66.Neuerungen

"Heute ist es endlich soweit, oder?", fragte Ellie nachdem sie Lily begrüßt hatte. Diese seufzte ergeben.

"Endlich", erwiderte sie. "James geht mir langsam wirklich auf die Nerven. Er bekommt wirklich nichts ohne Zauberei hin und so sehr er die Strafe verdient hat, sie war für mich die größere Hölle. Also bin ich so froh, dass er und Sirius heute endlich ihre Zauberstäbe wiederbekommen."

Ellie sah sie überrascht an. "Oh. Eigentlich meinte ich, dass Cassy heute aus dem Mungos entlassen wird." Lily wandte sich zu ihr, die Augen weit aufgerissen.

"Was!? Ich dachte, das wäre nächste Woche!" Sie fuhr sich die Haare - eine Geste, die sie sich mittlerweile von James angewöhnt hatte - und blickte auf die Uhr an der Wand. "Aber dann können wir sie gar nicht mehr vorher besuchen gehen." Ellie kicherte leise.

"Keine Sorge, Lils. Ich hab das mit Sirius abgesprochen, wir treffen uns alle bei ihm nach der Arbeit und feiern ein bisschen. Ich hab auch Lin eingeladen, weil du sowieso mit deinen Gedanken immer ganz woanders bist." Lilys Wangen nahmen einen zarten Rosaton an, doch sie begnügte sich damit, Ellie ihre Zunge zu zeigen, ehe sie sich galant umdrehte, um in den Übungsraum zu gehen.

"Guten Morgen, meine Damen", begrüßte sie eine ältere Dame mit einem violetten Umhang. Sie hatte graumelierte Haare, die allerdings äußerst charmant in einem strammen Haarknoten saßen und der Frau ein stolzes wie auch respektvolles Aussehen gab.

"Wo ist - ", fing Ellie an, doch die Dame beugte den Kopf ein bisschen und sie verstummte. "Ich werde ab heute Ihre Ausbildung übernehmen", sagte sie mit einem süßlichen Lächeln, welches ihre Augen nicht komplett erreichte. Ein bisschen erinnerte ihre Haltung Lily an Professor McGonagall, wann immer sie etwas in ihrem Unterricht erklärte und dabei keine Unterbrechungen duldete.

"Die Kollegin, die ursprünglich für Sie beide zuständig war, wurde auf ihren eigenen Wunsch hin in eine andere Heilanstalt versetzt." Ellie und Lily tauschten einen kurzen Blick.

"W-Wieso das denn?", fragte Ellie verblüfft.

"Oh, hat man Ihnen das nicht erzählt?", erwiderte die Frau etwas irritiert und Lily meinte zu sehen, dass ihre stolze Fassade etwas bröckelte. "Ihr Sohn wurde von einigen Todessern angegriffen und liegt seitdem in einer Art Wachkoma." Ihre Stimme war zwar beständig, aber trotzdem konnte auch diese Frau wohl nicht verbergen, dass ihr das Schicksal einer anderen Person ans Herz ging

"Ein uns unbekannter Fluch hat ihn getroffen und seit dem redet er nur noch wirres Zeug, wenn er denn nicht gerade in einen tiefen Schlaf verfallen ist. Es ist wahrlich tragisch", fügte die ältere Hexe hinzu und ließ einen kleinen Seufzer ihrem Mund entkommen. "Aber nichtsdestotrotz muss Ihre Ausbildung weitergehen, nicht wahr? Wenn man mich genügend informiert hat, dann sie Mrs. Potter und Miss Winters, liege ich da korrekt?"

"Das stimmt, Madame", antwortete Lily förmlich und die Lippen der älteren Frau kräuselten sich leicht und sie schien fast zu lächeln. "Sie könne mich ruhig Evangeline nennen, ich bezweifle nämlich, dass sie sich meinen Nachnamen überhaupt merken geschweige denn aussprechen könnten." Das Lächeln der Heilern war nun etwas klarer geworden, als sie mit einem Kopfnicken nun auf Lily und Ellie deutete.

"Nun, wir haben viel zu tun, meine Damen", sagte Evangeline und nahm ein Dokument von einem der Tische zur Hand. "Ich habe von meiner Kollegin alles erfahren, was ich wissen muss, um mit Ihnen die Ausbildung reibungsfrei weiterführen zu können. Damit Sie allerdings das bestmögliche daraus mache, erwarte ich eine einwandfreie Mitarbeit, keine Widerworte und keine Regelverstöße. Ich kann wirklich sehr unangenehm werden und ich denke, es liegt in unserer aller Interesse, dass wir dies nicht erleben, nicht wahr?"

Stumm nickten die beiden jungen Hexen und die älteren lächelte zufrieden. "Sehr schön. Dann können wir ja anfangen."

