Kapitel 67 || Feuerwerk

Die Dämmerung setzte ein. Nicht so sanft, wie es normalerweise war, vermutlich eine Laune des Götterkampfes. Doch ich nahm es als ein Zeichen. Wir mussten gehen. Und so gerne ich dem Jungen auf meinem Schoß alle Ruhe der Welt gegönnt hätte, er war heute schon einmal gestorben, das Risiko wollte ich kein zweites Mal eingehen, zumal wir dann kein Totem hätten, dass ihn retten könnte. 

"Patrick,", flüsterte ich, "Patrick, wach auf." ich rüttelte sanft an seiner Schulter, bis er blinzelnd die Augen öffnete. "Wir müssen weg." "Wo sind wir?" "Im Wald, beim Marktplatz. Sie wollen die Stadt in die Luft jagen, ich habe schon viel zu lange gewartet." Auch wenn ich keine genaue Zeitangabe hatte, sagte mir etwas, dass wir den Rahmen schon lange gesprengt hatten. Er rieb sich die Augen und hob langsam den Kopf an. "Ah, Mist. Mein Bauch...", er keuchte, "tut weh. Und wie." "Du wärst fast an der Wunde gestorben, natürlich tut er weh." Zuerst sah er mich fragend an, doch langsam scheinen seine Erinnerungen zurück zu kehren und sein Blick verdüsterte sich. "Die Anderen... sie wissen nichts, oder?", brachte er hervor. Er stand nach wie vor unter Schmerzen, doch die Wut schien seinen Willen zu stärken. "Die Zeit reicht nicht. Patrick, wir haben Abschied genommen, um diese Welt sich selbst zu überlassen.", etwas sanfter fügte ich hinzu, "Sie sind im Quartier des Widerstands, dort passiert ihnen nichts." 

Dann stand ich auf und reichte ihm meine Hände. "Komm, wir müssen los." Er griff nach ihnen und nickte zögerlich. "Du hast ja recht." Ich zog ihn auf die Beine. Sofort krümmte er sich ein wenig und verzog das Gesicht, humpelte jedoch ein paar Schritte voraus. Mein Herz zog sich zusammen, als ich ihn so sah. Er verdiente das nicht, um alles in der Welt. 

"Und? Verstehst du jetzt, warum ich dich nach Nya gebracht habe?" Langsam nickte ich. "Tut mir leid, dass ich so einen Aufstand gemacht habe. Kannst du mir verzeihen?" Er lächelte mich an. "Es gibt da etwas, dass die Entscheidung ins Positive beeinflussen würde." Ich begann zu grinsen und schloss zu ihm auf. "Was denn?" Er verschränkte unsere Finger miteinander und legte seine Stirn an meine. "Das weißt du am besten." "Meinst du?" Ich platzierte einen Kuss auf seinen Lippen. "Ich bin mir sehr sicher." Er schmunzelte und küsste mich noch einmal, dann lösten wir uns. "Auf in unser neues Leben." Er nickte, strich über meinen Handrücken. Dann gingen wir los.

Beflügelt von dem schönen Moment, rückte die Dringlichkeit unserer Flucht ein wenig in den Hintergrund. Wir liefen schnell, aber bei weitemnichtso schnell, wie wir konnten. Mit einem besonnenen Lächeln auf dem Gesicht, schwenkte ich unsere Hände vor und zurück.

"Fünf!"
Wir zuckten zusammen, sahen uns an. Ich sah die Angst in Patricks Augen. "Wir müssen rennen, das sind sie."
"Vier!"
Ich stürmte los, zog meinen Verlobten mehr oder weniger hinter mir her. Ein Blick über die Schulter zeigte mir, dass er  mit seinen Schmerzen zu kämpfen hatte. Seine Hand war auf die Wunde gepresst, sein Gesicht verzogen. Doch er blieb nicht stehen.
"Drei!"
Das Portal war noch so endlos weit weg. Keine fünfzig Meter mehr, aber würden wir das in zwei, maximal drei Sekunden schaffen? Ich alleine bestimmt. Doch mit Patricks Verletzung?
"Zwei!"
Ich hörte ihn hinter mir keuchen, zischte ein leises "Komm schon, du schaffst das." und verschnellerte mein Tempo ein wenig.
"Eins!"
Ich bis die Lippen zusammen. Nicht mehr viel. Wir durften, wir konnten jetzt  nicht scheitern.

Ein ohrenbetäubender Knall erschütterte die Welt. Ich konnte die Druckwellen unter meinen Füßen spüren. Schnell sah ich zurück, meine Haare blieben mir in der verschwitzten Stirn kleben. Hinter Patrick begann die gesamte Innenstadt zu explodieren, rasend schnell bahnte sich das Feuer einen Weg über die Benzinspur, entzündete, was es konnte und ließ das Schwazpulver alles in die Luft reißen. Von überall her kamen Blitze, erleuchteten die Dämmerung. Die Pflastersteine sprengten auf, von überall her flogen Steine, Holzlatten und Tonscherben durch die Luft.

Ich drehte mich wieder nach vorne. Das Portal war noch zwei Schritte entfernt. Ich drückte Patricks Hand fester. Einen. Risse zogen sich über die Straße. Der unkontrollierbare Sturm aus Feuerwerk erreichte uns. Und während alles um uns herum in Fetzen der Zivilisation gerissen wurde, sprangen wir in den orangenen Nebel.

trolli

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