Die Hockey-Begeisterte

Es ist Sommer. Es ist heiß. Ich liebe die Wärme, die Sonne, das Meer - doch heute fahre ich in den Winter. Genauer gesagt in die Kühlbox. Handschuhe, gefütterte Stiefel, Mütze, Daunenjacke und Sitzkissen sind fein säuberlich in meine Tasche gepackt. Einmal mehr verlasse ich nach vielen Stunden des Sitzens und Lesens ein Flugzeug auf einem mir bis anhin unbekannten Flughafen: Detroit, Michigan.

Eine freundliche Frau reicht mir meinen Mietwagenschlüssel und wenig später düse ich im brandneuen, schneeweißen Mustang durch die Stadt, in Richtung Miltan University. Das Uni-Gelände ist riesig. In Europa würde man es einen Stadtteil nennen; immerhin hat es die Fläche eines kleinen Dorfes auf dem Lande; es liegt jedoch immer noch in der Stadt. Egal. LilyCattens erwartet mich. Sie ist die wahrscheinlich größte Eishockey-Fan-Frau, die ich kenne, selbst wenn ich sie noch nicht kenne.

Meinen Wagen parke ich vorerst auf dem Besucherparking der Uni. Hier sind wir verabredet; sie wird mich danach zum Stadion lotsen, worüber ich froh bin, denn auf das Navi höre ich grundsätzlich nicht gerne. Damit sie mich erkennen kann, habe ich ihr vom Flughafen noch schnell ein Foto meines Mietwagens geschickt - und da steht sie auch schon, aufgeregt winkend und über beide Ohren strahlend. Damit wir uns begrüßen können, steige ich aus.

"Hi - du musst Christine sein. Schicker Mietwagen! Schön, dass du hier bist."

"Die Raubkatze war nicht im Angebot, so habe ich eben das Wildpferd genommen. Hi Lily, freut mich sehr!"

"Bist du bereit fürs Spiel?", fragt sie sofort.

"Das kann ich dir nicht sagen. Ich war noch nie beim Eishockey. Ehrlich gesagt, mache ich um diesen Sport, und vor allem um diese Typen, lieber einen großen Bogen."

"Ich versuche dich heute vom Gegenteil zu überzeugen. Es wird dir gefallen, versprochen."

Lily lacht, als sie meinen skeptischen Gesichtsausdruck bemerkt. Wir klettern in den Wagen, dann fahre ich los.

Sehr souverän lotst sie mich durch das Verkehrsgewühl. So macht es Spaß, sich in einer fremden Stadt zu bewegen. Ich habe fast das Gefühl, einheimisch zu sein, auch wenn die korrekten Richtungsanweisungen jeweils vom Beifahrersitz kommen.

"Wieso nennst du dich eigentlich Cattens? Ist das der Name unserer Mannschaft heute? Die Miltan-Cattens?"

Zwei blaue Augen mustern mich, der Mund lächelt. "Nein, gar nicht. Wir unterstützen das Uni-Team. Mein 'Nachname' hängt mit Katzen zusammen. Ich wollte etwas, was meine zwei felligen Mitbewohnerinnen widerspiegelt, da bin ich auf diesen Namen gestoßen. Der Nachname existiert tatsächlich und ist nicht von mir ausgedacht. Man kann sagen, meine Tiere haben einen großen Einfluss auf mich. - Und Lily übrigens ist in Erinnerung an mein erstes Haustier, ein riesiges, schwarz-weißes Kaninchen, das zu Beginn größer war als ich. Zumindest wenn sie sich ausgestreckt hat."

"Du magst also Tiere. Ich auch." Auf einer Geraden muss ich kurz einige Langweiler überholen.

"Man hört's. Vor allem die acht starken Pferde, denke ich", lacht Lily von nebenan.

"Nein, nicht nur. Alle Tiere; außer vielleicht die Insekten - die sind oft eher lästig." Wir erreichen das Stadion und ich parke den Wagen auf ein freies Feld. Als ich meine dunkelrote Daunenjacke aus der Tasche nehmen will, winkt Lily ab und kramt in ihrer Tasche rum.

"Halt - das geht gar nicht. Hier sind Shirt und Mütze in der Mannschaftsfarbe Blau. Du bist ein Fan, nicht vergessen." Widerwillig streife ich das viel zu große Shirt über und setze die Mütze auf.

