14. Die Welt des Krieges

Das einzige Geräusch in Dumbledores Büro war das des Atmens. Jeder der Anwesenden wartete darauf, dass der Schulleiter etwas sagte, wartete darauf, zu erfahren, warum er sie hergebeten hatte. Lily drängte sich an eine Wand und musste ein Zittern unterdrücken. Trotz der Wärme fühlte sie eine tiefe Kälte in sich, als wäre sie in Eiswasser getaucht worden. Beinahe zaghaft umschloss James' Hand ihre Finger und sie blickte hoch in sein lächelndes Gesicht, welches aber ebenfalls von Verwirrung gezeichnet war.

Die Minuten verstrichen und während Sirius und Marlene die ganze Zeit über versuchten, so zu tun, als wäre der jeweils andere nicht da, blickte Dumbledore sie einfach nur an. Seine hellblauen Augen fixierten einen Punkt an einer Wand und es war fast so, als würde er mit irgendjemandem dort kommunizieren, doch Lily traute sich nicht nach hinten zu blicken. Dann, als sich langsam aber sicher die Ungeduld zur Verwirrung gesellte, erhob sich der alte Zauberer aus seinem Stuhl und trat an die metallene Stange, auf der ein winziger Phönix saß. Dumbledore strich zärtlich über die rot-goldenen Federn des kleinen Vogels, dann blickte er wieder in die versammelte Schülerschar. Lily erkannte die ehemaligen Vertrauensschüler aus Hufflepuff und Ravenclaw, einige ihrer Mitschüler aus Alte Runen und auch Leute, mit denen sie nicht viel zu tun gehabt hatte.

„Es würde mich nicht wundern, wenn sie sich doch fragen, warum ich sie hier her gebeten habe", sagte Dumbledore sanft. „Nein, echt?", murmelte Sirius halb-laut, doch Lily war sich sicher, dass er ihn gehört hatte. „Die Angelegenheit, die ich mit ihnen bereden möchte, ist von äußerst ernster Natur. Deshalb muss ich von ihnen eines wissen: Werden sie damit einverstanden sein, dass ich ihr Gedächtnis im Falle des Falles etwas um modellieren muss?" Lily runzelte verwirrt die Stirn. Eine ehemalige Ravenclaw hob die Hand und Dumbledore blickte sie an. „Was meinen sie mit um modellieren, Sir?", fragte sie schüchtern, hielt jedoch den Blick stand.

„Gut, dass sie fragen. Die Informationen, die ich mit ihnen besprechen werde, sind unglaublich wichtig und sollten sie in die falschen Hände geraten, dann könnten sie fatale Folgen haben. Deshalb muss ich wissen, dass ich diese Informationen gegeben falls wieder aus ihren Köpfen entfernen kann." In Dumbledores Büro entfachten auf einmal Feuer, kleine Geflüsterfeuer. Jeder fing an leise mit seinem Nachbarn zu tuscheln und sich zu unterhalten. Lily warf einen ungläubigen Blick zu Dumbledore. Was hatte er vor?

„Ähem – nun, ich nehme an, sie haben nichts dagegen, oder irre ich?", fragte er in die Runde und als niemand etwas sagte, nickte er. „Sehr gut. Es ist wahrscheinlich unnötig ihnen das zu sagen, aber schon seit geraumer Zeit sind ein schwarzer Zauberer und seine Anhänger, die sich selber Todesser nennen, im ganzen Land unterwegs und verbreiten Schrecken und Tod. Lord Voldemort - " Lily schüttelte es am ganzen Körper, als Dumbledore diesen Namen aussprach. „ – ist der Annahme, dass nur Zauberer mit reinem Blut als würdig anerkannt sind. Halbblüter und Muggelstämmige sind in seinen Augen nichts weiter als Abschaum." Dumbledore schritt vor seinem Pult auf und ab. „Und genau deshalb habe ich begonnen, eine Defensiveinheit zu gründen. Ich kann nicht gutheißen, was der Lord Voldemort tut. Er ist zu tief in die dunkle Magie eingedrungen. Doch um einen Krieg zu führen, müssen Menschen kämpfen."

