13. Mr Arschloch
"All suffering originates from craving, from attachment, from desire." — Edgar Allan Poe
Reed deutete mir an, ihm zu folgen und ich schulterte meine Tasche wieder und folgte ihm aus der Schule hinaus, weiter auf den Parkplatz, würde gewiss nicht schlau aus ihm werden.
„Musst du nicht auch eigentlich im Unterricht sein?", fragte ich, als wir uns dem Auto näherten, das ähnlich wie Haydens wirkte: schwarz, verdammt teuer und viel zu luxuriös für die Schule, aber das hier war ja eine Elite-Schule und vor mir stand jemand, der paar hundert Jahre alt war und sicher das nötige Kleingeld für so einen Wagen besaß.
„Es ist Kunst, das braucht kein Mensch", sagte er und zuckte mit den Schultern, schien wirklich kein Problem zu haben das Fach zu verpassen, was mich beruhigte, immerhin schwänzte ich es auch und unsicher stieg ich auf der Beifahrerseite seines Autos ein, als er dieses aufsperrte.
Es roch stark nach ihm hier, seinem Parfum, das er benutzte, und ich fragte mich, ob er sich hier ständig damit vollsprühte oder woher der starke Duft bitte herkam.
„Wie kommt es eigentlich, dass ihr nach all der Zeit, in der ihr schon lebt, noch zusammenlebt?", fragte ich, während er auf sein Handy schaute. Ich war neugierig in der Sache und wollte nicht die Fahrt schweigend neben ihm verbringen. Lieber bemühte ich mich Konversation zu betreiben, denn von ihm würde ich nicht viel erwarten in der Angelegenheit. Reed war kein gesprächiger Typ oder zumindest war er nicht gesprächig in meiner Nähe.
„Wir leben ja nicht immer zusammen. Es gab viele Jahrzehnte, wo wir getrennt leben. Wenn man gerade keinen besseren Ort hat, leben wir eben zusammen bei unseren Eltern und seit unser Bruder fort ist, brauchen sie uns", erklärte er mir und ich wusste nicht so recht, was ich sagen sollte, konnte mir so ein ewig langes Leben aber auch einfach nicht vorstellen. Ich würde das nicht wollen. Ich würde nicht wollen, dass jeder um mich herum stirbt, mein kleiner Bruder irgendwann älter wäre als ich. Es war zu traurig.
„War das Haus, in dem ihr lebt, schon immer Teil eurer Familie?", fragte ich ihn weiter, nutzte es aus, dass er kurz weniger gemein war, merkte, wie glücklich es mich machte in seiner Nähe zu sein, dass es mich beruhigte. Diese Bindung war scheiße. Ich wollte gemein und schnippisch sein dafür, wie er über mich sprach, doch es war nicht leicht und eigentlich wäre es sinnlos mich so aufzuführen. Ich wollte keinen Streit, ich wollte die Stärkere sein und das Erwachsen durchstehen.
„Sie haben es bauen lassen, so wie deine Vorfahren euer Haus erbauten, damals waren unsere Familien auch noch keine Feinde, das kam erst mit der Zeit."
„Du weißt vermutlich so viel mehr zu allem Geschichtlichen als irgendwer sonst", merkte ich fast neidisch an, sah wie er lächeln musste von meinen Worten und ich glaube, ich hatte nie etwas Schöneres gesehen. Der Typ konnte wirklich noch heißer werden, es war nicht fair. Neben ihm kam man sich vor wie ein alter Kartoffelsack, während er ein gefallener Engel zu sein schien. Er wirkte einfach auf eine Weise anders, die magisch war. Man sah ihn an und glaubte, vor einem würde kein einfacher Mensch stehen. Ich sah ihm einfach an, dass er aus einer anderen Zeit stammte, seine Gesichtsform, alles an ihm nicht wie bei Leuten unserer Zeit wirkte und es machte ihn einzigartig attraktiv. Sein Lächeln ließ mein Herz schneller schlagen, erfüllte mich richtig mit Leben und Energie, es war so verrückt, wie konnte es ihm nicht auch so ergehen? Oder tat es das und er überspielte es einfach geschickter? Wenn ich nur schlau aus ihm werden würde. Ich müsste dringend Daisy oder Hayden mehr ausfragen zu dieser Bindung, ob es überhaupt möglich war das zu überspielen, sie müssten es doch wissen.