"Gut so?"

"Gut so! Kann losgehen."

Wir stellen uns in die Reihe vor dem riesigen, ovalen Gebäude. Herrlich, wir fallen nicht auf. Hunderte junger und älterer Studenten oder Dozenten tragen die gleichen Shirts wie wir. Es blaut um uns herum wie der Pazifik vor Santa Monica. Die Amis können anstehen. Kein Gedränge, kein Schieben, kein Vordrängeln - viel Abstand mit viel Anstand. Deutsche Fans würden nervös. Dabei geht es so viel schneller. Wir schnappen uns die Tickets und suchen unsere Plätze. Der Geräuschpegel in der Halle ist hoch, von überall her lacht, redet, schreit und ruft es. Einzelne Fans singen schon. In der Mitte über der Eisfläche hängt ein gigantischer Würfel, ähnlich dem Engel im Hauptbahnhof Zürich, aber mit Leuchttafeln und Bildschirmen. Die Farbe Blau dominiert auch auf den Rängen. Das Gelb der Gegner geht verloren.

"Warum hast du dir diesen Platz ausgesucht? Spielst du selbst auch Hockey?"

"Nein, dafür bin ich viel zu zart besaitet. Aber ich liebe es zu den Spielen zu gehen und bin auch regelmäßig hier während der Saison."

"Also doch lieber Schreiben als Schleifen?"

"Unbedingt! In erster Linie macht mir das Schreiben einfach Spaß. Ich liebe es zu sehen, wie eine Geschichte entsteht, manchmal auch ihr Eigenleben entwickelt und die Bindung, die man zu den Charakteren aufbaut, die man erschaffen hat."

"Schreibst du schon lange?" Der Geräuschpegel nimmt zu.

"So richtig damit angefangen habe ich eigentlich erst vor zweieinhalb Jahren. Ich habe bis ich etwa vierzehn Jahre alt war sehr viel gelesen und auch mal hin und wieder etwas geschrieben. Das aber immer eher in einer vergleichbaren Länge mit einem Schulaufsatz und auch nur selten. Danach sind viele Jahre gefolgt, in denen ich nur noch sehr sporadisch gelesen habe und geschrieben sowieso gar nicht. Ich weiß selbst nicht so genau, wie es dazu kam, aber plötzlich habe ich das Lesen wieder für mich entdeckt und damit kam auch die Idee etwas zu schreiben. - Schau, die Spieler kommen auf das Feld!" Lily strahlt unter ihren langen, braunen Haaren. Die Menge johlt und kreischt. Auf dem Feld bewegen sich die gepolsterten Spieler flink wie die Eisvögel. Dann stellen sie sich ordentlich hin. Nach der Hymne gibt der Schiedsrichter das Startzeichen.

Viel lauter als vorher kann Lily nun ihre Auskunft noch beenden. "Meine Texte aus der Kindheit habe ich nicht mehr. Ich bin mir ehrlich gesagt gar nicht so sicher, ob ich die nicht vielleicht nur auf einen Zettel geschrieben habe. Das erste Buch, das ich jemals geschrieben habe, ist auf meinem Profil unter dem Titel «Alles, was ich brauche» zu finden. Lies mal rein."

"Werde ...", weiter komme ich nicht. Es hat bereits ein Tor gegeben. Die Menge jubelt, Lily steht auf und singt mit. Das hat tatsächlich eine eigenartig ansteckende Energie, dieses Eishockey.

"Jetzt weiß ich auch, weshalb du über Hockey schreibst", lache ich.

"Ah nein, die Idee zur Miltan-University-Reihe kam mir letztes Jahr im Frühling. Es war die Zeit, dass man nach Corona wieder recht uneingeschränkt zum Eishockey gehen konnte. Es liefen gerade die Play-offs und ich war fast jede Woche in Frankfurt bei einem Spiel. Dabei kam mir die Idee, Eishockey in meine Bücher einzubauen. Außerdem wollte ich mal gerne etwas an einer Uni schreiben, was ich zu dem Zeitpunkt noch nicht hatte. Dadurch ist die Miltan-University-Reihe entstanden, die ursprünglich tatsächlich gar nicht als Reihe geplant war. Jedes Buch folgt zwei anderen Hauptprotagonisten, die bei Teil zwei und drei aber auch bereits aus Teil eins bekannt sind. Die Reihe spielt an der Miltan University und die männlichen Protagonisten gehören alle dem Eishockeyteam an."

