21. Ein Himmel aus Glas
Da geht man einmal - EINMAL - in seinem Leben raus um sich eine Wohnung anzugucken und kaum steigt man wieder aus dem Zug kommt erstmal die Sinnflut an. Immerhin habe ich ein neues Kapitel im Zug schreiben können, wenn ihr Fehler findet...schiebe ich es auf die ruckelnde Fahrt.
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James erwachte nach einer Nacht voller Albträume und Dunkelheit, nur um ein helles und lichtdurchflutetes Zimmer zu entdecken. Sein Blick fiel durch das Fenster und er erblickte einen strahlenden Himmel, der so hell leuchtete, wie Glas, welches in der Sonne lag. Und vielleicht war er auch so zerbrechlich. Lily klammerte sich noch immer an ihn, wie eine Ertrinkende an den Rettungsring und mit einem erleichterten Lächeln stellte er fest, dass ihr Gesicht glatt und ruhig war. Sie schlief noch friedlich. Die Ereignisse des Abends lagen James noch tief im Gedächtnis verankert. Die Bilder und die Geräusche; brennende Erde, schreiende Menschen, Lichtblitze und Explosionen, überall Verwüstung und Tod. Es war ein Wunder, dass sie es lebend dort rausgeschafft hatten. Hätte er Lily dort verloren, dann wüsste er nicht, wie er weitermachen sollte. Sie war sein ein und alles. Sie war der Grund, warum James dem Orden beitrete würde und sie war es auch, die ihn bestärkte, die Ausbildung zum Auroren zu machen. Um ihrer Sicherheit willen.
Ein leises Geräusch drang aus dem Flur des Hauses und James blickte auf. Die Uhr an Lilys Wand zeigte kurz nach Mittag an und den Stimmen nach zu urteilen, waren Lilys Eltern wach und liefen durch das Haus. James überlegte, ob er Lily wecken sollte, da regte sie sich schon und öffnete blinzelnd die Augen. Ihr Blick glitt sofort zu James, der ihr ein breites Lächeln schenkte. Aber anstatt zurückzulächeln, vergrub sie ihr Gesicht an seinem Hals und atmete tief ein und aus. James wollte sich aufrichten, als ein stechender Schmerz durch sein Bein fuhr und wie eine Flutwelle, die auf ihn niederkrachte, spürte er jede Verletzung, die er am Abend erhalten hatte und ein Stöhnen entwich seinen Lippen.
„Hast du Schmerzen?", fragte Lily leise und hob ihren Kopf. James schaffte ein schwaches Grinsen. „Es wäre verwunderlich, wenn nicht. Deine Mutter hat uns zwar einigermaßen zusammengeflickt, aber sie ist auch keine Wunderheilerin." Lily nickte und stütze sich dann hoch. „Sie hat sicherlich Angst", sagte sie. „Sie weiß, dass es in der Zaubererwelt nicht immer friedlich ist, aber auch das hat sie nicht erwartet."
„Sie ist eine Mutter, sie hat immer Angst um ihr Kind. Sie könnte dich abgeschottet von allem in einer Luftblase stecken und würde trotzdem noch unruhige Nächte haben. So sind Mütter nun einmal."
„War deine auch so?", fragte Lily nach einer Zeit, in der sie dem Zwitschern der Vögel in den Bäumen vor dem Haus gelauscht hatten. James nickte schwach. „Ja. Mum war ständig um mich und auch um Sirius besorgt. Sie hat immer gesagt, wenn wir es nicht schaffen, uns selber ins Grab zu bringen, würde sie es irgendwann machen. Sie war trotzdem keineswegs besorgt, dass ich nach Hogwarts gehe oder ähnliches. Sie wusste, es war sinnlos. Ich wäre gegangen, selbst wenn sie es mir verboten hätte. Ich hatte nicht viele Regeln damals, weißt du. Außer aufzuessen und die Schuhe im Haus ausziehen, hatte ich freies Walten. Ich konnte entscheiden, wann ich ins Bett gehe, ich durfte alles selber entscheiden. Einerseits war es gut, ich bin früh selbstständig geworden, andererseits... naja, das muss ich dir wohl nicht erzählen, oder?" Lily grinste. „Dein Kopf hat sich aufgeblasen, wie ein Wasserballoon."
James verzog das Gesicht. „Ja, so ungefähr. Manchmal wäre es wohl besser gewesen, wenn meine Eltern etwas härter durchgegriffen hätten und mir mehr Grenzen gesetzt hätten. Wer weiß, was dadurch alles anders gelaufen wäre", fügte er mit einem sanften Lächeln für Lily hinzu.
