Love: Don't hurt me anymore


Casey richtete ihren Blick behutsam auf ihn, sah ihm direkt in die so vertrauten Augen und schluckte. Sie konnte leider nicht behaupten, dass sie seine Aussage erfreute. Es fühlte sich falsch an, dass er nach all den Jahren noch immer so etwas wie Liebe für sie empfand. Zwar war sie mit der Absicht hergekommen, ein Gespräch zu finden, hatte sich der Hoffnung hingegeben, er würde sie nicht zurückweisen, doch nun wo dem so war und sie es wortwörtlich von ihm zu hören bekommen hatte, wusste sie nichts damit anzufangen.

„Du hast etwas anderes erwartet." Chris, der offenbar verstanden hatte, runzelte die Stirn. Es war der jungen Frau anzusehen, dass diese Ausgangssituation sie überforderte. Leichte Verzweiflung kreuzte ihr Gesicht, bevor sie sich von ihm abwandte und das Gesicht in ihren Händen vergrub, ein erneutes Mal.

„Ja, natürlich!" Casey fuhr herum und starrte ihn an. „Verdammt nochmal, natürlich habe ich etwas anderes erwartet! Ich bin es gewesen, die dich damals verlassen hat. Ich ließ dich im Stich! Ich bin einfach so aus deinem Leben verschwunden und habe mich nicht mehr blicken lassen. Ich habe mich nie bei dir gemeldet, du hast nie von mir gehört und dann stehe ich heute einfach vor deiner Tür und was tust du? Du... du..." Sie brach ab und kniff die Augen zusammen, fuhr sich durch ihr Haar.

Casey rang um Fassung, kämpfte mit Tränen und wusste sich nicht zu helfen. Sie hatte keine Ahnung, was sie am besten tun sollte, oder welche Emotionen sie zu fühlen hatte. Sie wusste nicht einmal, ob es überhaupt richtig war ihm diese Worte vorzulegen.

Das Schweigen erdrückte sie. Niemand sprach, Chris sah sie einfach nur an, schien genauso hilflos zu sein, wie sie sich fühlte. War es Überforderung? Hätte sie sich besser darauf vorbereiten können? War es überhaupt möglich, solch eine Situation vorauszuahnen?

„Warum, Chris? Warum...?" Die Stimme der jungen Frau war zaghaft, brüchig. Eigentlich war es mehr ein Wispern, jenes ihr entwich, doch die Stille in diesem Raum machte selbst ihre Stimme deutlich hörbar. Sie hatte ihren Blick auf ihn gerichtet, fragend, bittend.

Der Herr kam langsam auf sie zu, blieb erst stehen, als er direkt vor ihr war und legte seine Hände auf ihre Schultern. Seine Augen ruhten auf ihr und er schien nicht vorzuhaben, seinen Blick von ihr lösen zu wollen.

„Weil ich dich liebe.", war alles, was er sagte. Casey starrte ihn fassungslos an. Sie öffnete ihren Mund, um etwas entgegen zu setzen, aber kein Laut war zu vernehmen. Stattdessen verschloss sie ihn wieder und eine nachdenkliche Falte bildete sich zwischen ihren Augenbrauen. Sie versuchte zu verstehen, was seine Aussage zu bedeuten hatte. Versuchte die Worte mit der Gesamtsituation in Verbindung zu bringen, aber nichts erschien ihr logisch.

„Aber, wie kannst du...? Ich habe doch-" „-keine Schuld! Casey, es war nicht deine Schuld!" Chris hatte sie unterbrochen, um seinen eigenen Worten Nachdruck zu verleihen. Ebenso verstärkte sich sein Griff an ihren Schultern, jedoch ohne ihr dabei Schmerzen zuzufügen. Je mehr er sich die Zeit nahm, um darüber nachzudenken, desto mehr verstand er, was in dem Kopf der jungen Frau vorgehen musste. Und es machte ihn verrückt, dass sie sich solch einen Irrsinn in den Kopf gesetzt hatte.

