5. Weibliche Probleme
James hätte nie gedacht, dass es so viel für eine Hochzeit vorzubereiten gäbe. Während Petunia den ganzen Tag meistens unterwegs war und sich um irgendwelche Angelegenheiten kümmere, die wohl wichtiger waren, als die Gästeliste zu aktualisieren oder die Tischdekoration auszusuchen, verbrachten er, Lily und Linnea die meiste Zeit damit, irgendwelche Aufgaben zu erledigen. Und während James zum zweiten Mal an diesem Sonntag die Tische im Garten säuberte, kam Lily seufzend und mit verschwitzter Stirn aus dem Haus.
„Meine Mutter macht mich noch irre!", rief sie aus und setzte sich in den Schatten. Sie wischte sich über die Stirn und schloss dann die Augen, als eine der seltenen Sommerbrisen vorbeiwehte. „Ich durfte gerade alle Zimmer staubsaugen, - wischen und auch noch die Wäsche waschen! Ich fühle mich wie ein Hauself."
„Warum hast du nicht einfach einen Zauber benutzt?", fragte James und lehnte sich gegen einen der Tische. „Weil meine Mutter denkt, ich würde dann verweichlichen. Ich soll ja alles auf Muggelart machen, damit ich mich nicht zu sehr daran gewöhne, alles mit Magie machen zu können. Ehrlich, es fühlt sich an, als hätte ich meinen Hogwartsabschluss ganz umsonst gemacht."
James lachte leise, dann schwang er sich das schmutzige Tuch über die Schulter. „Hast du schon Bescheid bekommen?", fragte er vorsichtig. Lily seufzte erneut, jedoch tiefer und länger. „Nein. Ist schon drei Wochen her seit ich mich bei denen angemeldet habe. Das kann ich bestimmt vergessen", maulte sie und stützte den Kopf auf ihre Hände. „Bestimmt hat sie mein Erwartungen übertroffen in Kräuterkunde abgeschreckt. Ich bin einfach nicht gut genug dafür!" James schüttelte langsam den Kopf und kam dann auf Lily zu.
„Das bist du nicht", beharrte er. „Sie sollten froh sein, dass du dich bei ihnen gemeldet hast. Eigentlich hätten sie auf Knien nach dir betteln sollen."
„Übertreib nicht, James." Lily blickte ihn an und ihre Augen hatten den üblichen Glanz verloren. „Bei den anderen hat es alles schon geklappt. Du hast doch auch schon Bescheid vom Aurorenverband, oder?" James hob eine Hand an den Hinterkopf. „Naja, ja, aber das liegt daran, dass ich alle dort kenne. Ich hab sozusagen einen Vorteil."
„Du musst dir nichts vormachen, James. Du hast Top-Noten, es liegt nicht daran, dass alle dich kennen. Wenn das so weiter geht, dann werde ich gar nichts haben, wenn das Jahr beginnt." Lily vergrub erneut ihr Gesicht in den Händen. „Dann ist alles was ich habe, eine kaputte Familie und eine ganze Ansammlung von Lehrbüchern, die allesamt umsonst waren."
Nun war es an James zu seufzen. Er ging auf ein Knie und nahm zaghaft ihre Hände beiseite. „Lily, hör mir mal zu. Denkst du nicht, dass bei einem Job, bei dem es immer um Leben und Tod gehen kann, bei dem man Nerven wie Drahtseile haben muss und bei dem man sich keinen einzigen Fehler erlauben darf, etwas länger dauert, als bei anderen? Heiler sind die kompetentesten Magier in ganz England, sie beherrschen die kompliziertesten Magien, können die schwierigsten Tränke im Schlaf zusammenbrauen und wissen alles über den menschlichen Körper. Wenn du das wirklich machen willst, dann musst du dich gedulden. Immerhin geht es hierbei nicht nur um deine Zukunft, sondern wahrscheinlich auch noch um das Leben Tausender."
Lilys smaragdgrüne Augen funkelten ihn überrascht an, dann blinzelte einmal und lächelte. „Oh. Du hast recht." James Gesicht zierte ein riesiges Grinsen. „Das höre ich gerne." Lily schlug ihm gegen den Arm und wischte sich dann kurz über das Gesicht. „Danke." Er küsste ihre Schläfe und murmelte dann in ihr Ohr: „Ich bin dein Retter in der Not. Dein strahlender Ritter auf einem schneeweißen Ross."
