24. Der schönste Klang


James wusste gar nicht mehr wirklich, was genau sie alles während dieser sieben Tage getan hatten – und vor allem wo. Nachdem sie am ersten Tag Lin getroffen hatten, hatte James Sirius eigentlich verboten erneut so viel zu trinken, doch irgendwie waren sie beiden dann am nächsten Tag so sturzbetrunken gewesen, dass sie gemeinsam in einem Busch eingeschlafen waren, während das Konzert der Schicksalsschwestern noch immer in vollem Gange war. Und auch die restlichen Tage vernebelte der Alkohol James' Erinnerungsvermögen so stark, dass die einzigen Eindrücke, die er noch wusste waren, dass es sehr laut, sehr warm und vor allem sehr geil war. Sirius hatte ihn dann doch noch dazu bewegen können, sich auf die Tanzfläche zu bewegen und als er erstmal richtig dabei war (und der Alkohol sein Schamgefühl vernebelt hatte), hatte es sogar richtig Spaß gemacht.

Am letzten Tag hatte James sich vorgenommen gehabt, nichts zu trinken und das hatte auch ziemlich gut funktioniert, bis Sirius ihm ein Butterbier gebracht hatte, welches zur Hälfe mit Feuerwhisky ausgetauscht war. Danach konnte er sich nicht mehr wirklich an alles erinnern. Er wusste nur noch, dass er am nächsten Morgen mit einem schrecklichen Kater aufgewacht war und sein Kopf sich so anfühlte, als wolle er explodieren. „Uuuhg."

Stöhnend richtete sich James auf der harten Matratze auf und schloss sogleich wieder die Augen, als ein stechender Schmerz, gefolgt von Schwindelgefühl, seinen Körper heimsuchte. Durch seine geschlossenen Lider konnte er die helle Mittagssonne sehen, die durch das Glas der Fenster herein schien. Ein grunzendes Geräusch erklang und er öffnete langsam die Augen – und wäre beinahe vom Bett gefallen. In dem gegenüberliegenden Bett, in dem Sirius schlief, lag nicht nur sein bester Freund. Lin war auch da, und so, wie sie die Decke an ihr Kinn gezogen hatte, vermutete James, dass sie nicht besonders viel anhatte.

„Oh, Merlin", murmelte er leise und ließ seinen Kopf nach hinten fallen. „Lily bringt mich um, wenn sie das erfährt." Er legte eine Hand auf seine pochende Stirn und blickte noch einmal auf das Bett, in der Hoffnung, sich vielleicht verguckt zu haben. Nein, sie war immer noch da.

Stöhnend rieb er sich über die Augen und ließ dann seine Hand schlaff neben sich fallen. Er wusste, er hätte Sirius nicht alleine lassen sollen – oder hatte er das gar nicht? Er konnte sich irgendwie nicht daran erinnern. „Auch egal, ich muss – das unterbrechen", sagte er leise zu sich selbst und schwang langsam seine Beine aus dem Bett. Noch während er aufstand schweiften seine Gedanken zu Marlene und sein Herz verzog sich krampfhaft. „Ugh, Sirius, du Idiot."

Er legte eine Hand an Lins Schulter und rüttelte sachte an ihr. „Wach auf", raunte er mit heiserer Stimme und räusperte sich kurz. „Lin, wach auf!"

„Noch fünf Minuten, Mum", murmelte sie und zog sich die Decke über den Kopf. James seufzte leise. „Nein, ich lasse dir weder fünf Minuten, noch bin ich deine Mum, Linnea." Er konnte hören, wie sie schreckhaft die Augen aufriss.

„Oh-oh", sagte sie leise. James verschränkte die Arme und baute sich zu voller Größe auf. „Ja. Oh-oh." Lin drehte sich zaghaft um, klemmte sich die Decke dabei immer noch unters Kinn und sah James dann mit zusammengepressten Lippen an. „Äh. Morgen?"

James schüttelte den Kopf. „Wirklich Lin? Du kannst jeden Typen nehmen, aber ausgerechnet ihn?", fragte James und deutete dabei auf Sirius. „Vor noch nicht einmal einem Monat hat Marlene sich von ihm getrennt."

