34. Regenschauer

Schonungslos prasselte der Regen gegen die Scheibe, als würden hunderte Finger im Sekundentakt gegen das Fenster klopfen und versuchen, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die Sonne hatte sich hinter dicken, grauen Wolken verzogen und die goldene Armbanduhr auf dem Nachttisch zeigte bereits Nachmittag an. Schwach begann sich Lily zu regen und öffnete blinzelnd ihre Augen. Ihr Blick blieb sofort an der schlafenden Gestalt neben ihr hängen. Das schwarze Haar schien noch zerzauster zu sein, als sie es in Erinnerung hatte und der Atem ihres Freundes ging in regelmäßigen Abschnitten. Ihres Ehemannes, korrigierte Lily sich selber und musste lächeln. Sie zog den samtenen Stoff der Decke noch etwas höher an ihr Kinn und blickte James einfach nur weiterhin an.

Die Hochzeit lag ihr noch in den Knochen und wenn sie aufstehen würde, dann würde sie bestimmt Muskelkater vom vielen Tanzen und Lachen haben. Deswegen erschien ihr liegenzubleiben als die beste Alternative. Die Zeit, bis ihr Mann aufwachen würde, nutzte sie, um sich im Zimmer etwas umzusehen. Sie hatte am Vorabend dazu wahrlich keine Zeit gehabt, denn sie und James hatten ihr Ehebett eingeweiht. Und trotz des starken Bandes, welches die beiden nun hatten - Lily konnte wirklich sagen, sie kannte jeden Teil von seinem Körper - fühlte sie sich immer noch unangenehm, so ganz nackt. Vielleicht war sie letztendlich doch ein bisschen wie Großmutter Marigold und würde mit dem Alter immer prüder werden.

„Guten Morgen, Schönheit", murmelte da jemand neben ihr und Lily grinste. Ihr Ehemann sah sie aus verschlafenen Augen an und seine Lippen waren ebenfalls zu seinem schiefen Lächeln verzogen.

„Hallo", erwiderte sie einfach nur und strich ihm ein paar Fransen aus der Stirn. „Willst du aufstehen?", fragte er und Lily schüttelte sogleich den Kopf. „Eigentlich nicht."

„Gut." James grinste und richtete sich etwas auf, sodass die Decke von seinem Oberkörper rutschte. „Ich nämlich auch nicht." Er wandte Lily den Rücken zu und tastete auf dem Nachtschrank nach Brille und Zauberstab. „Nichtsdestotrotz habe ich Hunger", sagte er mit Unterstützung eines Magenknurrens.

James schwang den Stab einmal in der Luft und im nächsten Moment flog die Schlafzimmertür auf und ein Tablett mit Waffeln, Toast, Ei und Kaffee flog herein. „Wo hast du das denn her?", fragte sie verwundert und richtete sich ebenfalls auf, hielt die Decke aber feste an ihre Brust gedrückt. „Meinst du, ich bereite ein Haus für meine Frau vor und denke dann nicht einmal an Essen?", lachte er und reichte ihr eine Tasse voll mit warmem Kaffee. „Ich habe natürlich vorgesorgt."

Lily zog eine Augenbraue nach oben. „Ach wirklich?" James nahm einen Schluck und nickte. „Ja. Und  diese Vorsorge trägt den Namen Remus Lupin und hat es bei sich vorbereitet", fügte er grinsend hinzu. Sie schüttelte lachend den Kopf. „Wusste ich es doch!"

Gemeinsam genossen die Potters ihr erstes Frühstück als Ehepaar. Es war schön und warm, auch wenn der Regen mahnend gegen ihre Scheiben prasselte. Lily wickelte sich, je länger sie einfach nur im Bett saß, immer mehr in die weiche Decke ein und lehnte mit dem Rücken gegen James. Ihr Kopf lag dabei auf seiner Schulter und sie hatte die Augen wieder geschlossen.

Nicht einmal ein Jahr waren sie zusammen, dachte sie, und waren schon verheiratet. Lily kam es unwirklich vor, dass sie James jemals nicht ausstehen konnte. Er war die Person, die ihr am meisten Sicherheit und Liebe geben konnte. Er war der Mann, der sie zu jeder Zeit glücklich machen konnte, und mehr brauchte sie in diesen Zeiten gar nicht. James war ihre Familie.

