70. Was die Zukunft bringt...

That song is Liebe!

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Es wütete ein Feuer in Lilys Kopf. Zwei Wochen waren vergangen, seit Ellie ihr Geständnis gebracht hatte und seit diesem Tag hatte sie ihre beste Freundin nicht ein einziges Mal gesehen. Zwei Wochen, in denen Lily jeden Tag mit Fieberträumen erwacht war. Zwei Wochen, in denen sie jede Nacht panisch zur Seite blicken musste, um sich zu vergewissern, dass James noch da war. Und zwei Wochen, in denen Lily schlecht schlief, weil der Gedanke, dass Ellie sich etwas antun könnte, sie verfolgte.

Natürlich hatte James es bemerkt. Anfangs dachte er noch, Lily hätte sich etwas eingefangen und war mit ihr ins Mungos gefloht, um ihr einen stärkenden Trank zu besorgen, doch auch die nächsten Nächte ging es ihr nicht besser. Er hatte sie schließlich im Badezimmer gefunden, auf den Boden gekniet, die Hände ans Waschbecken geklammert und lautstark weinend. In diesem Moment war es Lily zu viel geworden. Sie hatte ihre Dämme brechen lassen und war emotional zusammengesunken. James' Nähe und sein gleichmäßiger Atem an ihren Ohren hatte sie langsam aber sicher beruhigt und auch wenn Lily noch immer Angst um Ellie hatte, so ging es ihr besser, als zuvor. Zumindest einigermaßen.

An diesem Sonntag war Lily mit fürchterlichen Kopfschmerzen erwacht. Ihr erster noch immer verschlafener Blick glitt zur Seite, doch James war nicht da. Einen Moment lang hatte sie Panik - doch dann hörte sie das rauschende Wasser der Dusche und beruhigte sich. Sie schämte sich, dass sie solche Gedanken hatte, dass sie dachte, James würde sie verlassen. Aber irgendwo in ihr war diese Angst fest verankert.

Langsam schälte sie sich aus der Decke - mittlerweile hatte sie einige Schwierigkeiten mit dem Aufstehen, denn ihr Rücken schmerzte nach jeder Nacht immer höllisch - und ging langsam aus dem Schlafzimmer. Sie torkelte die Treppe herunter, ließ mit einem Schnippen ihres Zauberstabes die Teekanne zu sich herüber schweben, die sogleich ihren frisch gebrühten Inhalt in eine Tasse goss und setzte sich dann gähnend aufs Sofa.

Mit zwei Fingern rieb sie sich ihre Schläfen und schloss kurzzeitig die Augen, während ein stechender Schmerz ihren Kopf durchzog. Würde sie nicht zu müde sein, um überhaupt geradeaus zu blicken, würde sie nun ihr Zaubertrankset aus dem Schrank holen und sich einen Anti-Schmerz-Trank brauen. Allerdings ließ sie es im Moment bei Tee bleiben und hoffte, dass es von alleine besser werden würde.

Lilys Blick fiel auf den Wohnzimmertisch. Neben dem Abendpropheten, den James abonniert hatte - er blieb gerne auf dem Laufenden, auch wenn man den Journalisten nicht immer alles glauben durfte - lag eine Ausgabe der Hexenwoche (Marlene hatte sie mitgebracht, weil sie Lily "unbedingt die hübschesten Zauberer des Jahrhunderts zeigen" musste und James hatte sich dann echauffiert, dass er nicht erwähnt wurde) und das Fotoalbum, welches sie mithilfe ihrer Freundinnen angefertigt hatte. Zwar waren die meisten Seiten noch leer, trotzdem griff Lily wie aus Reflex nach dem ledernen Buch und nahm es in die Hand, nur um die Seiten umzublättern, ohne wirklich auf die Bilder zu achten.

Sie hatte sich nie einen Gedanken darum gemacht, aber wenn sie genauer hinsah, so standen James und Ellie auf vielen Bildern immer ziemlich nah beieinander. Natürlich, sie waren Freunde und so weiter... aber Lily konnte einfach nicht umhin, als zu bemerken, dass es ihr irgendwie ein bisschen die Luft abschnürte. Was wäre wohl alles passiert, wenn sie nicht gewesen wäre? Petunia würde keine hasserfüllte Frau sein, ihre Eltern wären noch am Leben, vielleicht wäre James mit Ellie glücklich geworden... und Severus wäre noch immer ein Todesser.