„Hat seine Vorteile in der Zeit reisen zu können", lachte er und zog plötzlich die Stirn kraus, als er auf sein Handy sah, was mich beunruhigte, war irgendwas?
Er steckte sein Handy in seine Hosentasche, fuhr sich gestresst durchs Haar und noch ehe ich fragen konnte, sprach er bereits: „Was wollte Scott Harvey von dir?" Irritiert blinzelte ich von der Frage, hatte Scott längst wieder aus meinem Kopf verscheucht, wusste nicht, wieso er plötzlich mich nach diesem fragte.
„Scott Harvey", wiederholte ich den Namen, war schockiert, wie wütend er zu sei schien, das Lenkrad vor sich nun ergriff und gefährlich umklammerte. Wow, was ging denn nun bitte ab?
„Dawson meinte, er hätte dich vor ihm gerettet, was wollte er?"
„Meine Nummer, aber es ist ja nichts gewesen, Dank Dawson", sagte ich, doch irgendwie wirkte er noch nicht beruhigt.
Warum war er denn so wütend? Es konnte ihm doch egal sein, was mit mir ist und was Scott Harvey von mir möchte.
„Verdammter Bastard", murrte Reed, startete endlich den Motor und fuhr los, wobei sein Fahrstil mir ein wenig Angst machte. Wie meine Tante hielt er sich nicht wirklich an irgendwelche Geschwindigkeitsbegrenzungen, fuhr sehr wild und ich klammerte mich an dem Ledersitz unter mir fest.
„Wohin fährst du?", fragte ich, da ich mich zwar nicht unbedingt gut hier auskannte, aber das war eindeutig nicht der Weg nach Hause.
„Ich muss mich abreagieren", sagte er gereizt und ich sah ihn irritiert an. „Abreagieren? Von was denn?"
„Einfach allem", erwiderte er und ich nickte nur, wusste nicht, was ich dazu schon sagen sollte. Gerade war noch alles gut gewesen und nun war er auf 180, weil Dawson ihm von meinem und Scotts Aufeinandertreffen berichtet hatte. Es könnte ihm doch gleich sein, was mit mir ist, gerade im Gang hatte er ja zu deutlich gemacht, dass ich ihm egal war und trotzdem fuhr er nun wie ein Verrückter durch die Straßen Londons, als ob wir Teil eines illegalen Autorennens wären.
„Hast du ein Ziel vor Augen?", fragt ich ihn, da es mir lieber wäre, wenn er in dem Zustand nicht fahren würde, endlich anhält. Ich wollte nicht unbedingt in einem Autounfall sterben, weil der verehrte Herr etwas gereizt war.
„Ja", sagte er schlicht zur Antwort, fuhr mehr aus den belebteren Teilen der Stadt heraus und ich sah mir neugierig die Gegend etwas an, hatte wirklich gar keine Ahnung, wo wir hier waren, aber es waren weniger Gebäude zu sehen und die Straßen waren auch nicht mehr so überfüllt, wofür ich dankbar war, da ich echt Angst hatte, dass Reed sonst noch irgendwem hinten reinfahren würde bei seinem Tempo. Wieso bat er mir an, mich nach Hause zu fahren, wenn er es am Ende nicht einmal tat? Er konnte mich nicht einfach mit sich in die Pampa fahren, weil er etwas gereizt war. Ich war froh über diese Nähe und alles, nur die Lage machte mir gleichzeitig auch etwas Angst.
Er hielt schließlich an einem verlassenen Parkplatz, von wo aus man die Themse sehen konnte und besorgt sah ich ihn an, da er nicht vorhatte auszusteigen, sein Lenkrad nur festhielt und starr geradeaus sah, ziemlich wütend wirkte. Oh man, er sollte in ein Anti-Aggressionstraining gehen.
Sollte ich ihn ansprechen oder würde es das nur schlimmer machen? In mir drinnen schrie alles regelrecht danach, meine Hand auszustrecken, seine eigene zu berühren, den festen Griff, den er ums Lenkrad hatte, zu lösen, ihn zu beruhigen, doch wir standen uns nicht nahe genug und ich wusste, dass er mich nicht wirklich ausstehen konnte, wollte nicht am Ende von ihm aus dem Auto gekickt werden und das irgendwo im nirgendwo. Ich kannte mich hier doch null aus, würde sicher nur verloren gehen oder entführt werden bei meinem Glück.