„Willst du jetzt aufstehen?", fragte er leise und sie konnte die Vibration seiner Stimme spüren. „Eigentlich immer noch nicht", murmelte sie und schielte auf die Uhr. „Aber um nicht den ganzen Tag nur im Bett zu liegen, sollten wir das wohl oder übel tun. Außerdem wollte ich Ellie noch schreiben."

„Ich glaube, dass kannst du erstmal vergessen", sagte er lachend und deutete auf das Fenster. Ein nasser Vogel saß auf dem Fensterbrett und blickte sie mit vorwurfsvollen Augen an. Lily wollte schon aufspringen und die arme Eule reinlassen, doch James hatte die Scheiben mit einem Wink seines Zauberstabes auffliegen lassen. Wasserspritzend hüpfte die Eule ins Zimmer und begann dann über ihren Köpfen zu kreisen, während der wohlige Duft von Sommerregen hereinwehte. Lily streckte ihren Arm aus und der feuchte Vogel machte es sich auf ihre Hand bequem, wo er sich erst einmal die Flügel ausschüttelte. „Der kann nur von Ellie sein", sagte James leise lachend und strich der Eule über den Kopf. „Wer sonst würde einer so kleinen Eule so einen großen Brief geben?" Er deutete auf den vollkommen aufgeweichten Pergamentumschlag, der jetzt auf seinem Kopfkissen lag. Lily rieb die Eule mit ihrer Decke trocken und setzte sie dann auf das Bettgestell, bevor sie sich den Brief schnappte.

James trocknete ihn ungefragt und sie holte Ellies Schreiben hervor.

 
Sehr geehrte Mrs. Potter,

es gibt Zeiten im Leben eines Menschen, da muss man die alten Dinge hinter sich lassen und etwas Neues beginnen. Das darfst du gerne mit deinem Ehemann machen, doch wehe dir, wenn du, nur weil du jetzt verheiratet bist, mich auch nur in irgendeiner Form vergessen solltest! Beste Freundinnen fürs Leben, das hast du in der Dritten gesagt! Ich hab es mitgeschrieben, um es dir zu zeigen, falls notwendig!

Wie lebt es sich so als Ehefrau? Wie sieht dein Haus aus? Ist es schön? Oh, was rede ich da. Du wirst bestimmt noch im Bett sitzen, so wie ich. Es war eine tolle Party gestern und eine wunderschöne Trauung, auch wenn mir irgendjemand zum Ende hin ein Glas Butterbier übers Kleid gekippt hat. Es riecht und liegt neben mir und eigentlich will ich es wegbringen, aber dazu müsste ich aufstehen. Also ertrage ich es, wie ich eine Frau sowas tut - ich rufe Dad.

Remus hat mir geschrieben und gesagt, er und Sirius hätten dein Haus - also, dass deiner Eltern eher gesagt - schon verlassen und alles ordentlich hinterlassen. Das war wohl nicht ganz Sirius´ Verdienst, vermute ich.

Hm, eigentlich habe ich nichts mehr zu erzählen. Kannst du das glauben? Ich, und nichts zu erzählen. Dabei hat mir Professor McGonagall einmal den Schweigezauber aufgelegt, als ich beinahe zwei Stunden lang ein Referat gehalten habe und es ihr zu viel wurde. Aber ich war an dem Tag auch aufgeregt. Und dann hatte ich noch diesen dicken Pickel auf der Stirn, den ich mit etwas Puder überdeckt hatte, in der Hoffnung es würde niemand bemerken. Ich weiß noch, ich hab ständig versucht, mich selber in der Reflexion des Pultes zu sehen, um etwas zu erkennen, aber irgendjemand hatte in das ganze Holz geritzt. Meinst du, McGonagall war das, jedes Mal, wenn sie sauer war? Das würde erklären, warum einige Kerben mehrere Millimeter dick waren.

Oh, siehst du, schon habe ich wieder was erzählt. Ich gehe dir bestimmt auf die Nerven, so als frischgebackene Ehefrau und so weiter, aber das ist nun mal die Aufgabe einer besten Freundin. Neben den anderen, die ich natürlich auf einwandfrei erledige.

