7 - Marlon
Marlon nimmt seine Tasche vom Bett und läuft an Ben vorbei, aus seinem Zimmer. Sein Beta erscheint ihm heute noch nervöser, als die letzten Tage sowieso. Es scheint ihm doch ordentlich Druck zu machen, jetzt für über eine Woche allein für das Rudel zuständig zu sein.
Im Türrahmen bleibt er stehen und dreht sich zu seinem Freund um. „Ich kann auch jemand anders mit ihr schicken, wenn es dir zu viel Verantwortung ist."
„Bist du verrückt? Du würdest doch hier auf heißen Kohlen sitzen, wenn du sie nicht sehen könntest. Denkst du mir ist nicht aufgefallen, dass du in den letzten Wochen beinahe jeden 2. Tag bei ihr warst?"
Damit hatte Ben recht, Marlons Bedürfnis, ihr nah zu sein wurde mit jedem Mal schlimmer, wenn er sie sah. Es war unruhig und seine Gedanken kreisten so viel um sie, wie nie zuvor. Er hatte dieses Band eindeutig unterschätzt. Was genau er machen würde wusste er jetzt noch nicht aber er würde eine Lösung finden, bei der weder sie, noch das Rudel zu schaden kommen.
„Ja du hast recht, ich wär wohl hier auch kein guter Alpha in der Zeit. Aber du weißt, wenn du mich brauchst, bin ich im nächsten Flieger."
„Ach Marli, du bist so niedlich, wenn du dir Sorgen machst. Denkst du echt, ich könnte den Laden hier nicht am Laufen halten?"
Marlon vertraut Ben sein Leben an, wenn's drauf an kommt. Also auch sein Rudel, zumindest für ein paar Tage. Wer weiß, vielleicht ergibt sich ja hieraus schon eine Lösung, die Marlon seine Situation erleichtern könnte. Normalerweiße wird ein Alpha durch Geburt bestimmt. Aber eine Generation lang würde es auch anders gehen. Es muss anders gehen, denn wenn es so weiter geht, wird Marlon nicht mehr lang ein guter Alpha sein.
„Du bekommst das hin, auch wenn du ein Pfosten bist", sagt Marlon und klopft seinem Freund auf die Schulter.
„Wer ist ein Pfosten, also abgesehen von dir, Brüderchen?"
Seine Schwester Maike steckt den Kopf zur Tür rein und grinst die beiden Männer an.
„Hopp hopp, der Flieger wartet nicht auf uns, Dicker, wir sollten los, wenn wir deinen heimlichen Schwarm beschatten wollen."
Marlon packt seine Schwester und nimmt sie in den Schwitzkasten. Dabei wuschelt er ihr so durch die Haare dass der vorher strenge Zopf aussieht, wie ein Vogelnest.
„Gut siehst du aus, Maike. Die Frisur solltest du öfters tragen", grinst Ben sie an und Maike wirft ihm einen bösen Blick zu um dann ihrem Bruder mit der Faust auf die Brust zu schlagen.
„Finn wartet unten, ihr Nervensägen", damit dreht sie sich um und läuft schnell runter. „Ich werd übrigens mit deiner angebeteten Freundschaft schließen und dann dauernd über meinen furchtbaren Bruder ablästern!", ertönt noch ihre neckische Stimme, bevor sie die Haustür hinter sich ins Schloss wirft.
Marlon verdreht die Augen und verabschiedet sich von Ben, um auch zum Auto zu gehen.
Seine Schwester weckt immer wieder die humorvolle Seite in ihm, die, seit er seine Mate entdeckt hat, fast verschwunden ist.
Früher hat er viel gelacht und war, für einen Alpha, immer als ziemlicher Witzbold bekannt. Natürlich wusste er immer wann er ernst zu sein hat, aber seinen Humor wollte er sich einfach nicht nehmen lassen. Auch als fest stand, dass Ben sein Beta sein wird, war klar dass die beiden das Rudel nicht nur sicher sondern auch verantwortungsbewusst führen werden. Sie waren sich ihrer Verantwortung, Spaß und Freude zu verbreiten, sehr bewusst.
Die Vorfreude auf ihre Mates hat die beiden noch mehr beschwingt, aber als Marlon Juliana entdeckt hatte und herausfand dass sie verheiratet war und bereits ein Kind hatte war er plötzlich wie ausgewechselt.
Es war als wäre plötzlich die ganze Schwere des Lebens auf seinen Schultern und so sehr Ben versucht hatte ihn aufzumuntern, es fiel Marlon einfach so schwer, fröhlich zu sein.
Die Fahrt zum Flughafen verläuft schweigend. Im Gegensatz zu Maike ist Finn von Natur aus ein eher schweigsamer Typ. Wenn er etwas zu sagen hat, war es immer, als würde man mit einem wirklich alten, weisen Mann sprechen, aber wenn er nichts schlaues zu sagen hat, schweigt er. Und wenn man ihm nicht direkt fragt, hält er sich selbst dann zurück, wenn er eigentlich einen guten Rat hätte.
Er war wie ein Fels in der Brandung für das Rudel. Sollte Marlon der Alpha Posten zu schwer werden, und Ben seine Stelle übernehmen wäre Finn sicher ein toller Beta.