"Gibst du deinen Büchern deswegen englische Titel?"

"Ja genau. Bei der Miltan-University-Reihe liegt es daran, dass es alles Begriffe aus dem Eishockey sind, die Englisch sind. Bei den anderen Büchern ist es ein Abwägen, wie sich der Titel besser und passender angefühlt hat. «Despite All»-Reihe klang für mich eingängiger als «Trotz aller»-Reihe. Das ist aber wirklich immer abhängig vom Buch. Es ist nicht so, dass ich das eine über dem anderen präferiere."

Das erste Drittel ist vorbei. Wir liegen in Führung. Lily holt uns Hotdogs und Cola. Auf dem Bildschirm des Würfels werden Paare aus dem Publikum angezeigt, umrahmt von einem Herz und dem Wort 'Kiss'. Wenn das Paar sich küsst, jubelt die Menge. Hübsche Variante des Pausenclowns. Lily setzt sich wieder.

"Da, probier! Schmeckt lecker!"

Sie hat recht - der Hotdog ist ein Genuss. "Ist das dein bevorzugtes Essen? - Sorry, ich habe das Shirt bekleckert."

Lily lacht. "Halb so wild. - Nein, ich habe kein Lieblingsessen, es wechselt meistens danach, auf was für eine Geschmacksrichtung ich gerade Lust habe. Asiatisch, Lateinamerikanisch, Italienisch, ... Wenn ich mich für eins entscheiden müsste, wäre es vermutlich die asiatische Küche. Thailändisch, Vietnamesisch, Chinesisch ... liebe ich alles. Hauptsache es ist vegan."

"Dieser Hotdog ist vegan?" Ich staune sie an; das hätte ich nicht erwartet.

"Jap! Gut, oder?"

Die Spieler sind wieder auf dem Feld, das Spiel geht weiter. Schon kurze Zeit später können die Gäste ausgleichen. Jetzt kommt Bewegung in die Sache. Sie spielen so schnell, dass ich den Puck nicht mal sehen kann. Als die Menge wieder jubelt, steht es auch schon zwei zu eins für uns.

"Du bist noch nicht so lange auf Wattpad und hast schon mehr als achthundert Follower. Wie wichtig sind sie dir?"

"Ohne sie, hätte definitiv viel weniger Spaß daran. Vermutlich würde ich auch viel weniger schreiben. Ich versuche, meine laufenden Geschichten sehr regelmäßig zu updaten und auch immer darüber zu informieren, wie es auf meinem Profil weitergeht. Außerdem bemühe ich mich, auf Wünsche einzugehen, wie u.a. durch kleine Umfragen in meiner Story bei Instagram. So ist zum Beispiel das Bonuskapitel bei «Biscuit in the Basket» entstanden. Ich habe gefragt, zu welcher Geschichte sich ein Bonuskapitel zu Weihnachten gewünscht wird und das Buch hat die meisten Stimmen bekommen."

"Heißt das, du schreibst im Auftrag und nicht, was dir Spaß macht?"

"Du kannst Fragen stellen! Grob kann man sagen, dass ich in den Bereichen schreibe, die ich auch gerne selbst lese. Ich brauche eine Liebesgeschichte und ein Happy Ending. Danach zu gehen, was gerade populär ist und eine Geschichte nur deshalb zu schreiben, stelle ich mir schwierig vor. Wenn ich zum Beispiel versuchen würde, eine Dark Romance zu schreiben, wäre das zu einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit eine ziemliche Katastrophe, weil es mir einfach nicht entspricht. Egal, wie populär dieses Genre ist, das würde wirklich niemand lesen wollen. - Apropos lesen: Was suchst du eigentlich in den Geschichten, die du liest?"

"Das hat mich FleurDeCel auch schon gefragt ..." Jubel unterbricht mich. Es hat ein weiteres Tor gegeben.

"Na gut, dann halt was anderes: Wie bist du auf Wattpad gekommen? So als Lesende?" Sie lässt nicht locker.

"Ich kam durch einen sehr engen Freund auf Wattpad. Für meine Tätigkeit ist es zudem schön, gute Geschichten lesen zu können und mir zu überlegen, ob das Buch Erfolg haben könnte oder nicht. - Was mich jedoch interessieren würde: Wieso schreibt Lily Cattens auf Wattpad?"

