77. Ein neues Licht
Der letzte Tag des Julis war warm und heiß und schwül. Bereits nach dem morgendlichen Training seiner Aurorenausbildung war James komplett am Ende seiner Kräfte. Er schwitzte und sein Gaumen war so trocken, dass er eine komplette Wasserflasche leerte, als er und Sirius für zehn Minuten in die Umkleidekabine konnten.
"Ich glaube, ich sterbe gleich", keuchte der junge Black. "Wie können die sowas von uns verlangen?"
"Das ist ein vollkommen normales Training, Black", ertönte eine amüsierte Stimme hinter ihnen. Caradoc lehnte sich neben die Tür und grinste schief.
"Aber es ist so heiß, Dearborn", knurrte Sirius, aber James erkannte, dass er nicht wirklich wütend war.
"Damit muss man leben. Im Winter war es dir zu kalt." Caradoc schien sich nicht davon beirren zu lassen, dass die beiden jungen Männer vor ihm beinahe an einem Lungenkollaps starben.
"Ich hab eine Nachricht für dich", sagte er dann an James gewandt. "Eine Eule hat ein Memo gebracht, kurz nachdem ihr zu eurem Training aufgebrochen. Hier." Er warf eine gefaltete Memo herüber, die durch die Luft segelte und dann sanft in James' Hand landete.
"Mr. Potter, ihre Frau Lily liegt in den Wehen und hat uns beauftragt, Ihnen diese Nachricht zu schreiben, damit Sie so schnell wie möglich in das St. Mungos Hospital kommen und ihr den emotionalen Beistand liefern, zu dem sie verpflichtet sind. Mit freundlichen Grüßen, Heiler Smitwick." James ließ das Memo fallen und riss sofort den kleinen Schrank auf, in dem er seine Klamotten gelagert hatte.
"Was ist los?", fragte Sirius, als James sich wie wild geworden sein schweißdurchtränktes Shirt vom Leib riss und es gegen ein sauberes tauschte. "Lily liegt in den Wehen", sagte er kurz angebunden und tauschte auch seine Hose aus. Caradoc hob seine Augenbrauen, zog seinen Zauberstab und James spürte, wie ein frischer Wind seinen Körper umwehte.
"Du willst doch nicht stinkend zu deiner Frau gehen, oder?" Er grinste, als James das Gesicht verzog.
"Danke, Caradoc. Ich muss - "
"Ich weiß. Wie gut, dass das zu Notfällen zählt." Er zwinkerte. "Aber du wirst das Training nachholen müssen, das ist dir bewusst, oder?"
"Ja, ja, weiß ich, ich muss los! Danke für die Nachricht!" Bevor Sirius überhaupt den Mund aufmachen konnte, war James bereits aus dem Zimmer gerannt. Während er sich den kürzesten Weg aus dem Ministerium suchte und ungeduldig auf die Knöpfe im Fahrstuhl hämmerte, kreisten die Gedanken in seinem Kopf wild umher. Zwei besonders große Gedanke schienen dabei sein komplettes Denken einzunehmen. Lass es Lily gut gehen. Warum genau heute?
Sein Mund war trocken und sein Herz raste wie verrückt, während seine Hände klamm und feucht waren. Warum musste es unbedingt dieser Tag sein? Hätte sie es nicht einen Tag noch aushalten können? Jetzt starb der siebte Monat und Lily würde entbinden. Sie waren Voldemort drei Mal entkommen und hatten ihm die Stirn geboten... die Prophezeiung würde nun auf sie zu treffen. James konnte sich gerade wirklich nichts schlimmeres vorstellen.
"Potter!", rief eine erboste Stimme, gerade als die Fahstuhltüren zugingen. Mad-Eye kam auf ihn zu gehumpelt und wirkte ziemlich sauer. "Wo bei Merlins Bart willst du bitte hin?"
"Ich muss - ", rief er dem alten Auroren zu. "ins Mungos! Lily liegt in den Wehen."