„Ich kann nichts dafür!", sagte sie und erhob sich etwas. „Ich - "

„Was? Bist du aus Versehen mit ihm ins Bett gegangen?" Lin biss sich auf die Lippe. „Nein", erwiderte sie kleinlaut. „Und ich gehe auch davon aus, dass du nicht unter einem Imperius oder Einfluss eines Liebestrankes stehst, richtig?" Sie nickte stumm. „Also kannst du doch was dafür", sagte James leise und seufzte erneut.

„Tut mir Leid, es ist – einfach passiert. Ich hab es nicht geplant, oder so!" James schüttelte schwach den Kopf. „Schon gut. Hau am besten ab, bevor er aufwacht, dann kann ich ihm sagen, dass das nur ein Traum war. Und kein Wort darüber zu Lily, verstanden? Wenn sie das erfährt, bin ich ein toter Mann."

Linnea nickte hastig und sammelte dann, die Decke immer noch um ihren Körper geschlungen, ihre Klamotten ein, die auf dem Boden lagen. Sie verschwand für eine Minute im Badezimmer, dann kam sie angezogen wieder heraus, das Gesicht immer noch hochrot und warf dann die Decke über den nackten Sirius, bevor sie so schnell wie möglich das Zimmer verließ. James seufzte erneut, nahm dann eines seiner Kissen und warf es seinem besten Freund an den Kopf. „Aufstehen, Tatze, wir sind hier fertig."

Zwei Stunden, viele Nerven und ein kaputtes Fenster später, waren James und Sirius soweit wieder in ihr Apartment zu apparieren. Sie hatten den Restalkohol soweit aus ihren Körpern verschwinden lassen, dass sie sicher reisen konnten, ohne bei einer alten Dame im Garten zu landen. Wie James erwartet hatte, wusste Sirius so gut wie gar nichts mehr von der letzten Nacht und das war ihm auch nur recht. Er hatte wirklich keine Lust auf noch mehr Beziehungsdramen, nicht jetzt.

Am Abend benutzte er das Mal das Telefon, welches er mit Remus zusammen gekauft hatte. Dass ein leichtes Piepen am Ende der Leitung ertönte, nahm er einfach mal als ein gutes Zeichen auf.

„Evans, hallo?" James erschrak, als eine Stimme im Hörer ertönte. „Äh, hallo? Hallo, können sie mich hören?"

„James?", fragte Lily überrascht. „Lily, bist du das?!", schrie er in den Hörer. „Ja, au, ich bin's, du musst nicht schreien!"

„Oh, tut mir leid." Er hörte Lily lachen. „Kein Problem. Wie kommt es, dass du mich anrufst?"

„Remus hat mir erklärt, dass man mit einem Telefon viel schneller und besser miteinander reden kann als mit Briefen. Also habe ich mir eins besorgt und – jah." Lily kicherte leise. „Warum lachst du?"

„Ach, nur so. Ich finde es nur so lustig, dass du mit Muggeltechnik umgehst." James verdrehte die Augen. „Nur weil ich en Reinblut bin, heißt das nicht, dass ich sowas nicht auch cool finden kann." Lily musste sich eine Hand vor den Mund gehalten haben, denn er konnte sie zwar noch lachen hören, doch es klang gedämpfter. „Und jetzt hör auf zu lachen, Lily!"

„Tut mir Leid, tut mir leid. Also, was gibt's?" James fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Ich wollte mit dir reden", murmelte er. „Sirius ist grad ausgegangen und – naja."

„Okay. Worüber willst du denn reden?", fragte sie. „Weiß ich nicht, ich dachte, du weißt was." Lily seufzte. „Na gut. Dann erzähl doch mal, wie eure Woche war." Das Bild von Lin und Sirius in einem Bett blitzte wieder kurzzeitig vor seinem Auge auf und er schüttelte hastig den Kopf, während er sich auf einem der Küchenstühle niederließ. „In Ordnung, denke ich."

„Aha. Noch was?"

James kratzte sich am Kinn. „Ich weiß nicht, es war ganz cool. Was hast du denn gemacht?"

„Oh, ich – ich habe Petunia besucht", antwortete Lily mit recht eisiger Stimme. „Und es ist nicht so gut gelaufen, vermute ich", sagte James vorsichtig und Lily schnaubte. „Das kannst du laut sagen. Sie wollte mich schon gar nicht in ihr Haus lassen, wäre Mum nicht dabei gewesen.

