Die Bibliothekarin

Ein Theaterbesuch mit drachenelfe

Es gibt Gerüche, die speichern sich in unser Gedächtnis wie Bilder, die dazugehörigen Bilder wie Geräusche und die Geräusche wie Gefühle. Es sind die unauslöschlichen Imprints unseres Gehirns. Ich stelle sie mir wie Wellness-Badewannen für die Seele vor. Wann immer es mir schlecht geht, lege ich mich in eine solche Wanne und erfinde mich neu. Ich habe viele solche Gerüche in mir: Eine verstaubte Bibliothek. Eine riesige Kirche. Die kleine Bäckerei an der Ecke. Ein Oldtimer von innen. Salzwasser an der Küste. Verbrannter Diesel (ja, das mag euch nun erstaunen ...). Ein frisch gedrucktes Buch. Ein Weinkeller. Die Liste ist lang.

Einer dieser Gerüche umgibt mich heute. Es ist nicht Wien, nein, es ist Leopoldschlag, Oberösterreich. Aber es ist nicht die Ortschaft, die mir ein Bild, viele Geräusche und den entscheidenden Geruch liefert, nein, es ist das Theater. Schwere Vorhänge aus dickem Stoff. Die Holzbühne, welche nur wenige Tage im Jahr benutzt wird und dennoch so viel zu erzählen hätte. Die Grenzlandbühne hat einen abgenutzten, schwarzen Bühnenboden, dem man die Benutzung ansieht. Es ist neun Uhr morgens an einem Samstag. Die meisten Menschen schlafen. Ich stehe auf der Bühne, vor mir liegt der Saal mit den Polsterstühlen, den Etagen und den Gängen.

Auf der Bühne sehe ich eine Drehscheibe, in den Boden eingelassen. Da sind bunte Klebemarkierungen in Kreuzform am Boden, die von vergangenen Aufführungen zeugen. Schwarze, schwere Vorhänge hängen an den Seiten und teilen den nichteinsehbaren Teil der Bühne, der in die Tiefe geht in Gassen.

Schritte lassen mich aufhorchen. Eine zierliche Gestalt schreitet selbstbewusst durch den Hauptgang auf die Bühne zu. "Hey! Du bist schon da?"

"Ich war zu früh und die Türe war nicht versperrt. Ich mag die Stimmung so ganz alleine im Theater, entschuldige."

"I wo, kein Ding. Hi Christine! Schön, dass wir uns hier treffen können." Sie steigt zu mir auf die Bühne.

"Hi Drachenelfe, ich bin sehr froh über diesen Ort, also danke ich dir. Er weckt viele Erinnerungen."

Erneut lasse ich den Blick schweifen.

Rechts von uns gibt eine große Holzplattform, auf der Hüte, Glasflaschen, Theatergeld, ein Spiegel und Skripten von früheren Stücken liegen. Hinter uns gibt es eine kleine Treppe, die von einem weiteren Vorhang verdeckt wird, der Vorhang bildet mit der Wand einen schmalen Gang, in dem noch eine Fakepflanze vom Stück von vor zwei Jahren steht. Links in der Ecke stehen mehrere Holzstühle und schwere, schwarze Decken liegen darauf und darum herum. Weiter an der linken Wand entlang sind Drahtseile und zwei Seilwinden mit Hebel angebracht und Sandsäcke liegen als Beschwerergewicht teils auf den Vorhängen, teils an der Wand. Ein kleiner Vorsprung führt die Wand entlang und ein einzelner Bierkrug, sicher ein Requisit, steht dort neben den Seilen.

Wenn wir den Blick heben, hängen dreireihig an Stangen verschieden große Scheinwerfer in alle möglichen Richtungen gedreht, manche schauen uns in der Mitte sitzend an, manche gehen schräg hinter uns oder sind ganz von uns weggedreht, sie sind nicht aufgedreht. Ein einsamer Sessel steht auch rechts bei der Holzablage mit einer Stehlampe.

