14 - Marlon

Marlon ist Juliana wirklich erfolgreich aus dem Weg gegangen. Er hat sich hauptsächlich im Haus verschanzt und nur ab und an hat er gelauscht, wenn Juliana und Maike sich vor der Tür unterhalten haben. Juliana weiß nun, dass sie relativ nah beieinander wohnen. Dass Maike sich sogar nach dem Urlaub mit ihr treffen möchte, ist ihm wirklich zuwider.

Die ganze Sache hier nimmt unkontrollierbare Ausmaße an. Maike sagt, sie fühlt eine Bindung zu Juliana, die sie nicht ganz versteht.
Marlon ist schon klar, warum das so ist. Juliana ist ihre Luna, auch wenn sie den Titel nicht trägt, ist sie dazu vorherbestimmt. Es ist nicht verwunderlich, dass Maike, als Rudelmitglied, sich bei ihr wohl fühlt.

Der letzte Tag, und damit auch der Tag der Abreise ist angebrochen. Marlon macht sich innerlich schon wieder auf einen harten Flug gefasst.

Wie zu erwarten, treibt ihn die ganze Zeit über, im Bus, am Flughafen und im Flugzeug, Julianas Anwesenheit in den Wahnsinn.
Sein Bedürfnis sie anzusehen, sie zu berühren wird beinahe übermächtig. Und wieder ist Finn ihm eine unfassbare Stütze.

Als sie endlich aus dem Flugzeug aussteigen, beobachtet Marlon Juliana und ihre Kinder, wie sie das Flugzeug verlassen und zu den Ausgängen gehen.
Sie sieht sich suchend um, bis sie ihre Freundin entdeckt.
Marlon ist verwundert, er beobachtet die beiden Frauen, wie sie sich innig umarmen und wie Anja die Kinder begrüßt und ihnen einige Sachen abnimmt.
Wo ist denn Julianas Mann? Es ist doch Samstag, Marlon hat damit gerechnet, dass er seine Familie vom Flughafen abholen würde.

Juliana erscheint ihm ebenfalls irritiert, weshalb er sich unauffällig etwas näher stellt, um die Unterhaltung der beiden Frauen verfolgen zu können.

„Das ist wirklich nett von dir, uns zu holen, Anja. Aber das wär doch nicht nötig gewesen. Ein Taxi hätte es auch getan", sagt Juliana, als sie Anja einen Arm umlegt.
„Ach ich hab euch einfach vermisst, und außerdem ist es nur teilweise selbstlos. Ich hab beschlossen, dass ich euch nach Hause fahre, wir uns dort dann Sushi kommen lassen und es uns richtig gemütlich machen."
„Das hört sich nach einem guten Plan an, wenn Sven noch nicht zuhause ist, können wir dann in Ruhe erstmal essen, auspacken und machen es uns schön, bis er kommt."
„Warum ist Papa denn noch nicht zuhause?", fragt Felix.
„Er muss was erledigen, glaube ich", murmelt Anja, dabei sieht sie den Jungen an. „Weißt du was, ihr beide habt mir beinahe noch mehr gefehlt, als eure Mutti, wie wär's, wenn wir nach dem Sushi essen zusammen eine Runde in den Park gehen, solang Mama auspackt?"
Die Kinder jubeln und hüpfen Anja in den Arm.

Juliana schaut Anja etwas irritiert an, diese ignoriert sie aber und zieht dann die Kinder Richtung Ausgang.

Irgendwas an dem Verhalten ihrer Freundin stört ihn. Sie scheint nicht ganz ehrlich zu Juliana zu sein. Das stört Marlon, er wird die Sache wohl näher beobachten müssen.

Das ist auch sein Zeichen, den Flughafen zu verlassen. Er sieht sich nach seiner Schwester und seinem Schwager um und entdeckt sie, angeregt diskutierend, am anderen Ende der Halle. Sie sind so weit weg, dass er nicht hören kann, worüber sie reden, zumal sie ihre Stimmen sehr gesenkt haben.
Marlon geht näher, und sobald er in Hörweite ist, verstummen die beiden, packen ihre Koffer und gehen auf ihn zu.

Maike hat es plötzlich sehr eilig zu gehen und zieht Marlon grob aus dem Gebäude.

- - -

Im Rudelhaus angekommen, geht Marlon direkt auf sein Zimmer und lässt sich kurz aufs Bett fallen. Die Zeit, in der Nähe seiner Mate hat ihm einiges abverlangt.
Es zieht ihn schon wieder zu ihr, am liebsten würde er direkt zu ihr, aber er weiß, dass er erstmal in sein Büro gehen sollte und mit Ben eine Lagebesprechung führen.

Vor seinem Büro hört er, wie darin diskutiert wird. Er schleicht sich an die Tür und hört Ben sprechen.
„Ich weiß auch nicht ob wir hin sollen, ich würde auch gern wissen, was da jetzt los ist, aber wir können doch eh nicht eingreifen."
„Irgendwer muss hin, wir müssen wissen wie es abläuft."
„Maja geht, sie wird uns später alles erzählen."

Marlon stößt die Tür auf und findet Ben, Maja, Maike und Finn in seinem Büro vor.

„Was ist hier los?" er schaut alle mit bohrendem Blick an und sie senken alle den Kopf. Keiner sagt ein Wort, was Marlon wütend werden lässt.
„Wer geht wohin, was muss beobachtet werden und wer will wem was erzählen?!"
Maike hebt den Kopf und schaut Marlon betroffen an.

