68. Ein Moment der Stille

Die liebe Alex hat ein Fancover gemacht und ist es nicht fabulös *-*

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Während der Februar endete und langsam in den März überging, da verspürte James eine gewisse Vorfreude. Wann immer er und Lily Cassy besuchten (und dies passierte nun so gut wie täglich, denn Lily war immer noch hin und weg von der kleinen Evelynn), da bemerkte er, dass er es gar nicht mehr abwarten konnte, bis sein eigenes Kind auf der Welt war. Evelynn war ein sehr ruhiges Baby und Sirius erzählte immer ganz stolz, wenn er sie zum Schlafen bringen konnte, ohne das sie wieder aufwachte und nach ihrer Mutter verlange. Lily meinte dann immer, dass müsste an seinem hündischen Ich liegen.

Langsam zeigte Lily auch deutlich auf, dass sie ebenfalls schwanger war. Sie beklagte sich, dass ihre Hosen ohne Magie nicht mehr passten und das ihre Füße schmerzten, sie meckerte darüber, dass James immer noch nicht auf Muggelart kochte und er ihr keine Röstzwiebeln auf den Eisbecher gepackt hatte ("Nein, das ist ja widerlich, Lily!") und sie beschwerte sich, dass ihre Brust immer schwerer wurde und sie ein merkwürdiges Gewichtsverlagerungsproblem hatte, wann immer sie versuchte sich die Schuhe auf traditionelle Art anzuziehen.

"James, ich kann so nicht weiterleben!", rief sie dann immer. "Wie soll das denn aussehen, wenn ich mich nicht einmal alleine anziehen kann?" James lachte dann nur, schwang den Zauberstab ein bisschen und erwiderte: "Es ist doch nur noch ein paar Monate, dann haben wir unser eigenes kleines Baby hier."

Eines frühen Morgens, es konnte nicht später als sechs Uhr sein, da klingelte es an der Tür im Potter-Haushalt. Das unerträgliche, laute Schrillen der Klingel riss sowohl James als auch Lily aus dem Schlaf. "Es hat geklingelt, geh aufmachen", murmelte die rothaarige Hexe neben ihm und drehte sich wieder um. "Ich steh bestimmt nicht auf."

Kopfschüttelnd warf James also die Beine aus dem Bett und torkelte noch schlaftrunken in den Flur, die Treppe hinunter und dann zur Eingangstür. Gerade, als er die Hand an die Klinge legte, erklang erneut das Klingeln, welches nun sehr unangenehm in seinen Ohren schallte. Es fühlte sich zu vertraut an und erinnerte ihn an die Morgen im Gryffindorschlafsaal, als Remus noch seinen alten, ziemlich kaputten Wecker dabei gehabt hatte, der ein ebenso lautes und nervtötendes Geräusch von sich gegeben hatte.

Während seine Ohren nun wach waren und die Reizüberflutung sein Hirn zum Überkochen brachte, öffnete er die Tür und wollte schon harsch Was?! rufen, da stockte er. "Ellie?", fragte er stattdessen und blickte seine Freundin an, die an diesem Morgen eine Jacke mit flauschiger Kapuze trug und diese auch über ihre kurzen Haare gezogen hatte. "Hab ich euch geweckt?", fragte sie und übersprang ebenfalls die Begrüßungsfloskeln.

"Natürlich, hast du mal auf die Uhr geguckt?", erwiderte James und unterdrückte ein herzhaftes Gähnen. "Was willst du denn so früh hier?" Ellie sah kurz auf ihre Finger - sie schien nervös zu sein, so, wie sie ihre Hände krampfhaft verschränkt hielt - dann kreuzte ihr Blick den seinen.

"Ich - ich wollte um etwas bitten", murmelte sie dann schließlich und ihre Stimme klang so, als fragte sie sich, was sie eigentlich hier tat. James verschränkte lediglich etwas fröstelnd die Arme und zog eine Augenbraue hoch. Ellie kaute auf ihrer Unterlippe.

"Und das wäre?", hakte er nach, als sie keine Anstalten machte, alleine weiter zureden.

"Mein Bruder hat heute Geburtstag." Sie machte eine kurze Pause. "Und ich würde ihn gerne besuchen." Ihr Blick hatte beinahe etwas flehendes in sich.

"Aber dein - oh." James stockte. Ellies Bruder war schon seit vielen Jahren tot. Also wollte sie... "Und du willst, das ich mitkomme?", fragte er mit gedrückter Stimme. Sie nickte kurz angebunden. James seufzte leise, dann machte er ihr Platz. "Komm rein. Ich zieh mich an." Ellie trat an ihm vorbei und vielleicht hatte er sich in dem wenigen Licht, das im Flur herrschte, nur eingebildet, aber es schien, als wären ihre Augen feucht und gerötet.

