63. Leben

Lily starrte James mit wutverzerrter Miene an.

Was bitte soll das heißen, du hast einen Monat lang zauberverbot?" Ihre Nasenflügel bebten und sie hatte immer noch nicht ihren Mantel ausgezogen.

„Äh, so ziemlich das, was es heißt", murmelte James und kratzte sich verlegen am Hinterkopf – eine Geste, die Lily zuvor noch sehr anziehend gefunden hatte. Sie atmete langsam ein und wieder aus und versuchte einen klaren Kopf zu bekommen. Es half nicht.

„Das ist ja ganz wunderbar!", fing sie an zu zetern. „Was bitte willst du jetzt einen Monat lang machen? Du kannst so nicht arbeiten! Wenn Moody das erfährt, dann zerreißt er dich doch mitten in der Luft! Und das alles nur, weil du so unsagbar dumm sein musstest, ich fass es nicht..."

„Ich...", entgegnete James, doch er wusste wohl nicht so recht, was er sagen sollte und entschied sich stattdessen zu schweigen. „Ja, jetzt hast du natürlich nichts zu sagen! Ich fass es nicht!"

„Du wiederholst dich", meinte er leise und Lily funkelte ihn erbost an. „Wag es nicht, James Potter, wag es einfach nicht." Mit wehenden roten Haaren fuhr sie herum und lief in den Flur, um grob ihren Mantel aufzuhängen. Dabei interessierte es sie recht wenig, dass sie dabei eine Vase mit Dekorblumen umwarf, die scheppernd auf dem Boden zerbrach.

Als sie wieder ins Wohnzimmer trat, blickte sie James kurz an. „Wie bist du überhaupt nach Hause gekommen?", fragte sie schnippisch und verschränkte wütend die Arme. „Remus hat so ein Muggelfahrzeug bestellt, das hat mich hergebracht."

„Ein Taxi meinst du", schnaubte sie und drehte sich um, um in die Küche zu gehen. Sie zückte ihren Zauberstab und fuchtelte damit ein bisschen in Richtung der Küchenschränke. Sie konnte hören, wie James im Wohnzimmer resigniert ausatmete und irgendwie tat er ihr ja auch leid und sie wusste ja auch, dass er aus seinem Fehler gelernt hatte. Trotzdem konnte sie nicht umhin, als sauer auf ihn zu sein, weil er... ja, weil sie sauer war! Sie hatte nicht einmal einen wirklichen Grund dafür.

In weniger als fünf Minuten stand ein fertiges Abendessen auf dem Tisch und doch konnte Lily sich nicht dazu durchringen, James zu rufen. Sie war ihm ziemlich unfair gegenüber und dennoch fand sie, dass er es auch irgendwie verdient hatte. Einen Monat lang ohne Zauberer war zwar Strafe genug für ihn, doch er sollte wissen, dass sie ihm nicht alles so mir nichts, dir nichts verzeihen würde. Freilich, sie hatte ihm einige der Dinge, die er in der Schule getan hatte, noch nicht vollends vergessen und dass würde noch seine Zeit dauern, bis dies geschehen würde.

„Lily", wehte James' Stimme zu ihr und sie schloss die Augen, als sie seinen Atem an ihrem Nacken spürte. „Es tut mir leid."

„Ich weiß", murmelte sie und seufzte. „Ich bin trotzdem sauer auf dich."

„Dessen bin ich mir bewusst", meinte er und sie wusste, dass er trotz der Situation lächelte. Wofür sie ihn nur noch mehr liebte. „Aber sei doch nur unterbewusst sauer auf mich."

„So wie immer, also?", fragte sie und drehte sich zu ihm um. Sein schönes Lächeln entgegnete ihr sofort. „Genau. Ich mag es nicht, wenn wir streiten und ich will nicht, dass du dir selber damit zusetzt." Seine Augen huschten für einen Moment nach unten und automatisch legte Lily eine Hand über ihren Bauch. „Oh."

„Ja. Deshalb... lass uns einen Waffenstillstand einlegen, Lily. Für dich." Wie konnte sie ihm bei diesem Blick noch böse sein? Sie seufze, platzierte einen sanften Kuss auf seiner bärtigen Wange und nickte dann. „Also schön. Aber lass das nicht zur Gewohnheit werden, Potter."

„Niemals, Evans", lächelte er und küsste sie. „Merlin, ich war mir nie sicherer, dass ich dich liebe, Lily", hauchte er gegen ihre Lippen und Lily schloss ihre Augen. „Ich dich auch, James."

