mal, doch sein Blick war so intensiv gewesen, was hatte er mir sagen wollen? Was war das mit uns nur?

„Wir müssen reden", sagte Hayden an seinen Bruder gerichtet, der nickte und zu mir sah, so wirkte, als ob er gern mehr sagen wollte als er letztendlich tat. „Sei vorsichtig und hau nicht ab." Er folgte Hayden und etwas verloren blieb ich zurück, fühlte mich durcheinander von dem, was gerade war. Ich wollte nicht hier angelehnt bleiben und warten müssen, merkte, wie der Alkohol in meinem Blut weniger wurde, mein Mut mich drohte zu verlassen und das wollte ich nicht, noch nicht, nicht, nachdem was mit Reed und mir gerade wieder gewesen ist. Wie weit wäre es dieses Mal wohl gegangen, wenn Hayden nicht gekommen wäre? War ich froh, dass Hayden gekommen war? Ich wusste es nicht zu sagen, beschloss in die Küche zu gehen, da ich mein Getränk dort vorhin gelassen hatte, brauchte etwas, um kurz diese neuen Probleme auch zu vergessen und war froh es noch genau so wieder dort vorzufinden.

Ich nippte etwas an diesem, sah mich um nach vertrauten Gesichtern, ob ich wohl Dawson oder Chris ausfindig machen würde, sah nur leider keinen von ihnen, lediglich Ben, der eigenartige Freund von Chris, der mit irgendeinem Mädchen in einer Ecke wild am Herumknutschen war, was mich schmunzeln ließ.

Ich spürte, wie meine Blase sich meldete, langsam wohl wollte, dass ich das ganze Trinken wieder los wurde, weswegen ich mein Getränk wieder zur Seite stellte und mich auf die Suche nach einem Klo begab. Unten wäre garantiert eines, doch da es hier verdammt voll war, würde ich mein Glück eher oben versuchen, wo es hoffentlich sauberer und leerer wäre, wo hoffentlich weniger los sein würde. Ich kämpfte mich durch zur Treppe, hinauf in den ersten Stock, wo auch noch so einige Leute waren, weswegen ich gleich weiter in den zweiten lief, wo es schon wesentlich leerer und ruhiger war.

Oh man, wem auch immer das Haus gehörte, würde viel zum Aufräumen haben. Überall lagen Becher, auf dem Boden lag Kotze, Bilder hingen schief an der Wand und ein Schuh lag verwahrlost am Boden. Wer verlor bitte seinen Schuh auf einer Feier? Vermisste den denn kleiner? Dachte sich irgendwer, dass er halt jetzt einfach nur noch mit einem Schuh weiterlaufen würde? Verrückt. Ich schüttelte belustigt den Kopf, öffnete die erste Türe, schloss sie jedoch sofort wieder, als ich sah, wie zwei Leute dort drinnen gerade dabei gewesen sind, Sex zu haben. Nein, das brauchte ich nicht zu sehen! Der Anblick von dem blassen Hintern des Typen dort drinnen würde mich vermutlich aber dennoch bis ans Ende meiner Tage in Albträumen verfolgen und angeekelt erschauderte ich. Ich sah schon vor mir, wie ich im nächsten Traum nicht von Kellin sondern von dem milchweißen Hintern eines Besoffenen verfolgt werden würde. Ja, blühende Fantasy, Alice.

Ich wollte schon die nächste Türe öffnen, als mich ein ganz plötzlicher Schwindel überkam, ich mich etwas benommen an der Türklinke festhielt, um nicht zu fallen. Wow, was war das denn? Kickte der Alkohol nun endlich richtig rein und ich wurde betrunken? Es wäre etwas schräg, da ich eigentlich noch ein Stück mehr vertragen konnte.

Ich schüttelte leicht den Kopf, versuchte die Türe zu öffnen, die jedoch zugesperrt war, weswegen ich es bei der nächsten versuchte, nur erneut merkte, wie meine Gegend sich das Drehen anfing und mir wurde unwohl. Ich hatte eigentlich nicht viel getrunken für so eine Wirkung, hatte nichts von jemand fremden getrunken und...

„Ich Idiotin", murrte ich, schaffte es die Türe zu öffnen, hatte Glück, dass es ein Badezimmer war und torkelte zum Waschbecken, doch wieso hatte ich naives Stück auch aus einem Becher getrunken, den ich unbeaufsichtigt irgendwo stehen gelassen hatte? Ich hatte nicht viel getrunken aus diesem, doch offenbar genug, damit es mir nicht gut erging.

