41. Wie das Leben spielt
Auf Zehenspitzen schlich Lily durch das Schlafzimmer auf dem Weg zum Kleiderschrank. Freilich hatte sie dabei nicht damit gerechnet, dass ein warme Hand sie an den Hüften packen und wieder ins Bett verfrachten würde, während sie leise aufschrie. „James!"
Er lachte brummend und drückte sie an sich. Lily spürte seinen Atem an der Haut ihres Nackens und augenblicklich entspannte sie sich ungewollt, während seine Arme sie fester umschlangen. „Hör auf", sagte sie schwach und schloss kurz die Augen, um seinen Geruch einzuatmen. „Ich muss mich beeilen."
„Nur fünf Minuten", sagte er leise und sie spürte, wie seine Finger auf Wanderschaft gingen. Die sanfte Berührung brachte ihr Blut in Wallung und ehe es ausarten würde - was es auf jeden Fall würde, wenn Lily es nicht unterbinden würde - löste sie sich aus seiner Umarmung und erhob sich rasch. Das ihr Atem flacher ging als zu vor, bemerkte auch James und grinste sie durch das halbdunkle Schlafzimmer an. „Vielleicht heute Abend", murmelte sie, stahl sich einen kurzen Kuss von ihm und schritt dann zum Kleiderschrank.
„Du bist eine alte Spießerin, Lily", brummte er mürrisch und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. „Und du ein Lustmolch, Potter", erwiderte sie. „Und jetzt steh auf, oder Caradoc lässt dich wieder eine Extrarunde laufen, während er dir den Wackelbeinfluch auf den Hals hetzt." Sie konnte sich bei diesen Worten ein Kichern nicht verwehren.
„Das ist nicht witzig", sagte James und räusperte sich, als seine Stimme verschlafen abbrach. „Aber ich glaube nicht, dass er das jetzt noch durchzieht."
„Willst du es herausfinden?", fragte sie spielerisch und wackelte mit ihren Hüften, während sie extra langsam ins Bad ging, um sich umzuziehen. „Nein", antwortete er und sie wusste, dass seine Augen ihr genau folgten. „Ich - ", er räusperte sich erneut. „Ich weiß, dass er es nicht machen wird. Seit er und Marlene sich regelmäßig treffen, ist er viel entspannter." Lily seufzte leise. „Schade, ich mochte es, wie er dich hart ran nahm."
„Lily!", rief James aus und sie schlug die Hände vor den Mund, als ihr die Doppeldeutigkeit ihres Satzes klar wurde. „Ich meinte - ahhrg, ich hasse dich, James Potter!"
„Was hab ich jetzt wieder getan?", fragte er empört und Lily drehte sich zu ihm um. „Du existierst!" Sie schlug die Tür des Badezimmers zu und grinste dann breit, als sie James' Lachen hörte. In Windeseile - denn er hatte es trotzdem geschafft, dass sie Zeit vertrödelte - zog Lily sich ihren neuen Umhang über, den sie vom Mungos bekommen hatte und betrachtete dann kurz das Emblem des Krankenhauses im Spiegel. Der gekreuzte Zauberstab mit dem Knochen wirkte jedes Mal wieder ziemlich beeindruckend, fand sie.
„Bis später", rief sie noch schnell, bevor James sie wieder ins Bett ziehen konnte und lief dann die Treppe hinunter, um sich ihre Tasche zu schnappen, aus dem Haus zu laufen und dann schnell zu apparieren.
Im Mungos begrüßte sie das sterile Weiß und die helle Deckenbeleuchtung, als sie die Augen öffnete und der Geruch von frisch gewischtem Boden stieg ihr in die Nase.
„Da bist du ja!", rief Ellie aus und kam auf sie zu gelaufen. „Was - oder besser - wer hat dich aufgehalten?" Lily schnaubte leise. „James meinte, er müsste wieder den Verführer spielen. Aber ich habe nicht nachgegeben", fügte sie stolz hinzu. „Ganz toll", sagte Ellie und rollte mit den Augen.
„Hey!", erwiderte Lily. „Das ist besser als letztes Mal, als wir - "
„Ja, ja, ich weiß. Du musst mir keine Details nennen. Nicht erneut." Ellie grinste sie schief an. „Du bist ja schlimmer als Marls. Nach ihrem ersten 'Date' mit Caradoc war sie total durch den Wind."
„Was erwartest du denn auch?", fragte Lily lachend und die beiden gingen durch den hellen Flur des ersten Stockwerkes, um ihre auszubildende Heilerin aufzusuchen. „Die beiden waren nervöser als wir, als wir zum ersten Mal nach Hogwarts kamen." Ellie nickte. „Stimmt. Das dürfte dann auch erklären, warum das Treffen so in die Hose gegangen ist."