Als sie am nächsten Morgen erwachte, war James schon weg. Lediglich ein Zettel lag auf ihrem Nachttisch (sowie eine kitschige Rose, die sie sanft lächelnd zur Seite legte), auf dem „Lily, da ich nicht apparieren kann, muss ich mit dem Besen nach London fliegen. Warte heute Abend nicht mit dem Essen auf mich. James." stand. Lily seufzte, da sie daran noch gar nicht gedacht hatte und erhob sich halb aus dem Bett. Die Nacht wich langsam dem Morgen und die ersten Sonnenstrahlen glitzerten durch die Vorhänge vor dem Fenster.

Alleine war Lilys Morgen wesentlich entspannter, aber auch ereignisloser. Normalerweise küsste James sie zum Abschied immer, bevor sie zur Arbeit apparierten und normalerweise konnten sie morgens auch ein gemeinsames Frühstück genießen. Nun, an ein Frühstück dachte Lily an diesem Morgen freilich nicht, denn kaum als sie aus dem Bett gestiegen war, hatte ihr Magen gegrummelt und sie hatte sich – gerade noch rechtzeitig – in die Toilette übergeben müssen. Darüber hinaus schmerzte ihr Rücken auch noch.

Sie bewunderte Cassy gerade, dass sie diese Beschwerden nun schon so lange aushielt und damit klarkam, ohne dass sie den emotionalen Support des Vaters des Kindes hatte. Sie war für ihre jungen Jahre eine wahrlich starke Hexe.

Als sie an diesem Tag mit ihrer Arbeit fertig war – sie und Ellie hatten eine magische Pilzinfektion mithilfe ihrer Ausbilderin an einer jungen Hexe geheilt – beschloss sie, dass sie Cassy besuchen sollte. Sie hatte sie seit der Weihnachtsfeier nicht mehr gesehen, da sie Neujahr mit ihren Freundinnen aus Hogwarts verbracht hatte, doch nun hatte sie Zeit und bestimmt würde die junge Hexe sich ein bisschen Gesellschaft wünschen, wo Sirius doch noch lange nicht wiederkommen würde.

Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass niemand sie beobachtete, apparierte sie in das Wohnviertel, in welchem Sirius und James zusammengewohnt hatten. Sie lief eilig über die Straße, übersprang einen auf dem Gehweg liegenden Hundehaufen und stieg dann die kurzen Stufen zur Eingangstür hinauf. Sie klingelte.

Als aber auch nach dem dritten Klingeln niemand öffnete, ließ sie resigniert die Schultern sinken. Vielleicht war Cassy ausgegangen. Lily wandte sich um und wollte wieder über die Straße, um in der Gasse gegenüber zu verschwinden, als sie jemand von hinten anstieß. „Verzeihen Sie", murmelte ein aktentaschebepackter Mann und lief einfach weiter. Lily wollte schon weitergehen, als ihr Blick nach oben glitt. Ein Regentropfen hatte sie im Gesicht erwischt.

Dann sah sie, dass das Fenster, welches zur Küche von Sirius' Wohnung gehörte, weit offenstand. Sie runzelte die Stirn und blickte noch einmal auf die Eingangstür. Womöglich war ja die Klingel kaputt und Cassy hatte sie deswegen nicht gehört? Lily fasste schnell einen Entschluss und lief wieder zur Tür. Unter ihrem Mantel richtete sie den Zauberstab auf das schloss, dachte entschlossen 'Alohomora' und mit einem leisen Klicken öffnete sich die Tür.

Etwas gemächlicher stieg sie die Treppen hinauf und wartete dann vor der Tür. Sie hatte überlegt, diese ebenfalls mit dem Zauberstab zu öffnen, doch entschied sich vorerst dagegen. Stattdessen erhob sie eine Hand und klopfte kräftig gegen das massive Holz. Sie wartete und wartete, doch es wollte einfach niemand öffnen. Als es ihr zu blöd wurde, sie aber trotzdem ihre aufkommende Neugier nicht unterdrücken konnte, zückte sie erneut den Zauberstab und dachte den Alohomora-Zauber.

Sanft klickte das Schloss und die Tür glitt ins Innere des Raumes. Sofort drang heftiges Stöhnen an ihr Ohr und sie hatte schon die Befürchtung, Sirius bei einer seiner Bettspiele zu stören – doch stattdessen fand sie Cassy vor, die mit rotem und verschwitztem Gesicht gegen das Sofa gelehnt auf dem Boden saß und die Zähne zusammengepresst hatte.