Ich sollte besser jemanden anrufen, mich fürs erste hier einsperren zur Sicherheit, hatte ja keine Ahnung, wer mir da was hineingekippt hatte.

Ich drehte mich mit dem Vorhaben um, wäre fast hingeflogen, wurde jedoch gerade noch so festgehalten.

„Wow, immer langsam, kleine Alice, nicht so wild."

„Nicht du", sagte ich verzweifelt, sah in Scott Harveys Gesicht, der mich festhielt und von dem ich mich mit voller Kraft losriss, zu Boden dabei fiel, was diesen amüsierte, während er die Türe zu kickte, wir nur noch zu zweit waren, der Lärm der Party hier oben nur noch schwach zu einem hallte.

„Ich verteile gern mal in paar Becher ein paar Tropfen, jetzt stell dir mein überraschtes Gesicht vor, als ich sah, dass du aus einer der Becher getrunken hast. Normalerweise sind die Mädchen betrunkener hierbei, jammern weniger, vergessen schneller, aber du wolltest es ja eh immer schon auf die schwere Tour, nicht?", sagte er und mir wurde schlecht, als ich seine Worte begriff, was er gerade zugab alles schon getan zu haben, wie viele arme Mädchen schon in so einer Situation gewesen waren, unwissend und panisch. Genau das würde mir nun widerfahren. Er würde mich nicht gehen lassen, er war krank.

„Du mieser Bastard", murmelte ich, versuchte meinen Kopf klarzuhalten, aber es war schwer. Alles drehte sich, ich fühlte mich zittrig, schwach, benommen, als ob ich ganz hohes Fieber hätte, und ehe ich mich versah, kauerte er schon über mir, lächelte mich dreckig an. „Ich wusste immer, dass du früher oder später unter mir liegen würdest, aber keine Sorge, dir wird das gefallen, versprochen", sagte er, fing an meinen Hals mit Küssen zu bedecken, seine eine Hand unter mein Oberteil zu streichen, und Ekel überkam mich.

Ich würde hierbei nicht mitmachen! Ich würde nicht daliegen und abwarten, was geschieht, selbst wenn mein Körper anfing dichtzumachen.

Ich zog meine Beine an, trat mit aller Kraft nach ihm, erwischte ihn im Gesicht, drängte ihn so von mir herunter und ich wollte aufstehen, als ich ihn schreien hörte. Ich wollte mich aufrichten, nur fiel ich vor Schwäche gleich wieder hin und er fing sich schneller als gedacht wieder, drückte mich nun auf meinem Bauch zu Boden.

„Du verdammte Schlampe willst es also auf die Tour", sagte er und ich konnte meine Tränen nicht stoppen, doch er war mir überlegen und ich hatte Angst vor dem, was er mir antun würde.

„HILFE!", schrie ich hysterisch, verstummte jedoch gleich, als er mir ein Taschenmesser vors Gesicht hielt, er sich mit seinem halben Gewicht auf mich drückte, eindeutig Macht über mich hatte.

„Ganz still, oder ich schwöre dir, ich schneide dir irgendwas ab", sagte er wütend von meiner Gegenwehr hierbei und ich kniff die Augen zusammen, als er sich daran machte, mir mein Oberteil zu zerschneiden. Ich schluchzte leise vor mich her, wollte ohnmächtig werden, das hier nicht miterleben müssen. Ich glaubte schon, das wäre es dann gewesen, ich verloren hatte, als er da plötzlich von mir gezogen wurde.

„Keine feine englische Art mit Mädchen umzugehen", sagte mein Retter und ich öffnete meine Augen wieder, sah verstört, wie Kellin Wentworth Scott am Kragen gepackt hatte, ihm sein Messer abnahm, ehe er den Schädel des Jungen gegen die geflieste Wand schlug, einmal, zweimal, dreimal.

Ich sah mit einem schockierten Blick zu, wie Blut floss, die Fließe an der Wand zerbrach, Scott bewusstlos zu Boden fiel. Ich wusste gar nicht, ob er überhaupt noch lebte, doch wenn ich ehrlich war, hatte ich gerade ganz andere Sorgen, als Kellin sich da an mich wandte.

Benommen kroch ich weg von ihm, weinte nach wie vor, sah nun zu meinem nächsten Peiniger. Er hatte mich vor einer Vergewaltigung gerettet, doch was er mir antun würde, würde vermutlich kaum besser werden.

„B-Bleib weg", schluchzte ich, stieß gegen die nächste Wand und amüsiert kam er mir näher, kniete sich vor mich hin, so dass unsere Gesichter auf einer Ebene waren, ich ihn ängstlich ansah.

