Kapitel 61 || Weitermachen
Maurice war, wie erwarten, zu Michael gelaufen und half ihm vorsichtig auf die Füße. Ich kam zu den Beiden herüber um zu sehen ob sie meine Hilfe brauchten, denn auch der Blonde schien nun, wo die Situation sich etwas entspannte, zittrig auf den Beinen. Dass Micha hätte im Bett bleiben sollen, erkannte ich, ohne ihn genauer ansehen zu müssen. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn und ich sah, dass der Verband, der die Wunde an seiner Schulter abgedeckt hatte, sich mit Blut voll saugte.
"Michael? Ist alles gut?", fragte ich eindringlich, ob wohl ich die Antwort schon kannte. Der Junge sah mich an, doch schien Schwierigkeiten damit zu haben, mich wirklich zu fokussieren. Er versuchte sich ein Lächeln abzuringen und nickte schwach. "Er muss unbedingt wieder ins Bett. Ich hole Monik.", wies ich Maurice an und eilte davon.
Die Heilerin kam mir schon mit besorgten, sowie tief traurigen Gesicht entgegen. "Michael ist nicht liegen geblieben, habe ich recht?" Ich schüttelte nur den Kopf und beobachtete das Szenario, welches sich um uns herum abspielte. Einige Leute hatten sich achtsam um Haralds Körper gekümmert, sicherlich würde ihm ein würdevoller Abschied zu teil werden. Die Stimmung war gedrückt, schockiert darüber, dass so etwas passiert war. Joe und Patrick konnte ich nirgendwo entdecken, vermutlich hatten sie sich zurückgezogen, denn es wollten wohl viele unbedingt mit dem alten Farmer sprechen. Alle, die dazu im Stande waren, halfen Denen, die verletzt waren und folgten so gut es ging den Anweisungen der aufgeregten Heilkundigen. "Ich finde kümmere mich um Michael und Maurice, dann komme ich zu dir.", beschloss Monik und rang sich mit Blick auf die Schnittwunde an meinem Arm ein müdes Lächeln ab. Schnell schüttelte ich den Kopf. "Das ist völlig in Ordnung so, ich mache das selbst und ich werde auch nach Patrick sehen. Du hast genug um die Ohren."
Monik sparte sich die Antwort, wie ich sie kannte würde sie ohnehin versuchen für alle gleichzeitig da zu sein und ich war ihr dankbar für diese Liebe. Während ich fast unbemerkt durch das erschütterte Chaos lief, wurde mir klar, wie schicksalhaft dieser Tag und dessen Ereignisse für den Widerstand sein mussten. Mit dieser Erkenntnis realisierte ich auch, wie sehr mich die kurze Zeit in Nya verändert hatte. Noch vor einem Sommer hätte ich niemals gedacht, als sturer Einzelkämpfer jemals so viel Unterstützung zu verdienen oder tatsächlich aus mir selbst heraus verstehen zu können, wie sehr Menschen mit ihren Erfahrungen zu kämpfen haben könnten.
Ich fand Patrick und Joe in der Küche, die durch die dicke Eichenholztür vom Rest des Geschehens getrennt war. Als mein Freund mich sah sprang er auf und schloss mich unbeholfen in den Arm. "Es ist gut dich zu sehen. Ich wusste, dass du auf dich aufpassen kannst und ich konnte Joe nicht einfach alleine lassen nachdem... Aber ich hätte-" , er redete, ohne Luft zu holen, ich hob die Hand um ihn zu stoppen. "Es ist okay, Patrick. Mir geht es gut und dir...", ich musterte ihn aufmerksam, "dir auch... Einigermaßen." Ich sagte nichts zu den Tränen, die auf seinen Wangen glänzten, der Schürfwunde an seiner Stirn oder dem Schnitt auf seiner Handfläche.
Eine Weile lang saßen wir still da, doch ich hielt es nicht aus, untätig zu sein und fragte gerade heraus: "Joe, was ist gerade passiert?" Der Farmer seufzte und sah mich ernst an. Ich bemerkte, wie sehr ihn Schmiddis Verbannung mitgenommen hatte, er wirkte zerbrechlicher als je zuvor, schien jedoch, anders als fast alle Anderen, keine Wunden aus dem Kampf davon getragen zu haben.
