15. Ernste Miene, gelassene Nacht
Der Gemeinschaftsraum von Gryffindor wirkte irgendwie kalt und leblos. Kein Schüler lümmelte auf einem der knuddligen Sessel, kein warmes Feuer prasste im Kamin und allgemein waren keine Geräusche zu hören. Es war irgendwie unheimlich.
„Hätte nie gedacht, den Raum mal so zu sehen" murmelte Ellie und ging hinüber zu einem der großen Fenster um es zu öffnen. Die abgestandene Luft wurde sofort durch eine frische Brise ersetzt, die den Geruch von Sommer und Wald mit sich brachte. „Er wird wieder lebendig, wenn das Schuljahr beginnt", meinte Sirius und setzte sich auf einen der Sessel, bei dem eine winzige Schicht Staub aufwirbelte. „Ja, schon", erwiderte Ellie und stützte sich am Fensterbrett ab um nach unten schauen zu können. „Es ist trotzdem komisch. Der Gemeinschaftsraum war immer so voller Leben und Lachen und jetzt sieht es so aus, als wäre seit Jahren niemand mehr hier gewesen. Ich hatte einfach nicht gedacht, dass er sich so verändern würde, wenn Ferien sind." Sirius zuckte mit den Schultern und legte die Füße hoch. „Du kannst nicht erwarten, dass die Hauselfen hier jeden Tag herumwuseln und alles saubermachen. Das würden sie wahrscheinlich nur zu gerne machen, aber ich glaube Dumbledore verbietet es ihnen, damit sie auch mal Freizeit haben."
James blickte zu Lily, die den Raum betrachtete. „Willst du noch mal die Schlafsäle sehen?", raunte er ihr grinsend zu und in ihre Wangen schlich eine leichte Röte. „James", zischte sie, doch dieser ignorierte sie und zog sie an der Hand mit zu den Treppen. „Sind sofort wieder da", sagte er in die Menge und Sirius zwinkerte ihm kurz zu.
Kaum hatte er den Raum zu seinem ehemaligen Schlafsaal zugeworfen, da hatte Lily ihn schon am Kragen gepackt und sein Gesicht herunter gezogen, um ihn stürmisch zu küssen. „Aber, Evans, warum denn so wild?", fragte er zwischen zwei Küssen, während derer sie ihn immer weiter zum Bett gedrängt hatte. „Klappe, Potter", murmelte sie nur und stieß ihn auf das weiße Laken.
Nach vielen atemlosen Küssen und einer achtlos auf den Boden geworfenen Jacke lösten sich die beiden schließlich voneinander und Lilys stieg vom Bett herunter, wobei sie sich über die geschwollenen Lippen wischte. James grinste sie schief an, woraufhin Lily die Augen bedrohlich zusammenkniff. „Das war was einmaliges, verstanden?", sagte sie drohend. „Gewöhn dich also besser nicht an so was."
„Schon kapiert, Lily", erwiderte James und erhob sich langsam. „Du musstest nur etwas Dampf ablassen, hm?" Lily schnaubte und James lachte leise. „Na gut, lass uns wieder gehen." Er zog seine Jacke unter dem Bett hervor und legte sie sich über die Schulter, griff Lilys Hand und öffnete dann die Tür zu den Treppen.
„Ah, und, wie sehen die Schlafsäle aus?", fragte Sirius laut, als die beiden wieder zu den anderen stießen. „Sie sehen immer noch wunderbar aus. Vielleicht ein bisschen unordentlich – au." Lily war James auf den Fuß getreten und blickte ihn nun warnend an. „Oh, tut mir Leid, James", sagte sie einfach nur und gesellte sich zu Ellie, die noch am Fenster stand.
„Wahrscheinlich sollten wir langsam mal wieder zurückkehren, oder?", fragte Remus leise und sprach damit aus, was alle nicht sagen wollten. „Wir waren schon viel zu lange hier." Ellie blickte trüb zu Boden und Lily strich ihr kurz über den Rücken. „Ja, du hast recht", sagte sie dann und stieß sich vom Fensterbrett ab. „Lasst uns abhauen, bevor wir noch ein Jahr hierbleiben müssen." Ellies kleiner Scherz ließ Sirius entsetzt aufspringen. „Oh nein, ohne mich!", rief er und rannte aus dem Gemeinschaftsraum. James folgte ihm grinsend und hörte die anderen hinter sich.
„Hätte nie gedacht, dass wir uns gleich zwei Mal von Hogwarts verabschieden müssen", murmelte Lily. „Ich auch nicht", stimmte Ellie ihr zu. „Aber dieses Mal ist es nicht ganz so schlimm, finde ich." Remus nickte zustimmend. „Finde ich auch. Ohne die anderen Schüler und Lehrer wirkt es kaum wie ein Abschied, sondern eher wie ein Auszug." Lily lachte leise. „So oder so, ich werde es trotzdem vermissen."