Sie wusste es, sie hatte es immer gewusst. Sie hatte nicht den Worten von Professor Dumbledore lauschen müssen, um zu wissen, dass ihr ehemaliger Freund ein Anhänger von Ihm, dessen Name nicht genannt werden durfte war. Severus war schon der Dunkelheit verfallen, da waren sie noch nicht einmal auf Hogwarts gewesen. Er hatte die kleinen Zauber heimlich geübt, die er in den Büchern gefunden hatte. Zauber, die nichts für ihn waren. Zauber, die dunkel, schrecklich und grausam waren. So oft hatte Lily versucht ihn aufzuhalten, wenn er mit seinem Zauberstab auf eines der Nachbarskinder gezielt hatte (er hatte ihr erklärt, dass die Magie von nicht registrierten Kindern für das Ministerium nicht von Belang war, da sie sowieso ständig Magieschübe ausstoßen würden, die unkontrollierbar waren), aber Severus war fanatisch. Die dunkle, machtvolle Magie hatte hin schon immer begeistert und so hatte Lily es irgendwann aufgegeben. Hatte ihn aufgegeben.

"Was machst du das?" James' Stimme riss sie aus den Gedanken und sie blickte sich schnell zu ihm, bereute es allerdings sofort, als erneut ein Stich durch ihre Stirn zog. Lily kniff die Augen zusammen und sagte dann: "Gar nichts."

"Ja, so sieht das aus", schnaubte er und setzte sich mit nassen Haaren neben sie, um ihr das Fotoalbum aus der Hand zu nehmen. Während nun James die ganzen Bilder noch einmal durchsah, nahm Lily einen Schluck ihres Tees. "Wir hatten wirklich eine wunderschöne Zeit, nicht wahr?"

Lily nickte, während James das Fotoalbum wieder zuklappte und neben die Hexenwoche legte (die er mit einem Schnauben umdrehte). "Ja. Und ich vermisse die Schule immer noch."

James grinste. "In elf Jahren können wir sie ja besuchen fahren."

"Warum in elf Jahren?", erwiderte sie verwirrt und rieb sich erneut die Schläfe.

"Weil dann ein gewisser jemand in das Alter kommt, ebenfalls nach Hogwarts zu gehen." Sein Blick rutschte eine Etage tiefer und er fixierte Lilys Bauch, die kopfschüttelnd lächelte.

"Du bist so ein Kindskopf, James."

"Das hast du schon mal gesagt, Lily. Ehrlich, lass dir mal was neues einfallen. Wird ja langweilig mit dir." Er grinste sie noch breiter an, als sie ihm mit der flachen Hand auf den Brustkorb schlug. "Und gewalttätig ist sie auch noch!"

"Sei froh, dass ich eine schwangere, müde, kranke Frau bin, sonst würdest du nicht so glimpflich davon kommen."

Doch anstatt James nun lachte oder einen weiteren dummen Scherz brachte (die Lily in jeder Situation nun liebte und immer gerne hörte), legte er seine Stirn in Falten und sah Lily besorgt an. "Geht's dir wieder nicht gut? Soll ich noch mal ins Mungos?"

"Nein, James", seufzte Lily. "Ich hab Kopfschmerzen und... du kennst den Rest ja." Sie zog ein Bein auf das Sofa und legte ihr Kinn auf ihr Knie. "Ich mach mir einfach Sorgen."

"Du weißt, du musst nur was sagen, und ich geh sie suchen. Ich bin nur hier, weil du es mir verboten hast." Er griff nach ihrer Hand und strich mit seinem Daumen über ihre sommersprossige Haut, die sie mittlerweile wieder hatte. Immer, wenn die Sonne stärker wurde, wurde Lilys Haut wieder anfälliger für diese kleinen Flecken. James hatte immer gesagt, dass er sie mochte und sie ihn an den Sternenhimmel erinnerten (wie ihre Augen, aber damals hatte Lily ihn noch für einen kitschigen Idioten gehalten, der diese Sprüche aus der Flirtreihe der Hexenwoche klaute).

