Kapitel 29 || Schneelandschaft
Ich fragte mich, ob wir den Schneesturm nicht einfach abwarten sollten, doch Manuel zog mich unablässig weiter. Der Wald schien immer dichter zu werden, sodass schließlich die großen Nadelbäume den peitschenden Wind und den eisigen Schnee etwas von uns abschirmten. Meine Finger waren blau gefroren und meinen Füßen ging es vermutlich wenig besser. Mittlerweile war ich froh, in Nya von Schnee verschont zu bleiben.
Doch mit dieser simplen Feststellung brach ein Wasserfall aus Fragen und Gedanken über mich herein. Was war Nya jetzt noch für mich? Würde ich einfach nach Hause zurück kehren eines Tages? Das war sehr unwahrscheinlich und vermutlich würde mich dort auch niemand mehr haben wollen. Doch ich konnte nicht ewig bei Manuel bleiben, andererseits wehrte sich etwas in mir dagegen, ihn eines Tages nicht wieder zu sehen.
Besagter Junge stand mir nun gegenüber und schnipste mit den Fingern vor meinem Gesicht. "Hey, ich rede mit dir." Ich blinzelte ihn verwirrt an. "Tut mir leid, ich war in Gedanken."
"Das habe ich wohl gemerkt.", seufzte er und erklärte dann, "Ich wollte rasten, wenn wir uns unter einen der Nadelbäume setzten, ist es fast wie ein Zelt." Ich nickte, immer noch etwas abwesend und folgte ihm durch das Schneegestöber. Er schob die Äste einer uralten Tanne bei Seite, so dass die dicke schichte Schnee herunter rutschte und krabbelte dann unter die Äste. Das diese nicht direkt über dem Boden begannen, bildeten sie ein Dach aus Nadeln und einer vereisten Decke aus glitzernden Schneekristallen.
Erschöpft ließ ich mich gegen den rauen Stamm des Baumes sinken. "Warum muss dieser Schneesturm denn ausgerechnet jetzt kommen?", fragte ich jammernd und Manu lachte leise. Ein wenig hatte ich mit einem bissigen Kommentar gerechnet, doch diese bekam ich in letzter Zeit erstaunlich selten von ihm zu hören. Statt dessen begann er zu erzählen: "Der Schneesturm herrscht hier so gut wie immer. Er bildet die Grenze ins Schneebiom, hier liegt Frost, unser Ziel, und dahinter beginnt die Eiswüste von Hardmar. Es ist fürchterlich durch diese Einöde zu reisen, doch es lohnt sich. Hinter der Wüste liegt ein Teil Varias, der Fjordland genannt wird, obwohl dort immer eisige Temperaturen herrschen, ist die Landschaft wunderschön. Das Land spaltet sich in kleine Inseln, auf denen die Natur vor den Menschen verschont geblieben ist. Es ist wundervoll."
Ich hatte die Augen geschlossen und lauschte seiner Stimme. Lächelnd bemerkte ich: "Es ist schön wenn du erzählst." Ich meine ihn Kichern zu hören, ehe er weiter von seiner Heimat erzählte. "Das Gebirge durch das wir gewandert sind, sind die Felsspitzen, wir haben den Nordland Pass und den Weg genommen, doch hinter Nya sind die Felsen so steil, dass nicht einmal die Monster dort leben. Es ist eine Leben verachtende und kahle Gegend, doch hinter den Bergen liegt der Ozean, mit langen Sandstränden und kleinen Wäldern zwischen grasbewachsenen Dünen. Dort liegen zwei kleine Dörfer, fast gänzlich abgeschieden von allen Anderen."
"Warst du dort?", wollte ich schläfrig wissen. "Nein, ich kenne nur die Geschichten meiner Großmutter, doch sie ist gestorben als ich noch klein war. Aber ich war schon einmal am Ende des Xy, der große Fluss der durch Varia fließt. Er endet in einem Wasserfall der sich eine riesige Klippe hinab stürzt. In dem Tal darunter liegt der Regenwald, dort ist es warm und stickig und ich habe nur wenig davon gesehen, die Natur ist anders als alles was ich kenne. Doch eines Tages will ich wieder kommen und sie kennenlernen."
Ich wusste nichts darauf zu sagen und schwieg. Der Schnee wirkte fast wie eine Wand und mit der Zeit wurde es angenehm warm. Vermutlich würden Andere frieren, doch nach dem wir gefühlte Ewigkeiten durch den eisigen Sturm gewandert waren, war es wie in einem gemütlichen Haus. Ich hatte die Augen geschlossen und genoss die Ruhe, die wir für den Moment hatten.
Ich zuckte zusammen als ich etwas Kaltes an meiner Stirn spürte und schlug die Augen auf. Schnell erkannte ich, dass es Manuel gewesen war, der mir einige der verwuschelte Strähnen aus der Stirn gewischt hatte und mich an grinste. "Aufstehen. Ich will heute den Sturm noch hinter uns bringen." Ich nickte und kam langsam auf die Füße. Manu wirkte erstaunlich gut gelaunt, bestimmt hatte die Pause ihm auch gut getan.
Als ich mich unter den Zweigen der Tanne hervor traute, wollte ich am liebsten sofort wider zurück, doch Manuel ließ mich nicht. Er griff wieder nach meiner Hand und zog mich vorwärts. Ich hatte das Gefühl der Sturm wolle einfach nicht nachlassenden und meinem verwirrten Sinn für die Zeit zu urteilen müsste es längst Nacht sein. Meine Gedanken schienen genau so eingefroren wie meine Füße und Hände. Ich wollte einfach nur noch in ein warmes Bett, um dort ein gemurmelt in eine Daunendecke ein heiße Suppe zu löffeln.
Manuels Griff um meine Hand verstärkte sich und er rief mir etwas zu. Ich konnte ihn nicht wirklich verstehen, doch ich meinte zu hören, wir seinen bald da. Und tatsächlich, flaute der starke Wind erstaunlich schnell ab und die Flocken verloren an Größe. Nun tanzen sie mehr um uns herum und gaben endlich die Sicht auf die Landschaft frei.
Wir standen auf einem riesigen schneebedeckten Hügel, von dem aus wir auf ein Tal blickten. An den Hang des nächsten Hügels geschmiegt stand ein windschiefes Dorf, versteckt unter einer Decke aus Eiskristallen, so wie auch der Rest der Landschaft. Die Zweige der Bäume bogen sich unter dem Gewicht des Schnees, lange Eiszapfen ragten von den Ästen. Die untergehende Sonne glitzerte auf der weißen Decke und verlieh der Natur einen rot orangenen Schimmer.
"Es ist wunderschön.", hauchte ich ehrfürchtig. Manuel nickte und bemerkte in diesem Moment, dass er noch immer meine Hand hielt. Schnell ließ er sie los, was mir das Gefühl gab, dass irgendetwas fehlen würde. Doch ich dachte nicht weiter darüber nach, vermutlich hatte ich während unserem Marsch einfach daran gewöhnt.
Mein Begleiter war einige Meter weiter gestapft und hielt, wie auch vorhin schon, die Äste einer der großen Tannen beiseite. "Ich weiß, nicht er gemütlichste Ort zum übernachten. Aber die wenigen Leute die in der Eiswüste leben, wohnen in so ähnlichen Dingern.", sagte er achselzuckend als ich erst ihn, dann den Baum musterte.
Geschrieben von
I
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