6. Überfüllung
Nachdem James und Lily Ellie mindestens dreizehn Briefe geschrieben hatten, in dem sie ihr alle Tipps, Tricks und Kniffe im Umgang mit Remus aufgelistet hatten (Lilys Eule war nahe einem Nervenzusammenbruch, als sie durch das offene Fenster schwirrte), ließen sich die beiden erschöpft am Dienstagabend ins Bett fallen. In der Hoffnung einmal ausschlafen, den Tag genießen und vielleicht mal etwas ausspannen zu können, schlossen sich ihre Augen, nachdem Lily James Brille auf den Nachttisch gelegt hatte.
„Jesus, Maria und Joseph!", schrie eine empörte Stimme, keine sieben Stunden später und die Vorhänge wurden brutal aufgerissen. „Lily Evans, ich glaube, ich kann meinen Augen nicht trauen!" Lily blinzelte verschlafen und stemmte sich hoch. Dabei fiel James Arm von ihrer Schulter. „Was denn?", murmelte sie und hatte immer noch nicht mitbekommen, wer in ihrem Zimmer stand.
„Nicht in diesem Ton, junge Dame! Ich fass es nicht, dass meine jüngste Enkelin hier herumhurt, bevor sie überhaupt verheiratet ist! Du willst mich wohl frühzeitig ins Grab schicken, nicht wahr?", keifte die Stimme weiter und eine kräftige, faltige Hand packte Lilys Oberarm. „Aua, hey", beschwerte sie sich und riss sich los.
„Mutter, jetzt sei doch nicht so", konnte Lily nun ihre Mutter hören, die leise auf die Person einredete. „Und bitte nenn meine Tochter keine Hure, das gehört sich nicht."
„Es gehört sich auch nicht vor der Ehe mit jungen Männern zu schlafen!", schrie die Frau. Lily rieb sich energisch die Augen und blickte dann genauer hin. Perfekt frisiertes, grau-meliertes Haar, eine spitze Nase auf der eine rote Brille saß, fürchterliche Perlenohrringe und faltige Haut, die mit zu viel Make-Up versehen war, waren das erste, was sie erkannte.
„Großmutter", murmelte sie, wenig begeistert. „Soll das etwa eine Begrüßung sein?", keifte Großmutter Marigold und strich ihr hellgrünes Kostüm glatt. „Umarme deine Oma doch wenigstens! Also, wirklich, was haben sie dir überhaupt in diesem Internat beigebracht", keifte sie weiter und langsam begann auch James sich zu regen. „Gab es dort denn überhaupt keine Regeln? Zu meinen Zeiten durften Jungen und Mädchen sich nur auf einen Abstand von fünf Metern nähern und schon gar nicht in einem Zimmer schlafen, solange sie nicht verheiratet waren! Erika, wirklich, habe ich dir denn gar nichts beigebracht?", wandte sich Großmutter Marigold nun an Mrs. Evans. Diese schien den Tränen nah zu sein, sodass Lily schnell aufsprang.
„Tut mir Leid, Oma, ich war nur so überrascht dich zu sehen", sagte sie schnell, als sie die alte Dame in die Arme schloss, auch wenn sie das lieber hätte nicht tun sollen. „Oh mein Gott!", rief sie aus und drückte Lily auf eine Armlänge von sich. „Kind, du trägst nicht einmal einen BH! Ich kann diesen Anblick ja gar nicht mehr ertragen! Meine arme Lily, du wirst noch zu einer billigen - "
„Mutter!", schaltete sich Mrs. Evans dazwischen. „Komm doch mal mit runter, dann kannst du einen Kaffee trinken und dich etwas ausruhen, hm?" Mrs. Evans griff nach dem Arm von Großmutter Marigold. „Koffein ist schädlich für meinen Körper, Erika, das weißt du ganz genau! Willst du mich etwa auch umbringen?"
Lily, die die Arme um ihren Körper geschlungen hatte, warf einen Blick nach hinten und begegnete James Augen, der sie verwirrt anfunkelte. Sie rollte mit den Augen und sah dann wieder nach vorne. „Dann keinen Kaffee, wie wär's mit Tee?", versuchte Mrs. Evans die alte Frau aus dem Zimmer zu ziehen. „Petunia müsste auch jede Minute fertig sein, dann kannst du mir ihr über die Hochzeit reden, oder?" Beinahe flehentlich zerrte sie am Arm ihrer Mutter, ehe diese sich dazu erbarmte und mit ihr mitging.
„Wir unterhalten uns später noch, Lily", sagte Großmutter Marigold und es klang in Lilys Ohren viel zu sehr nach einer Drohung. Seufzend ließ sie sich wieder aufs Bett fallen, als die Tür ins Schloss gefallen war. „Ich hatte vollkommen vergessen, dass Oma heute ankommt", murmelte sie und warf einen Blick auf die Uhr an der Wand. Es war gerade mal sieben Uhr morgens. „Und natürlich musste sie so früh ankommen."