„Vielleicht würde gewisse Leute dich viel mehr mögen", sagte sie und stellte die Füße auf den Teppich. „Vielleicht hätte eine gewisse Person dann nicht sechs Jahre lang einen arroganten Idioten ertragen müssen." James nickte bitter. „Ja, vielleicht hätten wir mehr Zeit gehabt."
„Aber eigentlich bin ich froh, dass du so warst." Lily wandte ihm ihren Kopf zu. „Über wen hätte ich mich sonst die ganze Zeit aufregen müssen, mit seinen verwuschelten, schwarzen Haaren und den verschmitzten, haselnussbraunen Augen, die mich um den Verstand bringen." James hob eine Augenbraue. „Ich bringe dich um den Verstand, Evans?" Lily nickte. „Oh ja. Dein übergroßes Ego stiehlt mir alle Luft zum Atmen, Potter."
Seufzend erhob sie sich und schüttelte ihre dunkelroten Haare aus. „Weißt du, vor zwei Jahren hätte ich das noch ernst gemeint. Du warst einfach unausstehlich, deine ständigen Witze haben mich unsagbar genervt und jetzt - "
„Jetzt sind wir verlobt und du bekommst nicht genug von mir", sagte James mit einem Grinsen und versuchte sein schmerzendes Bein auf den Boden zu stellen. „Jaah. Leider."
„Hey!" Sie drehte sich zu ihm um. „Ich liebe dich, James. Ich liebe dich wirklich, wirklich." Ihre Augen begannen leicht zu glitzern. „Und diese letzte Nacht... es hätte wirklich vorbei sein können. Deswegen – deswegen will ich so schnell wie möglich heiraten. Es ist mir egal, dass ich kein Kleid habe, oder dass wir so jung sind oder das ein Krieg droht auszubrechen. Ich will dich heiraten, so schnell wie möglich."
James schluckte und versuchte sich langsam aufzurichten, während Lily ihn einfach nur anblickte und ihre grünen Augen, die aussahen wie eine Wiese im Sommer, sich langsam mit Tränen füllten. „Ich liebe dich", flüsterte sie.
„Ich liebe dich auch Lily. Und ich würde nichts lieber tun, als dich sofort zu heiraten. Meinetwegen können wir gleich heiraten, wir brauchen keine große Party und keine schicke Kleidung. Einfach jetzt, in eurem Garten." Lily lachte und weinte gleichzeitig. „Aber was ist mit Sirius? Und Marlene und Ellie? Und Remus und Peter? Sie müssen doch dabei sein. Ohne sie wären wir nicht so weit gekommen." Bei der Erwähnung von Sirius blitze in James Gehirn das Bild eines ängstlich blickenden Jungen auf, die schwarzen Haare kraus und verdreckt, die grauen Augen stumpf. Er schüttelte leicht den Kopf, um das Bild aus seinen Gedanken zu verbannen. Er hatte jetzt keine Zeit, um über Regulus nachzudenken.
„Gut, sie können alle kommen. Aber mehr Leute brauchen wir nicht. Du und ich und unsere Freunde, das ist vollkommen ausreichend." James schaffe es auf die Beine zu kommen und ging leicht humpelnd auf Lily zu, weil er sein verletztes Bein nicht zu stark belasten wollte. Er legte eine Hand unter ihr Kinn und drückte ihr Gesicht nach oben, bevor seine Lippen auf ihren landeten und sie beide einen leidenschaftlichen Kuss austauschten, so voller Liebe und Zuneigung und unausgesprochener Gefühle.
Erst als ihnen die Luft zum Atmen ausging lösten sie sich und atmeten tief ein. „Lass uns alles absage." Lily lächelte schwach. „Ich muss wohl damit leben, meinen Freund teilen zu müssen."
„Nicht so schlimm, Sirius nimmt nicht viel Platz weg. Ein Hundekorb tut es zur Not auch", sagte er und versuchte ein Stöhnen zu unterdrücken, als ein Stechen sein Bein durchzog. Lilys Augen huschten kurz an ihm herunter, ehe sie seine Hand ergriff und zur Zimmertür ging.