„Cassy!", rief Lily und das Mädchen blickte auf. Dann stöhnte sie wieder vor Schmerzen auf und krallte ihre Hand in ein am Boden liegendes Kissen. „L-Lil-y", keuchte sie, als sie sich neben ihr niederkniete. „es tut so – so w-weh."

Sie unterdrückte einen Aufschrei und biss stattdessen in ein Sofakissen. Lily legte sofort einen Arm um ihre Schulter. „Sind es die Wehen?", fragte sie vollkommen überflüssig. „Natürlich sind es die Wehen. Wie lange bist du denn schon hier?" Sie rieb dem Mädchen über den Rücken, während diese sich krümmte und ein animalisches Stöhnen ihre Lippen verließ. „Vielleicht zwei Stunden", keuchte sie mit zusammengepressten Lippen und schloss dann krampfhaft die Augen, wobei ihr Gesicht kurzzeitig alles an Farbe verlor.

„Zwei – aber warum bist du nicht ins Mungos gekommen?!", rief Lily erschrocken aus und versuchte Cassy aufzuhelfen. „Ich habe ziemliche Schmerzen", entgegnete ihr die Hexe daraufhin bissig und krallte ihre Finger tief in Lilys Arm.

„Okay, ich bring doch sofort da hin, warte einen Moment." Lily rannte in das Zimmer, welches Cassy bewohnte und schnappte sich ein paar ihrer Sachen, dann eilte sie wieder an ihre Seite. Bevor sie apparierte, hob sie ihren Zauberstab, verschloss damit die Tür und ließ eine Nachricht an Sirius auf dem Wohnzimmertisch erscheinen.

„Beiß die Zähne zusammen", sagte sie, drückte Cassys Hand und schloss dann die Augen, ehe sie apparierte. Sofort drückte der dunkle Schlauch sie zusammen, doch Lily war zu sehr damit beschäftigt, Cassy nicht loszulassen, dass sie ihre Sauerstoffknappheit gar nicht realisierte.

Das St. Mungos hatte lediglich zwei Bereiche, in die man apparieren konnte. Der eine war der Raum, in dem die Heiler und Helfer apparieren konnten, um zur Arbeit zu kommen, der andere war ein großer, steriler Notfallraum, in den Hexen und Zauberer apparieren konnten, die dringend medizinische Versorgung oder Hilfe benötigten. Genau in diesen Raum hatte Lily sie und Cassandra nun gebracht.

Sofort sprang die zuständige Helferin alarmiert auf, als ihre Füße auf dem Boden aufkamen. „Sie hat ihre Wehen", rief Lily, noch bevor die Frau den Mund öffnen konnte. Ihre dunkle Hautfarbe bot ein krasses Gegenteil gegen das sterile weiß der Fliesen und Uniformen. Sie nickte, schwang ihren Zauberstab und sofort erschien eine Bare neben den beiden jungen Frauen. Lily und die Helferin halfen Cassandra sich darauf zu legen, als auch schon zwei weitere Leute durch eine weitere Doppeltür kamen.

Der zuständige Heiler analysierte das Geschehen kurz, dann sprach er: „Jones, lauf vor und bereite in Saal B2 alles für eine Entbindung vor, Milly, sie schieben die Patientin in den Entbindungsraum." Ohne noch ein Wort zu sagen, taten die beiden, was der Heiler ihnen aufgetragen hatte und Cassy wurde aus dem Raum geschoben.

„Miss Potter, nicht?", fragte er nun Lily, deren Augen auf die zugefallene Doppeltür gerichtet war, durch die die Helferin mit Cassy eben verschwunden war. „Ja."

„Kommen Sie mit, Sie können mit in den Entbindungsraum kommen, wenn Sie wollen."

„Danke sehr, das werde ich."

„Sie erwarten selbst, nicht wahr?" Er lächelte aufgrund von Lilys überraschter Miene. „Nun, mittlerweile müssten sie mitbekommen haben, dass es schwer für die Heiler ist, ein Geheimnis für sich zu bewahren."

„Ja, da stimmt. Ja, ich erwarte auch ein Kind. Ungefähr Ende Juli soll es kommen." Lily lächelte ebenfalls kurz, dann verhärtete sich ihre Miene wieder. Sie und der Heiler begaben sich daraufhin ebenfalls in den Entbindungsraum, aus dem gerade ein langgezogener und verzweifelter Schmerzensschrei drang.

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Yay, Geburten :D


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