Waren wir schon verbunden? Würde er mich jetzt entführen? Würde ich wie Malia enden? Ich sah in das von Narben entstellte Gesicht des Mannes, sah zu deutlich seine Ähnlichkeit zu seinen Brüdern, war wie damals im Musikzimmer seltsam gefangen von seinem Blick.

„Ich kann es sehen", murmelte er leise, sah mir nun in die Augen. „Ich bin schockiert, dass meine Brüder es nicht sehen können, wo sie dich doch so viel besser kannten." Irritiert sah ich ihn von den Worten an, verstand nicht, was er meinte, als er leicht lächelte. „Oh der kleine Schwanzlutscher hat dich ja schön mit Drogen versorgt, aber es wird vergehen", murmelte er, strich mir übers Gesicht und ich erschauderte.

Ich konnte nichts tun, außer ihn anzustarren. Mir war immer noch schlecht, ich sah ihn teilweise doppelt vor mir, merkte, wie ich müde wurde, doch ich hatte Angst einzuschlafen, Angst davor, was dann geschehen würde, dass ich verschwinden würde, für immer und ewig.

„Bitte", hauchte ich leise, hörte da, wie jemand irgendwo im Haus nach mir rief und keine zwei Sekunden später platzte Hayden ins Bad, sah entsetzt von dem halbtoten oder vielleicht sogar toten Scott, weiter zu Kellin und mir.

„Bruderherz", rief Kellin begeistert aus diesen zu sehen, während Hayden sich anspannte, schockiert zu sein schien von der ganzen Lage, doch sie war auch skurril. Wer hätte schon ahnen können, dass eine Party so endet? Ein halbtoter Vergewaltiger, der verlorene Bruder und das unter Drogen gesetzte Mädchen. Klasse Geschichte.

„Was ist hier los?", fragte er.

„Ich habe der kleinen Alice hier nur den Hintern gerettet."
„Alice, geht es dir gut?", fragte Hayden mich und ich schüttelte den Kopf, denn nichts war auch nur irgendwie gut. „Ich will nach Hause", schluchzte ich weinerlich, wollte zu meiner Mum, wollte weg von hier, weit weg.

„Alles ist gut, Sonnenschein, ich bringe dich gleich nach Hause", versprach er mir und Kellin lachte erheitert auf. „Du und Reed habt ja solche Probleme, wenn es um Frauen geht, und ihr seid zu blind, um es zu kapieren. Eigentlich war mein Plan es ja, sie mitzunehmen, aber so auf Droge wie sie ist, kann ich das gerade nicht gebrauchen, ich habe keine Zeit mich um sie zu kümmern", meinte er, stand wieder auf und lief nun auf seinen Bruder zu, der sich ihm in den Weg stellte. „Ich werde dich nicht gehen lassen!"
„Entscheide dich, was dir wichtiger ist. Ein Kampf oder für sie da zu sein? Ich könnt springen, aber wir sind im zweiten Stock und das Haus steht noch nicht zu lange, ich würde das ungern tun", sagte Kellin, doch ehe Hayden antworten konnte, betrat Daisy das Bad hinter ihm, die verstört sich die ganze Szene hier ansah. „Was zum...", murmelte sie und Hayden stellte sich sofort schützend vor die Blondine.

„Keine Sorge, ich weiß, wer sie ist und ich bin nicht so blöd mich mit Hades anzulegen", lachte Kellin, hob abwehrend die Hände dabei, als er den Raum verließ, da Hayden ihn nicht aufhalten würde, es nicht wagen würde solange Daisy da war.

„Verdammte scheiße", fluchte dieser, der nun auf mich zugelaufen kam, während Daisy weiterhin verstört zwischen uns allen und vor allem Scott hin- und hersah. „Ist er tot?"

„Keine Ahnung, geh und suche Reed, wir brauchen ihn!", wies Hayden sie an und sofort rannte sie los.

„I-Ich... mir geht es nicht gut", schluchzte ich und er zog mich in seine Arme. „Psht, alles ist ja gut, dir wird nichts geschehen", beruhigte er mich und ich krallte mich hilflos an ihm fest, war mir noch nie in meinem Leben so elendig vorgekommen, so schwach, so erbärmlich.

„Nein... er wollte... aber Kellin hat... ich konnte nicht...", schluchzte ich völlig zusammenhanglos, konnte nicht mehr wirklich klar denken, mein Kopf war wie leer, ich kam mir so orientierungslos und panisch vor, wollte nur zu meinen Eltern.

