4. Familienplanung

Lily hatte sich seit Weihnachten nicht so unwohl bei einem Abendessen, wie an diesem Tag. Das von ihr, Linnea und James zubereitete Essen (sie war überrascht, dass nichts zu Bruch gegangen oder in Flammen aufgegangen war) war wirklich lecker, aber anscheinend interessierten sich die am Tisch Sitzenden ungefähr genauso viel dafür, wie die Nachbarn von gegenüber. Vernon warf andauern warnende Blicke zu ihr und James, als hätte er Angst, sie würden ihn sofort in einen Wal verwandeln, wenn er den Mund öffnen würde, und Petunia verbrachte die ganze Zeit damit, über langweilige Dinge zu reden, die sie nach der Hochzeit unbedingt tun wollte. Einkaufen oder den Haushalt führen waren ihre Lieblingsthemen.

„ – und wenn dann erstmal der Nachwuchs da ist - " Lily prustete in ihr Wasserglas und verschluckte sich prompt, als sie das hörte. Während sie hustete und James ihr sanft auf den Rücken schlug, warf Petunia ihr einen giftigen Blick zu. „Ja, Vernon und ich haben schon ausgiebig über das Thema Kinder gesprochen und ich weiß jetzt schon, ich werde nur eines haben. Zwei sind mir wirklich viel zu anstrengend, außerdem habe ich absolut keine Lust darauf, dass meine Kinder sich wie ungehobelte Bauerntrampel streiten." Lily verengte die Augenbrauen und schnitt dann etwas härter als beabsichtigt ihr Stück Fleisch, sodass das Porzellan bei der Berührung mit dem Messer quietschte. „Nein, ich werde nur ein Kind haben, welches all meine überschüssige Liebe abbekommen wird und es wird nur die besten Sachen haben und auf die besten Schulen gehen." Vernon warf sich bei diesen Worten ordentlich in die Brust. Erst kürzlich wurde er zum Assistenten eines unwichtigen Abteilungsleiters ernannt und fühlte sich dadurch auf einmal besonders wichtig und wohlhabend.

„Wisst ihr denn schon, wo ihr in die Flitterwochen fahrt?", fragte Mrs. Evans und blickte ihre Tochter dabei fragend an. Petunia zog einen Moment die Augenbrauen nach oben, dann machte sie einen überheblichen Gesichtsausdruck. „Aber natürlich. Wir werden einen zweiwöchige Kreuzfahrt machen, auf einem der teuersten und luxuriösesten Passagierschiffe die es gibt." Vernon und Petunia tauschten bei diesen Worten einen Blick, der ganz eindeutig aussagte: „Die anderen können davon nur träumen."

Lily unterdrückte den Drang, ihr eine Gabel in die hübschen Augen zu rammen, und widmete sich weiter ihrem Abendessen. Um die angespannte Atmosphäre etwas zu lockern, fragte Mr. Evans fröhlich: „Und, wie steht es mit eurem Haus? Wie laufen die Arbeiten? Es war doch in – Little Winging, richtig?"

Petunia rollte mit den Augen und antwortete dann nasal: „Ja, Dad, immer noch. Und die Umzugsfirma beginnt doch erst am Montag damit, alles einzuräumen, das habe ich dir doch schon so oft erzählt." Mr. Evans machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ach, und wenn schön, ich höre es mir gerne wieder an. Weißt du, Petunia, es kommt nicht sehr oft vor, dass ein Vater seine älteste Tochter zum Altar führen kann und sie in die Obhut eines anderen Mann gibt." Petunia nickte nur.

