28 - Juliana

Der Frühstücks Tisch ist voll. Nicht nur mit Essen, sondern auch mit Menschen. Alle sind zusammengekommen, um gemeinsam zu frühstücken. Maike und Finn sitzen nebeneinander, daneben Ben und Maja, Marius und seine Mate Sarah, Luis und Mark sind auch da. Am Kopf sitzt Anabella und beobachtet glücklich die große Runde.

Ihr gegenüber sitzt Marlon und an seiner einen Seite Jules neben Felix und zu seiner anderen Seite sitzt Melli.
Marlon nimmt Jules Hand und gibt ihr einen sanften Kuss darauf. Jules lächelt ihn verliebt an. Allein dieser sanfte Kuss jagt ihr eine Gänsehaut über den ganzen Körper.
Dann schaut er in die Runde.

„Danke, dass ihr alle gekommen seid. Nach dem was gestern passiert ist, habe ich beschlossen, alle Ungewissheiten aus dem Weg zu räumen."
Er sieht Felix an.
„Das könnte sich jetzt alles etwas seltsam für dich anhören."
Felix sieht ihn misstrauisch an.
„Marlon ist ein riesiger Kuschelwolf, Lelli." ruft Melli über den Tisch.

Alle sehen sie an. Sie strahlt über das ganze Gesicht.
„Und Maike auch, aber sie ist auch ein bisschen wie ein Pferd, man kann auf ihr reiten. Sie hat Mama und mich nach Hause gebracht, als der böse Mann uns mitnehmen wollte." Es herrscht Schweigen.

Keiner möchte sich zu Mellis niedlicher Aussage äußern. Jules beobachtet Felix verunsichert.
Sie selbst hat ja noch nicht verarbeitet, was sie da gestern erlebt hat. Irgendwie wartet sie selbst noch auf den Moment, in dem sie in ihrem Bett aufschreckt und merkt, dass das hier alles nur ein schräger Traum ist.

Felix sieht sie ungläubig an.
„Melli wurde gestern entführt, Felix. Von jemandem, der mir eure Mutter wegnehmen wollte. Wir sind Wölfe, wir können uns verwandeln. Deine Ma ist meine Seelenverwandte."
Marlon sieht Felix mit aufrichtigem Blick an. Man könnte meinen, er erzählt jeden Tag einem Mensch, dass er sich regelmäßig in einen Riesenwolf verwandelt, so gelassen wie er redet.

„Cool, klar und ich bin ein pinkes Einhorn, jede Nacht um 12 fang ich an Glitzer zu pupsen."
Melli lacht, auch Ju muss schmunzeln, aber sie nimmt die Hand ihres Sohnes. Erleichterung macht sich in ihr breit, darüber, dass er nicht schreiend davon läuft. Wobei das ja sowieso nicht seine Art wäre. Aber bei so einer Offenbarung, wer würde es ihm verübeln. Dass er Marlon nicht glaubt, ist ihm natürlich auch nicht zu verübeln. Ju hätte es wahrscheinlich auch erst nicht geglaubt, wenn sie es nicht auf so eindrückliche Art erfahren hätte.

„Ich wusste es auch nicht, aber es ist wahr, ich hab es selbst gesehen."
Felix schaut immernoch skeptisch. Er runzelt die Stirn und sieht seine Mutter an, als hätte sie den Verstand verloren. Wenn er jetzt die Hand ausstreckt und an ihre Stirn fasst, wäre Ju nicht überrascht. Man hört förmlich wie es in seinem Kopf rattert. Der Unglaube ist ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.

Felix scannt die Gesichter ab, von allen die am Tisch sitzen. Jeder sieht ihm mit ernstem Gesichtsausdruck entgegen. Nur Melli strahlt ihn nach wie vor an und Anabella schaut ihm so liebevoll und ruhig an, dass Ju das Herz aufgeht.

Felix' Blick wandert zu Marlon und verweilt auf seinem Gesicht.

