Favorite Colors
Lächelnd zog ich meine Geschenke unter dem Baum hervor und wandte mich zu den anderen. Dieses Jahr gab es viel Beute und ich freute mich wie immer, dass unsere Freundesgruppe so offen und aufmerksam war. Es wurden viele Wünsche erfüllt und einige Momente geschaffen, die ich hoffentlich nie wieder vergessen würde. Da es aber schon sehr spät wurde, beschloss ich nun ins Bett zu gehen. Hyunjin war bereits nach oben verschwunden. Er war nach dem vielen Training heute und dem langen Abend schon früh nach oben gegangen, was ihm jedoch keiner verübelte. Ich sagte den anderen kurz gute Nacht und verschwand dann in das Zimmer, das ich mir mit Hyunjin teilte.
Vorsichtig öffnete ich die Tür, um meinen Hyung nicht zu wecken, und suchte meinen Weg durch die Dunkelheit zu meinem Bett. Zum Glück hing eine Lichterkette im Zimmer, welche aber, da sie durch Batterien betrieben wurde, nur schwach leuchtete. Ich hatte sie in der ganzen Zeit zwischen dem ersten Advent und heute nicht ausgeschaltet. Wie konnte sie nur so lange überleben?
In Windeseile schlüpfte ich in meinen Pyjama und dann unter meine Bettdecke. Sie fühlte sich ganz kalt an, also musste ich sie erst etwas mit meiner Körperwärme erhitzen. Ich sah kurz zu Hyunjin herüber, dessen Brustkorb sich stetig hob und senkte. Er hatte sich auf den Rücken gelegt, aber sein Kopf drehte sich etwas in meine Richtung. Seine Gesichtszüge waren entspannt, seine Mundwinkel zu einem leichten Lächeln gehoben und seine Augen sanft geschlossen. Mit einem letzten Blick zu ihm, schloss ich meine Augen ebenfalls und fiel beinahe sofort in einen ruhigen Schlaf.
Verwirrt verzog ich das Gesicht, als meine Füße kalt wurden. Ein leichter Luftzug strich um meine Beine und der Wind säuselte leise. Ich zog meine Nase kraus und öffnete blinzelnd meine Augen. Auf den ersten Blick schien alles normal. Ich lag in meinem Zimmer, in meinem Bett, unter meiner Decke und um mich herum schien das schwache Licht der Lichterkette. Eine kurze Zeit später fiel mir aber auf, was fehlte.
Hyunjin lag nicht mehr auf seiner Matratze, seine Bettdecke wurde zur Seite geschlagen. Meine Augen verirrten sich zum Fenster, welches sperrangelweit offenstand. Was zum...?
Widerstrebend kroch ich unter meiner Decke hervor und setzte meine Füße auf den Boden. Schnell zog ich mir einen dicken Pullover über und schlüpfte in meine Hausschuhe. Mit schleifenden Schritten lief ich zum Fenster und beugte mich heraus. Sofort empfing mich die eiskalte Luft, draußen war es noch dunkel. Eine Straßenlaterne unweit dem Haus entfernt, leuchtete einsam warm der Kälte entgegen. Aus dem Augenwinkel erfasste ich eine Bewegung und drehte meinen Kopf leicht. Ein paar Beine baumelten vom Dach, auf dem ein Junge saß und zum Himmel aufschaute.
„Hyunjin?" Der Junge sah nun zu mir und legte fragend seinen Kopf schief. „Habe ich dich geweckt? Entschuldige, das wollte ich nicht", wisperte er kaum verständlich. „Es wurde etwas kalt im Zimmer", erwiderte ich etwas lauter. Langsam nickte Hyunjin, bedeutete mir dann zu ihm hochzukommen.
Umständlich zog ich mich die Dachziegel entlang nach oben, ergriff auf halben Weg die Hand meines Hyungs und setzte mich schließlich seufzend neben ihn. „Warum bist du hier?" Hyunjin wandte mir seinen Blick zu, doch schenkte mir nur für wenige Momente seine Aufmerksamkeit, ehe er wieder zum Himmel sah. „Ich weiß nicht", flüsterte er. „Es kann sein, dass ich nachdenke. Vielleicht sogar etwas zu viel. Ich wollte etwas Luft schnappen. Das Training zieht mich in letzter Zeit etwas herunter." Ich hatte schon vor einer ganzen Weile bemerkt, dass Hyunjins Aufmerksamkeitsspanne nahe Null lag und ihn seine eigene Konzentrationslosigkeit frustrierte.