Lily beobachtete jede von Dumbledores Bewegungen und als stehenblieb und seine Augen wieder in die Menge richtete, verkrampften sich ihre Finger kurz. „Sie alle sind jung, so unglaublich jung. Ich schäme mich, dass ich vor Sie treten muss, aber ich brauche jede Hilfe, die ich bekommen kann. Voldemort wird sich nicht kampflos ergeben", sagte er und auf einmal sahen seine Augen so unendlich traurig aus. „Wir befinden uns in einer schweren Zeit. Die Todesser sind jeden Tag unterwegs und morden sich ihren Weg. Deswegen brauche ich ihre Hilfe. Sie alle sind als Zauberer und Hexen ihrer Generation die besten. Sie sind mutig, schlau und stark. Und sie sind jung. Jung genug, um zu wissen, dass ihr ganzes Leben noch vor ihnen liegt. Es gibt für sie eigentlich keinen Grund in diesen Krieg zu ziehen. Es könnte ihr aller Tod sein – aber auch so wäre es ihr Tod. Voldemort wird nicht halt vor ihnen machen, nur weil sie jung sind."

Lily spürte ein Zittern an ihrer Hand und sie blickte hoch in James' Gesicht, der sich bemühen musste, seine Fassung zu behalten. Traurig blickte sie auf den Boden. Natürlich, wie hatte sie das vergessen können. James Eltern waren durch Todesser umgekommen, deshalb wollte er doch erst Auror werden. James würde in diesem Krieg kämpfen, da war sie sich sicher.

„Der Orden des Phönix ist eine von mir erschaffene Geheimorganisation, die sich für den Kampf gegen Voldemort und die Todesser vorbereitet. Wir tun alles, was in unserer Macht steht, trotzdem sind wir einfach zu wenige. Die meisten haben Angst, sich gegen ihn zu wehren." Dumbledore wandte seinen Blick zu dem Phönix auf der Stande, der ein leises Quieken von sich gab. „Doch genau wie ein Phönix werden wir immer wieder aus der Asche emporsteigen, um das zu schützen, was uns am Herzen liegt. Jeder hat seine eigenen Beweggründe... die Familie, Freunde, seine Zukunft, Liebe." Der Druck an Lilys Hand verstärkte sich kurz. „Deswegen trete ich heute nicht als ich ehemaliger Schulleiter vor sie, sondern als ein gleichgestellter Zauberer, der auch etwas zu beschützen hat. Ich brauche ihre Hilfe bei diesem Kampf."

Es wurde wieder still. Keines der Portraits an den Wänden sagte etwas, sie alle lauschten aufmerksam, die versammelten Schüler blickten alle mit ungläubigem Gesicht zu Dumbledore oder zu Boden. Lily blickte zu James und zu Ellie und zu Marlene und Sirius. Jeder von ihnen wirkte entschlossen. Entschlossen, für ihre Zukunft zu kämpfen. Dumbledore hatte die Hände zusammengefaltet und die Augen geschlossen. Lilys Gedanken schweiften zu ihren Eltern, ihren Nachbarn, all den Muggeln aus ihrer Nachbarschaft, die ungeschützt waren. Sie dachte an Petunia und Vernon, die sich gerade ein Leben aufbauten und nichts von dieser Gefahr wussten. Lily würde sich niemals selber verzeihen, wenn Petunia durch die Hand dieser Todesser sterben würde, ohne dass sie verteidigt hätte.

„Sie können auf mich zählen", sagte Sirius rau und trat einen Schritt nach vorne. Marlene warf ihm einen kurzen Blick zu, ehe sie weiter auf den Boden starrte. „Mister Black", sagte Dumbledore und er wirkte keineswegs überrascht. „Ich danke ihnen."

„Mich können sie auch dazurechnen!" James hatte Lilys Hand losgelassen und war neben seinen besten Freund getreten. Dumbledore lächelte ihn an. Als hätten James und Sirius den anderen Mut gemacht, traten immer mehr von den Anwesenden vor. Fast alle aus Ravenclaw meldeten sich ebenfalls und nur zwei aus Hufflepuff sagten nichts. Lily trat gemeinsam mit Ellie und Marlene vor, einen entschlossenen Gesichtsausdruck aufgesetzt. Sie sah, dass die wenigen Slytherins, nur drei Stück, nichts sagten. Dumbledore ließ sich davon jedoch nicht beirren. „Vielen Dank für ihr Vertrauen", sagte er zu den ehemaligen Schülern. „Ich weiß das wirklich sehr zu schätzen. Und - ", er wandte sich an die Schüler, die nicht vorgetreten waren. „ – sie sind einverstanden, dass ich all diese Informationen aus ihren Köpfen entfernen werde." Wie bei einer Einheit nickten sie gleichzeitig und Dumbledore zog mit einer fließenden Bewegung seinen Zauberstab aus seinem Ärmel hervor. „Trotzdem bedanke ich mich, dass sie gekommen sind." Ein sanftes Lächeln erschien auf seinen Lippen, bevor er seinen Stab auf die Gruppe richtete. „Obliviate."

