23. Echo

Die dröhnende Musik, die lauten Stimmen und die charakteristischen Stände voll mit Alkohol waren bisher die einzigen Eindrücke, die James vom Festival der Schicksalsschwestern hatte, aber trotzdem waren selbst diese wenigen Stunden schon eine tolle Zeit gewesen. Lange Zeit war er sich unsicher gewesen, ob er nun wirklich zusammen mit Sirius dorthin gehen sollte, denn besonders nach dem Todesserangriff auf die Quidditchmeisterschaft war die Lage mehr als angespannt gewesen. Selbst die wenigen Todesser, die die Auroren gefangen nehmen konnten, waren wieder entkommen oder wurden von ihren Kollegen befreit, was James ein mulmiges Gefühl bereitete. Wenn es für sie so ein leichtes war, aus der Gefangenschaft zu entkommen, hatten sie dann überhaupt eine Chance gegen sie?

Von Voldemort hingegen hatte man seit dem Angriff nichts mehr gehört. Er war wieder einmal komplett von der Bildfläche verschwunden und auch das bereitete James ziemliche Panik. Es schien, als würde die gesamte Zaubererwelt versuchen Rauch zu fangen – mit bloßer Hand.

Lily hatte ihn überredet, dass er mit Sirius seinen Spaß haben sollte. Er hatte gedacht, nach dem Überfall würde sie nun ängstlicher sein und gar nicht mehr wollen, dass einer von ihnen das Haus verlassen würde, doch da hatte er seine Verlobte falsch eingeschätzt. Lily war mutiger, als sie zugeben wollte. Trotzdem hatte James vor seiner Abreise Ellie und Marlene geschrieben und sie gebeten, dass sie Lily doch Gesellschaft leisten sollte. Er wollte nicht, dass sie sich unnötig Sorgen machte und zwei Freundinnen würden ihr dabei sicherlich helfen.

Wie Professor Dumbledore ihm gesagt hatte, hatte er niemanden, nicht einmal Sirius, erzählt, dass er Regulus gefunden hatte. Er wusste nicht, wie sein bester Freund reagieren würde, wenn er das erfahren würde. Sirius hatte in letzter Zeit genug durchgemacht, er wollte ihm nicht noch mehr aufhalsen.

Und obwohl die ersten Stunden auf diesem verdeckten Platz so schienen, als würden sie zäh vergingen, fand sich James auf einmal umgeben von kreischenden Fans auf der Tanzfläche wieder – obwohl der ganze Platz eine einzige Tanzfläche zu sein schien. Auf der großen Bühne, die vor ihnen aufgebaut war, war von den Schicksalsschwestern noch nichts zu sehen, stattdessen spielte irgendeine Band, dessen Name er sich nicht gemerkt hatte, zuerst und schon jetzt waren die meisten komplett am ausrasten. Und betrunken.

Sirius, der schon bei seinem dritten Glas mit einer Mischung aus Feuerwhisky und Butterbier war, tanzte mit irgendeinem Mädchen, welcher er vor der Schlange des Klos getroffen hatte und James umklammerte ein einfache Butterbierfalsche mit seinen Händen. Er hatte es sich etwas anders vorgestellt. Vielleicht war er auch einfach kein Festivalmensch, überlegte er, als die jetzige Band sich unter lautem Applaus verabschiedete.

Die wenigen Tage, die er nach dem Anschlag noch gehabt hatte, waren stressig gewesen und eigentlich sollte er froh sein, dass er nun für eine Woche abschalten konnte. Aber seine Gedanken wanderten einfach immer wieder zurück zur Quidditchmeisterschaft und zu Lily und der Hochzeit. Er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen, deswegen bekam er auch gar nicht mit, wie die Band, wegen der alle hier waren, auf die Bühne traten. Sirius hatte ihm nicht viel über die Schicksalsschwestern erzählt, er wusste nur, dass es eigentlich keine Schwester und dass es auch nicht nur Frauen waren. Die Band bestand aus fünf Mitgliedern; einer dunkelhaarigen Sängerin, die ein magisches Mikrofon über ihrem Kopf hielt, einem Gitarristin mit komplett kahlem Kopf, einer jungen, schwarzhaarigen Frau an einem Schlagzeug und zwei weiteren Frauen, eine an einer anderen Gitarre, die andere ebenso mit einem Mikrofon bewaffnet.

