62. Vor dem Zaubergamot
Als der Tag der Anhörung kam, war nicht nur James ziemlich nervös. Remus pfriemelte am Saum seines ausgefransten Pullovers herum, während sie vor dem Eingang zum Ministerium auf Sirius warteten. „Wo bleibt er nur?", fragte der Werwolf erneut und blickte auf seine Armbanduhr – zum zwölften Mal in einer viertel Stunde. „Wenn er nicht auftaucht, dann wirft das ein ganz schlechtes Licht auf euch und ihr verliert vielleicht eure Ausbildung und dann nimmt euch kein anderer mehr und - "
„Beruhige dich", sagte James, der mit den Nerven schon ganz am Ende war. „Er wird schon auftauchen." Doch er war sich selber nicht ganz sicher, ob Sirius das würde. Um dreizehn Uhr hatten sie ihre Anhörung – das hieß, es blieben dem jungen Rumtreiber nur noch zehn Minuten. „Denkst du das, ja?", fauchte Remus. „Erinner dich an die Strafarbeiten im vierten Schuljahr. Sirius ist nie aufgetaucht, weil er sie 'vergessen' hat. Er hat sich schon immer vor solchen Dingen gedrückt."
„Was hör ich da? Ich soll mich drücken?", erklang da Sirius' Stimme hinter den beiden und erleichtert aber auch etwas wütend drehte sich James um. „Na endlich!", rief Remus aus. „Wo warst du denn so lange?"
„Ich hab mich verflogen", meinte Sirius achselzuckend. „Und dann hab ich meine Maschine wieder nach Hause geflogen und bin einfach herappariert."
„Wieso hast du das nicht sofort gemacht", fragte Remus angefressen. „Es war cooler mit dem Bike." Der Werwolf unterdrückte ein Stöhnen und blickte dann erneut auf seine Armbanduhr. „Jetzt los, wir sind schon spät dran." Sirius grinste verschmitzt und folgte ihm dann. James tat es ihm gleich.
„Bist du gar nicht aufgeregt?", fragte er seinen Freund und sah zu ihm. Sirius schien ziemlich gelassen zu sein. „Nö."
„Warum?"
„Weil er ein Idiot ist", sagte Remus und wandte sich um. „Wenn er einen gesunden Menschenverstand hätte, dann würde er sich Sorgen machen. Ihr werdet vielleicht nicht nach Askaban geschickt, aber eure Strafe wird im härtesten Fall - "
„Oh, bitte", unterbrach ihn Sirius. „Wir werden schon nicht bestraft werden, weil wir jemanden angegriffen haben, der vielleicht ein Todesser ist." Remus schnaubte leise, sagte aber nichts mehr, auch wenn James schwören könnte, dass er leise „Wirst ja sehen, was du davon hast" gemurmelt hatte. James wusste nicht ganz, auf wessen Seite er stehen sollte, also sagte er gar nichts und beschleunigte seine Schritte einfach nur.
Die kalten, goldenen Gitter des Aufzuges ratterten auf und gaben einen Blick auf den Innenraum frei. Remus, James und Sirius stiegen zusammen mit einer kränklich wirkenden Hexe mit einem riesigen Berg an Pergamentrollen auf den Armen in den Aufzug. Die Hexe murmelte leise vor sich hin, während eine zerzauste Feder über ein gelbliches Blatt in der Luft schwirrte und etwas darauf kritzelte. Sie würdigte den dreien keines Blickes und ebenso taten sie es ihr gleich.
Leise knarzte das Metall, als die Gitter wieder aufeinander krachten und der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung. Das Pergament der Hexe knisterte leise, doch ansonsten schien sie sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. James schluckte schwer, als der Aufzug nach unten ratterte und sie damit den Gerichtsräumen immer näherkamen. Irgendwie schienen die Innenflächen seiner Hände auf einmal zu schwitzen.
„Mysteriumsabteilung", ertönte die kühle Frauenstimme und James schrak kurz zusammen. Die Hexe rauschte an ihnen vorbei und die Feder folgte ihr, während kleine Tropfen an Tinte durch die Luft flogen. „Los", sagte Remus und zog die beiden an den Armen mit.
Schwarz waren Boden und Wände hier. Weiße Rillen durchzogen den Stein, an den Stellen, an denen er zusammengehalten wurde und alles wirkte kühl, unnahbar. Mysteriös. James konnte sein eigenes blasses Gesicht in der Spiegelung der Wand erkennen, als Remus sie durch den Gang führte. Eine schwarze Tür mit runden Türknäufen war ihnen gegenüber, doch er bog vorher in eine schmale Treppe ab, die sie noch weiter hinunterführte. Die nächste Tür war aus dunklem Holz, mit goldenen Verzierungen. Sie wirkte steril, so, als würde sie mindestens zwei Mal am Tag poliert werden. Beinahe unnatürlich rein.
„Ok. Ich warte hier auf euch. Denkt an das, was ich euch gesagt habe", erklärte Remus mit ruhiger Stimme. „Seid ruhig, redet nur, wenn ihr gefragt werdet und – seid höflich." Dies sagte er vor allem zu Sirius gewandt.