„Hyung, wenn du Probleme beim Lernen der Choreografien hast, dann sag doch einfach Minho Hyung und mir Bescheid. Wir helfen dir immer gerne." Vorsichtig griff ich nach seiner Hand und umschloss sie mit meiner eigenen. Wie er, begann ich in die Ferne zu starren und mit den Gedanken abzudriften. „Ich glaube, ich muss erstmal alles in meinem Kopf sortieren, bevor ich mich auf die Arbeit konzentrieren kann." Er seufzte tief und schüttelte sein Haupt, entzog mir seine Hand.
Ich überlegte kurz, bevor ich mir Worte zurechtlegte. "Hyung, was ist deine Lieblingsfarbe?" Überrascht drehte mir der Ältere den Kopf zu, doch ich richtete meinen Blick weiterhin starr nach vorne. Sein Kinn hob sich, und er sah auf, in den Nachthimmel. Kurz schwieg er, atmete dann hörbar aus.
„Dunkelblau." Es war nur eine Atemwolke in der Kälte des Winters. „Warum?" Jetzt war ich es, der zum anderen hinüberschaute. Er hob den Kopf weiter in die Höhe. „Die Farbe mag ich irgendwie schon seit ich klein bin, aber es ist schwierig zu sagen, warum. Ich glaub Dunkelblau hat einfach so was beruhigendes Weites, etwas, dass mich im Tiefen berührt. Irgendwie sehe ich darin so eine Art unendliches Meer, und Meere generell haben es mir immer angetan. Gerade die Weite, die einem das Gefühl gibt, nicht allein zu sein und einen tröstet - diese Harmonie, welche so nahe scheint, doch trotzdem eine gewisse Distanz aufweist. Dunkelblau strahlt auch Kälte und Wärme gleichzeitig aus."
Hyunjin streckte langsam einen Arm nach oben, die Finger zeigten zum Himmel, welcher dunkelblau strahlte. „Es gibt mir dieses Gefühl, unter einem Sternenhimmel zu liegen und über nichts nachdenken zu müssen - das Gefühl mich nicht immer erklären zu müssen und in Sicherheit zu sein." Ein sanftes Lächeln zierte seine Lippen, als er seine Hand wieder sinken ließ, bis sie regungslos neben ihm lag. Die Sterne spiegelten sich in seinen schokoladenbraunen Augen. „Was ist deine Lieblingsfarbe, Felix?" Nach kurzem Überlegen wanderte mein Blick die Straße entlang, blieb an einem unbestimmten Punkt stehen.
„Orange. Ich mag die Energie, die diese Farbe ausstrahlt. Sie ist so fröhlich, so strahlend, so unendlich warm. Orange begleitet sowohl den Sonnenaufgang als auch ihren Untergang, ist damit zumindest für mich das Zeichen für Anfang und Ende eines Tages. Es kommt so oft in der Natur vor, aber bietet dennoch immer wieder eine Augenweide. Wenn ich die Farbe vor mir sehe, blicke ich auf eine Blumenwiese, das Brummen der Hummeln und Summen der Bienen erklingt leise im Hintergrund und alles scheint irgendwie magisch, als wäre es nicht die Realität, sondern nur reine Fantasie." Hyunjin nickte bedacht. „Ich wusste, dass du ein Ding für warme Farben hast." Zustimmend summte ich. „Und du liebst kalte Farben über alles."
Plötzlich kam mir ein Gedanke in den Sinn, beinahe hätte ich es vergessen. „Ich habe noch ein letztes Geschenk für dich, Hyung." Verwirrt wandte sich der Ältere wieder mir zu und blinzelte zweimal. „Du hast noch etwas für mich? Aber wir haben die Bescherung doch schon durch. Du hast mir doch mein Geschenk schon gegeben..." Ich grinste breit und umschloss meine rechte Hand mit meiner linken.