Wir setzen und auf den Boden, am Bühnenrand. Es ist kühl und riecht ein wenig muffig und Staub tanzt im Morgenlicht, das durch schmale Fenster hoch oben fällt, das Holz der Bühne knarzt, deswegen müssen wir auch leise und leicht auftreten, wenn wir keinen Lärm machen wollen oder wenn wir vollen Eindruck machen, fest auftreten, dann poltert es so richtig. Es ist keine Kulisse aufgebaut, weil gerade keine Proben- und Aufführungsphase ist.

"Wieso hast du dir ausgerechnet diesen Ort für unser Treffen ausgesucht?"

Sie lächelt verschmitzt. "Ursprünglich wollte ich dich wählen lassen, ob wir in das Amateurheater gehen, zu dem ich gehöre oder in das Innere meines Rucksacks, aber ich habe mich doch zu einer Entscheidung durchgerungen und es wurde das Theater, aber mein Rucksack ist als steter Begleiter dabei." Wie zur Demonstration stellt sie ihren großen, dunkelbraunen und fleckigen Lederrucksack, der schon sehr mitgenommen aussieht, auf die Bühne. "Er ist ein wenig wie Mary Poppins Tasche, weil da oft die wichtigsten Teile, die nicht Menschen sind und welche ich im Leben brauche, drin sind", erklärt sie dazu.

"Das Innere deines Rucksacks wäre bestimmt auch spannend geworden", sinniere ich. "Er passt so gar nicht zu deinem bunten Outfit." Ich betrachte sie, sehe die Federn der Armkettchen, den Delfin, die Silberkettchen und das Tattoo. "Träum groß?", frage ich.

"Ja! Träume bewegen uns. Ich bin eine extrovertierte Introvertierte. Ein Widerspruch in sich, das sagt schon mein Name."

"Genau. Wie kommst du ausgerechnet auf diesen Namen?"

"Puuh, das ist so lange her, keine Ahnung, war so vierzehn, denke ich und zu der Zeit stand ich auf mystische Bilder mit Elfen und Drachen oder generell auf diese beiden Sachen und hab sie dann zu einem Namen kombiniert, was ich gern tue und auch so faszinierend an der deutschen Sprache finde, dass du einfach neue Worte kreieren kannst durch Aneinanderreihung. Vielleicht habe ich auch die Drachenelfe von Bernhard Hennen da gerade begonnen? Aber zurück zu den Träumen. Christine, bist du eher eine Träumerin oder Pragmatikerin? Also verfolgst du eher Träume, die du dir schon erfüllen wolltest, auch wenn es nicht ganz so sicher ist oder länger braucht zu erreichen, beziehungsweise mehr Arbeit / Aufwand bedeutet, aber du hättest am Ende diese Zufriedenheit der Traumerfüllung? Oder gehen dir Sicherheit und das Gefühl von "okay, ich hab' kleine Freuden und die machen mich irgendwo auch zufrieden, aber füllen mich nicht komplett aus" vor?"

Mit einer Gegenfrage gleich zu Beginn des Gesprächs habe ich nicht gerechnet. Ich blicke in den leeren Saal, dann der kurzhaarigen Brünetten ins grinsende Gesicht. "Ich bin eine Träumerin, das ist sicher. Ich bin aber auch pragmatisch genug, nicht wirren und realitätsfremden Träumen nachzurennen. Wie du schon sagtest: Träume halten uns in Bewegung. Das muss für den Moment genügen, die Hauptperson dieses Stücks hier bist du - nicht ich. Warum also das Theater als Treffpunkt?"