„Übertrieb nicht, dein Kopf schwillt schon an", sagte Lily lachend du drückte ihn von sich. „Und jetzt - "
„Lily!", rief eine Stimme aus dem Haus, die James Mrs. Evans zuordnen konnte. „Lily! Wo bist du denn?" Lily seufzte und schloss die Augen. „Uhrg, sie hat bestimmt irgendwo ein Staubkorn entdeckt, oder will mich zwingen, die Garage nach Farben zu sortieren. Nicht, dass sie es schon einmal versucht hätte", fügte sie hinzu und stand resigniert auf. „Hilf mir", bettelte sie, doch James grinste sie nur verschmitzt an. „Oh, tut mir Leid, was hast du gesagt, ich konnte dich grade nicht verstehen."
„Ich hasse dich", rief Lily noch, als sie zurück ins Haus trottete. James lachte und wandte sich wieder den Tischen zu, die immer noch sauber waren. „Ohh? War es das schon mit unserem Liebespaar Nummer eins?", fragte eine belustigte Stimme neben ihm und James erschrak. Linnea grinste ihn an, die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Sie trug das lange, schwarze Haar in einem schlichten Zopf, welcher über ihre Schulter fiel.
„Ich muss das jetzt mal fragen: Ist es dein Hobby, andere Leute zu erschrecken und immer dann aufzutauchen, wenn man gerade alleine ist?" Linnea lachte und setzte sich auf den Stuhl, den Lily eben verlassen hatte. „Ja, das könnte man so sagen. Ich sammle überraschte Gesichtsausdrücke, weißt du." James hob eine Augenbraue. „Wirklich?"
„Hast du die Tische nicht heute Morgen schon einmal abgewischt?", fragte Lilys Cousine neugierig und betrachtete das dreckige Tuch in seiner Hand. „Ja, eigentlich schon", sagte James und lehnte sich erneut gegen den Tisch. „Aber Mrs. Evans hat es vergessen oder hat einen Sauberkeitsfimmel, ich weiß nicht genau." Linnea nickte verstehend.
„Es ist nicht einfach für sie, glaube ich. Petunia alleine ist schon anstrengend genug, aber dann noch ihre Hochzeit? Da würden bei jedem die Nerven blank liegen. Wenigstens lässt sie uns nur sauber machen und mal das Mittagessen zubereiten. Ah, Apropos, das ist bald fertig." Sie grinste breit.
„Sag mal, du bist doch auch aus der Schule raus, oder?", fragte James langsam. „Ja, warum?"
„Was machst du eigentlich jetzt? Also, arbeitest du schon, oder...?" Linnea bekam große Augen und lehnte sich dann in ihrem Stuhl zurück. „Ne, ich arbeite nicht. Zumindest noch nicht. Ich habe diesen Sommer meinen ersten Job, in dem Sinne. Aber - " Sie stand auf und zwinkerte ihm geheimnisvoll zu. „ – was, das verrate ich dir nicht."
„Hey!", rief James ihr nach, als sie in Richtung Haus schlenderte. „Warum nicht?" Sie drehte sich um und ging dann rückwärts weiter. „Hmm, du könntest auch ein Spion sein und mein Geheimnis herausfinden wollen. Außerdem weiß es keiner aus der Familie, deshalb wirst du es schon lange nicht erfahren!" Sie hob die Hand und trat dann durch die Eingangstür. James seufzte und rieb sich die Schläfe. Die Evans-Frauen schienen alle nicht ganz normal zu sein.
Gegen Abend hin kam Petunia wieder. Sie hatte einen dunklen Kleidersack dabei und präsentierte ihnen stolz im Wohnzimmer ihr Hochzeitskleid. James, der keine Ahnung von Kleidern hatte, fand, dass es von der Farbe her zu sehr nach einem Lachs aussah.
„Ja, ich wollte mein Kleid mit dem der Brautjungfern und der Trauzeugin anpassen, aber trotzdem wollte ich natürlich im Mittelpunkt stehen", sagte sie, als hätte irgendjemand vergessen, dass sie die Braut sei. „Die Schneiderin hat extra nur die feinsten Stoffe verwendet, die man für Geld kaufen kann." Petunia schien endlos lange über dieses Kleid und die tollen Schnitte reden zu können, auf jeden Fall fand sie immer wieder ein neues Gesprächsthema. Auch wenn alle müde vom Tage waren und eigentlich nur noch ins Bett wollten, hielt Petunia sie bis kurz nach elf wach, ehe sie auf die Uhr blickte und erschrocken aufschrie. „Ahh, ich brauche doch meinen Schönheitsschlaf!" Danach hatte sie das Kleid so schnell es ging wieder in den Kleidersack gepackt und war die Treppe hinauf gesprintet. Bevor überhaupt jemand realisieren konnte, wo sie gerade hin war, knallte von oben schon eine Tür zu.
