Kapitel 57 || Verletzt
Ich strauchelte, kam ins Schlittern und wäre fast selbst auf dem erdigen Boden des Pfades gelandet, fing mich aber rechtzeitig wieder, als ich endlich bei Maurice und Michael ankam.
Sofort schloss ich den Blonden in eine schützende Umarmung und schrie wieder den Hügel hinauf nach Harald. Auch meine Stimme zitterte leicht, doch sie war sehr viel lauter als die von Maurice.
Vorsichtig schob ich ihn von mir weg, eine längliche Platzwunde zierte seine Schläfe und seine Hände waren blutig. Mit seinen Fingern klammerte er sich an Michael fest, der bewusstlos neben ihm auf der Seite lag. Für einen Moment ließ ich Maurice los und suchte mit eiskalten Fingern nach Michas Totem, es hing nach wie vor an einer Kette um seinen Hals. Über seiner linken Schulter war das Hemd aufgerissen und offenbarte eine klaffende Wunde, die sich weiter in seinen Nacken zog und jetzt erkannte ich auch warum Maurice Hände so blutig waren. Michas Hand hatte es wohl am schlimmsten getroffen und mir wurde etwas schlecht, als ich erkannte, dass ihm zwei Finger fehlten.
"Maurice, beruhig dich. Es wird alles gut, das Totem beschützt ihn.", sagte ich leise und strich ihm über den Rücken. Gerade in dem Augenblick kam Harald bei uns an, rief den Hügel hinauf sein Begleiter solle sofort Hilfe holen und hockte sich vor uns hin. "Maurice, was ist passiert? Wurdet ihr angegriffen? Sind sie hier?", fragte er eindringlich. "Nein, nein wir sind alleine hergekommen.", stotterte er immer noch schluchzend. "Du hast Michael hergebracht?", vergewisserte sich Harald. Maurice nickte und ich drückte ihn an mich.
Harald beugte sich über den blassen Michael, suchte nach seinem Totem und dem Puls. Während wir beobachteten, wie der dunkelhäutige Mann und Esra mit einer Trage zu uns hinunterkamen und Monik ihnen mit besorgtem Gesicht folgte.
Manuel kam mit ein paar der Widerstandskämpfer bei uns an, starrte einen Moment erschrocken zu uns hinunter und ließ sich dann ebenfalls auf dem Boden nieder. "Kannst du aufstehen?", wollte er von Maurice wissen, dieser nickte vorsichtig und kam, wenn auch etwas unsicher, mit meiner Hilfe auf die Füße, während die Anderen Michael, auf die Trage hoben.
Maurice wollte sich beeilen, ihnen hinterherzukommen, doch Manu hielt ihn zurück. "Nicht so schnell, wir haben alle Zeit der Welt, er ist in guten Händen.", versicherte er ihm. Ich war Manu unendlich dankbar, dass er ohne Fragen zu stellen, da war und die Ruhe bewahrte. Denn ich war selbst viel zu mitgenommen, um so besonnen zu reagieren.
Während wir langsam wieder hinauf zum Haus liefen, fragte Manuel: "Ist dir schwindelig Maurice?" "Das geht schon wieder, am Anfang war es schlimmer.", antwortete er. Manu nickte. "Und ist dir schlecht?" "Nur ein bisschen."
Mein Freund lächelte aufmunternd. "Das ist gut, es könnte viel schlimmer sein." "Mein Kopf tut weh, ziemlich schlimm sogar.", gestand Maurice und Manuel nickte erneut. "Das ist normal, bei der Platzwunde." Der Blonde sah ihn irritiert an, er schien selbst nicht wirklich bemerkt zu haben, dass er verletzte war und Manu rang sich ein Lächeln ab. "Alles gut."
Dann wandte er sich mir zu und sah mich eingehend an. "Geht es dir gut Patrick?" "Alles in Ordnung. Danke Manu."
Sobald wir ankamen, nahm Monik uns in Empfang, versicherte uns, dass sich gut um Michael gekümmert wurde und legte Maurice einen Arm um die Schulter um ihn in die Küche zu führen. Die Kaminstube war wie leer gefegt, plötzlich schienen alle beschäftigt. Erschöpft lächelte Manu mich an. "Du solltest dir die Hände waschen gehen, ich warte hier auf dich."
Ich nickte und ging nach draußen, zu dem Wassertrog, an der Hausecke. Langsam wusch ich das Blut, das Maurice Hände auf meinen hinterlassen hatten, ab und atmete tief durch. Joe hatte Recht, wir konnten nur sehen, was kommen würde und das Beste hoffen.