"Ich liebe es auf der Bühne zu stehen und zu spielen, aber meine eigenen Texte vorzutragen oder vor einer Menge zu reden, ist immer recht schlimm. Ich war früher eine richtig chaotische Tagträumerin als Kind und musste mir dann in der Schule extreme Struktur und Disziplin anlernen, sodass jetzt eine gewisse Ordnungsliebe und Grundübersichtsbedürfnis da ist und ich mit chaotischen und unstrukturierten Menschen nicht zurechtkomme. Aber in gewissen Teilen meines Lebens - beim Schreiben und mit meinen engsten Vertrauten - habe ich mir das Verträumte und in meiner Wohnung das Chaotische erhalten."

"Schreibst du schon lange?"

"Ich habe damit ganz klischeehaft angefangen; seit ich es in der Schule gelernt habe, da waren es kleine oft unfertige Geschichten, die ich nicht mehr habe, sind wohl dem Feuer zum Opfer gefallen, als wir die Schulhefte der Volksschule entsorgt haben. An eine erinnere ich mich, da ging es um einen Teppichflieger namens Rasmus, der mich in seine fantastische Welt entführt hat.

Kurz darauf entstand die Geschichte einer fantastischen Abenteuergeschichte von fünf Personen, die irgendeinen Schatz gemeinsam besorgen müssen. Die absoluten Anfänge habe ich nicht mehr, aber doch noch recht viele der früheren-späteren Versionen, in denen es einen voyeuristischen Baummenschen gab, der mit einer Kristallkugel seine Gefährten gestalkt hat." Sie lächelt dabei und schüttelt den Kopf.

"Und wie muss oder darf ich mir eine schreibende Drachenelfe vorstellen?"

"Meine Ideen und Rohfassungen schreibe ich mit Füllfeder in Notizbücher, habe schon einen Stapel voll und bin irgendwie sehr stolz, weil sie aussehen wie von einer verrückten Wissenschaftlerin - an denen sieht man noch die Chaotin in mir, weil Ideen kreuz und quer stehen, auch mal den Fließtext einer Geschichte unterbrechen, viel durchgestrichen ist oder mit Sternchen woanders hin verwiesen wird.

Diese Rohfassungen schreibe ich fast überall, weil das Notizbuch immer mit ist, im Zug, im Café, zuhause am Schreibtisch, im Park auf einer Bank, der Bücherei

Abgetippt wird es dann meist auf meinem Laptop am Schreibtisch in meiner Wohnung oder auch in der Bücherei, mit dem Abtippen kommt auch mittlerweile gleich die Überarbeitung mit dazu, was es für mich so ganz praktisch macht, auch wenn das für viele vielleicht umständlich wirken mag."

"Stimmt, du bist ja Bibliothekarin - oder besser gesagt, ausgebildete Buchhändlerin. Wir sind quasi Kolleginnen. Welche Bücher sind dir die liebsten?"

"Vom Genre her könnte ich keines wirklich sagen. Vom größeren Rahmen sind mir fiktionale Geschichten schon meist lieber als faktuale, also Romane vor Sachbüchern oder Ratgebern, aber da ist es auch kein Grundsatzprinzip oder eine generelle Abneigung gegen die Art der Bücher.

Ich weiß nicht, ob das zu vage ist, aber die Bücher, die mir in einer bestimmten Lebensphase etwas geben - sei es genau das, was ich gesucht habe wie Eskapismus, Wohlfühlatmosphäre oder die, die mich voll überrascht haben und etwas in mir angesprochen haben, das ich gar nicht wusste, bestätigt oder erkundet zu haben.

Bücher, die mich emotional berühren und zum Weinen oder zum Lachen bringen, was zwar nicht so schwer ist, aber für mich dennoch ein Garant. Dadurch ist das aber auch ein weites Spektrum von anspruchsvollerer, nachhaltig klingender Lektüre zu der schnellen, vorhersehbaren Liebesromanze. Nur mit Thriller oder Horror kann ich meist nichts anfangen."