Mr. Evans rieb sich die Augen und stand dann recht mühselig auf. „Es wird wohl Zeit. Ich muss morgen früh raus, die Arbeit ruft. Gute Nacht, zusammen." Er drückte Lily im Vorbeigehen einen Kuss auf den Kopf, dann folgte er seiner ältesten Tochter in den zweiten Stock. „Das stimmt, ich habe morgen ebenfalls eine Menge zu erledigen. Macht nicht zu lange, Kinder." Mrs. Evans verschwand ebenfalls und ließ Lily, James und Linnea alleine zurück.
„Also, ich weiß ja nicht wie ihr das seht, aber ich bin todmüde", sagte Lin und gähnte demonstrativ. „Wir sehen uns morgen, gute Nacht." Sie ging ebenfalls die Treppe nach oben und es blieb ungefähr eine Minute lang ruhig. Dann erhob sich Lily. „Verdammter Gruppenzwang", murmelte sie und griff nach James Hand. Er ließ sich wortlos von ihr nach oben führen.
Anstatt dass sie in Lilys Zimmer jedoch schlafen gehen konnten, bemerkten sie zuerst, etwas, was auf dem Fensterbrett kauerte. „Ist das eine Eule", fragte James und deutete auf den zerfleddert aussehenden Vogel, der sie aus großen Augen anstarrte. „Das ist meine Eule!", sagte Lily und trat schnell zum Fenster, um es zu öffnen. Der Vogel flatterte geräuschvoll ins Zimmer, ließ den Brief auf den Boden fallen, den er in den Klauen getragen hatte und ließ sich dann auf dem großen Kleiderschrank nieder. Lily schloss das Fenster und nahm dann aus ihrem Schreibtisch eine Packung mit Eulennüssen heraus. „Packst du die bitte in ihren Käfig, ansonsten kommt sie nicht rein." Sie drückte James die Packung in die Hand und las dann den Brief vom Boden auf. „Er ist von Ellie!", erklärte sie James und riss den Umschlag auf. Ein Bogen Pergament kam zum Vorschein und Lily begann Ellies Brief vorzulesen, während James einige der Eulennüsse in die kleine Futterschale streute.
Liebe Lily,
es ist einfach so unglaublich schrecklich heiß. Ich glaube, meine Tinte verdampft noch, bevor ich überhaupt fertig bin! Ist es bei dir auch so heiß? Ich sterbe und das obwohl mein Zimmer im Schatten liegt. Der Ventilator in der Küche ist kaputt und ich bekomme ihn einfach nicht repariert, das ist so ätzend! Ich klebe förmlich an meinem Stuhl und wäre ich keine Hexe, wäre ich bestimmt schon verbrannt.
Aber genug davon: Was machen deine Nerven? Sind noch alle da? Petunia hält dich sicher auf Trab, oder? Es ist so doof, dass ich dir nicht helfen kann, du weißt gar nicht, wie gerne ich das würde, aber ich bin hier gefangen! Nun, nicht wirklich, ich kann das Haus verlassen wann ich will, aber es ist im übertragenen Sinne gemeint. Damit wir nämlich in der Woche, in der James und Sirius unterwegs sind, auch zusammen etwas unternehmen können, musste ich meinen Eltern versprechen, ihnen bei allem zu helfen, was sie wollen. Das sind solche Sklaventreiber! Ich dachte, ich muss mal den Müll rausbringen oder Geschirr auf Muggelart abspülen, aber nein! Ich musste unseren Rasen mähen! Und das Geschirr polieren! Und Dads alte Pokale ebenfalls. Warum war er früher nur so sportlich? Hätte er nicht immer schon so rund sein können?
Bin ich schon wieder vom Thema abgekommen? Warum passiert mir das ständig? Marlene hat in ihrem letzten Brief auch erwähnt, dass ich, wenn ich schreibe, viel zu ausschweifend werde. Mach ich das? Sag mir, dass ich das nicht mache! Du bist meine beste Freundin, los, lüg mich an!
Weshalb habe ich dir noch gleich geschrieben? Oh, ja, ich wollte sichergehen, dass Petunia etwas von dir übrig lässt, wenn wir uns wieder sehen. Ich gehe ungerne alleine los, das weißt du.
Eigentlich brauche ich auch deinen Rat. Also mehr den von James und da er bei dir ist: Hallo James! Hauptsächlich geht es um...um Remus. Er ist immer so – ich weiß nicht, wie ich es anders sagen soll – kühl, wenn es auf diese Zeit zugeht. Was kann ich machen, damit er sich besser fühlt? Ich mag ihn wirklich gerne und ich möchte nicht, dass er sich unwohl fühlen muss und das auch nicht in meiner Nähe. Ich bin doch seine Freundin, wenn er sich bei mir nicht wohl fühlen kann, dann bin ich wohl nicht die richtige für ihn, oder? Ich bin so verwirrt, helft mir!
Mit den besten und heißesten Grüßen (man, das klingt echt falsch, wenn ich das so formuliere)
Ellie.
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