„Was ist los?", fragte ich ihn vorsichtig, hielt mich davon ab, ihn irgendwie zu berühren und er lachte ein recht trockenes Lachen, ließ endlich das Lenkrad los und fuhr sich durch sein dunkles Haar, schloss die Augen. „Fuck", raunte er und ich sah ihn hilflos weiter an, wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. „Bleib im Auto!" Er stieg aus, knallte die Türe hinter sich zu und lief ein wenig weg, schien jemanden anzurufen. Was das alles sollte, war mir wirklich ein Rätsel, aber ich wollte wissen, was vor sich ging. Ich öffnete meine Türe ein bisschen, um wenigstens irgendwas hören zu können, nur leider waren der Wind und die Geräusche des Wassers zu laut, um wirklich viel zu verstehen.
„... das ist kein Zufall!", sagte Reed gerade deutlich gereizt zu wem auch immer. „Sie ist bei mir, aber... die Wahrheit ist zu abgefuckt und..." Ich hörte nur Bruchstücke des Gesprächs, wollte aber verstehen dürfen. Was war denn los? Kaum beendete er das Gespräch, stieg ich aus dem Wagen und lief auf ihn zu, wollte Antworten!
„Mit wem hast du gesprochen?", fragte ich ihn und er sah überrascht zu mir.
„Habe ich nicht gesagt, dass du im Auto bleiben sollst?!"
„Ja, aber es ist mir egal", stellte ich klar. „Was ist also los? Wieso bist du so sauer?"
„Ist egal, na los, ich sollte dich heimfahren", sagte er, seufzte leise und ich verengte meine Augen zu Schlitzen, mochte es nicht, dass er mir eindeutig irgendwas vorenthielt, das was mit mir zu tun hatte.
„Nein danke, ich laufe lieber", sagte ich und wusste, dass ich mich recht albern und kindisch aufführte mit meinem Benehmen, aber es nervte mich zu sehr, dass er glaubte alles zu bekommen, was er wollte. Ich ließ mich nicht von ihm herumkommandieren und wenn er mir Dinge vorenthalten wollte, dann würde ich mich bockig stellen.
„Alice!", rief er nach mir, da ich loslief, zurück in Richtung Straße. Ich hatte absolut keine Ahnung, wo wir waren und wie es zurückging, aber ich würde einfach die Straße entlanglaufen, bis ich hoffentlich die Schule wiederfinde.
„Alice, was soll die fucking Scheiße?" Ich hörte, wie er sich mir näherte, rechnete schon damit, dass er sich mir in den Weg stellt und mich wütend anschreit, aber das hatte er gar nicht vor. Er riss mir stattdessen die Füße vom Boden, warf mich einfach über seine Schulter und trug mich zurück zum Auto.
„Lass mich los!", schrie ich, wusste, dass das für Außenstehende wie eine Entführung wirkte, aber wenn es so wäre, schien es keinen zu interessieren. Er öffnete die Beifahrertüre, platzierte mich auf dem Sitz und schnallte mich an. Ich verschränkte wütend die Arme vor der Brust und seufzte genervt, als er die Türe laut zuknallte.
„Erinnere mich daran, dass ich dich nie wieder mitnehme", sagte er, als er sich auf seinen Sitz setzte und den Motor startete.
„Ich will auch gar nicht je wieder mit dir in einem Auto sitzen", murrte ich genauso patzig. Es war klar gewesen, dass das so enden würde, aber es war definitiv nicht meine Schuld. Er war wie ein Verrückter hierher gefahren wegen Scott Harvey. Wieso war er so wütend geworden wegen der Sache?
„Was hat dich so aufgebracht?", fragte ich ihn erneut, wollte einfach verstehen dürfen.
„Vergiss es, versuch einfach... versuch einfach nicht ständig ein Problem zu sein, ok?" Er sah nicht zu mir, als er das sagte, sah starr nach vorne.
„Ein Problem? Was habe ich denn getan?", fragte ich aufgebracht von seinen nicht freundlichen Worten, musste mir so etwas doch nicht anhören! Er war es doch, der einfach wütend losfuhr und scheinbar irgendwelche Aggressionsprobleme zu haben schien.