Und dann hat sie mit allem, mit wirklich allem, angegeben, was sie und Vernon denn so tolles haben. 'Oh, ich habe hier eine ganz tolle Küchenmaschine, ja, die haben wir uns erst letztens gekauft.' 'Oh, vorsichtig, Lily, der Teppich ist teurer als all deine Kleidung zusammen!', 'Wartet nur bis ihr den Garten seht! Sowas schönes findet man nur hier in Little Winging.'

Ah, ich hätte sie am liebsten verhext! Seit sie und das Walross geheiratet haben, hält sie sich für noch besser als vorher! Du hättest sie hören müssen, es war grauenvoll. Sie hat sogar Mum runtergemacht."

„Tut mir Leid", murmelte James. „Ich hätte wohl nicht fragen sollen." Lily seufzte leise und er hörte, wie sie sich setzte. „Schon gut. Es war ja nur ein Tag, die anderen war ich entweder zu Hause oder mit Ellie und Marlene unterwegs. Gestern haben wir auch was mit Cassy unternommen."

„Wirklich? Wie geht's ihr denn?", fragte er und er hörte Lily wieder seufzen. „Sie sagt, es geht ihr gut, aber das tut es nicht. Das sieht man ihr an. Sie vermisst ihn." James biss sich auf die Lippe und versuchte Regulus aus seinen Gedanken zu verbannen. „Oh, und Lin hat mir heute geschrieben!" James' Herz sank ihm in die Hose. „A-Ach, echt?", fragte er und räusperte sich. „Was hat sie denn geschrieben?"

„Sie sagt, sie hat dich und Sirius bei einem der Konzerte gesehen und dass sie es kaum abwarten kann, endlich wieder aus dem Haus rauszukommen. Sie hat gefragt, wann die Hochzeit ist, damit sie wieder zu mir kommen kann", fügte Lily lachend hinzu und James schluckte. „Richtig, die Hochzeit", murmelte er.

„Hast du was gesagt?", fragte Lily. „Hm? Oh nein, ich – doch, eigentlich schon. Ich wollte mit dir über die Hochzeit reden", erwiderte er und atmete tief ein. „Lass uns – lass uns Ende dieses Monats heiraten!"

„D-Diesen Monat? Aber das ist schon in zwei Wochen! James, dann haben wir keine Zeit, alles zu organisieren! Wir müssen Einladungen schreiben und ich brauche ein Kleid und die anderen brauchen auch Kleider und - "

„Lily, wir brauchen das alles nicht", unterbrach er sie hastig. „Lass uns kein großes Ding draus machen."

„James, du verstehst das nicht. Für dich ist es nichts Großes und ich wäre auch zufrieden mit was Einfachem, aber meine Mutter - "

„Oh. Richtig."

„Jah, meine Mum hat die ganze letzte Woche fast nur noch davon geredet. Ich konnte sie noch geradeso davon abhalten Großmutter Marigold anzurufen um es ihr unter die Nase zu reiben. Das hätte ein Theater gegeben, das sag ich dir. Sie hat ja sowieso nicht die beste Meinung von uns, aber dass – sie wäre wahrscheinlich ohnmächtig geworden." James lachte leise. „Ja, das kann ich mir gut vorstellen."

Einen Moment lang blieb es still, dann räusperte Lily sich leise. „Also... du meinst das ernst? Du willst Ende des Monats heiraten?"

„Natürlich. Wenn wir noch länger warten, dann – naja, dann haben wir vielleicht zu lange gewartet. Lass uns einfach heiraten und uns zusammen etwas aufbauen. Eine eigene Familie, fernab von unseren verrückten Verwandten."

„Du hast doch gar keine verrückten Verwandten", sagte Lily, doch James schüttelte nur den Kopf. „Oh doch, kleine Lily, die hab ich auch. Großtante Margaret war zwar früher eine echte Partylöwin, aber mittlerweile ist sie nur noch eine senile, alte Dame, die mit ihren Hausschuhen redet."

Lily schnaubte. „Echt jetzt?"

„Ja, leider. Aber sie damit auch die letzte, lebende Verwandte, die ich noch habe." James blickte auf die Telefonschnur, die er mit der anderen Hand aufgewickelt hatte. „Ich habe sonst keine Familie mehr."

„James, ich... okay. Lass uns heiraten." Sein Lächeln wurde ein Stück breiter. „Das werden wir."

„Hm, Mrs. Potter. Hat einen netten Klang, nicht wahr? Mrs. Lily Potter." James grinste. „Der schönste Klang, den ich je gehört habe. Ich liebe dich, Lily."

„Ich liebe dich auch, James."

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