James wandte sich halb um. „Das hatten wir schon, Lily. Hogwarts wird immer dein zu Hause bleiben, selbst wenn du nicht mehr da sein kannst, schon vergessen?"
„Nein. Nein, hab ich nicht...", sagte sie und lächelte. „Irgendwann werde ich ja wieder herkommen. Vielleicht nur zu Besuch, vielleicht auch anders, wer weiß. Aber das spüre ich, dass es nicht das letzte Mal war, dass ich Hogwarts sehen werde." James nickte ihr zu. „Genau das wollte ich hören, Evans."
Sirius wartete vor Professor McGonagalls Büro auf sie und gemeinsam traten sie schließlich in den runden Raum. „Also gut, wir sehen uns", sagte James und zog Lily in eine feste Umarmung. „Ich liebe dich." Lilys Hand strich kurz durch seine Haare, dann küsste sie ihn auf die Wange. „Ich dich auch."
Aus einem kleinen Kästchen über dem Kamin nahm Sirius etwas Flohpulver heraus und warf es auf die kalte Feuerstelle, aus der sofort helle, grüne Flammen sprossen. „Adiós", rief Sirius und sprang in den Kamin. Wenige Sekunden später war er bereits verschwunden und Peter folgte ihm.
Lily ging als nächstes, dann James. Er warf noch einen kurzen Blick auf Ellie und Remus, die sich noch verabschieden, dann wurde er bereits in den bunten Feuerwirbel gesogen und flog eine Sekunde später aus dem Kamin in seinem Apartment raus. Langsam neigte sich der Tag dem Ende zu, die Sonne schien rot-golden durch die Fenster und die ersten Lichter der Stadt wurden eingeschaltet.
Als Remus drei Minuten später ebenfalls in ihrem Wohnzimmer auftauchte, stand Sirius voller Tatendrang vom Sofa auf. „Wisst ihr, was wir mal machen müssen?", fragte er, während Remus sich etwas Ruß von der Hose klopfte. „Nein, aber ich bin sicher, es ist ein dämlicher Einfall", erwiderte er und Sirius schnaubte laut. „Es ist kein dämlicher Einfall", beteuerte er. „Es ist sogar ein genialer Einfall!"
Remus warf James und Peter einen zweifelnden Blick zu. „Naja, er kann es ja wenigstens erzählen", meinte Peter achselzuckend. „Danke Peter, immerhin einer, der meine Pläne zu würdigen weiß."
„Oh, das habe ich nie gesagt", antwortete der kleinliche Rumtreiber sogleich, doch Sirius überhörte ihn. „Ich bin der Meinung, wir sollten mal einen Abend einfach so richtig draufmachen. So wie damals, als wir uns nach Hogsmeade geschlichen haben, um im Drei Besen zu trinken." Remus hob eine Augenbraue. „Du meinst dieses eine Mal, als McGonagall uns vier Uhr morgens gefunden hat, weil wir betrunken versucht haben in den Ravenclawgemeinschaftsraum zu kommen?"
„Ja, genau! Das war doch lustig, oder nicht?", rief Sirius begeistert. „Wir haben drei Monate Nachsitzen und Hogsmeade-Verbot für das restliche Jahr bekommen", erinnerte ihn James daran. „Ach, das ist schon ewig her. Außerdem sind wir nun freie Männer. Wir können trinken wann und wo wir wollen, oder etwa nicht?"
Am Ende hatten sie sich von Sirius dazu überreden lassen, den Abend in einer rauchigen Bar zu verbringen. Sie hatten sich einen Tisch in der Ecke genommen, die Luft war geschwängert von Zigarettenduft, Biergeruch und Schweiß und die Stimmung schien ausgelassen und fröhlich zu sein. Es war wie eine völlig andere Welt – ein krasses Gegenteil zur Zaubererwelt, in der gerade ein Krieg herrschte, fand James, als eine junge Kellnerin ihnen allen ein bernsteinfarbenes Getränk brachte und dann mit einem Zwinkern für Sirius wieder verschwand. Er blickte ihr einige Zeit hinterher – seine Augen waren dabei sehr auf ihr wackelndes Hinterteil fixiert – dann schnappte er sich sein Glas und hob es hoch.