Als Lily und Ellie am Ende dieses Tages endlich das St. Mungo verließen, rauchten ihre Gehirne. Evangeline war zwar ziemlich freundlich, wenn man sie näher kannte, aber sie war so unglaublich streng und schnell. Schnell in dem Sinne, dass sie von einem Thema zum nächsten rutschte, oftmals weil sie sich in Erklärungen verlor und gar nicht mehr mitbekam, wie ihre beiden Schülerinnen nicht mehr hinter herkamen. Zwar hatten sie sehr viel neues gelernt, allerdings hatte Lily den Verdacht, dass sie die Hälfte davon nicht einmal bis zum nächsten Morgen behalten würde.

"Ich bin völlig tot", murmelte Ellie und hielt sich eine Hand vor den Mund, um einen Gähnen zu verdecken. "So müde war ich schon ewig nicht mehr nach der Arbeit."

"Ich auch nicht", stimmte Lily ihr zu. "Es war - "

" - total anstrengend", beendete ihre Freundin ihren Satz. "Und ich bin froh, dass es für heute vorbei ist. Jetzt sollten wir uns aber 'n bisschen beeilen, sonst kommen wir viel zu spät." Lily nickte und gemeinsam mit Ellie machte sie sich auf den Weg zu Sirius' Apartment. Wenn Cassy, wie sie es gedacht hatte, erst in der nächsten Woche entlassen worden wäre, dann hätte sie sie nun in ihrem Zimmer besucht, allerdings konnte sie sich nicht erklären, wie sie sich so in der zeit verzettelt haben konnte. Sie schob es vorzeitig auf James, der ihr mehr als nur die Nerven geraubt hatte.

"Da seid ihr ja endlich!", rief Peter, als er die Tür öffnete, an welche Ellie eben noch geklopft hatte. "Sie dürften jeden Moment ankommen." Schnell zog der pummelige, junge Mann die beiden in die Wohnung, ehe er die Tür wieder zufallen ließ. "Was meinst du damit? Ist Cassy noch nicht da?", fragte Ellie irritiert.

"Nein", erwiderte nun Marlene, die vom Sofa aufgestanden war. "Sirius holt sie ab und ich hab ihm gesagt, er soll auf Zeit spielen, damit wir alle hier sind." Sie lächelte breit. "Außerdem wissen wir doch alle, dass er es nie geschafft hätte, sie in nur zehn Minuten herzubringen. Wir kennen Sirius immerhin."

"Oh ja", murmelte James, der auf der Lehne eines Sesseln gesessen hatte. "Hallo Lily, Ellie." Er schenkte ihnen ein strahlendes Lächeln und Lily verdrehte die Augen. "Kaum hat da jemand seinen Zauberstab wieder, ist er wieder ganz der Alte, was?"

James grinste ertappt. "Was soll ich sagen? So bin ich nun mal."

"Lily!" Linnea kam aus der Küche, die Haare immer noch in leuchtend blauer Farbe gefärbt, und umarmte ihre Cousine sogleich. "Oh, bin ich froh dich zu sehen. Es ist viel zu lange her."

"Das ist es", stimmte Lily ihr zu und schob Lin von sich. "Was hast du die ganze Zeit über angestellt?"

Lin grinste schelmisch. "Nun, ich hab jemanden kennen gelernt."

"Ach? Und das erzählst du deiner liebsten Cousine nicht?", fragte Lily empört und stemmte die Hände in die Hüften. Lin jedoch lachte nur. "Kein Grund zur Panik, Lily, noch haben wir uns nicht verlobt."

"Aber?", fragte Marlene neugierig hinterher.

"Naja, nicht viel. Wir haben uns ein paar Mal getroffen und kommen wirklich gut miteinander aus. Sie findet übrigens die Schicksalsschwestern ganz toll und war total aus dem Häuschen, als ich ihr gesagt hab, dass ich die Drummerin bin. Was ist?" Lin blickte ihre Freunde merkwürdig an, denn die meisten hatten die Augen aufgerissen.

"Hast du... 'Sie' gesagt?", fragte Remus leise und die Stimmung im Zimmer schien spontan von ausgelassen, zu sehr interessiert und teilweise geschockt zu fallen.

"Ähm. Ja?" Lin blickte immer noch verwirrt drein. "Was ist denn?"

"Du... du hast nie gesagt, dass du... naja, auf Frauen abfährst", sagte Lily perplex und Lin sah sie verstört an. "Nicht? Naja, ich dachte immer, dass wäre ziemlich offensichtlich..."

James hustete laut und hielt sich eine Hand vor den Mund und Lily warf ihm einen kurzen, misstrauischen Blick zu, bevor sie sich wieder an ihre Cousine wandte. "Nun... also, ich freue mich für dich", sagte sie dann und lächelte etwas gequält.