Während Ellie sich nicht die Mühe machte ihre Jacke auszuziehen, und sich einfach nur auf die vorderste Kante der Couch setzte, eilte James wieder nach oben. Er musste mehrmals schlucken, damit er wieder ein Gefühl für seine Stimme bekam. "Lily?", fragte er in die Dunkelheit des Schlafzimmers und seine Frau regte sich langsam. Sie stöhnte auf, sah aber nicht so aus, als wäre sie wach. James trat an sie heran und wollte sie schon wecken, da besann er sich eines besseren und ließ sie schlafen.

So leise aber schnell, wie es ihm möglich war, sammelte er seine Sachen ein und verschwand für ein paar Minuten im Badezimmer, in welchem er seine Notdurft verrichtete und sich frisch machte. Voll angekleidet verließ er dann das Schlafzimmer, aber nicht ohne noch eine schnell geschriebene Notiz für Lily da zulassen. Komme bald wieder, iss ruhig ohne mich. J.

Ellie saß nicht mehr im Wohnzimmer, als James die Treppe hinab ging. Stattdessen stand sie am Fenster und starrte in den Himmel, kaute dabei weiter auf ihrer Unterlippe herum. Sie wirkte so ruhig. So kannte James sie nicht. Ellie war nicht ruhig. Ellie war laut und bunt. Voller Leben.

James räusperte, um auf sich aufmerksam zu machen. Ellie erschrak und warf ihm einen überraschten Blick zu, dann glättete sich ihre Miene wieder und sie trat wortlos in den Flur. Er folgte ihr, zog sich Mantel und Schuhe an und ließ Ellie dann den Vortritt, als er die Haustür öffnete. Mit einem leisen Klicken fiel sie hinter ihm ins Schloss.

"Tut mir Leid", sagte sie dann, mied aber seinen Blick.

"Schon okay, Ellie. Aber wieso soll ich mitkommen und nicht Lily?" Er fragte dies nicht, weil er sich geschmeichelt fühlte, sondern weil Lily und Ellie beinahe so etwas wie Schwestern waren. Es gab nichts, was die beiden nicht zusammen taten. Deshalb war James unschlüssig, wie er das verstehen sollte.

"Weil... naja, weil ich es irgendwie vermisst habe, weißt du. Als nur wir zwei Freunde waren und es noch nicht dieses ganze Drama mit dir und Lily gab. Also, zumindest nicht so, wie es jetzt ist. Seitdem haben wir nichts mehr alleine unternommen." Ellie warf ihm einen flüchtigen Blick zu und seufzte dann. "Ich hab dich einfach vermisst, James."

Ellie blieb stehen und sah ihn an, als hätte sie soeben etwas sehr intimes preisgegeben. James hielt ebenfalls an, in seinem Blick lag allerdings eher Überraschung und Rührung. "Ach Ellie", seufzte und zog seine Freundin in eine warme Umarmung. Überrascht, von dieser plötzlichen Zuneigung, klammerte Ellie sich in seinen Rücken. Er spürte, wie sie zitterte. "Ich hab dich auch vermisst."

Als sie sich nach ein paar Momenten wieder lösten, wischte sie sich kurz übers Gesicht und schenkte James dann das erste Lächeln des Tages. Ihre Hände wirkten nicht mehr ganz so krampfhaft, als sie außerhalb der Hausgrenze (und natürlich mit Vergewisserung, dass kein Muggelnachbar sie beobachtete) apparierten. Ellie hatte ihn mit nach London gebracht.

Ein schmiedeeisernes Tor war in einen burgartigen Eingang eingelassen und James meinte sich zu erinnern, dass dies der Eingang zum Highgate Cemetery war. Ellie ging zielsicher, wenn auch mit zusammengepressten Lippen, auf den Eingang zu. "Das war viel zu riskant", flüsterte James, der sich panisch umgesehen hatte, als sie einfach so auf der Straße aufgetaucht waren. "Ellie!" Sie antwortete nicht, zog ihren Zauberstab und entriegelte das Tor mit einem stummen Alohomora.

"Das ist Einbruch, ist dir das bewusst?", fragte James, als er ihr ins Innere der Friedhofsanlage folgte. "Damit müsstest du doch auskennen, oder nicht?", erwiderte sie schnippisch und er verstummte. "Seit wann stört es dich überhaupt, wenn wir etwas Straftätliches tun?"

James schluckte. "Es stört mich, seit ich eine Familie gegründet hab." Ellie blies die Luft aus, die sie angehalten hatte - wahrscheinlich hatte sie auf eine Alarmanlage gewartet - und drehte sich dann zu ihm um. "James, wir werden nicht lange hier sein. Also... bitte." Ihr Blick war flehend und ihre Stimme brüchig, also blieb ihm nichts anderes übrig, als stumm zustimmend zu nicken. "Dann komm."