„Ok. Beweis es." er sieht Marlon entschlossen an.
Marlon nickt und geht zur Terassentür, Felix sieht ihm nur mit großen Augen nach.
An der Tür angekommen, dreht Marlon sich um, schaut Felix grinsend an und sagt: „Kommst du?"
Felix steht langsam auf und folgt Marlon in den Garten. Melli springt auch auf und läuft ihrem Bruder schnell hinterher.
Auch Jules stellt sich an die Terassentür und beobachtet das Geschehen im Garten.
Marlon zieht sich bis auf die Boxer aus, stellt sich Felix gegenüber.

„Bereit?" fragt er ihn. Felix nickt und steht stocksteif da.
Marlon verwandelt sich und in einem Nu steht ein riesiger schwarzer Wolf im Garten.
Felix weicht einen Schritt zurück aber lässt seine Augen nicht von Marlon. Dieser legt sich auf den Boden und legt seinen Kopf auf den Vorderpfoten ab.

Melli rennt quietschend auf Marlon zu und wirft sich in sein Fell. Dieser stupst sie mit der Schnauze an und schaut dann zu Jules. Auch sie läuft an ihrem Sohn vorbei auf ihren Wolf zu.

Sie krault ihn hinter dem Ohr und er beginnt zu brummen. So absurd das alles ist, Jules spürt die Verbindung zu diesem Wolf, genauso wie zu Marlon. Erstaunlicherweise fühlt sie sich weder bedroht, noch eingeschüchtert. Im Gegenteil, sie fühlt sich beschützt und so etwas wie leichter Stolz schwillt in ihrer Brust an. Ihr ist bewusst geworden, wie wichtig sie Marlon sein muss und auch wenn sie die Sache mit der Seelenverwandtschaft noch nicht ganz verarbeitet hat, gibt es ihr ein Gefühl der Sicherheit.

Felix steht immernoch wie angewurzelt im Garten. Jules lächelt ihn aufmunternd an.

Er dreht sich um und läuft nach drinnen. Jules folgt ihm eilig und als sie im Esszimmer ankommt hört sie ihn in die Runde fragen: „Könnt ihr das alle?"
Zustimmendes Gemurmel ertönt und einige nicken.
„Findest du es cool, oder gruselig?" Ben sieht ihn abwartend an. Ju ist furchtbar gespannt auf Felix Reaktion auf Bens Frage. Die Sorge, ihr Sohn könnte Angst haben oder es furchtbar finden, schnürt ihr die Luft ab.

Felix schaut stirnrunzelnd zurück. Jules läuft auf ihren Sohn zu und legt ihm die Hand auf die Schulter. Er sieht zu ihr auf.
Etwas besorgt schaut sie ihn an und sucht in seinem Gesicht nach einer Regung, die ihr Aufschluss geben könnte darüber, was er denkt.
Sein Gesicht ist einige Momente ausdruckslos, bis sich ein neugieriger Ausdruck in seinen Augen schleicht.
„Aber wir können es nicht?"
Sie schüttelt den Kopf.
„Können wir so werden?"
Ben lacht.
„Tut mir leid, man. Aber ich hätte noch nie von einem Mensch gehört, der zu einem Werwolf werden kann."

Felix sieht enttäuscht aus. Ju ist einerseits erleichtert, aber auch ein bisschen schockiert über ihren Sohn. Sonst ist er so rational, so realistisch und so vernünftig. Und dann fragt er, ob er ein Wesen werden kann, dass er bis eben als Fabelwesen angesehen hat.

„Und wenn ihr mich beißt oder so?"
Ben schüttelt den Kopf.
„Wir sind keine Vampire." Felix setzt sich wieder hin und inzwischen kommt Marlon wieder angezogen mit Melli auf dem Arm rein.
„Wir mussten noch kurz toben, entschuldigt die Verspätung."
Jules muss immer noch die Verblüffung anzusehen sein, denn Marlon sieht sie kurz irritiert an, sein Lächeln verschwindet und er geht auf sie zu um ihr den Arm unzulegen, er zieht sie an sich und sie lässt sich wohlig in die halbe Umarmung fallen.