„Eine sympathische Frau", sagte James schmunzelnd und legte seine Arme von hinten um Lily. „Tut mir Leid wegen ihr. Sie steckt immer noch im achtzehnten Jahrhundert fest." Lily atmete tief ein und genoss die Wärme von James Berührung an ihren nackten Schultern. „Ich hätte ich vielleicht vorwarnen sollen, dass sie etwas...direkt ist." Sie spürte seinen Brustkorb vibrieren, als er leise lachte. „Das wäre nett gewesen, dann hätte ich heute im Schrank übernachtet."
„Da hätte sie dich auch gefunden, glaub mir", sagte Lily dumpf. „Sie hat einen sechsten Sinn dafür. Das einzige Gute ist, dass sie kaum herkommt, weil sie Dad immer noch hasst." James murmelte etwas Unverständliches, dann zog er sie nach hinten, sodass er seine Beine um ihre Hüfte schlingen konnte. „James, meine Großmutter ist nur einen Deckenbreite entfernt, sie wird uns hören", flüsterte sie, als seine Lippen an ihrem Hals entlangwanderten. „Sie denkt doch eh schon, dass wir hier oben schmutzige Dinge tun, dann könnten wir ihr doch auch wenigstens einen Grund dazu geben, oder?", sagte er, während er Küsse auf ihrer Haut verteilte. Gerade als Lily sich umdrehen wollte, ertönte eine Stimme von unten.
„Lily, steht ihr bitte auf, die anderen kommen gleich!" Mrs. Evans klang alles andere als begeistert darüber und widerwillig löste sie sich aus James Umklammerung, der einen Schmollmund zog. „Das hatte ich ebenfalls vergessen", murmelte sie, als sie ihren Schrank öffnete, um sich ein Paar Socken zu nehmen. „Petunias widerwärtige Freundinnen kommen ja heute an, damit sie auf ihren Junggesellinnenabschied gehen können. Das heißt, Vernon wird den ganzen Tag hier sein", stöhnte sie.
„Das Walross kommt her? Warum?", fragte James und stand ebenfalls auf, um seine müden Glieder zu strecken. „Ich habe keine Ahnung. Vielleicht hasst ihn seine Familie, oder mehr noch, sie hassen uns so sehr, dass sie ihn uns aufdrängen." Lily schloss die Schranktür wieder und drehte sich zu James um. „Jedenfalls, wenn ich nicht will, dass Großmutter noch einmal hier hoch kommt, um mit mir über Verhütung und Sex vor der Ehe redet – darauf habe ich sonderlich wenig Lust – sollten wir herunter gehen und die ganze Situation einfach ertragen."
In der Küche trafen sie auf Mrs. Evans, Petunia, Linnea und Großmutter Marigold, wobei zwei von den Anwesenden so aussahen, als würden sie am liebsten sterben.
„Und deine Haare, Linnea! Du hast doch so schöne Haare wie die liebe Tuni, warum musst du sie nur schwarz färben?", keifte die alte Frau gerade, während Linnea eine Tasse umklammerte, damit ihre Hände nicht zitterten. „Ich wollte etwas neues ausprobieren", presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Großmutter Marigold schüttelte den Kopf. „Jetzt wirst du auffallen wie Lily! Sie mit ihren roten Haaren, man erkennt sie doch auf jeder Familienfeier immer als erstes! Ah, Lily, schön, wir haben gerade über dich gesprochen."
Lily setzte ein falsches Lächeln auf, während James hinter ihr recht verloren wirkte. „Willst du mir deine Bettbekanntschaft nicht vorstellen?", fragte Großmutter bissig und ließ einen abschätzigen Blick über James verwuschelte Haare gleiten, von denen sie sicherlich dachte, sie würde dich andere Aktivitäten als schlafen so aussehen.
„Das ist James, mein fester Freund", sagte Lily betont und griff auch sofort nach seiner Hand. „Hmm", machte Großmutter Marigold, gerade als es an der Tür läutete. „Ich geh schon", trällerte Petunia, die sich köstlich amüsierte, ansonsten würde sie niemals freiwillig zur Tür gehen. Sofort erklangen hohe und laute Stimmen aus dem Flur, was nur bedeuten konnte, dass Petunias Lakaien da waren.
Tiffany und Stella glichen sich in vielerlei Hinsichten. Sie hatten beide blond-gefärbte Haare, ihre Nägel waren scheußlich rot lackiert, sie trugen zu auffälliges Make-Up und beide hatten wesentlich zu enge Kleider an. Noch dazu wirkten sie so, als wären sie frühzeitig aus der Schule gegangen und würden sich nur für Schuhe und Jungs interessieren. Kurzum – Lily hasste sie.
Doch noch bevor Petunia zu ihrer Lieblingsbeschäftigung kommen konnte – nämlich Lily vor ihren Freundinnen bloßzustellen – klingelte es erneut an der Tür. Diesmal waren es Vernon, der ein fürchterliches Hawaiihemd trug und dazu kurze Hosen, und eine ungefähr genauso breite Frau, wie er es war. Diese hatte außerdem einen Hund dabei, der auf den Boden sabberte und an jedem wie wild anfing zu schnüffeln. Mit etwas Genugtuung stellte Lily fest, dass Petunia dieser Umstand gar nicht gefiel.