Lily konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Kaffee auf ihrer Bluse, Kuchen auf seiner Hose, der Regenschauer, der Milchschaum-Bart von Marlene..." Sie zählte mit ihren Fingern ab und stockte dann. „Der vermeintliche Todesser", fügte Ellie hinzu und grinste schief. „Oh! Stimmt", lachte Lily. „Caradoc hat sich wahrlich zum Affen gemacht."
„Ja, es war eine gute Entscheidung, den beiden ein bisschen nach zu spionieren. Aber das sie sich dann trotzdem noch mal verabredet haben... das war abzusehen", grinste Ellie und hielt Lily die Tür auf. „Jap. Drei Date in Folge und Marls kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr raus. Ich hoffe nur, James hält dich und erzählt Sirius nichts davon."
„Macht er schon nicht", erwiderte ihre Freundin. „Ich hab ihn mehr als nur genötigt. Ich würde ihn verlassen, wenn er was ausplappert." Ellie und Lily grinsten, unterbrachen ihr Gespräch jedoch, als sie in den kleinen Büroraum traten, an dem sie die Heilerin mit einem dicken Buch in der Hand erwartete.
„Guten Morgen, meine Damen. Ein bisschen weniger schwätzen und mehr lernen, nicht wahr? Heute möchte ich Ihnen..."
Sieben Stunden später verließen Lily und Ellie erschöpft das St. Mungos. „Sie wird irgendwie immer mehr wie Professor McGonagall", meinte Ellie und rieb sich die Unterarme, an denen sie mehrere Verbrennungen hatte. Ihre auszubildende Heilerin hatte Lilys Brandsalbe testen wollen, die sie hergestellt hatte und weil Ellie in diesem Moment abgelenkt war, fand sie, es war eine gute Strafe und gleichzeitige Übung.
„Schlimmer", erwiderte Lily und unterdrückte ein Gähnen. „McGonagall hätte nie ihre Schüler verbrannt."
„Stimmt." Ellie seufzte und blieb dann stehen, wobei sie beinahe eine Gruppe mit Rucksacktouristen umwarf, die sie nicht schnell genug bemerkten. „Ich würde ja liebend gerne noch mit dir bummeln, aber ich habe eine Verabredung."
„Uh, etwa mit Remus?", fragte Lily und zog die Augenbrauen nach oben. „Nein", erwiderte Ellie trotzig. „Der arbeitet noch und kommt später vorbei."
„Verheimlichst du mir etwas?", fragte die rothaarige Hexe und verengte nun ihre Augenbrauen. „Ja", sagte ihre Freundin knapp. „Du musst nicht alles wissen, Lils."
„Aber das muss ich!", rief sie aus. „Ich bin deine beste Freundin! Es ist quasi vertraglich geregelt, dass du mir alles zu erzählen hast."
Ellie rollte genervt mit den Augen. „Merlin, das ist die erste Sache nach acht Jahren, die ich dir nicht sofort erzähle und du machst einen riesigen Aufstand drum. Ich will nicht wissen, was du machen würdest, wenn ich es dir sage."
„Hast du etwa eine heimliche Beziehung? Betrügst du Remus?", flüsterte Lily erschrocken und Ellie lachte laut auf, wobei dieses Lachen allerdings sehr gestellt klang. „Nein, also wirklich. Nein. Das würde ich nicht machen. Aber glaub mir, ich werde es dir schon noch sagen, nur eben nicht jetzt. Ein paar mehr Geheimnisse könnten uns auch ganz gut tun", sagte sie und ihre Stimme klang wohl eine Spur gereizter, als sie es wollte, denn sie setzte sofort einen entschuldigenden Blick auf.
„Ist ja gut", fügte Lily schnell hinzu. „Geh nur zu deinem heimlichen Date. Ich habe einen quengelnden Ehemann zu Hause, der bestimmt Hunger hat." Das Grinsen, welches Ellie nun auf den Lippen hatte, war echt. „Das glaube ich gerne. Wir sehen uns dann morgen." Während Lily in die eine Richtung ging, verschwand ihre Freundin in der entgegengesetzten in der Menge und schon bald konnte sie die braunen Haare, die in den vielen Zöpfen steckten, nicht mehr ausmachen.
Sie hatte jedoch nicht damit gerechnet, dass sie Ellie bereits zwei Stunden später vor ihrer Haustür entdecken würde, eine weinende Cassy im Arm, die eine schwere Tasche fallen ließ. „Was bei Merlins Rasierklingen ist denn passiert?", fragte sie geschockt, als sie die beiden eingelassen und ins Wohnzimmer geführt hatte. Cassandra konnte beim besten Willen nicht reden, zu sehr schluchzte sie in das Taschentuch von Ellie.
