53. Auch wenn die Welt zerbricht
Peter war schrecklich blass, als James die Haustür öffnete. Seine Haut hob sich in einem krassen Kontrast zum dunklen Himmel ab und beinahe wirkte er so, wie ein Gespenst.
„Merlin, Peter, wie siehst du denn aus?", fragte Sirius, als der pummlige Junge seine Jacke ausgezogen und sich ins Wohnzimmer gesetzte hatte.
„Ich musste die ganze Woche lang arbeiten", stöhnte er. „Mein Onkel ist beinahe noch schlimmer und strenger als mein Vater. Ich durfte das ganze Lager ausräumen, putzen und neu sortieren. Ohne Magie."
James zog die Augenbrauen nach oben. „Wieso das?"
„Weil er fand, ich hätte zu wenig zu tun und wäre sowieso zu schwach. Meine Arme tun immer noch weh", klagte Peter wehmütig. „Jetzt kannst du dich ja ausruhen", meinte Remus freundlich. „Und wenn du mit deinem Onkel redest, dann wird er vielleicht einsehen, dass er dich langsam an solche Dinge heran bringen sollte."
„Mein Onkel würde mich vor den nächstbesten Bus schubsen, würde ich sowas sagen", schnaufte der rundliche Junge. „Nein, es wäre besser, wenn ich mir so schnell wie möglich was anderes suche."
„Vielleicht kann Marlene dir helfen", meinte James. „Sie hat gesagt, in der Auffangstation könnte man immer eine helfende Hand mehr gebrauchen."
„Ich weiß nicht", murmelte Peter. „Ich bin nicht unbedingt gut im Umgang mit Tieren."
Sirius lachte bei diesen Worten bellend auf. „Das stimmt! In Pflege magischer Geschöpfe hast du dich sogar von einem Flubberwurm beißen lassen." Während James in das Gelächter seines Freundes einstimmte, wurden Peters blasse Wangen leicht rosa, als er rief: „Der war total hinterhältig!"
„Natürlich war er das, Pete." Remus räusperte sich laut. „James' Idee ist aber nicht so schlecht, wie du denkst. In einer Auffangstation gibt es sicher noch mehr zu tun, als Tiere zu betreuen. An deiner Stelle würde ich einfach mal anfragen, mehr als Nein sagen können sie auch nicht. Und du willst doch von deiner jetzigen Arbeit weg, oder?"
„Ja, ihr habt wahrscheinlich Recht", murmelte er. „Was macht die Aurorenausbildung?"
James und Sirius blickten sich kurz an, zuckten dann mit den Schultern und grinsten. „Was soll das jetzt heißen?", fragte Remus irritiert.
„Das soll heißen, dass es genau das ist, was wir uns vorgestellt haben, auch wenn es immer noch scheiße anstrengend ist", antwortete James und Sirius nickte, wobei seine schwarzen Haare im Takt wippten. „Exakt. Und ich spüre jetzt schon, wie meine Bauchmuskeln wieder anschwellen. Seit dem letzten Jahr habe ich nicht mehr so hart trainiert."
Remus verdrehte die Augen und nahm einen kleinen Schluck von seinem Butterbier. „Das ist natürlich ganz wichtig", meinte er kühn. „Jedenfalls – Lily hat dich also rausgeworfen?"
Sirius' Wangen wurden rosa.
„Sie... sie war in der Überzahl!", rief er aus. „Mit Ellie und Marls konnte ich nichts tun. Ich habe alles versucht!"
„Na immerhin hast du deine Bauchmuskeln", murmelte Remus leise und grinste verstohlen, als Sirius' Augenlid zuckte. „Versuch du das nächste Mal gegen diese Weiber anzukommen! Die sind allesamt verrückt, sag ich dir."
James lachte leise. „Aber natürlich. Du wurdest von einem lebendigen Marschmallow, einer Schwangeren, einer Sechzehnjährigen und einer Weichherzigen aus deiner Wohnung geworfen. Nächstes Mal zeigst du es ihnen aber", fügte er grinsend hinzu.
Sirius öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, stockte dann aber. „Warte mal", meinte er langsam und zog die Augenbrauen zusammen.