Für einen kurzen Moment dachte James, dass Mad-Eye das nicht als Entschuldigung ansehen würde und ihn einfach dabehalten würde - er wollte sich dabei nicht vorstellen, wie Lily reagieren würde, wenn er die Geburt seines Kindes verpassen würde - doch das vernarbte Gesicht des Mannes glättete sich kurz. "Schön. Aber wehe dir, du nutzt diese Ausrede noch mal. Und jetzt verzieh dich." James könnte schwören, dass er ein kurzes Lächeln auf den Zügen des Auroren erkannt hatte, als dieser sich abgewandt hatte, doch als sich Moody noch einmal zu ihm umdrehte, war sein Gesicht wieder miesepetrig wie immer. "Und bestell deiner Frau einen netten Gruß."
"Werde ich machen, danke!", rief James und endlich setzte sich der Fahrstuhl in Bewegung. Ratternd fuhr er nach unten und James schlüpfte ins Atrium, noch bevor die goldenen Gitter ganz aufgeschwungen waren. Hexen und Zauberer säumten seinen Weg, doch er kümmerte sich gar nicht, wenn er einen davon aus Versehen anrempelte oder auf die Füße trat, sondern verfolgte weiterhin sein Ziel, aus dem Ministerium rauszukommen.
Er reihte sich in die Wartenden vor einem Kamin ein und tippelte ungeduldig hin und her, während einer nach dem anderen in die grünen Flammen traten. Dieser blöde Apparierschutz, dachte James nervös. Wenn der nicht wäre, dann wäre ich schon längst im Mungos.
Es dauerte weitere fünf Minuten bis er sich endlich in den Kamin stellen konnte und 'Tropfender Kessel' rufen konnte. Kaum dort angekommen, apparierte er zum Mungos. Aus einer dunklen Seitenstraße lief er schnell über den Platz und kümmerte sich kaum, dass ein Muggelpassant ihm empört hinterherrief, als er ihn beinahe über den Haufen rannte. Doch James könnte sich im Moment nicht weniger darum kümmern, sondern ging auf die Glasscheibe zu und verlangte, dass die Puppe ihn einließ.
Der Eingangsbereich des St. Mungos war an diesem Tag besonders überfüllt und James war drauf und dran, sich einfach vorzudrängeln, doch er fand dann, dass der Mann mit dem dampfenden Kopf und das Mädchen mit den drei Ohren es doch dringender hatten, als er. Während er wieder wartete, malte er sich bereits das Schlimmste aus. Doch egal was er dachte, immer wieder schlich sich diese vermaledeite Prophezeiung in den Vordergrund und seine Hände begannen zu zittern. Der siebte Monat starb...
"Sir?", fragte die Empfangsdame und James schreckte auf. "Ja, hi, ich will gerne zu Lily Potter, meiner Frau!" Seine Stimme überschlug sich ein bisschen und die gestresste Miene der Frau glättete sich etwas. "Natürlich, James Potter, nicht wahr?", fragte sie und lächelte.
"Lily erzählt viel von Ihnen", fügte sie hinzu, als James unschlüssig nickte. "Gehen Sie den Gang entlang, sie ist gleich im letzten Raum rechts."
"Vielen Dank", hauchte er und eilte sofort weiter. Der Gang mit den schmucken Wandbehängen, den schönen, sterilen Türen und den Portraits rauschte nur so an ihm vorbei und er nahm eigentlich gar nichts mehr von seiner Umgebung war, als er den Raum suchte, in dem Lily sein sollte. Noch bevor er das Ende des Ganges erreicht hatte, hörte er ihre Stimme bereits. Sie schrie.
Ohne überhaupt anzuklopfen oder kurz Atem zu holen, stürmte James in den Raum am Ende rechts und erblickte sofort seine Frau, die schweißgebadet in einem Bett lag, das Gesicht hochrot und vor Anstrengung verzogen. "James", keuchte sie atemlos. "Na endlich."
Ellie, die neben Lily stand und ihre Hand hielt - und dabei ihr eigenes Gesicht vor Schmerz verzog und die Lippen zusammengepresst hatte - warf ihm einen schnellen Blick zu und wandte sich dann wieder um. "Komm her, sie zerquetscht meine Hand", zischte Ellie, als James wie gelähmt im Eingang stehen geblieben war. Der Heiler und die Helferin warfen ihm nur einen flüchtigen Blick zu, ehe sie die Tür mit einem Schwung des Zauberstabes schlossen und James sofort an Lilys andere Seite eilte.
