Kapitel 24 // Ein Fremder aus dem Nichts
Die Gruppe bewegte sich weiter gen Süden. Okumiel war nicht mehr weit.
Sie waren noch gar nicht lange von Vasranta unterwegs. Die Landschaft, in der sie momentan waren, unterschied sich etwas von der, die sie sonst sahen.
Anstatt abgestorbenen Landes, mit nichts weit und breit Auffälligem bis zum Horizont reichend, waren sie nun inmitten eines kleinen Waldes. Zwar waren hier alle Pflanzen abgestorben und es war keine Spur von jeglichem Leben. Aber vor vielen Jahren, zu jener Zeit, in der dieses Land noch nicht Yamis Zorn gespürt hat, war das sicherlich ein prächtiger Wald gewesen.
Trotzdem erschien es irgendwie ... falsch. Auf ihrem ganzen Weg bis hier her, waren ihnen nur einige einzelne abgestorbene Bäume begegnet. Es schien, als wenn das hier eine riesige Versammlung der übrigen wäre.
Ab und zu knackte es in den Tiefen des Gebietes, was jedem einzelnen eine eisige Gänsehaut bescherte.
Alaska ging voraus, ihre Hände erhoben, jederzeit bereit für einen Angriff. Aurora derweil bildete das Schlusslicht, um mögliche Angriffe von hinten abzuwehren.
Bei einem weiteren knarren und rascheln blieb Melody abrupt stehen und hielt sie die Hände an den Kopf. „Es ist schon wieder da!", flüsterte sie.
Calion, der vor ihr lief, drehte sich zu ihr um. „Was ist schon wieder da?"
Melody sah zu ihm auf und blickte direkt in seine aquamarinblauen Augen. „Nun, das ist bestimmt albern", winkte sie ab, wobei ihr Gesicht nur noch röter wurde.
Doch Calion ließ nicht locker. Mit zusammengekniffenen Augen zwang er sie ihn anzuschauen.
„Na schön. Ich habe manchmal das Gefühl, heimlich beobachtet oder verfolgt zu werden. Aber immer, wenn ich nachsehe, ist niemand dort. Es ist sowieso bestimmt nichts."
„Dessen solltest du nicht so leitfertig umgehen!"
Auf einmal erklang ein mächtig lautes Knacken im Wald, sodass allesamt unwillkürlich zusammen-zuckten.
„Der Wald ist alt und total abgestorben", versuchte Melody sich selbst und die anderen zu überzeugen.
Doch Calion wirkte nach wie vor skeptisch und durchlöcherte den Wald förmlich mit seinem Blick.
Als er schließlich ein erneutes Knarren und knacksen von sich gab, blieb Calion schließlich störrisch stehen. „Mir reicht es jetzt! Ich gehe jetzt nachschauen!", erklärte er. Mit diesen Worten wandte er sich von den anderen ab und verschwand im Gebüsch.
Es verstrichen einige Sekunden.
Dann noch weitere.
Bis plötzlich ein lautes Knacken ertönte, das sogar das davor übertraf, gefolgt von einem Schrei, das durch den ganzen Wald halte, hinweg über all die toten Bäume und Pflanzen. Ein Mädchenschrei.
Augenblicklich spannten sich Auroras und Alaskas Körper an. Bereit, jeden Moment in die verräterischen violetten Augen zu blicken und sich ins Gefecht zu stürzen.
Aber so weit kam es nicht.
Denn als Calion wieder zurückkehrte, hatte er keine Schattenfrau bei sich, sondern lediglich ein ganz normales Mädchen.
In ihren glatten, schwarzen Haaren hingen einige Äste und Zweige, die sie aus dem dichten Wald davongetragen hatte, ebenso, wie ihre leicht zerzauste Frisur. Sie trug ein schlichtes hellblaues Kleid und darüber eine passende Weste. Auf dem Rücken trug das Mädchen irgendetwas mit sich herum. Allerdings war es nicht wirklich auszumachen, was das sein mochte.
Ihre kastanienbraunen Augen schweiften mit einer Mischung aus Neugier, Abenteuerlust und Zweifel über die Gruppe. Ihr Blick blieb zuletzt schließlich an Melody hängen. In dem Moment, als sich ihre Blicke trafen, flammte urplötzlich eine seltsame Hoffnung in den Augen des fremden Mädchens auf. So, als würde sie gerade zum ersten Mal entdeckt haben, dass die Luft tatsächlich zum Atmen da war.
Das fremde Mädchen schnappte gleich darauf einen großen Atemzug nach Luft.
