35. Der Duft vom Ende des Sommers
James nahm einen tiefen Atemzug und schloss die Augen. Der frische Sommerregen roch herrlich, auch wenn er schon klängst vorbei gezogen war. Godric's Hollow, seine und Lilys neue Heimat, lag im Nebel und noch immer tummelten sich graublaue Wolken am Himmel, die unheilschwanger wirkten. Und doch wirkte dieses kleine Dorf wie der sicherste Platz der Welt, als könnte niemand ihnen hier etwas anhaben.
Er wandte sich vom Fenster ab und blickte dann seiner Ehefrau in die Augen. „Bereit das Haus zu begutachten?", fragte er grinsend und bot ihr seinen Arm an. Lily lächelte und hakte sich ein. „Nach Ihnen, Mr. Potter."
„Das Schlaf - und Badezimmer haben wir ja bereits ausgiebig ausgekundschaftet", meinte James und ging in den oberen Flur. Lilys Wangen färbten sich leicht Rosa, doch sie sagte nichts. „Hier gibt es allerdings noch ein Zimmer." James stieß die Tür am Ende des Ganges auf und ließ Lily den Vortritt. Die Wände waren weiß, allerdings war der Raum an sich komplett leer. „Vielleicht findet sich ja jemand, der hier wohnen kann", sagte er und hob anzüglich die Augenbrauen. „Ein neues Familienmitglied vielleicht?"
„Oh, ein Hund braucht doch kein eigenes Zimmer", erwiderte Lily lachend und wandte sich zu ihm um. „Aber für ein Kind wäre es schön…" Ihre Augen nahmen einen sanften Anblick an und James trat einen Schritt auf sie zu. „Eine Familie wäre schön", korrigierte er und küsste sie sanft. „Ja, das wäre es."
Lily warf einen letzten Blick in das kleine Zimmer, dann schloss sie die Tür hinter sich und folgte ihrem Mann die Treppe herunter, die geschwungen an der Wand entlangführte und schließlich in einem hellen und breiten Flur endete. Die schneeweiße Eingangstür hatte ein schmales Glasfenster ungefähr auf Augenhöhe und and den kalkfarbenen Wänden hingen ein Garderobenhaken und ein kleines Metallstiel, an dem genug Platz für einen Schlüssel war. James ging an einem schwarzen, kleinen Schrank vorbei und hielt eine Tür für Lily auf. Das größte Zimmer des Hauses lag an der Westseite und bot genug Platz, um dort ein wunderschönes Wohnzimmer einzurichten. Durch eine Durchreiche war es mit der Küche verbunden, die dementsprechend genau nebenan war. Ein dunkelblaues Sofa stand an der einen Seite, direkt dahinter war die breite Fensterfront, die auf einen geräumigen Garten zeigte. Neben der Küchentür befand sich sogleich die Terrassentür und daneben stand ein hoher, dunkler und edler Schrank, in dem sich allerlei Krimskrams, wie Bücher und Figuren befanden. James hatte sich extra lange damit aufgehalten, damit es, wenn Lily es das erste Mal sehen würde, auch bewohnbar und schön aussah.
„Es ist wirklich toll", sagte sie leise. „Auch wenn ich es wohl vermissen werde, zu Hause zu leben", fügte sie mit einem Lachen hinzu. James sah sie liebevoll an. „Dafür wirst du das Privileg haben, mit mir zusammenzuwohnen."
„Ob das so ein Privileg ist, weiß ich ja nicht…", sagte sie und wich seinem Griff aus. „Mrs. Potter!", rief er lachend. „Ja, Mr. Potter?"
„Ich liebe dich", hauchte er und zog sie an sich. „Ich dich auch, du Irrer."
„Gibt es noch mehr Räume, die du sehen willst?", fragte James, nachdem er Lily die Küche präsentiert hatte. „Nein, ich denke, dass das reicht. Es sei denn, du hast noch was, was du mir zeigen willst." James schüttelte den Kopf. „Nope, das war alles."
Als sie sich gemeinsam auf das gemütliche Sofa gesetzt hatten, stellte Lily eine Frage: „Meinst du, jetzt wird vieles anders werden?"