"Dann lass uns doch über deine eigenen Bücher reden. In deinem Buch 'Thekenmädchen' sprichst du von einem Spin Off zu 'Pandora' - Leider erwähnst du nicht, welches 'Pandora' du meinst. Es gibt einige Bücher mit diesem Namen, angefangen beim lieben, alten Goethe. Man könnte aus deiner Beschreibung meinen, es sei eines deiner eigenen - doch da erscheint keines. Also: Von welchem Buch ist 'Thekenmädchen' ein Spin Off?"

"Von meinem eigenen Werk, das ich runtergenommen habe, weil es für mich so viele Schwächen hatte und ich auch ein paar Jahre Pause von Wattpad gemacht habe, als mein damaliger Kreis zerbrochen ist, auch weil ich da kaum noch aktiv war zu der Zeit. Da habe ich all meine Werke zurückgenommen und jetzt beim Wiedereinstieg halt Thekenmädchen wieder veröffentlicht ohne Korrekturen, weil, obwohl es auch viele Schwächen hat, aber schon mehr zeigt von der Richtung, in die ich schreiben will. Es zeigt, was für eine Welt ich denn da erzählen will.

Zu Pandora selbst: die Idee, die Geschichte gibt es schon ewig, auch um die Zeit, als ich vierzehn war und mich noch sehr im Schreiben beeinflussen ließ, von dem was ich las.

Grob und sehr kurz gesagt, obwohl es auch ein langes Werk ist, ist es die Geschichte, wie es zur Zweiten Großen Stille kam, also zu dem Zustand der „Sprachlosigkeit", der das Setting von Thekenmädchen spielt. Der Antagonist war der Magier, der die geschriebene und gesprochene Sprache gebannt hat, am Ende des Werks als Reaktion auf einen emotionalen Tiefschlag.

Vordergründig geht es um zwei ehemalige Adelstöchter - Pandora und Indira - denen zu Beginn alles genommen wird von ihrem Kindheitsfreund, ebenjenem Antagonisten, als der den König ermordet, um sich selbst zu krönen. Sie werden verstoßen, ihr Vater ermordet und ihre Mutter gefangen genommen. Daraufhin flüchten sie und landen im Armenviertel, wo sich Pandora als Dieb einen Namen macht und nach Einbrüchen in den Palast als 'das Phantom' bekannt wird, das Schätze stiehlt, um den Armen zu geben. Dabei versucht sie, Rachepläne zu schmieden, um den Kindheitsfreund zur Strecke zu bringen, nebenbei will sie ihre Schwester vor allem Bösen beschützen.

Irgendwann treffen sie auf zwei 'Brüder', die sich ihnen anschließen, der eine stellt sich als legitimer Erbe des getöteten Königs heraus, der als verschollen oder tot galt.

Der andere war nicht wirklich sein Bruder, sie sind nur im Waisenhaus aufgewachsen. Mit der Hilfe der beiden infiltrieren sie den Palast und kommen dem jetzigen König auch ganz nah. Davor sterben viele wie die Schwester Indira, ein väterlicher Freund und noch mehr. Pandora opfert sich als Ablenkung und ihre Hinrichtung soll auch der Todestag des Kindheitsfreundes sein. Es geht alles schief, Pandoras Mutter stirbt, Pandora auch und der König lässt diesen Sprachzauber los und flieht.

Es hätte vermutlich Potenzial, wenn es nicht so klischeehaft wäre und obwohl ich mich der Geschichte zwar etwas schäme, hat sie auch einen besonderen Platz in meinem Herzen, weil mit ihr alles gestartet hat. Also kann auch noch nicht sagen, ob es je zu Wattpad oder gar in den Buchhandel kommt. Zum jetzigen Zeitpunkt glaube ich das eher nicht, aber ich kann die Zukunft nicht vorhersagen und mein Leben hat sich und mich auch oft genug schon verändert und das in kürzester Zeit, dass ich nichts ausschließen kann."

"Da sprichst du eine Veröffentlichung an. Möchtest du das denn?"