Remus und Peter sahen ihn kurz verwirrt an, dann wandte der Werwolf jedoch sein Gesicht auch James zu. „Ist nicht wahr", raunte er. James grinste schief, als er bemerkte, dass seine Freunde langsam aber sicher feststellten, was er ihnen unterbewusst mitteilen wollte.
„Lily ist die Schwangere, oder? Sonst hättest du einfach – und Cassy ist ja – ne, oder?", fragte Sirius leise und seine Augen fingen an zu glänzen. „Doch" erwiderte James zufrieden. „Lily ist schwanger."
Remus war der Erste, der seinem Freund gratulierte, während Sirius immer noch versuchte, diese Information zu verarbeiten. „Glückwunsch, James", quiekte Peter aufgeregt. „Ihr werdet bestimmt gute Eltern!"
„Danke, Pete", grinste der junge Potter. „Lily müsste es wohl ihren Freundinnen jetzt auch schon gesagt haben. Ellie wusste es ja schon." Remus hob eine Augenbraue. „Wirklich? Sie hat mir nichts gesagt, das ist erstaunlich", meinte er.
„Allerdings", stimmte James zu. „Normalerweise ist kein Geheimnis bei ihr sicher. Was ist?", fügte er an Sirius gewandt hinzu, der ihn immer noch wortlos anstarrte.
„Oh, ich dachte nur... naja. Jetzt bekommt ihr auch noch ein Kind und... ich weiß auch nicht. Es kommt so vor, als würde die Zeit so schnell verfliegen. Letztes Jahr waren wir selber noch Kinder und bald werdet ihr Eltern sein und wir werden uns alle auseinander leben."
Überrascht hob James die Augenbrauen an. „Was bist du denn für ein Trottel?", fragte er seinen besten Freund. „Als ob wir uns auseinander leben würden. Ihr seid meine besten Freunde, meine Familie. Wenn ich könnte und Lily mich lassen würde, dann würden wir alle zusammen in einem Haus leben und den ganzen Tag Unsinn anstellen. Aber leider können wir das nicht. Trotzdem sind wir füreinander da, nicht wahr?"
Sirius zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich."
„Hey, nicht alle Familien sind schlecht und lassen sich im Stich. Wir sind Brüder, schon vergessen?" James hob seine Faust an und nach einem kurzen Moment, schlug Sirius ein. „Hast recht", sagte er schief grinsend. „Tut mir Leid. Und Glückwünsch. Auch wenn ich mir nicht wirklich vorstellen kann, dass du ein guter Vater werden wirst."
„Hey!", rief James. „Ich werde der beste Vater den diese verdammte Welt je gesehen hat. Und meinem Kind wird es an nichts fehlen."
„Weil das bei dir schon so gut geklappt hat", murmelte Remus leise und James verdrehte die Augen. „Ob du es glaubst, oder nicht, aber ich habe aus meinen Fehlern und denen meiner Eltern gelernt."
Man sah es Remus an, dass er nicht sehr überzeugt war. „Ich glaube an dich, James", sagte Peter.
„Dankeschön! Wenigstens einer der mir vertraut."
„Lily wird dich schon zurückhalten", fügte der rundliche Rumtreiber hinzu und grinste ihn an. Sirius und Remus brachen in Gelächter aus, während James nicht ganz wusste, ob er sich veralbert vorkommen sollte, oder nicht. Er kam zu dem Schluss, dass es das Beste sei, wenn er einfach mitlachen würde.
„Also, du und Evans bekommt ein Kind", meinte Sirius eine halbe Stunde später etwas gelassener. „Was denkst du: Wie am Arsch wird dieses Kind sein?" Remus grinste. „Das kommt drauf an, von wem es mehr hat. Entweder Lilys flammende Persönlichkeit oder James Idiotismus. Beides zusammen wäre natürlich keine gute Kombination."
„Er wird mein gutes Aussehen und Lilys Grips bekommen", schloss James entschlossen.
„Du weißt schon, dass es ein Junge wird?", fragte Sirius verblüfft. „Nein", antwortete sein Freund. „Das hab ich im Gefühl. Keine Ahnung, wie ich das beschreiben soll, aber ich weiß es einfach." Remus hob eine Augenbraue. „Wenn du meinst."
