57. Sorge und Zorn
Der Abwechslung willen hatte Lily beschlossen, dass sie sich zur Countdownfeier für das neue Jahr endlich mal bei jemand anderem treffen würden. Sie hatte lange überlegt, bei wem es am günstigsten wäre und sie hätte diese Entscheidung gerne mit James zusammen getroffen, doch kaum waren die Feiertage zur Weihnachtszeit vorbeigewesen, da war die Arbeit für ihn noch anspruchsvoller geworden. Caradoc hatte gemeint, sie können es als gute Übung sehen, wenn sie ein paar Tage lang im Schnee laufen und trainieren mussten. Inzwischen setzte er den Gebrauch von Nonverbaler Magie voraus und es gab eine Extra Salve an Schockflüchen, für jeden gesprochenen Zauber, den er oder Sirius benutzten. Wahrleich waren auch Lily und Ellie keineswegs bei ihrer Ausbildung unterfordert, allerdings war ihre Arbeit nicht so körperlicher Natur, wie die der beiden Rumtreiber.
Um die Entscheidung aber nicht alleine fällen zu müssen, hatte Lily einfach beschlossen, dass sie Silvester bei niemanden feiern würden. Sie hatte sich ein bisschen in der Gegen erkundigt und letztendlich hatte Bathilda ihr den entscheidenden Hinweis gegeben, dass es nur ein paar Straßen entfernt ein ganz wundervolles Bistro gab, welches ein besonders Angebot für den letzten Tag des Jahres bereithielt.
Und plötzlich war dieser Tag da.
Am frühen Abend klingelte es an der Haustür und Lily ließ – unter wüsten Kommentaren von Marlenes verzaubertem Schneemann – Ellie und Remus ein. Sie hatten abgesprochen, dass sie sich alle gemeinsam bei Lily und James treffen würden, ehe sie dann zusammen losgehen würden.
Allerdings machte Lily sich langsam Sorgen, dass James immer noch nicht zu Hause war. Sie wusste, er war arbeiten und wahrscheinlich einfach nur spät dran, trotzdem konnte sie nicht umhin, als sich ständig Gedanken zu machen und alle paar Minuten auf die Uhr zu schauen. Und Ellie wäre nicht ihre beste Freundin, wenn sie dieses Verhalten nicht bemerkt hätte.
„Reg dich ab, Lily", sagte sie kurz angebunden und nahm einen Schluck aus ihrem Becher mit warmem Cappuccino, den Remus mit einer extra Prise Karamell gewürzt hatte. „Du kennst James und Sirius doch. Wahrscheinlich rennen sie gerade noch durch die Gegend und werden von Caradoc mit dem Zauberstab gejagt, weil sie sich einen frechen Kommentar erlaub haben. Es besteht sicherlich kein Grund zur Sorge."
Remus nickte und wandte ihr dann das Gesicht zu. „Sie hat Recht, Lily. James und Sirius können sehr wohl auf sich aufpassen, aber ich denke auch nicht, dass irgendwas passiert ist. Sie sind nunmal zwei Kindsköpfe, da können wir nichts dran rütteln." Ehe Lily etwas erwidern konnte, klingelte es erneut an der Tür und sie eilte in den Flur, um ebenjene zu öffnen. („Oh, Merlin bewahre, noch mehr von euch!", rief der Schneemann unglücklich.)
Sie wusste jedoch noch bevor sie überhaupt eine Hand an die Klinke gelegt hatte, dass es weder James noch Sirius waren. Einer der beiden hätte dem sprechenden Schneemann geantwortet, das wusste sie mittlerweile.
Etwas enttäuscht öffnete sie schließlich die Tür und ließ Marlene und Caradoc eintreten. Beim Anblick von James und Sirius' Ausbilder stockte sie allerdings kurz. „Was machst du denn hier?", fragte sie irritiert und die beiden Neuankömmlinge blieben verwirrt stehen.
„Du hast ihn doch eingeladen, Lily", erinnerte Marlene sie, doch die Angesprochene schüttelte schnell den Kopf. „Nein, ich meine, ja, das weiß ich – ich meinte: Was machst du schon hier, wenn James und Sirius noch gar nicht hier sind?"
„Wie, noch nicht hier?", erwiderte Caradoc mit verwirrtem Gesichtsausdruck. „Ich hab sie vor drei Stunden schon nach Hause geschickt." Lily biss sich nun auf die Lippe und musste ihre Sorgen weiterhin runterschlucken.
„Oh."
Marlene öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch im selben Moment ertönte ein lauter Knall aus dem Wohnzimmer und Lily konnte Ellie erschrocken aufschreien hören. „Bei Merlins Unterhose!"