„Du hast das einzig Richtige getan. Denk doch mal nach!" Sein Ausdruck wurde ernster, gewissenhafter. Er hatte genug von diesem Unfug, wollte, dass sie endlich ihre Blockade einsah. Sie irrte sich, wenn sie glaubte, ihre Flucht wäre damals ein Fehler gewesen.

Doch die junge Frau schien ihm nicht ganz folgen zu können. Casey konnte einfach nicht verstehen, wie er dies meinte. Was hatte sie übersehen, dass er von etwas ganz anderem sprach? Wieso hatte sie das Ende nicht verschuldet? War es möglich, dass sie Dinge aus der Vergangenheit verdrängt hatte? Sie seufzte wehmütig auf.

„Aber ich bin dir davongelaufen! Wie kannst du da behaupten, ich sei nicht Schuld?", wollte Casey von ihm wissen und löste sich aus seinem Griff, ging an ihm vorbei und setzte sich auf die Couch zurück. Sie konnte nicht weiter stehen, ihre Knie zitterten bereits. Dies war alles viel zu viel für sie, dennoch wurde sie das Gefühl nicht los etwas verpasst – nein, anders gesagt – verdrängt zu haben.

„Wieso bist du denn weggelaufen? Hast du dich das mal gefragt? Du hattest doch gar keine andere Wahl! Ich habe dich dazu gedrängt, mit dem ganzen Scheiß. Sag bitte nicht wir waren glücklich, Casey! Ich habe uns mit meiner Drogensucht und diesen verdammten, nächtlichen Exzessen doch völlig fertiggemacht. Wie oft hast du wegen mir geweint? Warum wohl bist du zu ihm gegangen und nicht zu mir? Wir wissen beide, dass er dir mehr half, als ich. Ich habe ehrlich gesagt nur nie verstanden, wieso du auch zu ihm den Kontakt abgebrochen hattest."

Chris hatte sich zu ihr umgedreht, war ihr jedoch nicht gefolgt. Er hielt Abstand zu ihr ein, weil er spüren konnte, wie es sie belastete. Das Letzte, was sie jetzt brauchte war jemand, der sie in die Ecke drängte. Und er wollte nicht schon wieder diesen Fehler machen, nicht schon wieder.

Casey konnte die Tränen nicht länger unterdrücken. Mit jedem weiteren Detail, dass er ihr offen auf den Tisch warf wie Karten beim Pokerspiel wühlte es den Schmerz der Vergangenheit in ihr auf. Sie schüttelte den Kopf, rieb sich ihre Schläfen und wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte.

Ja, sie hatte verdrängt und das aus einem sehr guten Grund. Alles kam wieder hoch, erinnerte sie an damals, als sie des nachts wach lag und sich die Seele aus dem Leib heulte, aber niemand bei ihr war. Die junge Frau erinnerte sich daran, weshalb sie sich einem anderen Mann zugewandt hatte, doch nicht aus Liebe. Sie hatte einfach nur Halt gesucht, jemanden zum Reden. Doch damit war alles nur noch schlimmer geworden, hatte sie in einen endlosen Strudel geworfen und sie ihres Verstandes beraubt. Sie war bereits halb dem Wahn verfallen, als sie Reißaus genommen hatte. Alles nur wegen dem Ruhm, weil sie mit ihnen verkehrt hatte.

Sie gab einen leidvollen Ton von sich und ihre Lippen erzitterten. Casey begann ihren Körper vor und zurück zu wiegen, gepeinigt von der Wahrheit. Alles nur, weil er die Bilder in ihren Kopf zurückbefördert hatte. Weil er den Schmerz zurückholte, den sie nie zu verarbeiten wusste, einfach nur nach hinten verschob, weg aus den Gedanken, unsichtbar für den Alltag.