Eine ganze Weile saßen Manu und ich vor dem Kamin, genossen es endlich wieder bei einander sein zu können und hingen dennoch beide düsteren Gedanken nach. Doch allein die Tatsache, dass er da war, schien alles leichter zu machen. Irgendwann kam Maurice zu uns in die Stube und blieb unsicher neben dem Kamin stehen. "Er trug einen schmalen Verband um den Kopf, der die Wunde an seiner Stirn abdeckte, außerdem hatte er etwas anderes an und schien wieder ruhiger.
"Willst du dich nicht setzten?", fragte ich und er nickte. "Danke, dass ihr vorhin da wart. Ich weiß nicht... ich wusste nicht, was ich tun sollte und-", er verstummte und schaute betreten zu uns. Ich setzte mich auf und sah ihn warm an. "Maurice, du schämst dich nicht wirklich, weil du verzweifelt warst, oder? Das ist doch verständlich."
"Erzählst du was passiert ist?", fragte Manuel gerade heraus und der Blonde nickte. "Meiner Familie geht es gut, sie sind am See auf der andern Seite des Tempelbergs. Aber Papa hat uns zurück hierher geschickt."
Er hielt kurz Inne. "Auf dem Hinweg war noch alles gut, das Chaos tobt eher im vorderen Teil der Stadt, doch als wir fast die Höfe am Stadtrand erreicht hatten, war da eine Gruppe an Leuten. Sie haben rumgeschrien und sind mit Fackeln die Straße hinauf gekommen. Wir konnten uns verstecken, doch zwei von ihnen sind in das Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ich weiß nicht, was sie genau gemacht haben, wir wollten warten bis sie weiter gehen, um dann einen Umweg zu nehmen."
"Du musst nicht erzählen.", merkte ich leise an, doch er schüttelte den Kopf. "Ihr solltet es wissen, Harald muss ich es auch noch erzählen." Er atmete tief durch. "Sie haben das Haus angesteckt und sind wieder herausgekommen. Doch anstatt zu verschwinden, haben sie außer Reichweite in einem höheren Teil der Straße gewartet und zugesehen. Wir konnten unmöglich verschwinden, ohne entdeckt zu werden. Plötzlich ist das obere Stockwerk in einem Feuerball aufgegangen, alles war voller Rauch und Asche, aber uns ist nichts passiert." Er schluckte und sagte: "Na ja, dann haben wir eine falsche Entscheidung getroffen. Wir sind dicht an der Wand des gegenüberliegenden Hauses lang gekrochen, durch den Rauch hat man uns nicht gesehen. Wir waren fast in Sicherheit, als es noch einen Feuerball gab. Micha war hinter mir, er war viel dichter an der Explosion dran und wurde durch die Luft geschleudert. Ich weiß nicht genau, bestimmt hat mich eines der Trümmerteile getroffen." Er deutet auf den Verband.
"Die Typen sind lachend abgezogen und ich bin sofort zu Micha. Ich konnte nicht wirklich klar denken in dem Moment, aber wer hätte uns den helfen sollen?" Er biss sich auf die Lippe und blinzelte die Tränen weg. "Ich habe mich mit Micha bis in den Wald gekämpft, aber dann haben meine Beine versagt. Ich hatte solche Angst..." Er atmete tief ein und versteckte seine zitternden Finger im Schoß.
"Micha geht es besser, er schläft und Onmir ist bei ihm. Er sagt die Wunde an seiner Schulter wird verheilen, es bleibt nur eine Narbe zurück. Aber seine Hand... Ich weiß nicht, ob er selber akzeptieren kann, dass er seine Finger nicht zurückbekommen wird."
Ich rutschte zu Maurice herüber und nahm ihn tröstend in den Arm. "Das schafft er, es macht ihn nicht zu einem andern Menschen, es zeigt nur, dass er stark genug ist das alles zu überstehen.
"Danke.", murmelte Maurice und setzte sich dann gerade hin. "Genug von mir. Manuel, du hast ebenso Schreckliches erlebt. Geht es dir besser?", wollte er aufrichtig wissen und ich bewunderte ihn für diese Fürsorge. Ich konnte Manu ansehen wie er sich ein Schnauben verkniff und nickte. "Alles gut, Danke."
Tatsächlich schafften wir es eine Unterhaltung zu führen und einander sogar zum Lachen zu bringen, als plötzlich ein merkwürdiges Geräusch von der Tür ertönte. Ich konnte es nicht zuordnen, doch Manuels Kopf flog herum. "Das war eine Armbrust.", stellte er leise fest und starrte misstrauisch die Tür an. "Irgendetwas stimmt hier nicht."
Izy
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