„Ja, danke, Remus", erwiderte James, als Sirius nicht reagierte. Der Rumtreiber nickte kurz angebunden und lehnte sich dann gegen die Wand, während er James mit einem Kopfnicken mitteilte, dass er an die Tür klopfen sollte. Er atmete einmal tief ein und aus, wandte sich an das stark spiegelnde Holz und hob dann die Hand dagegen. Er sah sich selbst dabei zu, wie er anklopfte.
Ohne, dass jemand zu sehen, der die Tür hätte aufziehen können, schwang sie nach innen auf und gab den Blick auf einen kreisrunden Raum frei. Erst auf den zweiten Blick freilich, erkannte James, dass der Raum nicht rund, sondern eher fünfeckig war. Die Wände waren mit Holz ausgekleidet und mehrere Reihen an hohen Sitzbänken zogen sich bis zum Boden. Ein erhöhtes Podest mitsamt weiche ausgekleidetem Stuhl bildete den genauen Angelpunkt des Raumes. Die goldenen Schnörkel, sowie das auf magische Weise sich bewegende 'M' auf dem thronartigen Stuhl, waren der Blickfang und sollten wohl von den weniger bequemen Sesseln ablenken, die in der Mitte des Raumes standen und für die Angeklagten waren. Gut ein Dutzend weinrot gekleideter Zauberer und Hexen saßen auf den Bänken, während der thronartige Stuhl frei blieb.
„Setzen Sie sich", ertönte eine kühle Stimme und James hielt Ausschau nach dem Sprecher, doch er konnte niemanden ausmachen, der irgendwie wichtig genug dafür wirkte. Er und Sirius ließen sich auf den Sesseln in der Mitte des Raumes nieder und richteten den Blick nach vorn. Das große 'M', welches allem Anschein nach für Ministerium stand, machte ihn ganz kirre, so wie es sich bewegte. Als wären seine Konturen flüssig oder als würde es sich Unterwasser befinden.
„Sind Sie Mr. James Fleaumont Potter, wohnhaft in Godric's Hollow?", fragte die Stimme erneut und dieses Mal sah James, dass es sich um die Hexe aus dem Fahrstuhl handelte. Hier in diesem Gerichtssaal wirkte sie gar nicht mehr so kränklich und auch wirkte sie weitaus autoritärer, als mit den Armen voller Pergamentrollen. „Ja", antwortete er mit fester Stimme.
„Und Sie sind Mr. Sirius Orion Black, wohnhaft - ", fragte die Hexe, doch Sirius unterbrach sie. „Ja, der bin ich." James unterdrückte ein Stöhnen.
„Nun", fing die Hexe an und beäugte die beiden kritisch. „da das geklärt wäre...", sie räusperte sich einmal vernehmlich. „Das disziplinarische Verhör des 12. 01. 1980 führt Mafalda Hopfkirch, Leiterin des Zaubergamots. Die Angeklagten, Mr. Potter und Mr. Black, sind beide anwesend, es gibt keine anwesenden Zeugen. Haben Sie alles?" Madame Hopfkirch wandte den Blick an einen gestresst wirkenden Zauberer etwas unterhalb ihres Sitzes. Dieser nickte eifrig, während er das Mitgeschriebene noch einmal durchlas. „Gut, dann beginnen wir."
Mafalda Hopfkirch besah Sirius und James mit einem kritischen Blick, bevor sie sich erhob und zu dem großen Stuhl gegenüber der Tür ging, sich aber nicht dort niederließ. „Am 31. 12. 1979 haben Sie beide eine Gruppe Unbekannter, zurzeit ist uns ihr Aufenthaltsort nicht bekannt, in der Winkelgasse, genauer gesagt vor dem Laden 'Broomstixx' angegriffen, Ihren eigenen Aussagen nach, weil Sie dachten, diese seien sogenannte Todesser. Ist das korrekt?"
„Ja, Ma'am", erwiderte James schnell. „Weiterhin wussten sie nicht, ob diese Männer und Frauen wirklich Angehörige von Ihm-dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf sind, korrekt?"
„Ja."
„Und, Sie waren sich vollends bewusst, dass sie in der Unterzahl waren, sollte es zum Ernstfall kommen? Sie haben impulsiv gehandelt, nicht nachgedacht und diese Fremden ohne ersichtlichen Grund angegriffen, stimmt das?"
„Ja", erwiderte James wieder, während Sirius seinen Blick über die anwesenden Hexen und Zauberer schweifen ließ.
„Den Aussagen nach, den wir den an diesem Tag Anwesenden entnehmen konnten, trugen diese Leute lediglich dunkle Umhänge und unterhielten sich untereinander. War dies der einzige Anhaltspunkt den Sie hatten, um sie anzugreifen?"