„Weil... weil..." Ihre Stimme bebte, während die Tränen ihre Wangen hinabkullerten. „Weil mit Sven alles nur noch schlimmer geworden war. Sie waren überall, verfolgten jeden meiner Schritte. Sie lauerten mir Tag für Tag auf, terrorisierten mich. Ich wurde auf offener Straße beleidigt und beschimpft. Es gab doch gar kein Leben mehr für mich!" Die junge Frau schaute auf, war völlig aufgelöst und umklammerte ihren Körper.

Chris, der sich das Ganze nicht mehr mitansehen konnte, war sofort bei ihr und zog sie an sich ran, schloss sie in seine Arme und lehnte sie an sich, wollte ihr Trost spenden, ihr jenen Halt geben, wozu er damals nicht in der Lage gewesen war. Irgendwie hatte er es erahnen können. Sie war beinahe zu gefasst gewesen, um diesen Wahnsinn von damals wirklich verkraftet haben zu können.

Warum nur war sie überhaupt zurückgekommen? Sie hätte fortbleiben sollen, auch wenn ihn der Gedanke daran schmerzte. Natürlich hatte er sich in all den Jahren gewünscht, sie käme eines Tages zurück. Sie dann jetzt auf einmal wieder vor sich zu haben... Natürlich war er froh, dass Casey wieder da war, aber das hier war doch alles andere als vernünftig. Sie brauchte Hilfe!

„Es tut mir leid! Es tut mir alles so verdammt leid! Bitte... bitte... verzeih mir, Chris, bitte! Ich halte das alles nicht mehr aus.", brachte Casey stotternd aus sich heraus, weinte sich an seiner Seite aus und hatte ihr Gesicht an seine Brust gedrückt, als suchte sie ein Versteck. Die Frau hier neben ihm, die er noch immer mit jeder Faser an seinem Körper liebte war nichts weiter, als nur noch ein elendes Häufchen. Und Chris hatte keine Ahnung, wie er ihr jetzt am besten helfen konnte.

Was brauchte sie? Halt? Jemanden zum Zuhören? Oder sollte er versuchen, sie dazu zu bringen, sich umstimmen zu lassen und eine Therapie zu machen? Hatte sie denn in all den Jahren überhaupt eine gemacht? Hatte sie einen Arzt aufgesucht? Ungewissheit quälte ihn, überforderte ihn genauso, wie sie mit der Situation überfordert war.

„Pssssscht... hör auf dir Vorwürfe zu machen, Casey. Es war nie deine Schuld. Du kannst nichts für das, was man dir angetan hat.", versuchte der Herr sie zu beruhigen und strich ihr sachte den Rücken entlang, ließ sie nicht los. Sie musste sich schon selbst aus der Umarmung lösen, vorher würde er sie nicht von sich wegdrücken. Dafür hatte er sie zu sehr vermisst. Er fühlte sich schuldig, verantwortlich für ihre Lage.

„Ich war nicht für dich da, als du es am Dringendsten gebraucht hättest. Hörst du? Ich bin es, der sich hier zu entschuldigen hat. Ich müsste dich eigentlich um Verzeihung bitten... und nicht andersherum." Chris legte seine Hand an ihre nasse, verweinte Wange und hob ihren Kopf an, damit sie ihn auch wirklich ansah. Er blickte ihr tief in diese wunderschönen Augen, jene ihn immer so verzaubert hatten. „Lass mich dir helfen, Casey, bitte."

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Zugegeben, ich stehe diesem Kapitel etwas kritisch entgegen, aber das liegt an dem Konflikt, der hier Hauptaugenmerk ist und dem Inhalt, der überhaupt dazu führt. Leider sind dies die Dinge, die der schwierigste Part in meinem Leben sind, daher kann ich mit Gewissheit sagen, das die Thematik hier sagen wir zu 50% der Wahrheit entspricht. Nur die Liebesbeziehung ist rein fiktiv, die existierte nie. :)

Aber vielleicht bin ich auch einfach nur unzufrieden, weil ich grundsätzlich sehr kritisch mit mir bin.

Ihr könnt gerne euren Senf dazu geben!

Ich danke, Jezebel

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