Die drei eilten rasch zur Quelle des Lärms und Lily war mehr als überrascht, dass sie Albus Dumbledore im Wohnzimmer erblickte, der den Apparierschutz ihres Hauses durchbrochen hatte. „Professor, was - ", fing sie an, doch die erhobene Hand ihres ehemaligen Schulleiters unterbrach sie.
„Mrs. Potter. Wissen Sie, wo sich ihr Ehemann zurzeit aufhält?", fragte er sofort. „N-nein, Sir. James ist noch nicht wieder nach Hause gekommen. Sir, was ist denn los?"
Dumbledore seufzte leise. „Mir ist zu Ohren gekommen, dass sich einige zwielichtige Gestalten in der Winkelgasse aufgehalten haben. Und irgendwie müssen Mr. Potter und Mr. Black ebenfalls davon erfahren haben."
„Oh nein", murmelte Lily leise, die genau wusste, was passiert war. Dumbledore nickte. „Ja, es scheint, als hätten die beiden gedacht, sie könnten es alleine mit ihnen aufnehmen. Nun, sie waren zwei gegen zehn, Sie können sich sicherlich denken, dass es nicht gut für sie ausgegangen ist. Wir können von Glück reden, dass es helllichter Tag und die Winkelgasse zu dieser Stunde gut besucht war. Ansonsten hätte es für die beiden nicht ganz so glimpflich ausgehen können."
Lilys Kopf schnellte hoch. „Was meinen sie damit? Wo ist James jetzt?"
„Mr. Potter und Mr. Black befinden sich im St. Mungos Hospital, wo ihre Wunden gepflegt werden. Ich fürchte jedoch, dass sie sich danach vor dem Zaubergamot behaupten müssen. Da wir weder Beweise dafür haben, dass ihre Gegner wirklich Anhänger des Dunklen Lords waren und da Mr. Potter und Mr. Black den Angriff auf Eigeninitiative gestartet haben... nun, sagen wir es so: Sie stecken etwas in der Klemme."
Lily stöhnte auf, konnte aber nicht verhindern, dass ihr ein Stein vom Herzen fiel. „Vielen Dank, Professor", sagte sie. „Ich gehe wohl am besten zu ihm." Dumbledore nickte. „Das wäre wohl das Beste. Nun denn, ich entschuldige mich, aber ich habe noch einen Termin."
Mit diesen Worten verschwand der bärtige Zauberer wieder und ließ Lily und die anderen im Haus der Potters zurück.
„James steckt in ganz schönen Schwierigkeiten", meinte Remus leise. Marlene nickte. „Stimmt. Das Zaubergamot... damit ist nicht zu spaßen."
„Oh." Remus grinste schwach. „Das ist wohl das geringere Übel im Moment." Er deutete mit dem Finger auf Lily, deren Gesichtsausdruck sich verhärtet hatte. Ihre Lippen waren nur noch eine dünne Linie und sie sah Professor McGonagall in diesem Moment erstaunlich ähnlich. Ellie verkniff sich ein Kichern. „Er steckt ganz tief drin."
„Allerdings", sagte Lily kurz angebunden, wirbelte wutentbrannt herum, rauschte an den anderen vorbei und schnappte sich ihren Mantel. „Wartet nicht auf mich", fügte sie hinzu, doch da hatte Ellie sich ebenfalls ihre Jacke schon genommen. „Was denkst du denn? Dass ich mir das entgehen lasse?", fragte sie lachend. „Ich komme natürlich mit."
„Ja, ich lieber auch. Sonst passiert ein Unglück", meinte Remus schwach. Marlene und Caradoc sahen sich kurz an, dann nickten sie. „Schön", knurrte Lily und riss die Haustür mit solch einer Wucht auf, als hätte sie James und Sirius persönlich zu dieser Dummheit angestiftet.
Mit ein paar Sekunden Vorsprung apparierte Lily direkt ins St. Mungos. Es gab lediglich einen winzigen Bereich des großen Gebäudes, in dem kein Apparierschutz lag. Hauptsächlich war er für die Heiler, damit diese schnell zur Arbeit gelangten, ohne den Muggelweg nehmen zu müssen.
Als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, wirbelte Lily herum und riss eine Tür auf, die auf den Gang führte, der steril weiß war. Einzig die silbernen Kronleuchter an der Decke hatten eine seichte Dekoration bekommen.