„Alles ist gut, dir wird niemand mehr was anhaben", beruhigte er mich erneut, als ich schon Reed nach mir schreien hörte. „Alice!" Er kam in den Raum gerannt und Hayden löste sich von mir, machte Platz für diesen. Wie ein Kleinkind streckte ich meine Arme nach ihm aus, wollte nur in seiner Nähe sein, war froh, als er ohne zu zögern zu mir lief, sich zu mir auf den Boden setzte und in seinen Schoß hob, die Arme um mich schlang. Weinend schmiegte ich mich an ihn.

„Alles wird gut, Herzblatt", versprach er mir. „Was ist hier geschehen?", richtete er das Wort nun an Hayden, der ihm das Nötigste erklärte.

„Wir müssen einen Krankenwagen rufen", sagte Daisy aufgebracht.

„Und den Ärger hierfür kriegen?", fragte Hayden, als ob sie verrückt wäre.

„Ruft den Notarzt von seinem Handy und lasst uns verschwinden, wir können eh nichts für ihn tun, außer ihm noch weiter den fucking Schädel einschlagen", sagte Reed abfällig, der sicher genau das getan hätte, wenn er sich nicht um mich gekümmert hätte.

„Und was ist mit Alice?", fragte Hayden, während Reed sich seine Jacke auszog, sie mir anzog, da mein Oberteil dank Scott nicht mehr intakt war, ich halbnackt hier vor ihnen allen saß, doch um ehrlich zu sein, hatte mich das nicht einmal mehr wirklich gestört. Ich war zu taub geworden.

Glücklich kuschelte ich mich dennoch in diese, fühlte mich nicht mehr fähig viel zu sagen, war zu kaputt, hatte kaum mehr die Kraft wach zu bleiben.

„Ruf ihren Cousin an, er soll sie abholen, sie will heim und zum Quartier kann sie nicht in dem Zustand", sagte Reed.

„Und Kellin?", fragte Daisy besorgt.

„Er wird sie nicht anrühren in dem Zustand, sonst hätte er gerade die Chance gehabt", sagte Hayden und ich schloss kurz die Augen vor Schwindel.

Als ich sie wieder öffnete, waren wir nicht mehr im Bad, sondern draußen und ich hatte keine Ahnung, wie wir hergekommen waren. Ich merkte jedoch, dass Reed mich trug, meine Arme um seinen Nacken lagen, er mich an meinen Beinen festhielt, meine Vorderseite gegen seine gedrückt wurde, so dass ich mir etwas wie ein Äffchen vorkam, jedoch zufrieden über die Nähe zu ihm war, zumindest bis ich da Camerons Stimme vernahm. „Was zur Hölle soll die ganze Scheiße!", schrie er wütend und ich verstärke meinen Griff um Reed, wusste nämlich, dass wir uns nun trennen müssten.

„Wir erklären alles später, sie sollte heim und schlafen", sagte Hayden beruhigend.

„Dann soll dieser Mistkerl meine Cousine loslassen, bevor ich ihm den Kiefer breche! Euch nehme ich mit, ihn nicht!"
„Willst du es versuchen?", fragte Reed provozierend.

„Jetzt ist doch nicht die Zeit für so ein Gezanke! Schaut sie euch an, sie sollte dringend nach Hause", sagte Daisy gereizt und ich hörte Reed seufzen, als er mich gezwungen herunterließ, ich nur mühsam auf eigenen Beinen stehen konnte.

„Tut mir leid, Herzblatt, du musst jetzt nach Hause", sagte er sanft und ich klammerte mich weiter an ihn fest, wollte nicht gehen, ihn nicht verlassen. Er küsste meine Stirn, meine eine Schläfe und ich drohte zu vergehen, so gut fühlte es sich an. Bei ihm fühlte ich mich sicher, wohl, wollte nicht wegmüssen.

„Komm her, Alice, wir sind ja da", sagte Hayden, der mich sanft von seinem Bruder zog und weiter ins Auto, wo er sich zusammen mit Daisy zu mir setzte, lediglich Reed zurückblieb, dem es hoffentlich gut ging.

„Ich bin müde", murmelte ich schläfrig, vermisste Reed, war so verwirrt, fühlte mich grässlich.

„Dann schlaf, Sonnenschein, morgen sieht die Welt besser aus", versicherte Hayden mir und ich schloss meine Augen, ließ die Dunkelheit endgültig über mich kommen.

Wörter: 5025


Aloha :) Ich hoffe es hat euch gefallen. Arme Alice hat es nicht gerade leicht. Würde mich wie immer übere eure Meinung freuen und seid immer Wachsam, wo ihr eure Getränke hinstellt, Kids xx

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