„Nein, wir - "
„Und Sie waren sich auch bewusst, dass man alles, was Sie an diesem Tag getan haben, nun gegen Sie verwenden könnte? Ich sage nicht, dass Ihr Verhalten vielleicht nicht nobel veranlagt war, aber angesichts der Tatsache, dass es keinerlei Beweise dafür gibt, dass sie wirklich aufgrund von eventuell aufkommender Gefahr angegriffen haben, müssen Sie damit rechnen, dass die Konsequenzen für Sie nun wohl nicht gerade mild ausfallen werden."
„Hören Sie", sagte James und war versucht, aufzustehen. „Ich weiß, dass es dumm war, was wir gemacht haben, aber Sie haben diese Leute nicht gesehen! Sie trugen exakt die Umhänge, die auch die Todesser immer tragen und sie wirkten so suspekt, wie sie in der Nähe von Gringotts herumgelungert haben... Ich denke, wir haben einfach überreagiert, in dem wir sie einfach angegriffen haben, aber vielleicht haben wir damit auch einen Überfall auf die Zaubererbank verhindert!"
Madame Hopfkirch hob eine krause Augenbraue, wodurch ihr noch junges Gesicht sehr schnell, sehr viel älter aussah. „Denken Sie das wirklich, Mr. Potter?", fragte sie skeptisch.
„Nun, es könnte möglich sein, oder?"
„Es könnte aber auch sein, dass sie einfach Zivilisten angriffen, in der Hoffnung, dass sie heldenhaft gefeiert werden würden", erwiderte die Hexe kalt und James schluckte schwer. „J-ja."
„Wenn das so ist", sagte Madame Hopfkirch. „dann werden Sie wohl vollends verstehen, dass es angemessen erscheint, dass Sie mir beide ihre Zauberstäbe aushändigen."
„Was?", rief James erschrocken aus. „Wieso das?"
Die Hexe lächelte schmal. „Da es sich um ihr erstes Verbrechen handelt, können wir Sie nicht gleich nach Askaban stecken. Sie werden einen Monat Zauberverbot bekommen, damit Sie das nächste Mal lieber zweimal nachdenken, bevor sie unverfroren handeln. Ihre Zauberstäbe, nun, wenn ich bitten darf."
James ganzer Körper fühlte sich wie versteinert an, wie durch die Wirkung eines Lähmzaubers von Moody. Madame Hopfkirch seufzte, als sich keiner der beiden erhob und zuckte mit dem Kopf in Richtung eines Hexers mit breitem Hut und krausem Haar. „Wallace, hol sie her."
„Ja, Ma'am", schnaufte der Mann und im nächsten Moment flogen James' und Sirius' Zauberstab zu ihm hinauf. Er fing sie geschickt auf und James realisierte einen Moment zu spät, dass man ihm soeben seinen Stab genommen hatte. Mit panischem Blick sah er hoch zu Madame Hopfkirch, die diesen Blick mit stählernem Willen erwiderte.
„Sie werden Ihre Zauberstäbe in exakt einem Monat wiederbekommen. Bis dahin ist Ihnen jegliches Zaubern untersagt, dies gilt auch für Apparieren, Seit-an-Seit-Apparieren oder das Reisen mit magischen Netzwerken. Sie werden also wohl oder übel wie ein Muggel leben." Mit einem zu freundlichen Lächeln bewegte sich die Hexe wieder auf ihren Platz zu. „Nun denn, einen schönen Tag noch."
Die stark spiegelnde, reine Tür öffnete sich wieder von alleine und James bekam gar nicht mit, wie er sich von seinem Platz erhob und aus dem Raum trat. Er hörte noch, wie Madame Hopfkirch ihm und Sirius hinterherrief: „Und denken Sie nicht einmal daran, einen anderen Zauberstab zu verwenden! Es liegt ein Zauber über Ihnen beiden, den mein werter Kollege gewirkt hat, wir werden also mitbekommen, falls Sie sich den Regeln widersetzen sollten. Jedes Fehlvergehen bringt Ihnen eine weitere Woche ein!"
Dann schlug die Tür hinter ihnen zu. „Was hat sie gemeint?", fragte Remus sofort und seine Augen verengten sich. „Sie - "
„Sie haben uns die Zauberstäbe abgenommen", brummte Sirius missmutig. James hatte kurzzeitig vergessen, dass er noch da war. Sein Freund war dazu einfach zu unnatürlich ruhig gewesen. „Wieso hast du nichts gesagt?", fragte er ihn deswegen.
„Du hast das doch schon übernommen", meinte Sirius. „Außerdem hätte es eh nichts gebracht. Damit müssen wir jetzt wohl leben."
„Warte, warte, warte, was soll das heißen, die haben eure Stäbe?", fragte Remus aufgebracht.
„Genau das, was es aussagt, Moony", brummte Sirius. „Sie haben unsere Zauberstäbe und wir haben einen Monat lang Zauberverbot."
„Zauberverbot...", wiederholte Remus fassungslos. „Na, schöne Scheiße."
„Das kannst du laut sagen", erwiderte James und wandte den Blick von der schwarzen Wand. Er konnte sich nicht selbst in die Augen sehen.
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