Sie überlegt kurz. "Als ich mein erstes Buch vor etwas mehr als zwei Jahren beendet habe, wusste ich erst einmal nicht, was ich damit anfangen soll. Dann bin ich auf Wattpad gestoßen und habe mich dort angemeldet. Natürlich ist es am Anfang wirklich schwierig. Umso dankbarer bin ich allen, die damals einem komplett unbekannten Profil eine Chance gegeben haben. Die direkte Interaktion am Text über die Kommentare macht nicht nur Spaß, sondern ist auch unglaublich hilfreich, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es auf andere wirkt. Ich schreibe allerdings nicht nur auf der Plattform, sondern lese auch gerne. Es gibt so viele tolle Geschichten zu entdecken."

"Würdest du deine Geschichten gerne im Buchladen sehen?"

"Es ist immer schwer zu sagen, was in der Zukunft sein wird, aber das eine schließt zum Glück das andere nicht aus. Es wäre sicher cool irgendwann mal das eigene Buch, in gedruckter Form, in der Hand zu halten, aber ich glaube, mir würde auch etwas fehlen, wenn ich gar nicht mehr auf Wattpad schreiben würde."

Das zweite Drittel ist um und wir schlendern zum Kaffee-Stand.

"Sag, wie viel Lily steckt in deinen Protagonistinnen. Ich habe dich als fröhliche, unternehmungsfreudige Frau kennengelernt."

Wieder lacht sie. "Danke. Ich bemühe mich positiv durch das Leben zu gehen, habe in der Regel gute Laune und lache gerne. Das klappt natürlich nicht immer und insbesondere, wenn ich wegen etwas nervös oder aufgeregt bin, kann ich mich da ganz schön reinsteigern. Im Allgemeinen würde ich sagen, agiere ich eher bedacht. Neues ausprobieren, tue ich trotzdem sehr gerne. Ich denke bloß vorher darüber nach, ob ich das wirklich will. Wie viel davon in meinen Protagonistinnen steckt? Puh, das ist eine schwierige Frage. Einiges und dann auch wieder nicht. Mal würde ich auch so handeln, denken, fühlen, mal auch wieder überhaupt nicht. Unterbewusst lässt man natürlich immer Vorlieben oder Abneigungen einfließen, aber zu sehr würde ich mich auch nicht wiedererkennen wollen, weil das auch irgendwie seltsam wäre."

"Stimmt. Wer will schon viel von sich lesen. Von wem würdest du denn gern lesen - zum Beispiel so ein Gespräch hier?"

"Da muss ich nicht lange überlegen. Ich würde gerne mehr von violetcrow_ lesen. Ihre Geschichte «Verknallt in einen Gott?!» gehört zu meinen absoluten Lieblingen hier auf Wattpad."

"Das klingt spannend, muss ich mir ansehen!"

Wir gehen wieder rein und beobachten das letzte Drittel. Wir jubeln, schreien, singen, als würden wir in unserer Freizeit nie etwas anderes tun. Unsere Mannschaft gewinnt am Ende mit acht zu fünf Toren. Dazwischen hat Lily mir noch verraten, dass sie ihre Covers selbst gestaltet und auch daran viel Freude hat.

Ich bringe sie nach dem Spiel noch heim. Danach brause ich weiter in Richtung der Großen Seen, denn ich habe noch einige Tage frei. Das Spiel hat mir tatsächlich gefallen - fast so gut wie das Cruisen mit meinem Mustang am Ufer des Michigan Sees.

***

Das wars mal wieder. Ein spannendes Gespräch mit einer spannenden Frau. Vielen Dank für den tollen Einblick.

Ich hoffe, ihr habt tüchtig mitgefiebert und für die richtige Mannschaft gejubelt. Wer die anderen waren? - Who cares?

Wie oft, lasse ich meinen Gast die letzten Worte sprechen.

"Danke für dieses tolle Interview. Es hat Spaß gemacht und ich bin ganz gespannt, all die anderen Interviews in deinem Buch zu lesen. Danke dir natürlich auch für die ganze Mühe, die du hineinsteckst und die kreative Ausgestaltung. Das ist wirklich Klasse!"

Nun denn - Danke zurück.

Liebe Grüße - Eure Lesende

p.s. Die Miltan University ist fiktiv.


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