"Ich will ihr aber die Zeit geben, die sie braucht. Ellie hat es auch nicht einfach, das müssen wir respektieren. Aber trotzdem ist es schwer... meinst du, ich bekomme nicht mit, wie du jeden Morgen und jeden Abend in die Todesanzeigen guckst? Du hast auch Angst, dass ihr Name dort auftaucht, oder?"

James seufzte und ließ ihre Hand los. Er stand langsam auf und ging hinüber zum Fenster. "Es ist kompliziert. Einerseits will ich, dass Ellie wieder kommt und alles wieder beim Alten ist, aber andererseits weiß ich, dass es das nicht wird. Diese Dinge werden zwischen uns stehen, egal wie wir es drehen und wenden. Es ist nichts, was man einfach so ignorieren kann, Lily."

"Das weiß ich, glaub mir. Trotzdem wünsche ich mir meine beste Freundin zurück. Die ganze Zeit frage ich mich - " Weiter konnte Lily ihren Satz nicht bringen, denn ein leises Klopfen unterbrach sie. James blickte sie an und runzelte dann die Stirn. "Das war nicht die Haustür", stellte Lily fest und erhob sich.

"Nein..." Er fuhr sich einmal durch die nassen Haare (die nun wieder in alle Richtungen abstanden) und ging durch die Tür in die Küche. "Eine Eule!", rief er Lily zu und sie folgte ihm. James stand am Küchenfenster und hatte eine dunkelbraune Eule auf dem Arm, die mit erhobenem Blick durch das Zimmer blickte und dabei leise schuhute. Sie wirkte sehr selbstgerecht, dass sie es geschafft hatte, den Brief abzuliefern, ohne das dieser auch nur Spuren ihrer Krallen oder des Schnabels hatte.

"Ist der von Ellie?", fragte Lily sofort, doch James schüttelte den Kopf. "Nein, sie hätte eine wesentlich kleinere Eule und einen wesentlich größeren Brief geschickt. Er ist von Dumbledore."

Während James der Eule kurz über das Gefieder strich, ging Lily zum Küchentisch, auf welchem ihr Ehemann den Brief ihres ehemaligen Schulleiters abgelegt hatte. Wie immer war dieser sehr sauber beschriftet und das Pergament schien hochwertig zu sein. "Danke", sagte James zu der Eule, die daraufhin mit ihren Flügeln schlug und dann wieder aus dem offenen Fenster davon flog.

Lily öffnete den Brief und las vor:

Sehr geehrte Mr. und Mrs. Potter,

vor einigen Wochen hatte ich ein Gespräch mit einer Kandidatin für den Posten als Wahrsagelehrerin. Ich würde Sie nicht kontaktieren, wenn es nicht wirklich wichtig für Ihre Zukunft wäre. Wenn Sie es einräumen könnten, dann würde ich Sie noch heute gerne in meinem Büro empfangen, um diese Sache persönlich zu besprechen.

Sollten Sie es nicht schaffen, dann schreiben Sie mir bitte den nächsten Termin, den sie haben. Es ist wahrscheinlich wirklich dringend.

Hochachtungsvoll und in der Hoffnung, dass Sie beide wohlauf sind,

Albus Dumbledore.

"W...was?", fragte James verwirrt und Lily ließ den Brief sinken.

"Etwas, das wichtig für unsere Zukunft ist?", flüsterte sie leise und automatisch verkrampfte sich ihre Hand. "Was soll das bitte bedeuten?"

"Ich weiß es nicht", erwiderte James. "Am besten fragen wir ihn selbst, oder?"

Lily nickte. "Ja, das stimmt. Wir sollten uns fertig machen und so schnell wie möglich zu ihm flohen."

Als Lily den Brief wieder zusammenfaltete und auf den Tisch legte, hatte sie ein ganz merkwürdiges Gefühl in der Nähe ihres Herzens und - vielleicht hatte sie es sich eingebildet - das Baby schien dies ebenfalls zu spüren.


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