„Und wenn er nicht so aussieht wie du, sondern wie Evans?", fragte Sirius. „Dann wird er immer noch unglaublich sein. Ich meine, Lily ist immerhin auch unglaublich."
„Jetzt fängt das wieder an", murmelte Remus. „James, ihr seid verheiratet, du musst sie nicht alle fünf Minuten in den Himmel loben."
„Ich sage nur die Wahrheit", erwiderte er und Remus seufzte.
Ungefähr dreieinhalb Stunden, als der Mond direkt über ihrem Haus stand und der Schlaf sich langsam in ihre Augenwinkel schlich, stand Remus auf und streckte seine Arme. „Ich denke, es wird Zeit. Ich hab morgen noch einiges zu tun", meinte er und Peter und Sirius standen ebenfalls auf.
„Stimmt, ist schon ganz schön spät geworden", gähnte Sirius und zog sich seine Lederjacke über. „Mal schauen, ob ich Evans rausschmeißen kann."
„Aber geh sorgsam mit ihr um", erinnerte ihn James und hielt sich eine Hand vor den Mund. „Ganz bestimmt. Ich würde mir deinen Zorn doch niemals auferlegen wollen."
„Wir sehen uns", meinte Remus mit müder Stimme, ehe er die Haustür öffnete und in die kalte Nacht trat. „Ja, bis irgendwann", erwiderte Peter und folgte ihm.
„Irgendwie komisch, oder?", sagte Sirius leise, als die beiden fort waren. „Was?"
„Du und Evans werdet eine kleine Familie und unser aller Leben ist von diesem Krieg bestimmt. Es ist fast so, als würden wir keine Zeit bekommen, uns von unserer Jugend zu verabschieden."
„Das ist wahr", antwortete James seufzend. „Wir wurden hier rein geworfen, ohne Vorbereitung und müssen jetzt kämpfen. Aber eigentlich ist es ja auch genau das, was wir die ganze Zeit gewusst und auch gewollt haben. Es ist schwer und unglaublich gefährlich, aber wir haben uns unsere Jugend darauf vorbereitet. Vielleicht nicht immer bewusst, aber irgendwo haben wir immer gewusst, dass wir irgendwann hier stehen würden. Jetzt ist genau dieser Tag eingetroffen."
„Evans hat einen ganz schlechten Einfluss auf dich, Kumpel. Du redest total kitschig."
„Sicher doch. Ob du es glaubst, oder nicht, ich spreche hier nur das aus, was du auch denkst. Remus hätte das Gleiche gesagt."
„Stimmt wohl", erwiderte der junge Black mit einem glatten Gesichtsausdruck. „Was auch immer passieren wird, wir werden es aus nächster Nähe miterleben, oder? Wir kommen nicht drum herum, zu kämpfen."
„Nein", antwortete James. „Aber jetzt weiß ich, dass ich das nicht will. Diese Welt ist nicht gut, um ein Kind in sie zu setzen, aber deshalb muss ich jetzt noch stärker werden. Wenn ich will, dass mein Kind eine gute, behütete Kindheit haben kann, dann müssen wir diese Welt mit unseren eigenen Taten verändern. So unsinnig, das auch klingt, aber jetzt ist es an uns, die Zukunft zu gestalten."
„Das war es auch, was Dumbledore uns wahrscheinlich immer sagen wollte. Als wir dem Orden beigetreten sind, haben wir unsere eigene Zukunft hinten angestellt. Zuallererst kämpfen wir jetzt für die anderen, dann für uns. Schon traurig." Sirius blickte kurz nach oben in den Nachthimmel dann seufzte er. „Ich hau ab, Wir sehen uns, Kumpel."
Sirius grinste, schlug seinem besten Freund auf die Schulter und apparierte dann ebenfalls außerhalb der Hausgrenze. Als James die Tür schloss, hatte er irgendwie das Gefühl, als hätte Sirius Recht.
Eine neue Ära wurde beginnen und sie waren nun mittendrin, ob sie es wollten, oder nicht.
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