"Du stellst eine Frage, auf die ich dir kaum die Antwort geben kann, die du haben möchtest. Es ist nicht der Zeitpunkt für lange Erklärungen. Ich muss wieder zu Kräften kommen und bis dahin wirst du nicht mehr hier sein." Verwirrt holte Patrick Luft, um etwas zu sagen, doch Joe sprach einfach weiter. "Es ist, wie ich es gesagt habe. In gewisser Weise bin ich ein Bote der Götter, der in wenigen Momenten die Kraft hat, in ihrem Namen zu handeln. Mioos und Ayn sind nur Beobachter, sie können weniger in diese Welt eingreifen als ihr es denkt. Sie können nur lenken für welches Geschehen wir uns entscheiden."
Ich fragte nicht weiter nach, denn es schien nicht als würde er noch weiter darüber sprechen. Anstelle dessen stand ich auf und zog Moniks Kiste, die sie hatte hier stehen lassen, vermutlich besaß sie hunderte dieser Sorte, zu mir heran. "Ich weiß es ist schwer darüber zu sprechen, aber was wird nun passieren, nach all dem?", wollte ich wissen, während ich einige Sachen aus der Truhe fischte. Mit belegter Stimme begann Patrick zu erklären, was er wusste. Joe beobachtete aufmerksam, wie ich aus einer größeren Schale mit Wasser etwas abschöpfte und ein kleines Tuch damit befeuchtete. "Ich denke einer von Haralds engsten Vertrauten wird -", Patrick unterbrach sich selbst als ich zu ihm kam und mich vor ihm auf die Tischkannte setzte. "Ich will mich nur um deine Verletzungen kümmern, ich höre dir zu.", erklärte ich so warm wie möglich, wollte jedoch nicht näher drauf eingehen, dass er verletzt wurde, das machte es nur präsenter.
"Das ist nicht so schlimm, ich weiß du magst es nicht, wenn ich dich darauf hinweise, aber du solltest erst gucken, dass du deinen Arm verbindest.", wollte er widersprechen, doch ich schüttelte den Kopf und begann vorsichtig die Schürfwunde sauber zu machen. Ich wusste, dass es meist unangenehmer war eine simple Schürfwunde zu verarzten, als etwas Ernsteres, doch Patrick ignorierte das Berennen und nahm seine Erzählung wieder auf. "Ich denke Ombre, der hochgewachsene Mann mit der dunklen Haut, du kennst ihn ein bisschen, wird sich darum kümmern, dass alles wieder seinen Weg findet. Er ist anders als Harald, aber... er wird das gut machen." Er schluckte. "Ich kann das nicht glauben Manu. Er ist einfach weg, tot. Ich werde nie wieder mit ihm sprechen, ich werde mich niemals ausreichend dafür bedanken können, dass er so viel für mich getan hat. Das ist so... so surreal. Das alles ist wie ein verrückter und schrecklicher Traum."
Schon wieder füllten sich seine Augen mit Tränen und ich legte vorsichtig eine Hand an seine Wange, so dass er seinen Kopf dagegen lehnen konnte. "Patrick..", ich geriet ins Stottern und sah zu Joe, der uns das letzte Mal, als wir kein Verständnis für einander gehabt hatten, gerügt hatte. "Ich weiß nicht, was es in diesem Moment zu sagen gilt, denn es gäbe nichts, was ich selbst würde hören wollen. Aber auch, wenn es für immer schrecklich bleiben wird, wirst du irgendwann besser damit umgehen können. Irgendwann blickt man mit einem Lächeln zurück und nicht unter Tränen."
"Ich weiß doch, aber es ist nur so unfair. Schmiddi hat mir so viel genommen. Er hat so vielen so vieles genommen! Warum musste es ausgerechnet Haralds Leben sein? Ich würde ihn hassen, doch ich habe nicht die Kraft dafür. Ich denke er hat eine Strafe erhalten, ob es die Richtige war, darf ich nicht anzweifeln."
"Herr Schmidzon hat viel Unrecht getan, das ist wahr, doch wir sollten darüber nicht vergessen, was wir tun können um das Ausmaß seiner Taten unter Kontrolle zu bringen. Es wird noch eine Weile dauern, die Spuren des Kampfes für das Erste zu beseitigen und die Wunden zu versorgen, doch danach wird es eine Versammlung geben und ihr Beide.", er sah uns nacheinander an. "solltet unbedingt erscheinen."
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