"Ist das ein Problem für dich?", fragte Linnea etwas kühl und trat einen Schritt zurück.

"Was? Nein, natürlich nicht!", rief Lily sofort aus. "Ich war nur... überrascht. Du hast bisher nie etwas in diese Richtung gesagt, deswegen war ich... naja, eben etwas überrascht."

"Hat jemand von euch ein Problem damit?", fragte Lin dann die anderen und verschränkte die Arme. Alle schüttelten sofort ihre Köpfe und James trat zu ihnen. "Nein, ganz sicher hat niemand ein Problem damit. Solange du damit zufrieden bist..." Seine Augen schienen sich in ihre zu bohren und Lily hatte das unangenehme Gefühl, dass die beiden ihr etwas verschwiegen. Kurz hatte sie einen unmöglichen Gedanken, verwarf ihn aber sofort. Nein, James würde sie nicht betrügen. Oder würde er?

Bevor sie jedoch überhaupt daran denken konnte, den Mund zu öffnen, ging die Tür auf und Sirius kam mit Cassy herein. Beim Anblick der vollen Wohnung, riss Cassandra überrascht den Mund auf und atmete scharf ein.

"Was macht ihr denn alle hier?", hauchte sie und bemerkte die angespannte Stimmung wohl überhaupt nicht.

"Dich überraschen", rief Ellie schnell, da Lily immer noch James und Lin anstarrte, die den Blickkontakt noch nicht abgebrochen hatten. "Dich und deine Tochter, meine ich. Du wurdest heute entlassen, also... Yay!"

Endlich lösten sich ihre Blicke und James und Lin blickten nun ebenfalls zu Sirius und Cassy. Ein Lächeln - Lily fand, dass es etwas gezwungen aussah - erschien auf James' Gesicht. "Hat Sirius dich durch die ganze Stadt geführt?", fragte er und deutete auf die Tüten, die sein Freund in den Händen trug.

"Es kam mir zumindest so vor", erwiderte sie lächelnd und drückte das Bündel, welches sie im Arm hielt, etwas näher an sich.

"Ich hab nur meinen Job gemacht", verteidigte sich Sirius und schloss die Tür hinter sich. "Und es hat ja wunderbar geklappt, alle sind da, oder?" James nickte kurz angebunden.

Lily schüttelte den Kopf und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Sie durfte sich jetzt nicht diesen irrationalen Gefühlen hingeben. Bestimmt gab es eine plausible Erklärung für das seltsame Verhalten ihrer Cousine und von James. Es gab keinen Grund, dass sie nun überreagieren würde. Sie kannte James und Lin doch und sie liebte sie beide. Sie würden ihr soetwas nicht antun.

"Jetzt zeig mal die Kleine", verlangte Marlene aufgeregt, die Cassy nicht besucht hatte, als sie noch im Mungos war. Bereitwillig senkte Cassandra ihren Arm etwas und entblößte damit das Gesicht ihrer Tochter, die zu schlafen schien. "Sie ist so winzig", hauchte Marlene.

"Und zuckersüß", schwärmte Ellie sofort. "Wie heißt sie denn?", fragte Peter und trat ebenfalls etwas näher, um das kleine Mädchen in den Armen ihrer Mutter zu begutachten.

"Evelynn", erwiderte Cassandra mit dem stolzesten Lächeln, welches Lily je bei ihr gesehen hatte, und strich vorsichtig über den Kopf ihrer Tochter. "Sie sieht dir sehr ähnlich", befand Remus mit einem schwachen Lächeln. Doch Cassy schüttelte den Kopf.

"Nein, sie sieht wir ihr Vater aus", sagte sie leise und schluckte kurz. Sirius räusperte sich vernehmlich.

"Nun, ich hab ein paar Dinge für heute eingekauft, also, lasst uns darauf anstoßen, dass Cassy und Evelynn wohlbehalten sind." Remus und Lily tauschten einen amüsierten Blick. "Was?"

"Nun, sie wird hier bei dir wohnen, oder?", fragte Remus und Sirius sah aus, als hätte diese Frage ihn persönlich verletzt. "Natürlich!"

"Dann stell dich schon mal auf ein paar schlaflose Nächte ein." Cassandras Wangen wurden dunkelrot und sie murmelte etwas, was Lily nicht ganz verstehen konnte, doch Sirius unterbrach sie sowieso. "Mach dir mal keinen Kopf darum, ich wusste genau, auf was ich mich einließ, als ich dich bei mir aufnahm. Und jetzt wird angestoßen, los!"

Lily hatte die Vermutung, dass Sirius wirklich noch nicht ganz wusste, worauf er sich dort einließ, aber sie hielt den Mund. Sollte er es doch selbst herausfinden.


Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top