„Ständig muss man dich retten, das ist das zweite beschissene Mal heute, dass du dich in Schwierigkeiten gebracht hast. Du bist wie ein verlorenes Hundebaby, das nichts allein auf die Reihe kriegt, es ist anstrengend!"
„Niemand sagt, dass du dich damit beschäftigen musst! Niemand zwingt dich irgendwen wegen mir zu verprügeln, mich nun nach Hause zu fahren, ich komme auch gut allein zurecht!"
„Ahja?", fragte er und lachte belustigt von meinen Worten. „Würde ich dich einen Tag allein lassen, würdest du vermutlich im Kofferraum von einem Geisteskranken landen."
„Ich habe 18 Jahre überlebt, ohne in einem verdammten Kofferraum zu landen, bin nur so dumm gewesen in das Auto von einem Idioten wie dir einzusteigen, aber abgesehen davon, kann ich schon auf mich aufpassen", erwiderte ich genervt. Ich war kein armes Lamm, ich würde nicht sterben, nur weil ich allein durch die Gegend laufe.
„Kannst du eben nicht!", sagte er wieder deutlich gereizter, fuhr mal wieder schneller, als es mir lieb war. „Und ich habe keine Lust am Ende wieder..."
„Am Ende wieder was?", fragte ich, doch er antwortete nicht, sah nur starr geradeaus, hatte sein Lenkrad wieder im Todesgriff und ich seufzte genervt. Der Typ hatte ja solche Probleme und sollte dringend in die Therapie gehen, das war doch nicht gesund.
Die Fahrt war so schnell verlaufen, ich hatte fast nichts mitbekommen, wusste nur, dass ich traurig war, dass es schon vorbei war, auch wenn ich gleichzeitig einfach nur wegwollte, ganz weit weg und nicht mehr auf engstem Raum mit ihm sein wollte, wenn er mal wieder Mr Arschloch war. Seltsam, was diese Bindung ausmachte. Ich war zwar traurig, aber gleichzeitig auch froh, dass ich endlich aussteigen könnte, dass ich wegdurfte, da die letzten Minuten schweigend in diesem Auto mit seiner schlechten Laune einfach nur anstrengend gewesen waren.
Er bemühte sich zwar offenbar irgendwie nett zu sein, so wie er angeboten hatte mich zu fahren, aber seine negative Einstellung mir gegenüber war wohl einfach stärker.
Er hätte mich aber auch links liegen lassen können in der Schule, niemand zwang ihn mich mitzunehmen und mit mir zu reden und doch hatte er es getan, war irgendwie mehr oder weniger nett gewesen, bevor er das mit Scott erfahren hatte. Er verwirrte mich von vorne nach hinten restlos.
„Kann ich dich noch was fragen, bevor ich aussteige?", fragte ich ihn unsicher, als er sich schon abschnallte, jedoch nun innehielt, auf meine Frage wartete. Vermutlich dachte er, dass ich ihn nun weiter anzicken würde, doch ich war nicht daran interessiert, mich weiter mit ihm zu streiten. Es würde ja nichts bringen. Er und ich würden nie Freunde werden, das war klar, ich hatte mich damit abgefunden, würde ihn nicht grundlos anschreien oder gemein sein so wie er es immerzu tat.
„Was hast du gesehen bei der Bindung gestern?", fragte ich, denn es interessierte mich sehr. Was waren meine innigsten Gedanken und Gefühle? Selbst darüber nachzudenken, war nicht leicht.
„Solltest du das nicht selbst am besten wissen?", fragte er fast schon neckend und stieg aus, irritierte mich, weswegen ich es ihm eilig gleichtat.
„Nein, eigentlich nicht, ich weiß gar nicht mehr, was ich denken oder fühlen soll, hast du das gesehen? Meine Verwirrtheit?" Er sah mich von der anderen Seite des Autos nachdenklich an, musterte mein Gesicht, als ob er nach irgendwas bestimmtem in diesem suchen würde, er wirkte sogar richtig verzweifelt dabei, auch wenn diese Verzweiflung nur kurz in seinen Augen aufflimmerte, schnell wieder verschwand.
„Ist es nicht egal?", fragte er müde, als ob dieses Thema ihn auszerren würde, ihm die Kraft raubt. Wieso wollte er nicht einfach antworten? War die Wahrheit zu bitter? Zu schwer auszusprechen?