„Aber - " Sein Blick ruhte nun auf Lily, die nervös ihre Hand betrachtete, an dem der Verlobungsring funkelte. „ – ich habe ja noch eine andere Tochter, vielleicht darf ich mein kleines Mädchen dann ja auch noch begleiten." Lily versuchte sich an einem Lächeln, auch wenn es etwas aufgesetzt wirkte. „Natürlich Dad. Aber dafür müsste ich doch erstmal verlobt sein, nicht wahr?" Mr. Evans seufzte leise. „Natürlich, Kleines, aber das kommt bestimmt ganz bald. Du wirst nicht ewig achtzehn sein, weißt du. Als ich deiner Mutter den Antrag gemacht habe, waren wir auch erst neunzehn." Mrs. Evans lächelte. „Meine Eltern waren von Anfang dagegen, dass ich deinen Vater heirate. Er war ihnen nicht wohlhabend genug und hatte keinen Job, bei dem er sehr viel Geld verdiente. Aber das war mir egal." Lilys Eltern warfen sich einen liebevollen Blick zu, ehe Mrs. Evans weiterredete. „Meine Mutter hat sich bis heute nicht damit abgefunden und sobald sie am Mittwoch auftaucht, wird es hier wirklich drunter und drüber gehen. Sie konnte es sich ja nicht nehmen lassen und musste ihre Anreise verschieben." Mrs. Evans seufzte und legte dann ihr Besteck beiseite. „Das macht sie sicher absichtlich, damit sie sieht, wie überfordert wir mit allem sind."

Lily verzog das Gesicht, als sie sich daran erinnerte, dass sie ja auch ihre ganze Verwandtschaft wiedersehen musste. Die meisten ihrer Verwandten waren natürlich ganz in Ordnung, aber sie hatte ehrlich gesagt wenig Lust darauf, jedem die Frage zu beantworten, warum denn nicht sie die Trauzeugin ihrer eigenen Schwester war. Bei diesem Gedanken fühlte sie, wie sich ihr Magen ein Stück zusammenzog. Schlimm genug, dass Petunia sie nicht zur Trauzeugin gemacht hatte, aber wenn sie stets daran erinnert werden würde... Sie wollte sich das triumphierende Gesicht ihrer Schwester lieber gar nicht erst vorstellen.

„Meine Mutter war immer schon so", schimpfte Mrs. Evans weiter. „Meine Schwester hat sie immer alles durchgehen lassen, aber kaum war mir ein Fehler passiert!" Sie atmete laut aus und schloss die Augen. Dann wandte sie sich mit einem entspannten Lächeln Lily und James zu. „Würdet ihr mir den Gefallen tun, und das Geschirr wegräumen? Ich muss mit Petunia noch einmal in die Kirche fahren um dem Pfarrer die genaue Gästeanzahl geben."

„Klar Mum."

„Danke, Liebling. Lin, würdest du dann draußen noch kurz helfen? Die Tische müssen noch abgedeckt werden, damit sie nicht dreckig werden, ja?" Mrs. Evans sagte dies in einer Stimme, die eigentlich nicht wie eine Frage klang, sondern mehr wie eine Aufforderung, die man nicht ablehnen konnte. „Mach ich."

Das Wasser plätscherte in das Becken, während Lily die schmutzigen Teller hineinlegte, die ihr James reichte. Sie hatte die Hände in das warme Wasser getaucht und ließ sie etwas einweichen, bevor sie sich den Lappen schnappte. „Tut mir leid", sagte Lily. „Wegen meinen Eltern", fügte sie dann hinzu. James lachte leise. „Ich bin schlimmeres gewöhnt", erwiderte er. „Außerdem sind deine Eltern wirklich toll. Deine Schwester ist die – ähm – absonderliche." Lily drehte sich zu um. „Absonderlich? So habe ich sie noch nie genannt, das muss ich mir merken." James Augen wanderten kurz an ihr herunter, dann kam er einen Schritt näher. „Wir sind doch kurz alleine, oder?", raunte er und seine tiefe Stimme brummte in Lilys Ohren. Sie hob eine Augenbraue nach oben, drückte sich aber trotzdem vom Spülbecken ab. „So ziemlich, Mr. Potter."

„Dann weiß ich, was ich jetzt zu tun habe, Mrs. Evans." Seine Lippen fanden den Weg zu ihren und bereits wenigen Momente später, hatte seine Zunge sich in ihren Mund begeben. Lily stöhnte in den Kuss und schlang ihre Hände um seinen Nacken, auch wenn sie sie in der Luft hielt, damit sie James nicht mit Schaum beschmierte. Er ließ eine Hand an ihrer Hüfte liegen und mit der anderen zog er ihr Gesicht näher zu sich.

„Das hat mir gefehlt", murmelte er und wanderte dann mit seinem Mund an ihrem Hals entlang. Lily erwiderte nichts, sondern leckte sich einmal über die Lippen. Sie hatte noch den Geschmack von James im Mund, der nach dem Abendessen und nach Zimt schmeckte. Er fand einen Druckpunkt und begann daran zu saugen.

