Das Geheimnis oder Der riesige Stern

Auf dem Thunersee mit B3teigeuze

Wenn ich auf dem Thunersee unterwegs bin, fühle ich mich auf einem norwegischen Fjord; hohe Berge drücken ihre Flanken an das schmale und langgezogene, kalte Wasser, als wollten sie es schützend festhalten. Einzig die zahlreichen Dörfer und die Eisenbahnlinie wollen nicht so recht ins Bild der skandinavischen Landschaft passen. Unser Boot hat uns in flotter Fahrt mitten auf den See befördert. Nun liegt es mit ruhendem Motor da, schaukelt zufrieden auf den sanften Wellen. Das Wasser blubbert unter seinem Bug, die Sonne spiegelt sich als hunderttausend funkelnde Diamanten auf der kräuselnden, dunkelblauen Oberfläche.

Wir haben es uns gemütlich gemacht, haben unsere Arbeit, die Alltagssorgen und die überflüssigen Klamotten, wie beispielsweise die Lederjacke, beiseitegelegt, sonnen uns in Badekleidung auf den Matten auf Deck und genießen den Moment. Wir, das sind B3teigeuze und ich. Zwei Brünetten an einem freien Nachmittag, die sich zum interessanten Gespräch einen ungewöhnlichen Ort ausgesucht haben. Sehr gerne möchte ich das Bild sehen, welche meine heutige Gesprächspartnerin von dieser Situation zeichnete.

"B3teigeuze, vielen Dank für die Idee mit dem Thunersee. Ich fahre viel zu selten hinaus aufs Wasser."

Sie schmunzelt und klopft mit einer Hand auf den Rumpf unserer künstlichen Insel. "Ich danke dir für das Boot."

"Danke nicht mir - es gehört einer Freundin." Dass diese es selten benutzt und ich es nehmen darf, wann immer ich will, behalte ich an dieser Stelle für mich.

"Aber du hast es möglich gemacht und das schätze ich sehr."

"Wie gesagt, ich fahre viel zu selten hinaus auf den See. Hast du einen bestimmten Musikwunsch?"

"Ja und nein. Auch wenn ich mit der Lederjacke und meinen Jeans wie eine Rockerin aussehen mag, so höre ich mittlerweile fast alles; vorausgesetzt es ist aus den 80ern oder 90ern", strahlt sie.

Ich lege eine entsprechende Playlist auf, leise im Hintergrund. "Wieso nennst du dich eigentlich B3teigeuze? Was hast du mit Teig und einer Fritteuse zu tun?"

Nun lacht sie herzhaft und guckt mich verwirrt an. "Ehm - nichts. Der Name klingt spektakulärer als er ist. Tatsächlich wusste ich einfach nicht, wie ich mich nennen soll und da ich mich früher viel für das Thema Weltall, Sterne und so interessiert habe, habe ich Beteigeuze, einen Stern aus dem Orionnebel, als Namen genommen. Der Name schien auf Wattpad sogar schon vergeben zu sein, deshalb musste ich die 3 statt des e nehmen. Klingt nicht so spektakulär, ich weiß."

"Im Gegenteil. Ich finde das ziemlich fantasievoll. Mit der 3 kreierst du zusätzlich einen Tastaturstolperstein, was dich unvergesslich macht. Schreibst du schon lange?"

"Ich schreibe, seit ich einigermaßen sinnvolle Sätze bilden kann. Ich hatte immer schon Unmengen von diesen kleinen, linierten oder karierten Blöcken, in die ich irgendetwas reingekritzelt habe. Ich kann mich schriftlich einfach besser ausdrücken als verbal, deswegen war ich auch in der Schule schriftlich immer besser als mündlich. Auch wollte ich schon seit ich klein bin Schriftstellerin werden. Und so kann ich meiner Fantasie freien Lauf lassen."

"Mit Stift und Radiergummi, so wie du zeichnest?"

"Ja, genau!", strahlt sie wieder wie der helle Stern am Nachthimmel, "Früher habe ich ganz altmodisch mit Stift auf Papier geschrieben, jetzt schreibe ich fast nur noch am PC, außer kleinere Notizen. Meistens schreibe ich am Wochenende zuhause, da ich unter der Woche nach acht Stunden vorm PC keine Lust mehr habe, mich wieder an den Computer zu setzen."

Ich stöhne bei dieser Bemerkung. "Wem sagst du das. Ich habe alle Messungen der Bildschirmzeit deaktiviert; ich würde die Wahrheit nicht ertragen."

"Mich würde interessieren, wie du auf die Idee zu diesem Projekt gekommen bist und was dich anspornt, so viel Mühe und zweifellos auch Zeit hinein zu investieren."