„Vielleicht sollte Marlon mitgehen, ich denke in dem Fall wäre es besser, Ben geht mit ihm."
Sie schaut Ben auffordernd an, dieser blickt nun zu Marlon und sagt: „Ich erklär es dir unterwegs."

- - -

Marlon ist außer sich vor Wut, er kann sich kaum zurück halten, als sie bei Julianas Haus ankommen.

Nachdem Ben ihm die ganze Situation erklärt hat, angefangen damit, dass Ben ihn absichtlich in die Nähe seiner Mate gesteckt hat, über ihre Entdeckung bei Juliana zuhause bis hin zu dem Plan mit Anja, die etwas fotografieren sollte, was Juliana Maike zeigen wollte, wusste er nicht mehr, worüber er am wütendsten war. Darüber, wie seine engsten Freunde ihn hintergangen haben, oder über den Mann von Juliana.

Sie beobachten, wie Juliana mit Anja und den Kindern ins Haus kommt, sie setzen sich, reden und kurze Zeit später kommt der Lieferdienst und bringt ihnen Essen. Ihre Unterhaltungen sind oberflächlich, Anja erzählt Juliana nichts von dem Abenteuer ihres Mannes.
Nachdem sie gegessen haben, nimmt Anja die Kinder mit und verabschiedet sich mit der Begründung, dass Juliana so in Ruhe auspacken kann.

Kaum, dass sie das Haus verlassen haben und Juliana sich an die Koffer macht kommt auch schon das Auto ihres Mannes angefahren.
Als er zur Tür kommt, freut sich Juliana sichtlich und will ihm um den Hals fallen. Er hält sie aber etwas auf Abstand und schaut ihr ernst in die Augen.
Juliana sieht ihn verunsichert an.

„Wir müssen reden, Liebling", sagt er nur und zieht sie an der Hand zum Esstisch.
Dort setzt er sich ihr gegenüber und sagt eine Weile gar nichts. Juliana wartet geduldig, bis er anfängt zu sprechen.
„Ich hab Mist gebaut", sagt er nur und sieht sie nach wie vor nicht an.
Juliana senkt den Blick. Marlon spürt ihren Schmerz, als sei es sein eigener. Er fühlt ihren Schmerz, aber auch Wut, Trauer und Enttäuschung.

Verdammt, sie weiß es.

„Als du weg warst, habe ich mich mit Angelina getroffen."
„Als ich weg war?"
„Ja, wir wollten nur Geschäftliches besprechen und dann hat eins zum anderen geführt."
„Als ich weg war?", fragt Juliana erneut.
Ihr Mann sieht sie mit gerunzelter Stirn an.
„Hab ich doch gesagt."
„Erst als ich weg war, Sven? Oder davor schon?"

Sven schweigt. Juliana schnaubt.
„Wie lange?"
„Ein paar Wochen."
„Wochen?"
„Ja, Wochen."
„Wie viele Wochen, Sven?"
„Einige", er schaut ihr ins Gesicht. Ihr rollt eine Träne über die Wange, er möchte sie fortstreichen aber sie zuckt zurück.
Sie sieht ihn emotionslos an.

„Geh", sagt sie nur. Sven schaut sie entgeistert an.
„Nein Schatz, lass uns das klären, bitte. Es tut mir so leid, es wird nie wieder vorkommen, ich verspreche dir, ich bessere mich. Ich weiß doch auch nicht, was mit mir los war, aber ich liebe dich, ich will dich nicht verlassen."
„Du musst mich auch gar nicht verlassen. Ich werde dich verlassen. Geh jetzt."

Immer noch ist ihr Gesicht wie in Stein gemeißelt.
Er steht auf und will auf sie zugehen, aber sie hebt eine Hand und sieht ihn, mit festem Blick, an.
„Ich habe gesagt, du sollst gehen."
Er schaut sie noch einen Moment traurig an, wendet sich dann ab und geht aus dem Haus.
Juliana bricht am Tisch in Tränen aus und Marlon kann sich ein Winseln nicht verkneifen.
Ben sieht ihn mitleidig an.
„Es tut mir leid, Mann."

Sie warten noch bis Anja zurückkommt, die Kinder hat sie nicht dabei. Juliana öffnet ihr die Tür und fällt ihr in die Arme.
Anja bringt sie zum Sofa, reicht ihr Taschentücher und Juliana weint sich bei ihr aus.

Der Weg nach Hause verläuft sehr schweigsam. Marlon hängt seinen Gedanken nach und der Schmerz, der von seiner Mate zu ihm rüber geschwappt ist, hallt noch in ihm nach.
Den ganzen Urlaub über hat sie sich wohl gefühlt, das hat er gespürt. Jetzt solche starken, negativen Emotionen von ihr zu spüren, macht ihn fertig.

Zuhause legt er sich ins Bett, kann aber die ganze Nacht nicht schlafen. In Gedanken ist er bei seiner Mate, die mit Herzschmerz Zuhause sitzt.

Er fasst einen Entschluss.
Er wird sie kennenlernen.
Er wird ihr ein Freund sein, sie trösten und für sie da sein.

Er wird ihr Herz gewinnen und dann dafür sorgen dass ihr nie wieder, irgendjemand so weh tut.
Sie gehört zu ihm. Das hat er jetzt verstanden.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top