„Danke, dass ihr alle hier seid!", schrie die dunkelhaarige Frau ins Mikro und die Menge begann zu schreien. „Es ist uns eine Ehre heute und auch die nächsten Tage für euch spielen zu dürfen und hoffentlich werden euch unsere paar Lieder nicht gleich zu langweilig!" Einige lachten laut, während die Dunkelhaarige sich nur umdrehte und der Schlagzeugerin ein Zeichen gab, woraufhin diese anfing zu spielen.

James mochte ihre Musik, auch wenn er nicht so darauf abging, wie die anderen Leute, die sich die Luft aus den Körpern tanzten. Irgendwie, fand James, reizte es ihn nicht wirklich, alleine ohne Lily zu tanzen. Jedenfalls hatte er sich nach dem dritten Lied aus der tosenden Menge gequetscht, hatte die Toiletten aufgesucht und hatte sich dann an einem etwas leereren Platz gestellt, wo er den Klängen der Lieder einfach nur lauschte. Er hatte Sirius schon komplett aus den Augen verloren und er fragte sich, ob er ihn überhaupt an diesem Abend noch zu Gesicht bekommen würde, als ebendieser sich aus der Menge tränkte und leicht schwankend vor James zu stehen kam.

„Yo, Krone, alte Socke", lallte er und legte einen Arm um James' Schulter. Er konnte den starken und leicht penetranten Geruch von Alkohol wahrnehmen, der seinen besten Freund wie eine Wolke umhüllte. „Weißt du schon – hicks – weißt du schon das neueste?", fragte er leise.

„Nein, aber ich bin ganz Ohr", grinste James, der wusste, alles was Sirius jetzt sagen würde, würde entweder vollkommen an den Haaren herbeigezogen sein oder etwas sein, was er schon längst wusste.

„Wusstest du, dass James Potter und Lily Evans verlobt sind?", flüsterte der leicht betrunkene Sirius und James musste sich das Lachen verkneifen. Dieses Mal war es eindeutig letzteres gewesen. „Nein?", spielte James mit, doch Sirius nickte nur eifrig mit dem Kopf. „Ja, ja, das hat mir ihre Cousine erzählt."

„Du meinst Lin?" Sirius leerte das Glas, welches er dabei hatte und stellte es dann auf einem Tisch ab. „Ja, genau. Lin-ee-ah." Er fing an zu kichern und James verdrehte die Augen. „Ich glaube du hattest für heute genug, Tatze. Lass uns gehen."

„Nein, aber du hast doch Lin-ee-ah noch gar nicht gesehen!", protestierte Sirius und schob James' Arm von seiner Schulter. „Ich muss sie dir noch zeigen!"

James seufzte leise. „Sirius, sie kann gar nicht hier sein, sie ist vor drei Tagen wieder zurück nach Hause gefahren." Doch Sirius schien ihn zu überhören. „Los, komm mit. Ich zeig dir jetzt – hicks – ich zeig dir jetzt Lin-ee-ah." Je näher er James wieder an die kreischende und tanzende Menge zerrte, desto mehr begannen seine Ohren wieder unangenehm zu klingeln. Die Proteste der anderen ignorierend, führte Sirius James bis an die Bühne heran, wo die Musik am lautesten und durchdringendsten war. Von irgendwoher hatte sich Sirius wieder einen Drink geschnappt, den er nun wieder genüsslich austrank, während er langsam im Takt der Musik herumschwankte. James seufzte leise und blickte sich um – und wäre vor Schreck beinahe umgefallen. Er hatte es vom weiten nicht erkannt, aber Sirius hatte tatsächlich recht gehabt. Die schwarzhaarige Schlagzeugerin auf der Bühne, die gerade wie wild mit den beiden Holzstäben auf die verschiedenen Trommeln und Becken hämmerte, war Linnea!

James fiel beinahe die Kinnlade auf den Boden. „Du hattest Recht", sagte er erstaunt zu Sirius – eher gesagt, schrie er ihn an. „Aber... was macht sie hier?", fragte er sich selber. Die Augen konnte er nicht von der Bühne nehmen. Er wartete nur darauf, dass sie aufblickte und seinen Blick kreuzte, doch Lin war zu sehr damit beschäftigt, ihr Schlagzeug zu malträtieren.