"Momente wie dieser hier! Weißt du, eigentlich hatte ich die Idee zum ersten Text hier lange bevor die Idee mit dem Interviewbuch wuchs. Irgendwie hat sich das dann ergeben - ein Anfall von Kreativität; ein Selbstständigmachen meiner Finger - die Augen verfolgten erstaunt, was auf dem Bildschirm gedieh. Ich hatte nie die Absicht auf einer Bühne zu stehen und nun schreibe ich dieses wertvolle Buch. Wertvoll, weil es Bilder von euch enthält; weil es euch in einem anderen, warmen Licht zeigt. Das zu erstellen ist schön."

Ich hole den selbstgemachten Eistee aus der Kühlbox und schenke uns zwei Gläser ein. "Aber lass uns wieder von dir reden. Du kennst AllanRexword und Würzburg. Das bedeutet, du fühlst dich in der thrillenden Ecke wohl."

Sie unterbricht mich, bevor ich die Frage stellen kann. "Ich liebe Krimis und Thriller, alles, was spannend ist und wo man miträtseln kann, wer der Täter ist. Ich habe schon als Kind mit den drei ??? angefangen und diese Bücher verschlungen. Irgendwann wurden es die Krimis und Thriller für Erwachsene. Da war es unausweichlich, dass ich mich in diesem Genre selbst versuche. Ich liebe das Dunkle und Düstere. Romantik und Friede-Freude-Eierkuchen ist nichts für mich. 'Die Nacht im Mai' war aber ursprünglich eine harmlose Teenie-Story, die ich im Alter von fünfzehn geschrieben und dann vergessen habe. Irgendwann, fast zehn Jahre später, ist mir die Geschichte wieder in die Hände gefallen und da habe ich beschlossen, sie etwas 'aufzupeppen', mit ein bisschen Mord und Totschlag."

Das bringt nun mich zum Lachen. "Kein Eierkuchen, soso. Wie wichtig ist die Romantik in deinen Geschichten?"

"Ich bin wahrscheinlich so ziemlich die unromantischste Person, die es gibt. Liebesgeschichten sprechen mich so gar nicht an. In 'Die Nacht im Mai' gibt es eigentlich überhaupt keine Romantik, sondern nur toxische, zerstörerische Beziehungen. Auch in meinem zweiten Krimi gibt es so gut wie keine Romantik."

"Dein zweiter Krimi? Hast du je daran gedacht, eine Krimi-Reihe zu schreiben?"

"Ich bin mehr oder weniger gerade dabei. 'Im Namen der Gerechtigkeit' ist sozusagen die Fortsetzung von 'Die Nacht im Mai', denn dort ermittelt das gleiche Ermittlerduo, die Kommissare Schillert und Plattenberg. Weitere Teile sind nicht ausgeschlossen." Mit einem schelmischen, geheimnisvollen Seitenblick schlürft sie etwas Eistee.

"Bist du als Mensch neben der Rockerin auch eine Kämpferin?"

"Nein, gar nicht. Ich bin eher introvertiert und ruhig, sogar ziemlich schüchtern. Das ist auch gleichzeitig eine Schwäche und hat mir oft das Leben schwer gemacht, beispielsweise in der Schule bei den mündlichen Noten. Als Stärke würde ich sagen, dass ich trotz der Schüchternheit mit den meisten Menschen gut auskomme und auch eine gute Zuhörerin bin."

"Was dir danach beim Schreiben hilft. Geht mir auch so. Erfährt man deshalb eher wenig von dir auf deinem Profil?"

"Gut kombiniert, ja. Als eher schüchterner, vorsichtiger Mensch wollte ich mir - besonders auf einer Internetplattform - etwas Anonymität bewahren. Außerdem sollen meine Geschichten und nicht ich selbst im Vordergrund stehen."

"Da kann ich mich ja glücklich schätzen, dass du zugestimmt hast. Danke. - Wolltest du von Beginn weg zu Wattpad?"

Ein Kursschiff kreuzt uns in relativ engem Abstand. Unser Boot schaukelt in den gewaltigen Wellen, verursacht von den zwei Schrauben am Heck des großen Schiffes. Wir müssen unsere Gläser festhalten und kreischen kurz.

"Das hier ist Wellenpad - zu Wattpad? Nein, ich habe auf Fanfiktion.de angefangen, obwohl ich keine Fanfictions schreibe. Dann habe ich beschlossen, es auch auf anderen Plattformen zu versuchen und bin dann auf Wattpad gestoßen. Ehrlich gesagt finde ich, dass die meisten Wattpad-UserInnen eher nicht meine Zielgruppe sind und die meisten Storys auf Wattpad sind auch nicht wirklich mein Ding."