„Inwiefern meinst du das?", erwiderte er und spielte mit einer ihrer Haarsträhnen. „Naja, in weniger als einer Woche gehen unsere Ausbildungen los. Wir werden nicht mehr viel Zeit für einander haben. Und dann noch die Sache mit dem Orden…"
„Hey, selbst wenn wir nur fünf Minuten Zeit am Tag zusammen hätten, wäre mir das noch recht, Hauptsache ich darf dir einen Kuss geben. Es kommt nicht darauf an, wie viel Zeit wir miteinander verbringen, sondern wie. Wir könnten auch zwölf Stunden einfach nur nebeneinander sitzen und nichts tun oder uns zwei Minuten unterhalten. Was wäre dir wohl lieber?"
Lily seufzte grummelnd. „Warum musst du auch immer so gute Antworten parat haben", murmelte sie gegen seine Halsbeuge und James lachte leise. „Hast du schon vergessen, dass ich perfekt bin?"
„In deinen Träumen, Potter!", rief sie und schlug ihm mit der flachen Hand gegen die Brust. „Da kommst nur du drin vor", antwortete er und hob langsam seine Augenbrauen an. „Du bist ein Idiot, James!"
Sie stöhnte frustriert auf. „Ich weiß gar nicht, wieso ich dich geheiratet habe!" James grinste und zog Lily an sich. „Weil ich unwiderstehlich bin", raunte er ihr ins Ohr und küsste dann die empfindliche Haut an ihrem Hals. „Lass das", sagte sie mit etwas Nachdruck. „Warum denn?"
„Weil ich es sag-sage", erwiderte Lily und musste im Satz schwer schlucken. James´ Lachen vibrierte durch seinen ganzen Körper und er wollte seine Hand gerade an ihrem Rücken entlangstreichen lassen, als es an der Tür klingelte. „Wer kann das sein?", fragte Lily überrascht und sprang auf, wobei sie sich so schnell von James entfernte, dass er den Halt verlor und mit dem Gesicht voran in die Polsterung fiel. „Autsch, Lily", murmelte er mit platter Nase und nahm sich die Brille ab, die tief in seine Haut gedrückt hatte. „Oh, ´tschuldige", sagte sie kichernd und ging in den Flur.
James folgte ihr grummelnd. „Guten Tag", erklang eine schwache Stimme, als Lily die Haustür geöffnet hatte. „Ich wohne nicht weit entfernt und habe gestern zufällig mitbekommen, dass sie hier eigezogen sind. Oh - James, mein Junge!"
James blickte an Lily vorbei und sah das Gesicht einer alten Dame, die schon mehr Falten im Gesicht als sie schlohweiße Strähnen auf dem Kopf hatte. „Miss Bagshot", erwiderte er überrascht. „Sie wohnen immer noch hier?" Die alte Dame lachte, auch wenn es sich wie ein krächzendes Husten anhörte. Vielleicht war es das ja auch. „Aber ja doch. Ich wohne seit über neunzig Jahren hier, so schnell verlasse ich dieses Dorf schon nicht."
„Kommen Sie rein!", sagte er schnell und schob die Tür ein Stück weiter auf. „Möchten Sie einen Tee?"
„Oh, lass doch diese Formalitäten, James. Ich kenne dich, seit du ein kleines Baby warst und noch mit den Windeln an Po im Garten herumgelaufen bist." Lily kicherte leise und Bathilda Bagshot wandte ihr nun das Gesicht zu. „Aber Sie kenne ich nicht", fügte sie hinzu.
„Oh, ich bin Lily. Lily Eva - Potter", verbesserte Lily sich schnell. „James´ Ehefrau."
„Nein!", sagte Bathilda erstaunt und ließ sich müde auf das Sofa nieder. „So jung und schon verheiratet? Aber was rede ich denn, ein hübscher, junger Mann wie du, der bleibt nicht lange alleine, nicht wahr?" James grinste schief.
„Wie lange seit ihr denn schon verheiratet?", fragte die alte Dame und legte ihren Mantel ab. „Erst einen Tag", antwortete Lily und ließ sich neben ihr nieder. „Dann meinen Glückwünsch", sagte Bathilda und tätschelte Lilys Arm. „Wissen Sie, ich wohne hier schon so lange, doch an James erinnere ich mich noch ganz genau. So ein aufgeweckter Junge", schwärmte Bathilda, während James selber in der Küche war und einen Tee aufkochte. „Er ist so viel herumgelaufen und seine Eltern hatten es ganz schön schwer, diesen kleinen Wirbelwind zu bändigen." Ein trauriges Lächeln legte sich auf ihre faltigen Lippen. „Aber dafür hat er ja jetzt Sie. Der Junge braucht einfach nur eine starke Frau an seiner Seite."