Felix sieht ihn an.
„Ich will das auch können."
Marlon schaut verblüfft von Jules weg, die bisher seine ganze Aufmerksamkeit eingenommen hatte und sieht jetzt Felix an. Sie versteift sich in seinem Arm wieder merklich.
„Ich wüsste nicht, dass man ein Werwolf werden kann. Wir wurden alle so geboren."

Jules steht wie versteinert in Marlons Arm, dieser scheint nun ihren Zustand zu verstehen und schmunzelt etwas. Er schiebt sie vorsichtig zu ihrem Platz und drückt sie sanft in den Stuhl, dann setzt er sich mit Melli auf dem Schoß auf seinen Platz und sieht in die Runde. Nach wie vor sind alle still und beobachten gebannt Felix und seine Reaktion.

Felix nimmt sich etwas zu essen und auch alle anderen fangen an, sich die Teller zu füllen. Auch Ju beginnt zu essen, auch wenn sie noch ziemlich in Gedanken versunken ist. Sie beschließt, Felix' Reaktion nicht weiter in Frage zu stellen und froh zu sein, dass er doch im Großen und ganzen positiv auf die Neuigkeit reagiert hat.

Der Tisch wird wieder von lautem Gerede gefüllt bis Jules in die Runde fragt: „Was ist jetzt eigentlich gestern passiert?"

Und mit einem Mal ist es wieder totenstill.
Alle sehen zu Marlon, der seine Augen nur auf Jules richtet.
„Ich habe James im Zweikampf besiegt. Sein Rudel gehört jetzt auch zu uns."
Ju schluckt trocken.
„O.. Okay. Und warum hat er Melli entführt?"
„Wie du weißt, wollte er dich. Ich weiß es nicht so sicher, warum. Aber ich schätze es könnte etwas damit zu tun haben, dass er seine Mate nie gefunden hat. Vielleicht war er deshalb eifersüchtig, dass ich dich gefunden habe."

„Das ist so nicht ganz richtig."
Alle Augenpaare wenden sich augenblicklich zur Türe, wo eine Frau steht, die Jules noch nie zuvor gesehen hat. Sie hat Augen, so grün wie der Wald, ihre Haare fallen ihr leicht bis zur Hüfte, einige Strähnen sind zu lockeren Zöpfen gebunden und heben sich durch ihren pastellfarbenen Schimmer vom Rest ihrer fast schon weißblonden Haare ab. Die rosanen, blauen und lilanen Zöpfe scheinen fast etwas zu schweben. Sie sieht in die Runde und lächelt dabei leicht. Diese besondere Ruhe, die sie ausstrahlt, lässt Ju leicht lächeln.

Marlon steht auf und geht auf die Frau zu. „Aurora!" sagt er nur und zeigt auf einen freien Stuhl.
„Setz dich, und erzähl uns, was du weißt."
In ihren Augen ist ein leichter Schimmer zu sehen. Sie schwebt beinahe auf den Stuhl zu und setzt sich auf den Platz den Marlon ihr zugewiesen hat.
Ihre Eleganz fesselt Ju völlig, sie ist eingenommen von der Ausstrahlung dieser Frau. Noch nie hat jemand so viel Gelassenheit ausgestrahlt, wie diese Frau.

Aurora blickt in die Runde, und trifft dabei Jus Blick.
„Schön, dass sie euch wohlbehalten zurück bekommen haben." sagt sie an Ju gerichtet.
Sie lächelt sie nur leicht an. Das sieht Aurora wohl als Zeichen weiter zu sprechen.

„James hat euch aus einem bestimmten Grund angegriffen. Und es tut mir furchtbar leid, denn ich fürchte, ich habe ungewollt einen Teil dazu beigetragen."