"Aber es hat auch sehr gute Krimis mit dabei", versuche ich das Licht leicht zu beschönigen. "Sind dir denn deine Follower nicht wichtig?"

"Doch, schon. Aber wie man unschwer erkennen kann, ist meine Follower-Anzahl recht überschaubar. Vermutlich bin ich einfach selbst nicht aktiv genug. Wenn ich Rückmeldungen von Lesern kriege, bin ich immer dankbar, auch bei Kritik, und versuche, so zeitnah wie möglich zu antworten."

"Das ist ein wichtiger Schritt, wenn du gelesen werden willst. Würdest du gerne veröffentlichen?"

"Welcher Autor würde das nicht? Ich hege seit jeher den Traum, das Schreiben zum Beruf zu machen. Bisher hat es noch nicht geklappt, aber vielleicht irgendwann mal..."

"Ach, ich kenne welche, die schreiben fantastisch und tun sich mit Veröffentlichen schwer. Wenn du schreibst, plottest du?"

"Ich plotte eigentlich überhaupt nicht. Ich bin der Inbegriff eines Discovery-Writers, besonders bei meinem zweiten Krimi habe ich einfach nur drauf losgeschrieben."

"Wie lang wird 'Der Schwarze See' ungefähr werden?"

"'Der Schwarze See' wird vermutlich überhaupt nicht mehr fortgesetzt. Mir will einfach keine spannende Handlung einfallen. Die Hoffnung stirbt aber bekanntlich zuletzt. Vielleicht kommt mir irgendwann doch noch mal ein Geistesblitz..."

"Du könntet mit jemandem zusammenspannen und das Projekt als Teamwork beenden."

B3teigeuze schmunzelt, was mir Hoffnung macht, sie möge eine spannende Idee nicht einfach im Thunersee versenken.

"Malst und zeichnest du auch?", fragt sie mich schließlich aus heiterem Himmel.

"Früher habe ich gemalt. Es gibt einige Bilder von mir, die aber nur sehr wenige Menschen je gesehen haben. Zeichnen und skizzieren tu ich gerne. Ich weiß, dass du das auch als Hobby nennst. Machst du deine Cover selbst, so wie ich?"

"Ja, meine Cover sind selbstgemacht, ganz schlicht mithilfe von Canva. Ich sah keinen Grund, es nicht selbst zu machen und es macht Spaß, auch wenn meine Cover nicht sehr aufwendig sind."

"Mir gefallen sie. - Wir sollten langsam den Hafen ansteuern. Magst du im Seehotel noch etwas essen gehen?"

"Gibt es da vernünftige Pasta?"

"Oh ja!" Ich nicke zustimmend und ahne, was kommt.

"Worauf wartest du noch?"

"Darauf, dass du den Eistee festhältst. Das Boot hat zwei starke V8-Motoren." Ich zwinkere ihr zu, starte die Boliden und ziehe den Hebel beider Motoren auf Schub. Wir rauschen über den See in Richtung Thun und quieken vor Freude, wenn wir über Wellen hüpfen, hinter uns spritzt die Gischt meterhoch in den blauen Himmel.

***

Im Außenbereich des Seehotels, bei herrlicher, selbstgemachter Pasta haben wir den Abend mit Blick auf den See genossen. B3teigeuze hat mir dann noch verraten, dass sie gerne von StephanRoth mehr lesen würde. Dies vor allem, weil sein Buch 'Das Schwaiger Anwesen' sie beeindruckt habe. Ich setze den Namen sehr gerne auf die Liste.

Nun ein kleiner Hinweis in eigener Sache: Das hier ist Interview Nummer 33. Es fehlen noch sieben. Bisher habe ich immer noch keine Nachfolgerin / keinen Nachfolger gefunden. Bitte meldet euch, wenn euch jemand einfällt, der*die passen könnte. Habt vielen Dank.

Ich würde lügen, wenn ich sagte, ich freue mich auf das Ende. Langsam realisiere ich, dass es bald vorbei ist. Freut euch auf die letzten Kracher, die noch kommen! Bevor das strahlende Feuerwerk zu schwefligem Rauch verpufft. Noch aber strahlt der Sternenhimmel.

Macht's gut - Eure Lesende

Fakten (für die Männer unter euch und andere Interessierte): Beteigeuze ist der 'Schulterstern' im Sternbild des Orion - das heißt für uns, der helle Stern links oben im Sternbild. Er ist um ein Vielfaches größer als unsere Sonne, leuchtet zirka zehntausendmal so hell wie sie - sein Durchmesser ist zirka achthundertmal grösser - das ergibt das Volumen einer halben Milliarde Sonnen - Beteigeuze ist ein riesiger Stern.

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