So unwohl James mit dieser Sache auch war, er wollte für Ellie da sein, also folgte er ihr weiter ins Innere. Hunderte Gräber passierten sie, als er eine Schrittlänge hinter ihr ging. Die Namen verblassten sogleich aus seinem Gedächtnis, als er sich sie durch las. Es waren Unbekannte, dessen letzte Ruhestätte er hier passierte.

Ein frischer Frühlingswind hatte den Friedhof erfasst, blies durch die langsam blühenden Bäume und brachte James' Haare noch mehr durcheinander, als sie ohnehin schon waren. Ein wenig vermisste er ja die stereotypisch kahlen Bäume, die die Wegränder zierten und schaurig wirkten, während sie die beklemmende Atmosphäre, die sowieso auf Friedhöfen herrschte, noch untermalten. Aber hier sah es aus, als wären nur die schönsten Bäume erlaubt. Keine knorrigen Stämme, keine knarrenden Äste. Es wirkte beinahe friedlich.

Ellie war stehen geblieben und blickte nun - wieder mit krampfhaften Händen - auf einen Grabstein, der mit leichtem, grünen Moos bewachsen war. Grabblumen gab es keine und auch keine Lichter. Es schien, als wäre lange Zeit niemand mehr hier gewesen.

17. 2. 1957 - 28. 6. 1967

Esmond Winters

Es war ein ziemlich unpersönliches Grab, fand James. Trotzdem kniete Ellie sich davor und legte eine Hand auf den schmutzigen Stein. "Die seltsamen Namen liegen in der Familie", sagte er, weil er nicht wusste, wie er auf die Situation reagieren sollte. Sein Lächeln fror allerdings schnell wieder ein.

"Ich war... lange nicht hier", flüsterte Ellie in den Morgen. "Ich glaub nicht, dass jemand in den letzten Jahren überhaupt hier war. Meine... meine Mutter ist schwach, was das angeht. Sie ignoriert es und verlässt den Raum, wenn das Thema in diese Richtung geht. Es ist schwer, wenn ich bedenke, dass es ihr erstes Kind war und sie es verloren hat."

"Sie hat bestimmt nur zu viele Gefühle darüber", sagte James leise, der Ellies Mutter nur ein paar Mal getroffen hatte. "Er war... ihr Sohn und sie hat ihn sicherlich sehr geliebt."

"Aber wohl nicht stark genug, um sein Grab zu pflegen", erwiderte sie kalt. "Aber warum rege ich mich überhaupt auf. Ich bin ja nicht besser..."

"Wieso warst du denn nicht hier?", fragte er und ließ sich neben ihr nieder, auch wenn die Sehnen in seinen Beinen protestierten.

"Weil ich es nicht wollte. Ich... ich wollte es nicht sehen. Das Grab. Und wie es aussieht. Ich wette, er ist enttäuscht von mir."

"Bestimmt nicht", sagte James und strich Ellie über den Arm, woraufhin sie den Blick zu ihm wandte. "Er ist dein Bruder gewesen. Und ich weiß, dass du ihn noch liebst, sonst wärst du nicht so verletzlich." Ein schmales Lächeln erschien auf ihren Lippen und sie blickte wieder auf die Inschrift.

"Wahrscheinlich hast du Recht", antwortete sie nach einigen Momenten. "Ich denke, ich sollte mich mal ein bisschen darum kümmern." Ellie erhob sich langsam, zog ihren Zauberstab und richtete ihn dann auf den Grabstein ihres Bruders. Ihre Lippen bewegten sich zwar, aber James konnte die Zaubersprüche, die sie nutze, nicht hören. Trotzdem sah er sehr wohl das Ergebnis, als das Moos sich von alleine vom Stein schälte und die verschmutzte Oberfläche wieder anfing zu glänzen, als wäre sie neu. Ein paar Blumen sprossen aus der Friedhofserde und ein winziges goldenes Grablicht erschien neben einem Kranz aus roten Tulpen. "Besser."

James erhob sich ebenfalls und wie aus einem Reflex heraus griff er nach Ellies Hand. "Wenn du wieder herkommen willst, dann kannst du mich gerne wieder um sechs aus dem Bett klingeln." Ellie lächelte und lehnte dann ihren Kopf an seine Schulter.

"Danke, James."

Als der Wind wieder auffrischte und die Köpfe der frisch gewachsenen Blumen umherschwenken ließ, löste Ellie sich von ihm und blickte ihm in die Augen. "Ich liebe dich."

James' Mund wurde trocken und sein Augenlid zuckte kurz. "Ich..."

Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange und lächelte schwach. "Schon gut." Ehe er sich versah, war sie wieder zum Eingang des Friedhofs gegangen.

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