„Oh Marge, was für eine Überraschung", sagte sie hell. „Was machst du denn hier?" Marge ließ ihren Kiefer aufeinander krachen, als sie auf einem Kaugummi kaute. „Vernon hat mir erzählt, du würdest heute Junggesellinnenabschied feiern, also habe ich mir gesagt, ich werde dich begleiten. Es macht dir sicher nichts aus." Es machte Petunia so einiges aus, wie Lily sehen konnte. Doch Marge sah nicht danach aus, als würde sie ein Nein akzeptieren. Vernon unterdessen versuchte sich so klein wie möglich zu machen, was bei seinem Körperumfang wirklich schwer war.
„Nein gar nicht, je mehr desto besser", sagte Petunia mit einem falschen Lächeln. Lily musste sich die Hand vor den Mund legen, um nicht zu lachen. „Sehr gut. Ripper freut sich auch schon den ganzen Tag darauf", sagte Marge mit ihrer tiefen Stimme und deutete dabei auf den dicken Welpen, der anscheinend vor lauter Aufregung ein paar Tropfen auf den Küchenfliesen verteilt hatte. „Wie nett", war Petunias angewiderte Antwort, als sie einen Schritt nach hinten machte. „Ich - ", fing sie an, doch da klingelte es erneut an der Tür. Lily, die dem ganzen nur zu gerne kurzzeitig entkommen wollte, griff nach James Hand und zog ihn mit in den Flur.
„Ja – Sirius?", fragte sie vollkommen und ehrlich überrascht, als sie den schwarzhaarigen Black auf ihrer Türschwelle entdeckte. „Hallo Lily!" Marlene und Ellie beugten sich ebenfalls vor und Lily starrte sie mit offenem Mund an. „W-Was macht ihr denn bitte hier?", fragte sie.
„Wir hatten nichts zu tun", sagte Marlene. „Also wollten wir sehen, was ihr so anstellt." James grinste Sirius an. „Ähm, nicht, dass ich mich nicht freuen würde, euch zu sehen, aber es ist grade wirklich ungünstig."
Sirius machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ach, was." Lily warf James einen hilfesuchenden Blick zu. „Äh – ja, genau, es ist – grade echt ungünstig." Sirius zwinkerte ihm zu. „Ihr könnt euch auch noch später amüsieren, wir sind nicht immer hier, klar."
„Lily, wer ist denn an der Tür?", fragte Mrs. Evans und kam in den Flur. „Huch, Lily, wer sind diese Leute?" Sirius trat ohne zu fragen an Lily und James vorbei und griff dann nach Mrs. Evans Hand.
„Sie müssen wohl Lilys Mutter sein!", rief er aus. „Ja, ganz klar, die Schönheit hat sie von ihnen geerbt." Er küsste galant ihre Hand und schenkte ihr dann sein typisch, schiefes Grinsen. Mrs. Evans Wangen verfärbten sich hellrosa. „Oh, ja, ich bin ihre Mutter, vielen Dank, junger Mann. Aber wer sind sie?"
„Sirius Black, stets zu Diensten. Und das sind meine reizenden Begleitungen, Miss Ellie Winters und Miss Marlene McKinnon. Wir sind Lilys Schulfreunde, sicherlich haben sie schon viel von uns gehört." Lily schlug sich eine Hand an die Stirn. War ja klar, dass Sirius sofort mit ihrer Mutter flirten musste.
„Ah, ja, Black, den Namen hat Lily oft genannt. Und Ellie, schön dich wiederzusehen!", sagte Mrs. Evans und winkte Ellie zu. „Es ist auch schön sie wiederzusehen, Mrs. Evans."
„Sirius wollte sowieso gerade wieder gehen, nicht wahr?", fragte Lily bissig und griff nach seinem Oberarm. „Ach, wirklich?", fragte er. „Ich dachte, du wolltest uns deine Familie vorstellen."
„Nein, eigentlich nicht", presste sie zwischen ihren Zähnen hervor. „Warte mal, Lily, das ist doch die Gelegenheit! Lin!", rief sie über ihre Schulter. „Bringst du mir meine Tasche, bitte?"
Linnea erschien im Flur und übergab Mrs. Evans eine große Handtasche. Sirius musterte sie interessiert, sodass Marlene schnaubend seine Hand ergriff. „Lily, du kannst mit Lin und deinen Freunden doch einkaufen gehen, nicht wahr? Wir wollten morgen Abend doch grillen, dann hätten wir das alles schon erledigt. Ihr könnt auch gerne kommen, wenn ihr möchtet, wir haben genug Platz", fügte Mrs. Evans an Sirius und die anderen gewandt hinzu.
„Sehr freundlich von ihnen, Mrs. Evans", sagte Sirius charmant.
„Ja, Mum", murmelte Lily und nahm dann das dargebotene Geld von ihr entgegen. „Danke Lily, du bist ein Schatz. Und sieh es doch positiv." Mrs. Evans senkte die Stimme etwas. „So bist du immerhin ein paar Stunden vor Großmutter und Vernon geschützt."
„Danke", sagte Lily und lächelte ihre Mutter ehrlich an. „Ich weiß das zu schätzen."
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