Lily lachte. „Nicht einmal ich kann ihn vollständig bändigen", sagte sie. „James´ Kopf ist dafür viel zu aufgeblasen und eigen."
„Du hast hübsch vergessen", sagte er und betrat das Wohnzimmer, ein Tablett in den Händen. Er stellte die drei Teetassen auf dem kleinen Tisch ab und setzte sich dann neben Lily. Bathilda lachte wieder ihr krächzendes Husten. „Natürlich, mein Junge. Wie geht es überhaupt deinem Freund, dem jungen Sirius? Ich habe ihn schon ewig nicht mehr gesehen."
„Sirius geht's gut, Bathilda", erwiderte Lily. „Auch wenn er gerade eine schwierige Phase durchmacht."
„Oh", antwortete die magische Historikerin. „Das ist natürlich nichts so schön zu hören." Ihr Lächeln erschlaffte etwas und sie nahm einen Schluck des Tees. „Aber erzählt dich, was macht ihr jetzt?" James trank seine Tasse beinahe zur Hälfte leer, ehe er antwortete. „Ich werde in ein paar Tagen beim Aurorenbüro anfangen und Lily wird eine Heilerin." Er hatte es versucht, doch den Stolz aus seiner Stimme, konnte er nicht verbannen. Bathilda war das natürlich ebenfalls aufgefallen.
„Das freut mich für dich! Du hast doch immer nur davon geredet, wenn du in den Sommerferien wieder zu Hause warst. Und Lily, meine Liebe, ich finde es wunderbar, was sie machen. Heiler ist ein äußerst kompetenter und schwer zu erlernender Beruf. Aber umso mehr zahlt es sich aus, wenn man ihn gemeistert hat." Lily strahlte. „Das weiß ich! Ich will den Menschen helfen und sie wieder auf die Beine bringen, wenn es nicht so gut läuft!"
Bathildas Falten strafften sich, als sie lächelte.
„Es freut mich, dass es immer noch junge Menschen wie sie gibt, die sich um das Wohl der anderen sorgen." Lilys Augen glänzten, als sie weiteredete. „Meine beste Freundin, Ellie Winters, wird ebenfalls mit mir zusammen Heilerin werden. Ich freue mich schon sehr darauf, mit ihr so viel Zeit verbringen zu können."
Bathilda lachte leise. „Aber vergiss deinen Ehemann nicht dabei, Kind."
„James wird es schon überleben", lachte sie und warf ihm dabei einen kecken Blick zu. „Außerdem hatte ich ihn jetzt schon so lange an der Backe, ein paar freie Tage werden mir dabei sicherlich gut tun."
Bathilda lächelte wieder, als sie sah, wie sehr sich die beiden verstanden und offensichtlich liebten. „Es ist schön", sagte sie und erhob sich. „Dass ich dich wiedersehen konnte, James."
James stand ebenfalls auf. „Willst du schon gehen, Bathilda?"
„Oh, ja, meine Hüfte fängt wieder an zu zwicken, ich muss mich etwas ausruhen", sagte sie und legte eine ihrer runzligen Hände an seine Wange. „Aber wir sehen uns ja jetzt sicher wieder öfter." Sie lächelte, dann wandte sie sich um. James und Lily begleiteten die alte Dame in den Flur, wo sie sich Hut und Mantel überzog und dann an die Luft trat. „Auf Wiedersehen", sagte Lily mit einem breiten Lächeln und winkte der alten Dame noch.
„Sie ist nett", fügte sie dann an James hinzu, als Bathilda um die Ecke getreten war. „Und alt", sagte James. „Sie sieht noch älter als in meiner Erinnung aus."
„Natürlich", erwiderte Lily und schloss die Tür. „Du hast doch gehört, wie lange sie hier schon wohnt. Sie muss schon mindestens hundert sein! Immerhin kam die erste Aufgabe von Geschichte der Zauberei bereits Ende des letzten Jahrhunderts raus." Lily sah aus, als wäre es eine Frechheit, dass James das genaue Datum nicht kannte. „Und ich habe gehört, dass sie eine Verwandte von Gellert Grindelwald ist!"
James zuckte mit den Schultern. „Na und. Sie ist auch nur eine alte, nette Dame."
„Ja, und deswegen werde ich sie am Wochenende zum Essen einladen. Sie ist sehr nett und außerdem - ", fügte Lily grinsend hinzu. „ - außerdem kann sie mir sicher peinliche Geschichten über dich erzählen."
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