„Ich weiß, was ich bei dir gesehen habe!" Ja, eine dunkle, traurige Qual, die einem die Luft zum Atmen rauben konnte. In ihm herrschte Krieg, eine dunkle Zerstörung, es war gefährlich, unberechenbar und wie viel sagte das über ihn aus?
„Und ich weiß es auch, aber es hat dich nicht zu besorgen und deine mitleidigen Blicke kannst du dir gleich sparen, Herzblatt."
„Nenn mich nicht so!", erwiderte ich schnippisch, als er in Richtung Haustüre lief.
„Dann hör du auf mich in der Schule immer so anzustarren." Mit den Worten war er im Haus verschwunden und mit offenem Mund sah ich ihm nach. Er hatte es bemerkt. Natürlich hatte er das. Wie sollte jemand es nicht merken, wenn man ihn durchgehend anstarrt? Peinlich Alice. Einfach peinlich.
Ich seufzte frustriert und raufte mir mein langes Haar, lief nun in mein eigenes Haus und war froh, dass niemand zu sehen war. Ich verschwand hastig oben in meinem Zimmer und schmiss mich aufs Bett. Das alles würde mir noch sämtliche Nerven kosten.
Nachdem ich ein wenig in meinem Zimmer mich in Selbstmitleid gebadet hatte, beschloss ich, mal wieder einen Spaziergang zu machen. Mir half die Bewegung, besonders da mir im Haus die meiste Zeit einfach zu langweilig war. Ich hatte mein Leben zuvor fast nur mit Elin an meiner Seite verbracht. Ohne sie war ich etwas überfordert mit der vielen freien Zeit. Ich könnte was für die Schule machen, aber wer hatte schon ehrlich Lust darauf, wenn man gerade erst einen halben Tag Schule gehabt hatte? Nein, ich wollte lieber etwas Verbundenheit zur Natur und mich bewegen dürfen, auch wenn ich eigentlich nach dem Sportunterricht heute genug davon haben sollte. Meine Füße trugen mich mittlerweile schon ganz von allein zu der Grünanlage der Nachbarschaft, wissend, dass ich mit einer fast 100-prozentigen Wahrscheinlichkeit Reed sehen würde. Mir war es gleich. Ich würde nicht zu ihm gehen und versuchen mit ihm zu reden, ich war ja nicht hier, um ihn zu sehen. Ich nahm mir vor, ihn irgendwann zu fragen, wieso er auch immerzu an diesem Ort war, was ihn so von dem Platz anzog, aber das würde ich irgendwann anderes tun, irgendwann, wenn er hoffentlich bessere Laune mal haben würde. Nein, nach dem heutigen Tag war ich mir eigentlich sicher, dass der Typ nie gute Laune hatte und ich wollte heute gewiss nicht noch mehr von ihm abbekommen.
Ich sah erleichtert, dass von Reed auf dem ersten Blick jede Spur fehlte und unbeschwert lief ich den Weg weiter entlang. Das erste Mal schaffte ich es eine Runde zu laufen, ohne irgendwie durch Reed behindert zu werden. Es war nett sich mal alles entspannt anzusehen, auch wenn ich heute nicht vorhätte mich langfristig irgendwo zu setzen. Ich wollte eigentlich schnell wieder zurück, wollte vor dem Abendessen noch ein paar meiner Sachen aus den letzten Kartons packen, mein Zimmer etwas aufräumen und mit meinem Bruder Zeit verbringen.
Bevor ich die Grünanlage jedoch verlassen konnte, fiel mir etwas auf. Auf der anderen Seite der großen Wiese sah ich auf einem parallel verlaufenden Weg Sasha, den Mann, den ich hier vor ein paar Tagen bereits gesehen hatte und den Reed nicht mochte. Es war kein Wunder, Reed mochte vermutlich kaum irgendwen, aber was war sein Problem mit Sasha? Er meinte, ich solle mich von ihm fernhalten, wieso?
