49. Spiegel

Die Luft knisterte, wie bei einem heftigen Gewittersturm. Die Zauberstäbe von Mad-Eye Moody und Voldemort peitschten durch die Luft, als würden sie zu den Armen ihrer Besitzer gehören; sie wirkten wie Rauch, welches sich verflüchtigte und dann wieder manifestierte. Lichtblitze und Flüche erhellten den Büroraum, in dem die verängstigten Mitarbeiter des Tagespropheten in einer Ecke gekauert saßen und das Duell des dunklen Magiers und des Aurors mit vor Angst geweiteten Augen beobachteten.

Moody hatte einen Schild hinter sich geworfen, damit weder Voldemort noch die Todesser auf die Idee kommen könnten, seinen Leuten etwas anzutun, während er in das Duell vertieft war. James stand die Panik ins Gesicht geschrieben. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Voldemort ebenfalls anwesend war. Vor den Todessern hatte er schon Respekt, doch mit ihnen konnten sie klar kommen. Aber Voldemort war ein anderes Kaliber. Er war mächtig genug, damit er es mit jedem aufnehmen konnte. Außer vielleicht Dumbledore.

James schob sich immer weiter vor Lily, bewegte seine Füße nur um wenige Millimeter, um seine Frau abzuschirmen. Sie krallte ihre Hand in seinen Rücken, als er sie halb verdeckt hatte und wisperte leise: „Was sollen wir machen?"

Er schüttelte nur leicht den Kopf, denn er wusste keine Antwort.

Moody ließ seinen Stab knallen und ein Schocker flog durch den Raum, wurde jedoch von Voldemort wie eine lästige Fliege abgewehrt, während er in der nächsten Minute bereits einen tödlichen Fluch losschickte, dem Moody nur ausweichen konnte, weil er sich auf den Boden rollte. Er ließ seinem Gegner jedoch nicht die Chance, ihn anzugreifen, sondern erhob sich sofort wieder und schoss eine Salve an Lähmzaubern los. Die Luft flimmerte, als würde ein heißer Sommertag herrschen und beinahe konnte James die Hitze der Zauber auf seiner Haut spüren. Die Härchen an Armen und Nacken hatten sich ihm aufgestellt und er spürte, wie seine Knie zitterten. Er hatte Angst.

„Ich muss gestehen, Ihr seid ein unterhaltsamer Gegner", sprach Voldemort mit eiskalter Stimme und schwang den Zauberstab über dem Kopf. Das Papier, welches überall auf dem Boden lag, erhob sich in die Luft, verdichtete sich zu einem wirbelnden Kokon und schoss dann auf Moody zu. Dieser reagierte noch schnell genug und konnte einen Flammenzauber sprechen, doch Voldemort hatte bereits zu seinem nächsten Angriff angesetzt.

Eine Salve aus Glas wirbelte auf den Auroren nieder und obwohl dieser einen Schutzschild um sich gewirkt hatte, erlitt er etliche Schnittverletzungen an Armen, Beinen und dem Gesicht. Blut tropfte zu Boden und bildete eine scharlachrote Pfütze, in der James die weiteren Zauber und Flüche spiegeln sehen konnte.

Plötzlich hatte er eine Idee und blickte sich schnell um. Er entdeckte einen Gegenstand, den er erhofft hatte, zu sehen und richtete vorsichtig seinen Zauberstab darauf. In dem Moment, in welchem Voldemort einen Fluch auf seinen Widersacher schickte, der wie eine tollwütige Bestie über den Boden huschte, ließ James einen durch Magie gehärteten Spiegel vor Moody fliegen.

Voldemorts Fluch prallte mit einem lauten Klirren ab, der Spiegel zerbrach in tausende Stücke und der Lichtblitz raste in die Reihen der Todesser, die zu spät reagierten und niedergestreckt wurden. Mit wutverschleiertem Gesicht wandte sich Voldemort nun an James und richtete seinen Stab auf ihn.