„Auf uns", sagte er laut und ein Grinsen zierte sein Gesicht. „Auf uns", stimmten die anderen mit ein und mit einem lauten Klirren stießen sie die Gläser zusammen. Das Getränk brannte in James' Kehle, als er es hinunterschüttete und hinterließ ein warmes Gefühl in seiner Magengegend, welches sich schnell in seinem ganzen Körper ausbreitete. „Schon lange her, dass nur wir vier zusammen unterwegs waren", meinte Remus langsam und betrachtete die Bar etwas genauer. „Wohl wahr, mein Freund. Aber wir hatten ja auch alle Hände voll zu tun."
Sirius grinste und trank sein erstes Glas aus. „Aber dafür sind die Rumtreiber ja jetzt wieder back in business!" James schüttelte grinsend den Kopf und nahm noch einen Schluck. „Und wir müssen diese Zeit ausnutzen", führte Sirius fort. „James ist bald ein verheirateter Mann und wird dann automatisch ein Spießer."
„Hey!", rief dieser. „Ich werde kein Spießer. Ich werde ein sehr cooler Ehemann werden und wir können dann immer noch mal einen trinken gehen." Sirius und Remus grinsten breit. „Ah, das bezweifle ich, Kumpel", fing Sirius an. „Ja, sobald du und Lily erstmal verheiratet seid, wird all deine Aufmerksamkeit nur noch auf sie gerichtet werden." James schnaubte laut. „Das stimmt nicht!"
Der Abend wurde zur Nacht und als die junge Kellnerin Sirius das fünfte Glas nachschenkte, zog er sie am Handgelenk zu sich herunter und flüsterte ihr was ins Ohr, woraufhin sie rot wurde und kicherte. Sirius zwinkerte ihr zu, als sie wieder ging und James warf ihm einen fragenden Blick zu, den sein Freund jedoch nicht mehr mitbekam, denn er hatte sein Glas wieder an den Mund angesetzt.
„Sirius, meinst du nicht, dass du etwas zu schnell trinkst?", fragte Remus, der noch bei seinem zweiten Getränk war. „Nein, das finne ich nich...", murmelte der schwarzhaarige Black und knallte sein Glas auf den Tisch.
Remus kniff die Augen zusammen. „Sirius, ich glaube Remus hat Recht, du solltest es etwas ruhiger angehen lassen. Der Abend rennt ja nicht weg." James wollte Sirius schon das Glas wegnehmen, doch dieser schlug seine Hand weg. „Ich trinke so viel wie ich will, verstand'n?", knurrte er.
Die junge Kellnerin kam wieder und flüsterte nun Sirius etwas ins Ohr, woraufhin dieser zu lachen anfing und dann aufstand. „Bis später", sagte er mit einem Schluckauf und folgte dann der jungen Frau, die seine Hand genommen hatte. James wusste, was Sirius da tat. Er trank, um seinen Schmerz zu vergessen. Sirius wusste leider viel zu gut, wie er diese Gefühle verstecken konnte. Und nun bekämpfte er seine Trauer und seinen Verlust über Marlene damit, dass er zu viel Alkohol in sich hinein kippte und mit einer jungen Kellnerin die Nacht verbrachte.
„Normalerweise würde ich ja jetzt sagen, dass Sirius nicht mehr alles Tassen im Schrank hat", fing Remus an. „Aber er ist erwachsen. Es sind seine Entscheidungen und ich kann und werde dort auch nichts mehr unternehmen. Er muss mit den Konsequenzen selber klar kommen." Der Werwolf erhob sich und legte einen Geldschein auf den Tisch. „Aber ich werde jetzt gehen. Gute Nacht."
„Warte!", sagte James und er hob sich ebenfalls. „Ich komme mit. Wenn Sirius uns alleine lässt, sehe ich keinen Grund mehr, hier zu bleiben. Peter?"
Der pummlige Rumtreiber warf einen kurzen Blick auf sein halbvolles Glas, dann zuckte er mit den Schultern und sagte: „Ich bleib noch etwas." James kramte etwas Geld hervor und legte es zu Remus'. „Na, schön. Wir sehen uns, Peter."
Er hob die Hand zum Gruß und wandte sich dann mit Remus um, der schon an der Tür wartete. Kaum waren die beiden auf die Straße getreten, strömte frische und vor allem kühle Luft in ihre Lungen und vertrieb den Gestank von Rauch und Alkohol.
„Er macht sich selber fertig, oder?", murmelte Remus, als sie die Straße entlanggingen. James nickte leicht. „Ja, das tut er. Ich versuch mal die Tage etwas auf ihn einzusprechen. Wenn ich mit Lily unterwegs bin, dann wird er wahrscheinlich eh wieder machen, was er will, aber schaden kann es nicht, ihm ins Gewissen zu reden."
Remus machte ein zustimmendes Geräusch. „Hoffe, du hast Recht. Wenn er so weiter macht, dann hat er bald nicht nur Marlene verloren."
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