Ich blieb im Schatten der Bäume stehen und sah den jungen Mann an, der sich mit einem anderen Mann unterhielt, ernst wirkte. Er fuchtelte viel mit den Händen herum, war heute ganz in schwarz gekleidet und wirkte eher so, als er auf Geschäftsreise wäre. Es war ein seltsames Outfit für einen Besuch im Park. Ich sah, wie eine kleine Gruppe an weiteren Männern zu den zwei lief, sah, wie ehrfürchtig sie alle sich besonders einem von ihnen gegenüber benahmen, der wohl wie der Chef zu sein schien, aber bevor ich mehr erkennen konnte, wurde ich unerwartet von hinten gepackt und gegen den Baum, hinter dem ich mich halb versteckt hielt, gedrückt. Ich sah verschreckt zu Reed auf, der mich gegen den Stamm drückte und angespannt an mir vorbei zu den Männern sah, wohl sicherging, dass wir nicht gesehen wurden.
„Was soll das?", fragte ich ihn aufgebracht, aber wieso riss er mich so mit sich? Mein Herz schlug ganz verrückt von der so plötzlichen Nähe, dass er mich immer noch an den Armen hielt. Meine Haut fühlte sich an den Stellen an, als würde sie brennen müssen, aber es war schnell bedeutungslos, als ich seinen wütenden Blick bemerkte, den er nun auf mich richtete.
„Willst du unbedingt in die Scheiße geraten?", zischte Reed sauer. „Ich binde mich nicht fucking nochmal an dich, damit du gleich darauf ein Selbstmordkommando planst."
„Ich bin doch nur spazieren."
„Und beobachtest die fucking Wichsfressen dort drüben", sagte er, nickte zu der Gruppe, und verwirrt sah ich ihn an.
„Willst du mir auch verraten, was das Problem mit ihnen ist?"
„Du brauchst nicht alles zu wissen. Meide doch einfach diesen fucking Park, geh irgendwo anderes spazieren", sagte er genervt und ich schnaubte. „Ich lasse mir von dir sicher nichts verbieten", sagte ich, wollte von ihm los, aber das ließ er gar nicht erst zu.
„Hör auf dich wie eine Zicke zu benehmen und sei doch einmal keine Nervensäge", sagte er und trotzig sah ich ihn an, wo mein Blick jedoch besonders an den Kratzern hängenblieb von seinem kleinen Kampf heute und es hielt mich davon ab, etwas zu sagen. Ob er großen Ärger bekommen hatte? Ob er große Schmerzen hatte? Reed sah nochmal zu der Gruppe, schien sehr besorgt, ob wir gesehen wurden, schien das auf jeden Fall meiden zu wollen. Ich konnte mich nicht bremsen sein Gesicht zu berühren, seine Verletzung sachte anzufassen, kaum lag sein Blick nicht mehr auf mir und sofort sah er wieder zurück, so dass ich verschreckt die Hand wegzog.
„Tut mir leid", entschuldigte ich mich hastig, konnte nicht fassen, das getan zu haben. War ich irre geworden? Ich konnte ihn nicht einfach anfassen, musste stärker als diese furchtbare Versuchung sein.
Er sagte nichts, musterte mich einen Moment nur stumm, wobei ich seinen Blick nicht deuten konnte, nicht wusste, was er gerade über mich dachte, aber was Gutes war es, wie ich ihn kannte, sicher nicht.
„Wir sollten los. Sie sind weg", sagte er schließlich, wich etwas von mir zurück und gab mir mehr Freiraum. Ich atmete tief durch ohne seine erdrückende Nähe, die meinen Kopf ganz vernebelt hatte, folgte ihm und verstand überhaupt nicht, was das alles sollte. Was war mit Sasha und diesen Männern? Wieso war es Reed so wichtig, mich vor ihnen zu verbergen?
„Wirst du mir nun erzählen, was das Problem war?", fragte ich ihn, lief mit ihm an der Seite zurück zu unserer Straße.
„Nein."
„Welch Wunder", murrte ich genervt von seiner Art. Was war so schlimm an der Wahrheit? Ich sollte Sasha nächstes Mal einfach ansprechen und fragen. Ich lächelte kurz bei der Vorstellung, wie wütend Reed wäre, wenn ich das tue, aber er wäre selbst schuld. Er konnte mich nicht wie ein kleines Kind behandeln, denn das war ich nicht und ich würde ihm schon noch irgendwie zeigen, dass ich mich nicht so schnell einschüchtern lassen würde wie jeder andere.
Wörter: 3600
Aloha :) Ich hoffe es gefällt euch. Das zweite an einem Tag, wir kommen voran xD Würde mich über eure Meinung freuen und auch über eure Vermutungen, was Sasha angeht xx
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