"Tut mir Leid, ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte", sagte er unter schwerem Atmen und spürte wieder, wie seine Stirn mit Schweiß bedeckt war. Lily nickte lediglich und biss die Zähne zusammen, als sie seine Hand ergriff und sofort mit einer immensen Kraft zupackte, die er ihrem Körper nicht zugetraut hatte.
"Sie machen das gut, Mrs. Potter", sagte der Heiler und versuchte Lily Mut zu machen, die sich im Bett aufbäumte und vor Schmerzen schrie. "Man kann schon fast den Kopf sehen."
Jetzt, da James wirklich in diesem Kreissaal stand und Lily beistand, die ihre Wehen durchlitt, war auch die Sorge um die Prophezeiung wie weggeblasen. Es kümmerte ihn in diesem Moment einfach nicht mehr.
Ellie tupfte mit einem feuchten Lappen über Lilys Stirn im selben Augenblick, wie der Heiler erfreut aufschrie: "Ah, da ist das Köpfchen!"
"Komm schon, Lily, du schaffst das!", rief Ellie und ein paar Tränen hatten sich in ihren Augenwinkeln gesammelt, ob vor Schmerz oder Rührung konnte James in diesem Moment allerdings nicht sagen, und sie lächelte ihm zu, als sie seinen Blick auffing. "Gleich hast du es geschafft."
James nickte, auch wenn er wusste, dass er nicht gemeint war. Sein Herz schlug wie wild, seine Hände waren wieder feucht vom Schweiß und er fürchtete fast, dass seine Lungen kollabieren würden, so schnell atmete er. Lily schrie erneut, die Helferin sagte etwas, was James nicht verstand und er spürte, wie seine Hand erneut einer immensen Kraft ausgesetzt war, als seine Frau noch stärker zupackte. "Komm schon", murmelte er und wusste selber nicht, wen er nun meinte.
Die Namen, die sie für ihr Kind ausgewählt hatten, spukten gerade in seinem Geist herum und sowohl Harry James Potter als auch Wendy Lily Potter hatten ihre eigenen Reize, bei denen er sich partout nicht entscheiden konnte, welchen Namen er nun besser fand.
"Gleich geschafft!", rief der Heiler und Lily bäumte sich ein letztes Mal mit voller Kraft, sodass James fürchtete, seine Finger würden brechen. Ellie ging es wohl nicht anders, denn sie kniff die Augen schmerzerfüllt zusammen.
"Da! Geschafft!" Ein weiterer Schrei erfüllte den Saal und James zuckte zusammen, als sofort aller Druck von seiner Hand verflog und Lily kraftlos zusammensackte. Ihre Augen waren geschlossen und sie atmete schwer, aber ein Lächeln lag auf ihren Lippen. Ein gewaltiges Gewicht fiel von James als er sah, wie die Helferin sein Baby in ihre Arme nahm und es zu einer Wanne voll mit warmen Wasser brachte.
In einen kleinen, flauschigen Pyjama gewickelt, brachte sie das Baby zu den beiden frisch gebackenen Eltern und lächelte. Über den Schrei des Kindes sagte sie: "Ein Junge."
James starrte seinen Sohn einfach nur an. Er konnte es kaum fassen, dass dieses kleine Wesen sein Kind war. Dass er gerade Vater geworden war. Die Helferin übergab seinen Sohn an Lily, die ihn mit tränenverschmiertem Gesicht entgegennahm. "Eine kräftige Lunge", kommentierte Ellie leise, als das Baby nicht aufhören wollte zu schreien, selbst als Lily es sich an die Brust drückte. James beugte sich herab und berührte vorsichtig den Kopf seines Sohnes. Er fühlte sich so weich und verletzlich an, so zerbrechlich.
"Haben Sie einen Namen?", fragte der Heiler freundlich über das Weinen und Schreien.
Lily blickte auf, ihre Augen trafen James' und sie nickten im selben Moment.
"Harry", sagten sie dann unisono und das Baby hörte auf zu Schreien.
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