„Du ... Du bist Melody, oder?", fragte sie mit leuchtenden Augen.
Melody nickte langsam.
Eigentlich war sie sich verrückte Fans gewöhnt, die sie bis überall hin verfolgten. Aber doch war das hier aus irgendeinem Grund anders.
Sie war noch immer in Calions festen Griff gefangen. Doch sie machte noch nicht einmal Anstalten, sich irgendwie zu wehren oder sich zu befreien. Ihr Blick und ihre Aufmerksamkeit ruhten einzig und allein auf Melody. So, als wenn es nichts anderes existieren würde.
Jedenfalls bis sich Alaska vor Melody stellte und langsam bedrohlich auf das fremde Mädchen zukam.
„Wer bist du? Was machst du hier? Und warum verfolgst du uns?"
Doch das Mädchen wirkte nicht sonderlich eingeschüchtert von ihr. „Ich verfolge nicht euch. Ich verfolge Melody.", stellte sie klar.
Alle Blicke wanderten zu der Sängerin.
„Und warum um alles in der Welt?", mischte sich auch Kenneth ein. „Hast du nichts besseres zu tun, oder wie?! Schleichst deinem Idol einfach heimlich so herum und denkst dir: Hey, warum erlebe ich nicht mal ein Abenteuer? Ich bringe mich gerne in Gefahr und brauche mein Leben nicht zu schätzen." Beim letzten Satz warf er einen kalten Blick zu Alaska.
Alaska stöhnte. „Meine Güte! Ihr kapiert es nicht, oder? Ihr könnt mich mit diesem Blick nicht schlagen!"
Kenneth verdrehte nur die Augen und wandte sich nun wieder dem fremden Mädchen zu.
Diese wollte wohl einige Schritte auf die Gruppe zukommen. Jedoch hielt Calion sie noch immer fest.
Doch auch davon ließ sie sich nicht aus der Ruhe bringen. Den Blick auf Melody gerichtet berichtete sie: „Ich bin nicht auf ein unnötiges Abenteuer aus, falls ihr das wirklich denkt. Ich bin nur auf der Suche nach etwas, was ich seit langer Zeit verloren habe."
„Und dein Name?", fragte Kenneth weiter.
Nun wandte sie den Blick doch noch von Melody ab und vertiefte sich nun in Kenneth.
„Meinen Namen kann ich noch nicht verraten. Dafür steht zu viel auf dem Spiel. Aber glaubt mir: Ich bin nicht euer Feind. Sondern eher ... eine neue verbündete."
Auf Calion erhob nun die Stimme. „Du verlangst ernsthaft, dass wir dir einfach so vertrauen und dich bei uns aufnehmen, nachdem du hinter uns hergeschlichen und uns beobachtet, belauscht und ausspioniert hast?"
Das Mädchen beäugte nun Calion bevor sie erwiderte. „Ich verlange gar nichts. Ich muss lediglich rein zufällig in die gleiche Richtung, wie ihr. Da würde es nicht schaden, wenn wir zusammen gehen, oder?"
Sirena seufzte, bevor sie ihren Freunden verkündete: „Da hat sie leider nicht ganz unrecht. Allein ist es hier in Yamis Territorium viel gefährlicher, als in der Gruppe. Wir nehmen sie aber nur mit, wenn es für dich in Ordnung ist, Melody.
Die junge Sängerin inspizierte das Mädchen von oben bis unten. Schließlich nickte sie seufzend. „Meinetwegen. Ich bin schon mit vielen ausgekommen. Da wird nun einer mehr jetzt auch nichts ändern." Damit wandte sie sich ab und ging an der Front weiter. Auch der Rest setzte sich schließlich wieder in Bewegung.
„Sag mal, wie sollen wir dich jetzt eigentlich nennen?", fragte Aurora das Mädchen, die vorne, hinter Melody liefen.
Das Mädchen zuckte mit den Schultern. „Das ist mir soweit egal. Aber wenn ihr keine Namensideen habt, könnt ihr mich meinetwegen auch Amaya nennen."
„Wie kommst du auf diesen konkreten Namen?"
„Naja, er ist doch schön, oder?" Amaya zeigte Aurora ein leichtes Lächeln und ihre kastanien-braunen Augen hatten etwas an sich, das sie strahlen ließ. „Außerdem ist es der Name meiner Mutter.", fügte sie etwas leiser hinzu.
Zu acht setzten sie ihre Reise fort. Okumiel war nicht mehr lange entfernt. Höchstens noch anderthalb Stunden Fußmarsch. Dann würden sie endlich Kassandra und Sherena aus Yamis Klauen befreien können.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top