„Du wagst es!", schrie er zornig und ein grüner Strahl nach dem nächsten schoss auf ihn zu. James wurde von Lily zu Boden gerissen, Moody vollführte eine merkwürdige Handbewegung und im nächsten Moment explodierte eine Sphäre aus hellem Licht in der Mitte des Raumes. Die Todesser schrien gepeinigt auf und James bedeckte seine Augen vor dem gleißenden Zauber. Es dauerte nur wenige Momente, dann war es vorbei. Moody war auf ein Knie gesunken und atmete erschöpft, aber ein grimmiges Lächeln zierte seinen vernarbten Mund. Voldemort starrte den Auroren mit hasserfüllter Miene an, während seine Gefolgsleute geblendet und verletzt auf dem Boden lagen.

„Das werdet ihr büßen!", rief er und in seiner Stimme lag so viel Kälte, dass James das Blut in den Adern gefror.

„Mein Herr, ich kann nichts sehen", wimmerte die dunkle und raue Stimme einer Frau, die er eindeutig als Bellatrix Black erkennen konnte. Voldemort wandte sich für den Bruchteil einer Sekunde um, dann verengten sich seine roten Augen zu schlitzen. „Ich merke mir eure Gesichter! Beim nächsten Mal werde ich euch alle einzeln töten. Qualvoll!"

Dann verschwand er, und seine Todesser gleich mit, in einem dicken, schwarzen Nebel.

Völlig unfähig zu rühren, starrte James auf die Stelle, an der eben noch der gefürchtetste Magier seiner Zeit gestanden hatte und ließ die Luft raus, die er, ohne es zu bemerkten, angehalten hatte. Seine Hand suchte die von Lily und er umschloss ihre zitternden Finger, aus Angst, sie könnte ebenfalls jeden Moment verschwinden.

„Potter", sagte Moody mit rauer Stimme und James konnte nicht verstehen, ob er wütend, erleichtert oder beides war. „Das war äußerst dumm aber auch sehr hilfreich. Vielen Dank", fügte er hinzu und lächelte gequält. Ein Mann eilte an die Seite des Aurors und stützte ihn. James konnte nicht antworten, sondern blickte einfach nur stumm gerade aus. In diesem einen Moment, in dem Voldemort ihn direkt angeblickt hatte, da hatte sein Herz ausgesetzt und er hatte für eine schreckliche, lange Sekunde geglaubt, dass er es zu weit getrieben hatte. Dass dies nun sein Ende war. Und noch schlimmer: Dass er Lily in eine ebenso große Gefahr gebracht hatte.

Seine Augen suchten ihre und erst als er wirklich sicher war, dass es ihr gut ging, lächelte er sie an und küsste ihre Stirn. „Ich liebe dich, Lily. Ich liebe doch so sehr."

Sie wirkte verwirrt, aber drückte dankbar seine Hand.

Der Mann führte Moody zu den Arbeitern des Tagespropheten und unterhielt sich leise mit einer Frau, deren graue Haare zu einer prächtigen Lockenfrisur geformt waren. Ein paar Momente später öffnete sich die Doppeltür auf der gegenüberliegenden Seite des Fenster, durch welches sie gekommen waren, und der Rest der Auroren und Ordensmitgliedern stolperte herein. „Die Tür war magisch verriegelt, wir konnten sie nicht öffnen!", rief ein Mann mit einer Narbe quer über das linke Auge. „Was ist passiert, wir haben Kampfgeräusche gehört?"

„Ihr habt den spannenden Teil verpasst", grummelte Moody und sein magisches Auge huschte für einen Moment zu James, der nun sich und Lily hochzog. „Kümmert euch um die Leute, wir werden rausgehen und den anderen Bescheid geben."

Moody winkte James zu sich, und Lily folgte ihrem Mann, während sie seine Hand umklammerte, als wäre sie eine Ertrinkende auf offener See und er der Rettungsring in der Not.

„Ich muss mich wohl bedanken", sagte der Auror knapp. „Ohne ihren Eingriff hätte ich nicht mehr lange weitermachen können. Ich bin leider nicht mehr so fit wie vor ein paar Jahren."

James öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber nur ein krächzendes Geräusch verließ seine Kehle. „Schon gut, Junge. Der Schock, nicht wahr? Ja, der kann beim ersten Mal ganz schön tief gehen. Kommt mit, ihr beiden. Ich bringe euch raus."

James fing Caradocs Blick auf und war erleichtert, als er feststellte, dass der ältere Magie ihm zunickte. Er hatte die Befürchtung gehabt, er wäre sauer auf ihn.

Moody ging leicht humpelnd voran und hatte einige Schwierigkeiten mit den Treppen des Gebäudes, doch weder James noch Lily wagten es, ihm ihre Hilfe anzubieten. Sie wussten, er würde sie sowieso nicht annehmen.

Es war bereits Abend, als sie schließlich auf die Straße traten. Sofort stürmten tausende Fragen auf sie ein. „Was ist passiert?"; „Wo sind die Todesser?"; „Sie sind Mad-Eye Moody, nicht wahr?"; „War der Dunkle Lord ebenfalls anwesend?"; „Wie viele Tote gibt es?"

Moody stieß James und Lily vor und grummelte: „Geht nach Hause. Ruht euch aus. Könnte wetten, dass Dumbledore morgen mit euch reden will."

Lily nickte schwach und führte James dann an der Hand aus der Menge an Tagesprophetlern und Schaulustigen. An der Straße blieb sie stehen und drückte ihre Lippen auf seine. Heiß fühlte sich der Kuss an, und so unwirklich. „Mach so etwas Dummes nie wieder", murmelte sie leise und küsste ihn dann noch mal. Dieses Mal grinste er leicht. „Das kann ich nicht versprechen."

„James! Lily!", rief da auf einmal eine Stimme und überrascht blickten sie sich um. Sirius, Remus und Ellie liefen auf sie zu. „Oh Merlin, ich hab mir solche Sorgen um euch gemacht!"

Ellie umarmte ihre Freundin stürmisch und unterdrückte einen Schluchzer. „W-Was? Aber woher wisst ihr, dass wir hier waren?", fragte Lily irritiert.

„Dumbledore hat die Benachrichtigung bekommen und alle Ordensmitglieder gerufen. Doch kaum waren wir hier angekommen, hat er uns erzählt, dass Moody mit euch und Caradoc und anderen bereits im Inneren wär", sagte Remus ruhig, aber James konnte die Angst aus der Stimme seines Freundes hören.

„Was war das für ein weißer Lichtblitz?", fragte Sirius mit erstickter Stimme und blickte James genau an, als müsse er sich vergewissern, dass er es wirklich war. „Moodys Zauber", erwiderte Lily. „Er hat damit die Todesser geblendet und Voldemort abgelenkt."

Sofort wurden die Gesichter der drei bleich und sie blickten sie mit weit aufgerissenen Augen an. „Er... Er war auch da?", fragte Ellie leise und klammerte sich noch fester an Lily. „Ja", hauchte diese. „Und es war schrecklich, Ellie. Er ist so unglaublich mächtig und grausam."

„Merlin", murmelte Sirius und blinzelte heftig. „Dass ihr da lebend rausgekommen seid...", fing er an, ließ den Satz aber so stehen und schüttelte den Kopf.

„Ich weiß", sagte James verstehend. „Ich hatte kurzzeitig das Gefühl, dass es das nun war. Wir hätten nichts gegen ihn ausrichten können, wären wir nicht so viele gewesen. Und hätte Moody sich ihm nicht gestellt."

„Jetzt weiß ich, warum er so gefürchtet ist", flüsterte der junge Black. „Ja, Voldemort ist wirklich - ", fing Lily an, doch er unterbrach sie.

„Ich meinte Moody. Im Aurorenbüro hat jeder entweder Angst oder Respekt vor ihm. Wer es nicht hat, ist entweder dumm oder lebensmüde. Moody hat die Zügel in der Hand."

So etwas wie ein Lächeln zierte nun die bleichen Lippen von Sirius und James atmete erleichtert aus. „Da hast du Recht, Tatze. Aber jetzt will ich wirklich nach Hause." Er drückte Lilys Hand.

„Das war genug Aufregung für uns."

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