„Sie hat ihren Eltern gesagt, dass sie schwanger ist", flüsterte sie leise und Lily sog scharf die Luft ein. „Und die haben es nicht gut aufgefasst und sie rausgeworfen."
„Was!?", rief Lily aufgebracht und sprang auf. „Das kann nicht deren Ernst sein? Los, wir gehen da jetzt hin, ich rede mal mit denen."
„Nein", würgte Cassy in ihrem Heulkrampf raus. „Bitte nicht, das würde es nur schlimmer machen." James kam mit einem Tablett voll dampfenden Teetassen herein und blickte Cassandra mitleidig an. Er beugte sich kurz zu Lily und murmelte: „Ich hab Sirius Bescheid gegeben, er kommt gleich vorbei und nimmt sie mit."
Die junge Potter nickte schwach und setzte dann wieder hin. „Es tut mir wirklich leid", meinte sie dann an das weinende Mädchen gerichtet. „Ich wünschte, ich könnte mehr für dich tun."
„Ihr habt doch alle schon so viel für mich getan", weinte sie und vergrub das Gesicht in den Händen, sodass ihre Stimme gedämpft klang. „Ich kann das nie wieder gut machen."
„Das musst du auch gar nicht", sagte Ellie schnell. „Wir haben dir gerne geholfen. Außerdem wäre es wirklich unmenschlich von uns gewesen, wenn wir es nicht getan hätten."
Lily wandte blitzschnell den Kopf ihrer Freundin zu. „Hast du das vorhin gemacht?", fragte sie leise und Ellie nickte. „Ja, ich hab ihr seit ein paar Tagen schon geraten, dass sie endlich sagen soll", meinte sie mit verzerrtem Gesicht. „Und jetzt fühle ich mich schuldig."
Ein leises Plopp ertönte und im nächsten Moment stürmte Sirius durch die Wohnzimmertür. Sein Blick fiel zuerst auf Lily, die der von Weinkrämpfen befallenden Cassy über den Rücken strich, dann auf James, der mitleidig dreinblickte. Mit großen Schritten durchquerte er das Zimmer und sank vor Cassandra auf die Knie, um ihr ins Gesicht zu blicken, welches sie versuchte weiterhin mit ihren Händen zu bedecken.
„Hey", sagte er mit rauer Stimme und augenblicklich verstummte sie. „Reg?", flüsterte sie und nahm die Hände weg, begann jedoch sofort wieder zu weinen und zu schluchzen, als sie erkannte, dass es nur Sirius und nicht sein jüngerer Bruder und Vater ihres ungeborenen Kindes war. „Hey, hör auf zu weinen", sagte Sirius laut und packte ihre Handgelenke. „Das tut dir nicht gut."
„Aber - ", fing sie an und wollte sich aus seinem Griff lösen, doch Sirius zog sie einfach wortlos hoch und nahm sie in den Arm. „Du kommst mit zu mir und bleibst solange da, bis deine Eltern wieder vernünftig werden." Stumm starrte die ehemalige Slytherin an die Wand hinter Sirius, unfähig etwas zu sagen. „Ich kann doch nicht - " Auch das unterbrach er, in dem er sie etwas grob von sich drückte.
„Keine Widerworte. Wenn mein Bruder dir das einbrockt und seinen Mann nicht stehen kann, dann werde ich die Suppe wohl oder übel auslöffeln müssen." Seine Stimme war fest, während seine grauen Augen sie genau fixierten. Cassy schluckte schwach und nickte dann, während weitere, stumme Tränen ihre Augenwinkel verließen.
„Gut." Wortlos griff er nach der Tasche, die Lily neben die Couch gestellt hatte. „Dann los." Und im nächsten Moment waren die beiden aus dem Haus getreten und verschwunden.
„Ob es wirklich eine gute Idee ist?", fragte Lily leise und James nickte beinahe sofort. „Sirius ist zwar ein Kindskopf, aber er fühlt sich für sie verantwortlich. Ich vertraue ihm da vollkommen." Ellie wusste wohl nicht recht, was sie dazu zu sagen hatte und trank einfach einen Schluck ihres Tees, wobei sie vergaß, dass dieser brühend heiß war und verbrannte sich prompt die Zunge.
„Aua!", rief sie aus und Lily konnte sich ein Prusten nicht verwehren. „Das ist keinesfalls lustig, Lily!" Ellie sprang auf und rannte in die Küche und sie konnten hören, wie den Wasserhahn aufmachte. „Ich schau besser nach ihr, bevor sie sich noch ertränkt", schmunzelte James und stahl sich einen Kuss von Lily, der sie beinahe dahinschmelzen ließ.
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