„Erinnerst du dich noch an den Abstecher auf den Weihnachtsmarkt?" Auch Hyunjin begann zu grinsen. „Du meinst, als wir nach dem Training im Stau standen und kurzerhand beschlossen haben, trotz Minhos Fluchen einfach durch die Stände zu marschieren?" „Ja genau, er wollte wirklich nicht, aber Chan, Changbin, du und ich haben einfach jeweils ein Bein oder einen Arm geschnappt und ihn aus dem Wagen über den Markt getragen, bis zu einem Schneehaufen, in welchem er dann im hohen Bogen landete." Wir beide mussten lachen, als wir daran dachten, wie sehr sich Minho Hyung beschwert hatte. Überall an ihm klebte der kalte, nasse Schnee.
„Und wir haben irgendwann Jeongin verloren und mussten verzweifelt nach ihm suchen, bis Jisung Hunger bekam und zu einer Fressbude lief, in welcher Jeongin seine Bestellung entgegennahm." „Er hat sich einfach dort hineingeschlichen und den Betrieb übernommen. Die Gesichter der eigentlichen Verkäufer waren so köstlich, als sie merkten, dass der Assistent auf einmal weiße, statt braune Haare hatte." Schnaubend schüttelte Hyunjin seinen Kopf. „Und dann waren du und Seungmin auf einmal weg." Verschmitzt verzog ich meine Mundwinkel zu einem spitzen Grinsen.
„Wir haben einen Schmuckstand entdeckt. Da gab es einfach alles. Selbst Traumfänger hingen dort, und große Pfauenfedern. Wir waren einfach neugierig." „Chan war so verzweifelt, als wir euch nicht finden konnten. Irgendwann seid ihr dann mit Zuckerwatte geradewegs auf uns zugelaufen. Unser Leader war so am Ende", er kicherte leise. Tja, so waren wir eben. Stray Kids bedeutete Chaos und niemand konnte uns kontrollieren. Nicht einmal Chan.
„Und an genau diesem Schmuckstand habe ich etwas für dich gefunden", wisperte ich Hyunjin entgegen. Er weitete seine Augen und streckte mir seine Hände entgegen. „Zeig her." Ich kicherte leise. Hyunjin war schon immer sehr begeistert, wenn es um Schmuck ging. Vorsichtig zog ich den Ring von meinem Daumen und reichte ihn an meinen Hyung weiter, welcher ihn sofort entgegennahm und ins Licht der einsamen Laterne hielt. Staunend betrachtete er den kleinen Silberring und drehte ihn in seinen Händen.
„Wow Felix, der ist wunderschön." „Leider nicht dunkelblau." „Aber er ist definitiv blau." Hyunjin lächelte fröhlich und steckte sich den Ring an seinen rechten Ringfinger. Es war ein offener Ring, also einfach zu verstellen, so musste ich mir wenigstens keine Sorgen um die Größe machen. Ein hellblauer Stein zierte ein Ende, das andere Ende ging in ein kleines Blatt über. Als ich ihn am Stand entdeckte, dachte ich sofort an Hyunjin. Er sah aus, als sei er einem Prinzen würdig, doch blieb Angesichts dessen relativ schlicht. Zumindest hatte niemand von den anderen bemerkt, dass ich ihn trug, natürlich bis auf Seungmin, er hatte ihn schließlich mit mir zusammen besorgt. Manchmal waren meine Freunde echt blind.
Plötzlich sah mein Hyung von dem Ring weg, direkt in meine Augen. „Jetzt habe ich aber gar nichts mehr für dich..." Er schmollte leicht und blinzelte schnell. Ich wurde weich bei dem Anblick. Hyunjin war wie ein großer Bruder für mich, ich mochte es nicht, wenn er enttäuscht oder traurig war. „Das ist doch nicht schlimm, Hyung. Alles, was ich von dir verlange ist, dass du mir Bescheid sagst, wenn dich etwas bedrückt." Ich streckte meine Arme aus und legte sie um Hyunjins Rücken. „Ich werde es versuchen...", flüsterte er stumm.
„Frohe Weihnachten, Hyung." „Frohe Weihnachten, Felix", erwiderte er und sah wieder in die Ferne, während ich mich noch etwas weiter an ihn herankuschelte. „Schau mal, die Sonne geht auf", hauchte er leise in die Nachtluft hinaus. Und tatsächlich, ein helles Licht breitete sich langsam über den Himmel aus, strahlendes Orange zierte die dunkelblaue Nacht und die Sterne verblassten nach und nach.
„Es ist wunderschön."
Erstmalig veröffentlicht im Rahmen des Adventskalenderprojekts der Baby_Gays Community 2021
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