Erst sehr spät in der Nacht, der Morgen war nicht mehr weit entfernt, hörten die Schicksalsschwestern auf zu spielen. Die tanzende Menge hatte sich auf ein Minimum reduziert und auch wenn James am liebsten schon vor Stunden ins Bett gegangen wäre, hatte er neben der Bühne ausgeharrt und darauf gewartet, dass er Lin abfangen konnte. Sirius war nach drei Stunden eingeschlafen – auch wenn James sich fragte, wie er bei dieser Lautstärke überhaupt schlafen konnte – und saß nun, den Rücken gegen die Bühne gelehnt, auf dem Boden und schnarchte leise vor sich hin. Das ein oder andere Mal waren James die Augen auch zugefallen und er war kurz in Wachträume verfallen – er nahm an, dass es welche waren, denn er bezweifelte stark, dass Professor McGonagall die Person war, die auf einem Thestral durch die Luft fliegen würde, während sie die Lieder der Schicksalsschwestern nachsang – doch immer wieder hatte ihn ein lauter Bass, das Scheppern des Schlagzeugs oder auch das unappetitliche Würgern eines der Partyleute aufgeweckt.

„Dankeschön!", schrie die Sängerin heiser in ihr Mikrofon und grinste von einem Ohr zum anderen. „Wir sehen uns in ein paar Stunden in Glenfield wieder!

„Lin! Hey – Hey, Lin!", rief er über die restlichen, kreischenden Fans hinweg und wie durch ein Wunder schien sie ihn gehört zu haben. Ihre Augen trafen sich für einen Moment und er konnte die Überraschung und die Erkenntnis dahinter erkennen.

Dann wandte sie den Blick wieder ab und verbeugte sich mit ihren Bandkollegen für die Fans. Unter tosendem Applaus gingen die Schicksalsschwestern einer nach dem anderen von der Bühne und James befürchtete schon beinahe, dass Lin ihn absichtlich ignorieren würde, doch keine zwei Minuten später tauchte sie neben ihm auf, während er versuchte Sirius aufzuwecken.

„Was machst du denn hier?", fragten sie gleichzeitig und grinsten dann. „Ich arbeite hier", sagte Lin stolz und strich sich die schweißnassen Haare aus der Stirn. „Ich hatte doch gesagt, ich mache im Sommer etwas."

„Ja, schon – aber das? Wer hätte das denn ahnen sollen?", fragte James und erhob sich wieder. „Niemand", antwortete Lin. „Ich wollte auch eigentlich nicht, dass es irgendjemand erfährt."

„Warum?"

„Weil meine Familie sicher nicht einverstanden damit wäre. Lily und ihre Eltern mal außen vor, aber sie sind alle nicht besonders offen was neue Berufswünsche angeht. Du hast Großmutter Marigold doch auch gehört: Warum hast du dir denn die Haare gefärbt, Kind?", äffte sie die alte Dame nach. „Jedwede Veränderungen, die ihnen nicht passen, sind schlecht und ich bin auf einmal wieder die Hure Satans oder so. Ich will gar nicht wissen, wie es wäre, wenn alle wissen würden, dass ich auch eine Hexe bin. Dann würde wahrscheinlich die Hölle losgehen."

James verzog das Gesicht. „Das wusste ich nicht, tut mir leid." Lin machte eine wegwerfende Handbewegung. „Schon gut. Mittlereile bin ich es ja schon gewöhnt. Man kann es aber nicht einfach haben, neben perfekten Menschen wie Petunia oder meiner Mutter." Sie grinste kurz. „Sie würden sicherlich in Ohnmacht fallen, wenn sie mich jetzt sehen würden."

„Darauf wette ich."

Ein leises, grunzendes Geräusch ließ sie beiden den Blick nach unten wenden. Sirius hatte die Augen aufgemacht und den Mund zu einem Gähner verzogen. Dann erblickte er Lin. „Hey! Ich wusste doch, dass Lin-ee-ah hier ist", murmelte er und zog sich an der Bühne hoch. „Wusstest du, dass James und Lily verlobt sind?"

Lin warf James einen amüsierten Blick zu, ehe sie beide in Gelächter ausbrachen.

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