Achso! Jetzt fällt mir wieder ein, dass ich dir noch sagen wollte, dass ich deine Eltern gestern Nacht noch zurück zu Petunia gebracht habe. Sie wollten abwarten, wie das Wetter so wird, denn sie haben wohl schon einen Abschleppdienst bestellt. Der Wagen müsste eigentlich schon fertig sein. Vielleicht sind sie ja schon auf dem Weg nach Hause, wer weiß.

Also dann, bevor ich dir noch weiter die Ohren vollbrabble - erinnerst du dich an Anfang der sechsten Klasse, als ich James heimlich den Brabbeltrank in den Kürbissaft gekippt habe? Das war lustig. Den ganzen Tag lang hat er nur unsinniges Zeug geredet. Du hast stundenlang darüber im Schlafsaal gelacht und wegen dir sind wir am nächsten Tag zu spät zu Verwandlung gekommen, weil du uns die Nacht wach gehalten hattest. Aber das war es  wert gewesen, glaube ich.

Jetzt habe ich es schon wieder getan. Anekdotenfrei verabschiede ich mich fürs Erste.

In Liebe,

Ellie.

 
Lily lächelte und legte den Brief beiseite. „Das war Ellie?", fragte James empört und starrte sie an. „Ich hab Peter deswegen im Schlaf die Augenbrauen violett gehext, weil ich dachte, er war das!" Lily prustete laut. „Ich hab mich schon gefragt, wer von euch ihm das angetan hat", kicherte sie und legte Ellies Brief auf den Nachttisch. „Ich war immer der festen Überzeugung, dass Sirius das war", fügte sie hinzu und winkelte die Beine an.

James blickte immer noch empört drein. „Ich muss mich wohl an ihr rächen", sagte er dann und stand auf. Dabei hatte er wohl vergessen, dass er noch immer nichts an hatte und präsentierte Lily nun seinen nackten Po.

Diese fing an zu lachen, doch James grinste sie nur an. „Vor dir habe ich jetzt keine Scham mehr", sagte er. Lily war so mit dem Lachen beschäftigt, dass sie nicht mehr sah, wie er immer noch vollkommen nackt an ihr vorbei ging und dann ins angrenzende Badezimmer verschwand. Eine Minute später konnte sie das Rauschen einer Dusche hören.

Sie nutzte die Zeit, in der ihr Ehemann nicht im Zimmer war und sammelte ihre unachtsam auf den Boden geworfenen Kleider auf. Ihr Hochzeitskleid war ganz zerknittert und James´ Anzug sah auch nicht besser aus. Doch darum würde sie sich später kümmern. Sie ließ die Decke von ihren Schultern gleiten und trat dann lautlos ins Badezimmer. Sie ließ einen kurzen Blick umherschweifen.

Neben der schönen, marmornen Dusche mit Milchglasfenstern, gab es noch eine runde Badewanne mit kleinen Ablageflächen, die vor einem Erkerfenster stand, vor dem samtene, weinrote Vorhänge hingen. Die Wandfließen waren aus einer Mischung aus weißen Kacheln und grünen Mosaikplättchen. Lily ignorierte jedoch das meiste und stieg zu ihrem Mann in die Dusche, der sie überrascht aber sicherlich erfreut anblickte.

„Wasser kann man auf viele Arten sparen, Mr. Potter", sagte sie keck und griff um ihn herum nach dem Duschkopf. Eine Ladung Wasser landete in seinem Gesicht und die schwarzen Strähnen fielen ihm über die Augen. Lily musste sagen, sie hatte seine Haare noch nie so ordentlich gesehen, wie gerade.

„Man kann auch Wasser sparen, wenn man den Duschhahn ausstellt, wenn anderweitig beschäftigt ist", raunte er und nahm ihr ihn aus der Hand. Einen Moment später war es wieder ruhig, lediglich die Tropfen von ihren Körpern machten Geräusche. „Und womit kann man sich anderweitig beschäftigten", fragte Lily mit erhitzten Wangen.

„Wie wäre es hiermit", hauchte er, nahm ihr Gesicht in seine Hände und küsste sie.

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