Ein glasiger Ausdruck trat in die Augen der Schüler und einige wankten kurz. „Vielen Dank, sie können nun gehen", sagte Dumbledore laut und schreckte sie damit aus ihrer Trance. Einige blickten sich verwirrt um – ein Mädchen aus Ravenclaw wäre beinahe gegen die Tür gelaufen – dann verließen sie das Büro alle nacheinander. Nachdem der Riegel wieder ins Schloss gefallen war, richtete Dumbledore seinen Blick wieder den Anwesenden zu. „Ich muss wohl nicht erwähnen, dass sie nichts von dem, was ich mit ihnen besprechen werde, weitersagen. Nicht ihren Eltern, nicht ihren Freunden, nicht einmal ihrer Katze. Die Zukunft der Zaubererwelt hängt davon ab."

Während Dumbledore erzählte floss die Zeit dahin. Wie in einer Sanduhr rieselte der Sand in einer unglaublichen Geschwindigkeit, als hätte jemand sie manipuliert. Ihr ehemaliger Schulleiter nannte ihnen Namen von Mitgliedern des Ordens, Daten und Orte, er erzählte ihnen, welche Todesser sie bereits gefangen nehmen konnten. Er erwähnte auch die Aurorenzentrale und dass diejenigen, die dort eine Ausbildung machen würden, unter spezieller Leitung von einem gewissen Mad-Eye Moody lernen würden. Lily schauderte kurz. Sie hatte im Tagespropheten von Moody gelesen. Sie beneidete James kein bisschen darum. Als das Licht, welches durch das Bürofenster fiel, langsam die Farbe von Gold annahm, verabschiedete Dumbledore sie. „Ich werde mich in einigen Tagen wieder mit ihnen in Verbindung setzen. Bis dahin wünsche ich ihnen noch einen schönen Sommer." Seine Augen streifte kurz die von Lily und sie hätte schwören können, dass er ihr zugezwinkert hätte.

Auf dem Gang vor dem Schulsprecherbüro trennten sich ihre Wege. Zurück blieben Lily, James, Sirius, Ellie, Remus und Peter. Marlene war bereits gegangen. „Sollen wir unsere Chance nutzen?", fragte Sirius grinsend, auch wenn der typische Glanz in seinen Augen fehlte. „Und noch einmal Hogwarts unsicher machen? Bin dabei!", sagte James laut, doch auch in seiner Stimme schwang nicht der übliche Enthusiasmus mit. Lily achtete die ganze Zeit nicht darauf wo sie hingingen. Auch wenn sie wieder in Hogwarts war, sie konnte sich nicht wirklich darauf konzentrieren. Remus und Ellie gingen hinter ihr, beide ebenfalls still.

„Lily, pass auf", sagte James halb lachend, halb besorgt und hielt sie am Arm fest. Sie blickte auf. „Danke", murmelte sie, denn James hatte sie davor bewahrt, die Treppe hinunter zu stürzen. „Was ist denn los mit euch?", fragte Sirius und lehnte sich an das Geländer. Lily blickte mit hochgezogenen Augenbrauen hoch. „Hast du Dumbledore überhaupt zugehört? Das ist kein Spiel, Sirius. Das ist bittere Realität. Das ist ein Krieg", sagte Lily langsam.

„Natürlich, das weiß ich. Aber es ist kein Grund zum Trauerkloß zu werden, Evans." James griff nach ihrer Hand. „Er hat Recht, Lily. Das alles wussten wir vorher auch schon. Es ist nichts Neues, das dort draußen ein Krieg tobt. Wir waren hier in Hogwarts einigermaßen sicher, aber jetzt, da wir raus sind, mussten wir früher oder später damit konfrontiert werden. Wir haben uns darauf vorbereitet – das ist doch der Grund, warum wir Auroren oder Heiler werden wollen, oder? Wir wollen Menschen helfen."

„Du hast recht", sagte Ellie leise. „Wir haben es immer gewusst. Unsere Zukunft ist nicht rosig oder perfekt. Sie ist gezeichnet von Krieg und wir haben uns entschieden, zu kämpfen. Das hier war nur einer der vielen Auslöser. Irgendwann wären wir trotzdem dazu gekommen. Es ist unser Schicksal zu kämpfen. Für uns und für alle anderen."

Lilys Augenwinkel begannen zu brennen und sie warf sich ihrer Freundin um den Hals. Die beiden Frauen begannen haltlos zu schluchzen, während um sie herum das Licht des Tages zu schwinden begann.

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Tjaja, einige von euch hatten es ja schon erraten, was der gute alte Dumbledore von unseren 'Helden' so will. Aber trotzdem  - waren seine Worte gut gewählt?

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