Sie sieht Marlon entschuldigend an.
Dieser runzelt erst verwundert die Stirn und ballt dann seine Fäuste. Ju legt ihm sofort die Hand darauf und versucht ihn mit ihrem Blick zu beruhigen.

Seine Reaktion verwirrt sie. Sonst ist er immer ausgeglichen. Dass er überhaupt Wut verspüren kann, hat sie bis eben nicht gedacht. Aber jetzt gerade scheint er sehr mit sich kämpfen zu müssen, seiner Wut nicht Ausdruck zu verleihen.
Aurora fährt fort, den Blick immer noch fest auf Marlon gerichtet.
„James hatte eine Mate. Mich."

Die Augen aller Anwesenden weiten sich bei dieser Aussage. Aurora senkt kurz den Blick, scheint um die Fassung zu ringen und hebt ihn dann wieder. Der leichte Schimmer, den Jules auch vorhin schon beobachtet hat, ist wieder in ihre Augen getreten.

„Er war in all den Rudeln um sich herum, auf der Suche nach seiner Mate. Dass etwas anderes, als ein Wolf seine Mate sein könnte, war für ihn undenkbar. Ihr beiden seid gerade zurück gekommen, von einer eurer Reisen, da ist James zu unserem Zirkel gekommen, um um Hilfe zu bitten. Ich wusste nicht, dass er da ist, aber etwas in mir hat mich zum Zelt unseres Hexenmeisters gezogen. Als ich vor dem Zelt ankam, habe ich seine Stimme gehört. Er war gerade dabei zu erklären, dass er spürte, dass seine Mate in der Nähe sein muss, aber er denkt, sie sei von einem Verhüllungszauber vor ihm versteckt worden. Da er sie zwar immer wieder spürt, aber einfach nicht auffinden kann. Plötzlich wurde der Vorhang aufgerissen und unsere Blicke trafen sich. Als ich noch dabei war zu realisieren, was da gerade passiert, spuckte er mir schon entgegen: ‚Eine Hexe, das ist unmöglich!' und rannte mit wutentbranntem Ausdruck davon. Mein Herz ist in diesem Moment gebrochen."

Jules sieht sie mitleidig an, möchte gerade aufstehen, und zu ihr gehen, da fährt Aurora nach einem Seufzen fort.
„Also bat ich meinen Hexenmeister, mich tatsächlich vor ihm zu verhüllen. Ich wusste, er würde dem Band nicht widerstehen können und irgendwann kommen, aber ich wollte nicht. Nicht wenn er mein ganzes Sein offensichtlich so verabscheute. Schweren Herzens verhüllte Julius mich, und schickte mich dann weg. Er sagte ich solle in der Nähe bleiben, aber in einem Rudel Unterschlupf suchen. Der Verhüllungszauber war zwar so stark, dass er mich nicht finden konnte. Und er sorgte sogar dafür, dass alles was du oder jemand aus deinem Rudel jemals über mich erzählen würdet, niemals ins James Bewusstsein angelangen würde, aber er hat mich gespürt. Ich glaube, deshalb hat er der Verstand verloren."

Es herrscht Schweigen, nachdem Aurora ihre Erzählung beendet hat. Sie sieht auf ihren Teller und hebt den Blick nicht, selbst als Marlon sie direkt anspricht.
„Du konntest nicht wissen, was er tun würde. Und du hast uns geholfen. Deshalb danke ich dir, Aurora. Du bist nach wie vor willkommen in unserem Territorium zu bleiben."

Aurora schließt die Augen. Sie atmet tief ein, dann sieht sie Marlon an.
„Danke, ich weiß deine Nachsicht sehr zu schätzen, aber ich denke es ist an der Zeit, in meinen Zirkel zurück zu kehren."
Damit steht sie auf und verlässt den Raum, ohne einen weiteren Blick auf einen der Anwesenden.

Alle starren noch eine Weile zu der Tür, durch die sie soeben verschwunden ist, bis Ben einfach das Wort ergreift und die Gruppe wieder in ein Gespräch verwickelt.

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