"Ja, ich spiele immer wieder mit den Gedanken, setze mir das Ziel etwas so weit zu bringen, es an einem Verlag zu schicken, aber scheitere dann an Selbstzweifel und der Beendigung der Korrekturen und Überarbeitung. Meine kurzen Sachen nimmt kein Verlag wirklich in die Auswahl und für Selfpublishing fehlt mir das Geld.

Ein, zwei Kurzgeschichten in Anthologien einer Selfpublisherin, sonst habe ich mal für mich und die Familie meine Texte in einen Sammelband getan und bei der Druckerei meines Vertrauens drucken lassen, aber das ist streng genommen keine Veröffentlichung."

"Doch, das ist es. Man muss einfach mehr Eigeninitiative mit einbringen, sprich mehr Arbeit investieren. Die Auflage ist in deinem Fall bloß etwas kleiner. Wie bist du denn zu Wattpad gekommen?"

"Auch schon sehr lange her, so genau weiß ich es nicht mehr, wohl mit vierzehn oder fünfzehn, als ich eine Plattform suchte, meine Texte mit Gleichgesinnten zu teilen und generell andere Schreibende zu finden, denn in meinem Schulfreundeskreis damals schrieb keiner oder teilte meine Interessen des Lesens groß.

Irgendwie bin ich dann über Wattpad gestolpert, war lange Zeit treu dabei, hatte auch in der Schulzeit einen richtigen Updateplan, aber in späteren Jahren hat mich das nur zusätzlich gestresst und ich hatte schon genug Stress und Druck rund um mich, da sollte Schreiben befreit davon bleiben.

Dann hatte Wattpad ein paar Probleme und mein damaliger Follower-Freundeskreis hier hat sich verabschiedet und ich ging mit, auch weil ich in der Zeit kaum geschrieben habe. Dann war ich ungefähr eineinhalb Jahre ganz weg, bis mich eine Arbeitskollegin im Gespräch wieder draufgebracht hat und deswegen bin ich zurück und finde mir jetzt neue Leute, auch wenn ich nicht mehr so fleißig lese wie früher. Wenn es nicht gerade für einen Wettbewerb oder Buchclub ist, weil ich das auf dem kleinen Bildschirm meist nicht mehr so aushalte."

"Ich mache fast nichts am Handy. Sogar am Laptop habe ich einen zusätzlichen, großen Bildschirm; es ist angenehmer und entspannender. Du sprachst von deinem Freundeskreis. Sind dir die Follower so wichtig wie Freunde?"

"Hmm, irgendwie sind sie mir wichtig und irgendwie auch nicht. Ein paar wenige, mit denen ich im Austausch stehe, bei denen ich auch bei ihren Geschichten vorbeizuschauen versuche, sind mir wichtig. Da freue ich mich auf ihre Kommentare und nehme ihr Feedback ernst, auch wenn die Umsetzung immer dauert. Die sind mir wichtig und da versuche, ich eben das zurückzugeben, was sie mir geben. Aber bei anderen darüber hinaus, ist es oft dann so, dass ich von zu vielen Nachrichten, Input oder Aktionen überfordert bin und mich eher zurückziehe von Social Media.

Manchmal überkommen mich zwar Tagträume wie es wäre, ganz viele Follower zu haben und so eine Art Influencerin hier zu sein, aber die verwerfe ich sehr rasch, weil mich das nur stressen und überfordern würde. Da habe ich es lieber klein, aber fein."

"Ist auch nicht mein Ding, das Große. Ich bin auch lieber im Hintergrund."

Sie lächelt und klatscht mit der Hand auf die Bretter. "Oh, versteh mich nicht falsch, wie ich vorhin schon sagte, mag ich die Bühne. Aber ich bin eine extrovertierte Introvertierte, das sagt ja schon mein Name. Ich kann nur spontan sein, wenn ich es zuvor plane, obwohl das schon besser geworden ist.