Maike ist wohl noch sauer, weil Marlon ihr die ungewollte Traumfririsur verpasst hat und versucht verzweifelt ihre Haare in Ordnung zu bringen.
Außer einem leisen: „Ach Babe, als könnte dich irgendetwas entstellen", von Finn, wird nicht wirklich gesprochen.
Der Fahrer lässt sie am Flughafen aussteigen und sie machen sich direkt auf den Weg zum Gate. Als sie eingecheckt haben und im Wartebereich sitzen, wird Marlon immer unruhiger.
Er hat sich extra einen Platz in der hintersten Ecke gesucht, weil er vermeiden will, dass Juliana ihn sieht. Er will nicht riskieren, dass sie doch durch einen Blick in seine Augen das Band spürt. Er wollte sich nicht ausmalen, was das in ihrem Inneren für eine Unruhe veranstalten würde. Außerdem ist ja dann ihr Mann bei ihr. Das wäre keine schöne Situation.
Auch wenn er den Gedanken, auf sie zuzugehen, ihr ins Gesicht zu blicken und sie zu küssen unglaublich genoss, weiß er ja, dass es das nie geben wird. Also verkriecht er sich in seiner Kapuze und wartet bis ihr Flug aufgerufen wird.
Jedenfalls hat er das vor. Aber seine Schwester, die sich wohl wieder eingekriegt hat, und außerdem ihre Frisur gerichtet hat, macht ihm da einen Strich durch die Rechnung.
„Dickerchen, ich weiß ja, dass du nicht der Schönste bist, aber so sehr musst du dich nun auch nicht verstecken."
Er brummt sie nur an und bleibt in seiner Position.
Wenn er erst aus dem Flugzeug raus war würde er sofort das Weite suchen und das sich ins Ferienhaus verschanzen, das hoffentlich so weit von Juliana weg ist, dass er nicht dauernd vor ihr auf der Hut sein müsste.
„Hey, nicht so unfreundlich, du Stinktier. Sie ist doch gar nicht da, und was wäre denn so schlimm daran, ihr zu begegnen. Vielleicht findet sie dich nett und ihr werdet Freunde. Erzähl ihr, du wärst schwul, dann könntest du vielleicht ihr bester Freund werden", neckte sie ihn.
Marlon grinste und schaute seine Schwester an.
„Aber Darling, wir wissen doch alle, dass die meisten nur behaupten schwul zu sein um dann all das zu Gesicht zu bekommen, was andere Männer nicht sehen dürfen." Er redet extra nasal um das Schauspiel zu unterstreichen und Maike schaut ihn gespielt schockiert an.
„Dann denkst du also Finn steht gar nicht wirklich auf Männer?!", sie fasst sich an die Brust und atmet theatralisch aus.
Finn, der sie natürlich gehört hat, obwohl er ein paar Reihen weiter saß, sieht sie ertappt an und zwinkert ihr dann frech zu. So erlebt man ihn aber wirklich nur mit Maike.
Plötzlich erfasst Marlon ein Schauer, der ihm über den ganzen Körper zieht. Er zieht scharf die Luft ein aber damit auch ihren Duft und sein Gesicht verzieht sich zu einer gequälten Grimasse. Sein Wolf heult auf und Marlons ganzer Körper verkrampft. Er hat sich kaum unter Kontrolle. Seinen Instinkt nicht überhand gewinnen zu lassen, und zu ihr zu stürmen ist so unfassbar aufreibend. Er krallt sich mit aller Kraft an den Armlehnen fest, dass seine Knöchel schneeweiß werden.
„Oh, ist sie da?" Maike versteht sofort, blickt alarmiert zu Finn und schaut sich dann um.
„Hey, lass mal los, du demolierst noch die Stühle, Marlon", raunt sie ihm angespannt zu. Dann atmet sie tief durch, dreht sich um und sucht mit ihren Augen die Schalter ab.
Sie findet sie schnell. Jules wirkt etwas gestresst, sie steht neben einem hübschen Jungen, der ein kleines Mädchen an der Hand hält und immer wieder mit dem Kuscheltier vor ihrem Gesicht herum spielt.
Das Mädchen kichert und versucht das Kuscheltier zu fassen, was ihr aber nicht gelingt. Irgendwann gibt der Junge ihr das Kuscheltier und folgt seiner Mutter zu den Sitzreihen im Wartebereich. Maike ist so fasziniert von der Ausstrahlung ihrer Luna, dass sie erst merkt, dass Finn da ist, als er sie sanft am Arm fasst.
Finn ist bei den beiden angekommen und stellt sich direkt vor Marlon. Er hat wohl den inneren Konflikt von Marlon bemerkt und versucht ihm jetzt die Sicht abzuschirmen. Plötzlich fängt Finn an drauf loszureden und quatscht Marlon mit belanglosem Zeug voll. Marlon und Maike sind so überrascht über Finns plötzlichen Ausbruch, dass Maike erst spät bewusst wird, dass Finn versucht Marlon abzulenken.
Das klappte tatsächlich so gut, dass Marlon beinahe entspannt wirkt, bis sie plötzlich zum Boarding aufgerufen werden. Der wirklich harte Part würde erst noch kommen.
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