Kapitel 42 || Gefangenschaft

Mein Herz schlug mir bis zum Hals, übertönte alles andere. Kurz blieb ich stehen, um mich zu orientieren. Ich hatte die Farm noch nie von Außen gesehen. Links von mir erspähte ich eine Baumgruppe, mit Glück einen Wald. Ich hechtete ich die Richtung der Eichen, in der Hoffnung dort Unterschlupf finden zu können. Jeder meiner Schritte fühlte sich an, als würde ich durch einen Sumpf waten. Schon nach wenigen Metern merkte ich, wie mir das Atmen immer schwerer fiel. Wenn ich wieder nach Varia wollte, sollte ich dringend an meiner Kondition arbeiten, sonst könnte ich kein Monster mehr töten und Tier erlegen.

Die Bäume kamen immer näher und wie es aussah, waren sie tatsächlich der Anfang eines kleinen Wäldchens. Es fühlte sich an, als hätte jemand meine Lunge mit Benzin gefüllt und anschließend in Brand gesetzt. Ich keuchte auf. Nach und nach wurde die Welt dunkler, gefräßige Hunde, die ohne Gnade mein Sichtfeld verspeisten. Ich blinzelte. Kurz konnte ich wieder mehr sehen, dann gaben meine Beine meinem Gewicht nach. Ich prallte auf den Boden, Patricks Schrei drang nur schwach zu mir durch, wie durch eine dicke Watteschicht, dann war es still.

Ich schlug die Augen auf und stemmte mich hoch. Alles drehte sich. Die Kraft meiner Ellenbogen ließ nach, ich prallte mit dem Hinterkopf auf etwas Hartes. Zu weich für Stein, doch zu hart für ein Bett. Kurz blieb ich liegen, dann wagte ich einen zweiten, vorsichtigeren Versuch. Ich blinzelte. Und tatsächlich kam die Welt zum stehen. Drei von vier Wänden waren aus Stein, ebenso wie Boden und Decke. In die mittlere war ein schmales, vergittertes Fenster eingelassen, durch das ein spärlicher Lichtstreifen fiel. Gegenüber verband ein Gitter die anderen Wände miteinander, in ihm befand sich eine Tür. 

Auf einer umgedrehten Holzkiste stand ein Krug Wasser, ein umgedrehter Becher und ein halber Laib Brot. Ich füllte mir etwas Wasser ein und stürzte es gierig herunter. Mein Blick fiel auf meine Beine. Meine Hose war verkrustet und von Grasflecken überzogen, doch das kümmerte mich nicht. Ich fuhr in meine Hosentasche. Als ich den kleinen Gegenstand darin spürte, seufzte ich erleichtert auf. 

Ich setzte mich hin und stand, nach dem das problemlos funktioniert hatte, auf, um zu der Gittertür zu laufen. "Hey, ist da wer?", rief ich und spähte auf den Gang. Schräg gegenüber von mir trat ein Mann hervor. Über sein Kinn zog sich ein Bart, seine Augenbrauen waren ebenso buschig, doch sein Kopf war kahl. "Willkommen unter den Bewustseinsfähigen, Neuankömmling." "Wo bin ich hier?" "Ist das nicht klar? Nya hat nur ein Gefängnis." Ich schnaubte verächtlich. "Was hast du gemacht, dass du hergekommen bist?",  fragte er dann. Ich schwieg kurz. "Ich war dumm genug, um mich fassen zu lassen, doch bis ich mit Informationen um mich werfe, wird es noch ein wenig dauern." Sein rasselndes Lachen schallte durch den kahlen Gang. "Du bist ein junger, kluger und gutaussehender Mann - gut, vielleicht solltest du dich mal waschen, aber das lässt sich schnell erledigen. was hat jemand wie du in einem Land, in dem jedem der Reichtum gewährt ist, hinter Gittern verloren?" "Wenn du es so willst, ich war zu klug für die Menschen hier." Ich wusste nicht, was ich ihm erzählte, ich schob mir meine verschwommenen Realitäten so zurecht, dass sie mir wieder mehr Spaß bereiteten, vielleicht eine Nachwirkung meiner Ohnmacht. "Und warum bist du hier?" Er strafte die Schultern und hob das Kinn. "Verurteilter Mörder. Oder wie du es sagtest, zu klug für die Leute." "Mares, es ist wirklich edel von dir, dass du unsern Neuling vor der Einsamkeit rettest, aber es ist nach Mitternacht. Manche möchten schlafen!" Es war eine weibliche Stimme, die sich in unser Gespräch einmischte. Der Kopf meines Gesprächspartners wanderte nach rechts, anscheinend war die Frau auf meiner Seite untergebracht worden. "Wie bitte? Mitternacht?" Ich traute meinen Ohren nicht. "Ja, es ist dunkel, siehst du das nicht?" "Dunkel?" "Wie lang lebst du schon in Nya, Junge?", fragte Mares nun. Mein Mund öffnete und schloss sich. "Ich bin zwischendurch nach Varia gegangen, abgehauen, um genau zu sein. Ich hatte mich an die Dunkelheit gewöhnt." Es wäre nicht klug, ihnen zu sagen, dass ich aus Varia käme. Je weniger sie wussten, desto geringer war die Chance, dass jemand anderes es erfuhr.

"Da wir das jetzt geklärt hätten, könnt ihr bitte die Schnauze halten?" "Schon gut, schon gut." Martes lachte erneut und hob die Hand. "Ruh dich aus, Neuling, du wirst einen klaren Kopf gebrauchen können." Dann drehte er sich um und verschwand aus meinem Sichtfeld. "Wofür brauchen?" Doch ich bekam keine Antwort. Ich seufzte, drehte um und ließ mich auf die unbequeme Pritsche fallen. Der Wunsch, bei Patrick zu sein, überkam mich wie eine riesige Welle, die mich zum Grund drückte und jegliche Chance zum Atmen raubte. Und so sehr ich es wollte, ich konnte nicht verhindern, dass mir eine einzelne Träne über die Wange lief. 

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