27. Kapitel

Gemeinsam liefen wir auf den wartenden Kyle zu. "Hey Fynn.", begrüßte dieser meinen Bruder. Mich ignorierte er, schaute mich nicht einmal an. Ein Stich fuhr durch mein Herz. Vielleicht hat er mich einfach nur nicht gesehen? Nein das war Quatsch, ich stand schließlich direkt neben Fynn. "Hi Kyle.", begrüßte ich ihn nun schüchtern und verunsichert. "Oh hallo Ava.", war das einzige was er desinteressiert und fast schon genervt zu mir sagte. Und wieder ein Stich ins Herz. Was war nur los mit ihm? Gestern schien doch alles noch so perfekt und jetzt? Bereute er den Kuss? Mochte er mich doch nicht? Aber Fynn meinte doch auch, dass Kyle etwas für mich empfinden würde. Es musste einen anderen Grund für sein Verhalten geben. Hoffte ich jedenfalls. Wir liefen zu unserem Klassenzimmer, das noch fast komplett leer war, da wir doch ziemlich früh gekommen waren. Während Fynn und Kyle ein Gespräch über irgend so ein Footballspiel starteten, fing ich an zu zeichnen. Das hatte ich in letzter Zeit eh viel zu wenig getan. Ich schaffte tatsächlich zwei ganze Bilder bis der Lehrer kam. Auf dem ersten konnte man ein Mädchen und einen Jungen sehen, die sich verliebt ansahen und man konnte  das Knistern zwischen den beiden schon fast spüren. Das andere zeigte jedoch eine komplett andere Szene. Es war eine Hand in der ein Herz lag. Eine zweite Hand hielt einen Dolch ganz dicht darüber und es sah so aus, als würde sie jeden Moment zustechen. Außerdem hatte das Herz schon kleine Kratzer aus denen Blut tropfte. Das erinnerte mich wieder an die Stiche, die Kyle mir heute verpasst hatte. Gedankenverloren sah ich zu ihm hinüber und bemerkte, dass er meine Bilder ansah. Als sein Blick zum zweiten schwiff, meinte ich kurz Bedauern und Schmerz aufblitzen zu sehen, doch er sah so schnell wieder weg, dass ich mir nicht sicher war.

Auch in den Stunden, die wir den Tag über hatten, ignorierte Kyle mich und sah nicht einmal zu mir rüber. In der Cafeteria war es genau dasselbe. Er saß zwar gegenüber von mir, aber es kam mir so vor, als wäre ich Luft für ihn, als würde ich gar nicht wirklich existieren. Ich machte mir schön langsam wirklich Sorgen. Was war passiert, dass er sein Verhalten mir gegenüber so plötzlich geändert hatte? Die Hoffnung, dass es nur ein Missverständniss war und Kyle mich bald wieder normal behandeln würde, schwand immer mehr. Meine aufgeregte freudige Stimmung von heute morgen war schon komplett verschwunden und als dann auch noch Ashley zu unserem Tisch kam, hatte meine Laune ihren Tiefpunkt erreicht. Deprimiert seufzte ich, bevor sie auch schon ihren ersten Spruch los ließ. "Du kapierst es einfach nicht, oder? Du nutzloses hässliches etwas hast bei Kyle und Fynn nichts zu suchen. Die spielen in einer anderen Liga." Sie redete mit mir wie mit einem Kleinkind, doch Fynn konterte sofort. "Und du kapierst wohl nicht, dass du uns alle, vorallem meine Schwester, in Ruhe lassen sollst, wenn du willst, dass deinen billigen Extensions nichts passiert.", drohte er ihr. Ashley wollte erst protestieren, schien dann aber doch zu merken, dass sie damit nicht weit kommen würde und mich auch nicht fertig machen konnte, weshalb sie zum Glück wieder verschwand. "Hör einfach nicht auf sie Ava. Ashley labert nur Müll.", versicherte mir Fynn, doch über ihre Worte dachte ich schon gar nicht mehr nach. Das was mich viel mehr beschäftigte war, dass Kyle rein gar nichts gesagt hatte. Sonst war er immer der erste gewesen, der mich vor Ashley verteidigt hatte, doch gerade eben hatte er nur zur Seite geschaut und nichts gesagt. Ich musste mit ihm reden. Sein Verhalten verletzte mich unheimlich und ich verstand einfach nicht, warum er sich mir gegenüber plötzlich so anders verhielt. Ich würde ihn nach der Schule darauf ansprechen.

Als wir schließlich auch die letzten Stunden hinter uns gebracht hatten, liefen wir zu dritt zum Parkplatz, doch Fynn stoppte plötzlich. "Ich hab was in meinem Spind vergessen. Wartet ihr kurz hier? Danke." Und schon war er auf dem Weg zurück in die Schule und ich war allein mit Kyle. Jetzt wäre die perfekte Gelegenheit ihn auf sein Verhalten anzusprechen, weshalb ich all meinen Mut zusammen nahm und ihn danach fragte. "Warum verhältst du dich mir gegenüber so abweisend?" Gespannt sah ich ihn an. "Ich weiß nicht was du meinst.", tat Kyle auf unwissend, doch ich sah, dass er genau wusste wovon ich sprach und nur nicht darüber reden wollte. " Doch, das weißt du ganz genau. Gestern Abend noch gehst du mit mir an diesem wunderschönen Ort picknicken, küsst mich sogar und sagst das wir das unbedingt wiederholen müssen und heute ignorierst du mich komplett. Was ist los? Magst du mich aufeinmal nicht mehr?", redete ich mir meine Sorgen von der Seele. Ich meinte einen kurzen Augenblick lang Verzweiflung in seinen Augen zu sehen, doch kurz daruf wurden sie wieder kalt und abweisend. "Das gestern war ein Fehler. Ich empfinde nichts für dich und werde das auch niemals tun. Das hat mir der Kuss nur verdeutlicht. Es tut mir Leid, dass ich dir damit vielleicht falsche Hoffnungen gemacht hab, aber wie gesagt war es ein Fehler und die passieren nunmal. Am besten du lässt mich absofort in Ruhe." Nach diesen Worten wandte er sich sofort ab, ging zu seinem Auto und fuhr davon. Das bei jedem einzelnen seiner Wort ein schmerzhafter Stich mein Herz duchfuhr und mir Tränen über die Wangen strömten bekam er gar nicht mehr mit oder er ignorierte es einfach nur. Weinend sah ich ihm hinterher als er wegfuhr, hoffend, dass er zurückkäme und sich bei mir entschuldigen würde. Doch das passierte nicht. Warum hatte er mir das angetan? Warum küsste er mich, wenn er nichts von mir wollte? Warum hatte ich ihm vertraut, wenn ich doch wusste, dass man Männern nicht trauen konnte? Fynn war da die einzige Ausnahme. War ich daran schuld, dass ich ihn in Ruhe lassen sollte? Hatte ich etwas falsch gemacht? Es musste so sein, schließlich war ich doch schon immer an allem Schuld. Wegen mir war damals meine Mutter abgehauen. Ich war schuld daran, dass mein Vater mich schlug. Also warum sollte es jetzt anders sein? Diese Erkenntnis verpasste mir den Rest und ich brach weinend zusammen. Das mich hier jeder sehen konnte war mir in diesem Moment egal. Ich wollte nur, dass dieser Schmerz vorbeiging.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top