„Ich störe eure kleine Zweisamkeit ja wirklich nur ungerne, aber ich müsste hier mal durch." Lily schreckte hoch und öffnete die Augen, während James nach oben fuhr. Linnea stand in der Küchentür und blickte sie abwartend an. Ein Grinsen konnte sie nicht unterdrücken. James nahm etwas Abstand von Lily und richtete sein Shirt wieder, bevor er Linnea durchließ. „Überaus freundlich." Sie stopfte etwas in den Mülleimer, der in der Ecke des Raumes stand und drehte sich dann mit verschränkten Armen um. „Und während ich draußen schwer geschuftet habe, habt ihr euch hier vergnügt." Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin enttäuscht von dir Lily, wirklich." Lily grinste ihre Cousine an. „Nimms nicht so schwer, Lin, ich musste immerhin mit Petunia klarkommen. Da habe ich mir etwas Ablenkung doch verdient, oder?" Sie tauschte einen kecken Blick mit James und biss sich dann leicht auf die Lippe. Linnea seufzte. „Wenn du doch wenigstens das Geschirr vorher abgewaschen hättest", versuchte sie sie zu rügen, doch das belustigte Funkeln in ihren Augen konnte sie nicht verdecken.

Der Abend zog langsam dahin, Mrs. Evans kam mit Petunia im Gepäck wieder, die irgendwie glücklich wirkte, Mr. Evans kehrte etwas später nach Hause zurück und brachte dann einen Beutel mit Lebensmitteln in die Küche. Während Petunia es sich vor dem Fernseher mit einer Zeitschrift gemütlich machte und Mrs. Evans am Telefon mit einer Freundin sprach, verzogen sich Lily, James, und Linnea in den Garten. Die warme Sommerluft wehte ihnen entgegen, als sie sich auf der Terrasse niederließen. Die Schaukeln, auf denen Lily und Petunia damals immer gespielt hatten, quietschten leise und die Ketten rasselten. Mr. Evans hatte sie gekauft, kurz nachdem Lily auf die Welt gekommen war und die beiden Mädchen hatten viel Zeit auf ihnen verbracht und hatten zusammen gelacht. Damals, als Lily noch nicht wusste, dass sie eine Hexe war, da hatte ihre Schwester sie nicht verabscheut und sie waren die besten Freundinnen gewesen. Sie hatten sich alles erzählen können und niemand konnte ihr enges Band durchtrennen. Erst, als Lily Severus kennengelernt hatte und dieser ihr alles über Hogwarts und die magische Welt erzählt hatte, wurde die Beziehung zwischen den Schwester angespannt. Als Lily dann nach Hogwarts fahren konnte und Petunia zurückgelassen hatte, war nichts mehr zwischen den beiden wie früher. Petunia war eifersüchtig und hatte sie gehasst und Lily hatte von ihrer tollen Zeit erzählt und ihnen die ganzen guten Noten gezeigt, die sie bekommen hatte. Sie war so glücklich damals, und dennoch war sie unendlich traurig.

„Weißt du", fing Linnea an und baumelte etwas mit den Beinen. „Ich hab mir eine Schwester gewünscht. Aber jetzt, mit diesen ganzen Geschichten, wie schlimm Schwestern doch sind, bin ich doch ganz froh, Einzelkind zu sein." Sie lächelte schwach. „Natürlich weiß ich nie, wie es gewesen wäre, wenn ich eine Schwester gehabt hätte, aber dafür habe ich ja dich." Sie legte einen Arm um Lilys Schulter und drückte sie an sich. „Ich hab dich lieb, Lily."

Lily lächelte ebenfalls. „Ich hab dich auch lieb, Lin."

„Und was ist mit mir?", fragte ein grinsender James. „Du kommst nach ihr", sagte sie und drückte ihre Cousine an sich. „Familie kommt immer vor Freunden."

James verzog das Gesicht, dann lachte er. „Ja, das stimmt wohl. Aber, das muss ja nicht immer so sein, nicht wahr? Wer weiß, vielleicht bin ich ja auch bald ein Teil deiner Familie."

„Viel Spaß mit Petunia", sagten Lily und Linnea beinahe gleichzeitig. Die beiden sahen sich einen Moment an, dann brachen sie in Gelächter aus.


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