Sie konnte hinter sich hören, wie die anderen ihr folgten, doch sie interessierte sich im Moment nicht dafür. Stattdessen lief sie die Gänge entlang, ging eine Treppe herunter und öffnete schließlich die Tür, die zur Rezeption führte. Ein Zauberer mit einem Rüssel als Nase stand gerade am Tresen und blickte sie erstaunt an, doch Lily ignorierte auch ihn und wandte sich stattdessen an die Hexe am Schalter.
„Agnes, wo liegen mein Mann und sein idiotischer Freund?", fragte sie, ohne auf die Begrüßung der Hexe einzugehen. Sie hatte wohl ebenfalls bemerkt, dass man Lily in diesem Moment lieber nicht reizen sollte und blätterte schnell in dem dicken Buch vor ihr.
„Äh, Zimmer 305, aber - "
Ohne abzuwarten wirbelte Lily wieder herum, rauschte an Marlene und Ellie vorbei und stapfte dann die Treppen hoch, während sich Wut in ihrem Bauch ansammelte. Konnte der was erleben...
Lily öffnete die Tür ins Zimmer 305 und stürmte dann hinein, ihre Freunde dicht auf den Fersen. James und Sirius lagen beide in Betten mit weißen Bezügen. Sirius hatte einen Verband um die Schläfe gewickelt und James wurde gerade von einer jungen Heilerin verarztet. Als diese sich umdrehte, um zu sehen, wer denn hereingeplatzt war, weiteten sich ihre Augen.
„Oh, Lily! Ich wusste, dass das dein Mann war. Er und sein - " Sie verstummte angesichts von Lilys Gesichtsausdruck und ließ beinahe die Mullbinde fallen, die sie in der Hand hatte. „Ich – ach, ich muss noch etwas Murtlap-Essenz holen!", sagte sie schnell und verließ dann mit einem raschen Blick auf Lily das Zimmer.
James hatte sein Gesicht von ihr abgewandt.
„So." Lily stemmte die Hände in die Hüften und baute sich vor ihm auf, Sirius blickte sie leicht eingeschüchtert an. „So. Da sitze ich zu Hause, mache mir Sorgen, weil mein Ehemann nicht nach Hause kommt und habe schon die Befürchtung, du könntest tot irgendwo im Graben liegen, da bekomme ich mitgeteilt, dass du hier bist – weil du den Held spielen wolltest, oder was?" Lilys Stimme war noch leise und beherrscht, aber sie zitterte trotzdem vor Zorn.
„So war das nicht, Lily", fing James an, sah ihr aber nicht in die Augen. „Wir dachten - "
„Gar nichts habt ihr gedacht!", keifte sie ihn an. „Merlin, ihr könnt doch nicht einfach so mir nichts dir nichts irgendwelche Leute auf der Straße angreifen, weil sie schräg aussehen! Weißt du eigentlich, was ich mir für Sorgen gemacht habe? Weißt du, womit ich mich die nächsten Tage nun herumärgern darf? Ihr beide - ", ihr Blick huschte kurz zu Sirius, der seine Fingernägel auf einmal sehr spannend fand. „ – müsst vor das Zaubergamot! Ihr wollt Auroren werden! Ihr könnt nicht einfach so irgendwelche Leute angreifen, Merlin! Denkt doch einmal nach, bevor ihr etwas macht! Und sowieso: Selbst wenn es Todesser gewesen wären, warum zum Teufel habt ihr keine Unterstützung geholt! Ihr beiden seid in der Ausbildung, ihr seid eigentlich immer noch Schüler!" Frustriert warf sie die Hände in die Luft, weil James sie immer noch nicht ansah.
„Und du, James Potter, du kannst dich darauf gefasst machen, dass das Zaubergamot sicher nicht die härteste Strafe für dich haben wird!"
Einen Moment lang war es still. Einzig der kalte Wind schlug gegen die Scheibe. Dann, endlich, blickte er sie an. „Es tut mir Leid, Lily."
Genervt stöhnte sie auf. „Du hast so ein Glück, dass ich dich liebe, sonst würde ich dir das nicht glauben", knurrte sie und verschränkte die Arme. Auf James' Lippen bildete sich ein schwaches Lächeln. „Das weiß ich. Aber es tut mir wirklich leid. Ich wollte dir keine Sorgen bereiten."
Seufzend drehte sie sich um und blickte dann der jungen Heilerin wieder ins Gesicht, die vorsichtig das Zimmer betrete hatte. „Ich bin fertig", sagte sie zu ihr und trat dann ein paar Schritte zu ihren Freunden, die stumm in der Ecke standen.
„Wenn du nach Hause kommst, kannst du auf der Couch schlafen!"
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Angry Lily is angry.
PS: Wer erkennt den Titel wieder?
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