Wenn du mich so träfest, glaubst du vermutlich, ich bin lieber allein, weil ich so gut wie alles meist allein mache - reisen, leben, essen, ... - aber bin schon eine, die Menschen von Grund aus mag und interessant findet und gerne neue Leute kennenlernt und neugierig ist. Aber von zu vielen Menschen auf einen Haufen bin ich schnell überfordert."

Die Aussage mit dem geplanten Spontansein hat es mir irgendwie angetan, so dass ich darauf Bezug nehmen muss. "Dein Roman 'Thekenmädchen' trägt den Tag 'Kurzgeschichte' - das klingt für mich nicht sehr geplant."

Sie lacht und lehnt sich auf der Bühne etwas zurück, stützt sich mit den Armen ab. "Ich bin beim Schreiben generell eher eine Bauchschreiberin als Planerin, und zwar habe ich mittlerweile eine Mischung aus beidem, aber die Entstehung von Thekenmädchen war noch komplett aus dem Bauch heraus und es wuchs und wuchs wie ein Baby.

Ja, Thekenmädchen war anfangs als kurzer Ausflug nur für mich gedacht, einerseits um die Welt Pangea, die ich da in Pandora kreiert habe, zu erkunden mit den verschiedenen Arten der Kommunikation und andererseits sollte sie ursprünglich nur so episodisch eine kleine Romanze erzählen; inspiriert von einem Lied, das mir zufällig vorgeschlagen wurde, das auch titelgebende war. Verschiedene Völker sollten ihren Auftritt darin haben. Aber irgendwie wuchs die Geschichte mehr und mehr, hat sich auch mehr von dem Lied entfernt, genauso wie die Welt und meine Ideen zu anderen Geschichten in ihr. Und dann hatte ich mehr als vierzig Kapitel und hab das nie geändert mit der Kurzgeschichte.

Als Beispiel so einer Idee, die wuchs und zu lesen ist, meine Geschichte 'Wandernde Sucher', da geht es um mein Wasservolk Pangeas, die vom Namen angelehnt sind an Nymphen, von der Lebensart an Seepferdchen und Abenteurer-Piraten, auch wenn sie wie Menschen aussehen. Die Protagonisten daraus haben auch einen Gastauftritt in 'Thekenmädchen'. Aber wenn ich davon jetzt noch erzählen würde, wäre das zu umfangreich."

"Du hast eine unendlich scheinende Fantasie. Gibt es von dir demnächst einen Fantasy-Roman?"

"Einen Fantasyroman nicht gerade, aber ich habe etwas Kürzeres in Planung, im Entstehen - eine Geschichte in Briefform eine Art Mashup-Retelling einer arabischen/persischen tragischen Liebesgeschichte, gemischt mit den Märchen 'Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen' und 'Die drei Schwestern mit den gläsernen Herzen'.

Es ist schon lange in Planung, dass ich mich an die Überarbeitung von 'Thekenmädchen' setze, und es wär alles schon bereit, nur dranbleiben müsste ich.

Sonst sind auch noch einige Ideen für Romane in mir, ja, aber die sind alle angesiedelt in dem Pangea-Sprachlosuniversum und da brauchte ich längere Zeit Abstand, weil ich keine Freude oder Neugier mehr drauf hatte, aber die kehrt langsam zurück. Jetzt muss ich mich nur wieder drüber trauen, länger zu schreiben, wobei das dranbleiben das Problem ist und gefühlt ist das Beenden von Thekenmädchen erst grad passiert und schon wieder zu lange her, dass ich glaub, es verlernt zu haben, was Langes zu schreiben."

"Sowas verlernt man nicht. Warum schreibst du eigentlich?"