Mr. und Mrs. Evans waren im Garten, als sie die Treppe herunterkamen, jedoch, als hätte sie ihre leisen Bewegungen gehört, kam Erika Evans sofort ins Haus gelaufen. „Endlich seit ihr wach", sagte sie erleichtert und zog sich die erdverdreckten Gartenhandschuhe von den Händen. „Ich hatte schon befürchtet, ihr würdet den ganzen Tag lang schlafen." Von ihrer ängstlichen und beinahe panischen Art, die sie in der Nacht noch gezeigt hatte, war nun nichts mehr zu sehen. Die Erleichterung, dass es ihrer Tochter gut ging, überragte wohl doch.
„Kommt in die Küche, ich hab euch etwas vom Mittag aufgehoben, es müsste noch warm sein." Lily und James folgten Mrs. Evans, die weiterredete, als sei nichts passiert. „Lily, dein Vater muss heute noch einmal weg, würdest du mir dann heute Abend helfen und das Abendessen vorbereiten? Normalerweise würde ich ja Lin bitte, aber sie ist heute unterwegs. Sie wollte mir nicht einmal sagen, worum es denn geht, nur, dass es spät werden könnte. Sie ist gleich morgens weg, ohne etwas zu Essen. Ich sage dir, sie ist schon so dünn, da tut es ihr sicher nicht gut, wenn sie die Mahlzeiten auch noch weglässt. Etwas Saft?"
„Mum, geht es dir gut?", fragte Lily zögerlich und nahm die Flasche entgegen, die ihre Mutter ihr hinhielt. „Ja, warum fragst du? Sehe ich etwa blass aus?", fragte sie und tastete ihre Stirn ab. „Nein, aber... du benimmst dich so eigenartig. Gestern - "
„Lily", unterbrach Mrs. Evans sie knapp. „Du hast mir alles erzählt, was gestern passiert ist. Ich weiß, es war schrecklich, für mich war es das, einfach nur vom Zuhören. Und genau deswegen möchte ich darüber eigentlich nicht reden. Außerdem kenne ich dich", lächelte sie. „Ich könnte es dir so oft verbieten, wie ich wollte, ich könnte dich nicht davon abhalten, eine Hexe zu sein. Nicht, dass ich es will. Dein Vater und ich waren uns immer sicher, dass du etwas Besonderes bist und wenn dieses Besondere eben mit einer zusätzlichen Gefahr daherkommt, dann müssen wir uns damit abfinden. Wir könnten sowieso nichts daran ändern, oder?" Lily schüttelte schwach den Kopf und blickte dann auf die Saftflasche in ihrer Hand.
„Außerdem", fügte Mrs. Evans hinzu und blickte James an. „weiß ich ja, dass du jemanden hast, der auf dich achtet." James lächelte. „Da können Sie sich sicher sein, Mrs. Evans."
„Na also." Sie wandte sich um und nahm ihre Handschuhe wieder. „Esst, bevor es kalt wird. Ich bin im Garten, die Hortensien blühen." Mrs. Evans verließ die Küche und wenig später konnten sie sie aus dem Küchenfenster beobachten, wie sie sich die Handschuhe wiederanzog und zu Mr. Evans trat, der einen Rasenmäher vor sich hin schob. Der Himmel strahlte noch immer wie in Stück Glas in der Sonne.
„Siehst du. Du musst dir keine Sorgen um deine Eltern machen", sagte James. „Sie wissen, was sie tun müssen, damit es dir gut geht."
„Ja, aber - ", fing Lily an. „Nein, nichts aber. Deine Eltern kennen dich und sie lieben dich. Sie wissen, was vor sich geht und sie wissen auch, dass es nichts bringt, ängstlich in einer Ecke zu sitzen und darauf zu warten, bis es wieder sicher ist. Denn das ist es nie. Es ist immer ein gewisses Risiko, wenn man die Magische Welt betritt. Es gibt überall diese Menschen, die sich höherstellen und gefährlich sind. Aber wir dürfen uns von denen nicht unterkriegen lassen."
Lily seufzte und umklammerte ihr Glas. „Du hast ja Recht. Danke." James grinste. „Für dich immer."
Kaum hatten sie aufgegessen und das schmutzige Geschirr in die Spüle gestellt, da klingelte es an der Tür. Lily blickte auf und James konnte sehen, wie Mrs. Evans am Fenster vorbeiging und zur Fronttür ging. Nur Sekunden später ertönte das Klicken des Schlosses und die Stimme von Lilys Mutter schallte zu ihnen herüber. „Lily! James! Hier ist jemand, der euch sprechen möchte." Die beiden ehemaligen Schulsprecher tauschten einen Blick, ehe sie langsam aus der Tür traten, James versuchte, sein Bein nicht zu stark zu belasten.
Und im Flur erwartete sie niemand anderes als Albus Dumbledore.
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