"Friederike Mayröckere - eine österreichische Schriftstellerin - hat es in ihrem ersten Werk 'Larifari' schön ausgedrückt: „Ich lebe ich schreibe", wobei die fehlende Interpunktion Absicht ist und ich bin zwar nicht so alt, wie sie es geworden ist oder hatte nie eine Schreib- oder Sinnkrise oder lebe als Schriftstellerin, wie sie es getan hat, aber ich war mir immer bewusst, in irgendeiner Form kann ich auf das Schreiben zurückgreifen, es ist da, sei es in der Form von nachdenklichen Gedankenauszügen, endloser Liste an Fragen an mich und die Welt zum Gedankenordnen oder Poetry Slamtexte oder Fantasiewelten in Prosaform."

"Du schreibst doch an einer Liebesgeschichte in Wien. Was verbindet dich mit eurer Hauptstadt?"

"Ich wohne derweilen noch dort, seit viereinhalb Jahren. Ich bin ursprünglich zum Studieren aus meinem Kaff dorthin gezogen. Seitdem hat sich die Studienrichtung, meine Arbeit dort, mein Wohnort zweimal geändert und jetzt ist wieder alles im Umbruch, weil ich bald wegziehe."

"Wenn du einen eigenen Verlag hättest, wie würdest du die Manuskripte auswählen?"

"Das ist eine gute Frage, vermutlich müsste ich mir extra jemanden anstellen, der mich immer dran erinnert, dass wir genug verkaufen sollten, um weiter veröffentlichen zu können, denn sonst würde ich auf die Themen und Autor*innenstimmen gehen, die vielleicht sonst eher im Großwalddschungel der Buchwelt untergehen würden. Gib mir im Fantasybereich andere Mythologien, andere Märchen und Kulturen auch außerhalb eines eurozentristischen Raumes, die noch nicht so viel Repräsentation haben, gib mir Liebes- oder Freundschafts- oder Familiengeschichten, die nicht in das Raster einer heteronormativen Weltanschauung passen, aber diese auch nicht ablehnen oder schlecht reden, aber dennoch Missstände aufzeigt, aber gib mir auch einfach gemütliche Wohlfühlgeschichten, die nur eine gute Atmosphäre und ein gutes Gefühl machen, ohne den Anspruch, die Welt verändern zu wollen."

"Wenn du das gut kombinierst mit einigen Büchern für den Mainstream, könnte das durchaus etwas werden."

Wir beschließen, im Ort noch einen Tee trinken zu gehen und verlassen die Bühne. Draußen drehe ich mich noch einmal um und betrachte das lindgrüne Gebäude. Knapp unter dem Dachgiebel sehe ich einen schönen Schriftzug „Grenzlandbühne Leopoldschlag" und zwei Theatermasken gezeichnet. Eine Parkfläche mit überdachtem Holzgestell für zwei Parkplätze, rechts daneben steht ein großer, in der Mitte zersprungener Hinkelstein, der von einer riesigen Stahlkette zusammengehalten wird.

Gleich links daneben liegt ein Spielplatz einer Volkschule, dort gibt es ein Schaukelgestell unter einem Kastanienbaum. Zur anderen Seite wird das Theater, das auch den Turnsaal dieser Volksschule beherbergt von einer wilden Wiese mit steilem Aufgang begrenzt. Die Gräser wachsen hoch und die obere Grenze wird im Sommer von einem Elektrozaun abgetrennt. Es ist ein typisches kleines Dorf mit seinen interessanten Bewohnern und Geschichten.

***

Wow, was für eine interessante Persönlichkeit. Eine fantasievolle, junge Frau; voller Ideen.

Das war ein sehr spannender Theaterbesuch; ich hoffe, für euch auch.

Drachenelfe hat mir beim Tee verraten, dass sie gerne mehr von goldensnich23 erfahren möchte. Ein Name mehr auf der Warteliste.

Das letzte Wort gehört nun wieder meiner Gesprächspartnerin.

"Die anderen vor mir haben hier immer sehr inspirierende und motivierende Worte gefunden. Da tue ich mir bei einer undefinierten Menge immer schwer. Vielleicht Danke und es ist okay? Und damit können dann alle machen, was sie wollen."

Absolut - ich danke dir!

Macht's gut - Eure Lesende

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