Kapitel 20 // Letos
Die drei brauchten nur einen halben Tagesmarsch, ehe sie in der Zielstadt ankamen. Letos war auf dem Weg von einem großen Dorf zu einer Stadt zu werden. Sie lag an einem Fluss, der dieses Teil des Landes noch vor Yami schützte.
Als sie das Dorf betraten, kam ihnen eine ordentliche Portion Leben entgegen. Kinder lachten, Bürger quatschten und tratschten. Das Dorf und diese Leute waren ganz unberührt von dem Krieg, der dort draußen, vor dem anderen Flussufer tobte.
Die drei gingen an einigen Läden und belebten Plätzen vorbei, bis sie schließlich an einer Reihe von Wohnhäusern ankamen. Sie gingen etwa an dreizehn Häusern vorbei, bis sie schließlich einem kleinen, fast schon etwas übermutig wirkenden Häuschen stehen blieben. Obwohl es kleiner war, als die übrigen, strahlte es doch ein gewisses etwas aus. Das quietsch grelle lila Dach glänzte angeberisch sauber poliert, so wie die neongelbe Hauswand. Das ganze Bild hatte den Eindruck, als würde das Häuschen einem die Zunge rausstrecken. Die Fenster und die Haustür waren in einem knallroten Farbton gehalten. Ein kleiner Weg teilte den Garten, von der Straße bis zum Haus in zwei Hälften. Jedoch wo der Garten im rechten Teil perfekt gepflegt war, wucherte er auf der linken Seite wild herum. Die gleichmäßig geschnittene Wiese stand im großen Kontrast zu dem meterhohen Gras, das auf der anderen Seite wuchs.
„Und wer wohnt hier noch mal?", fragte Aurora, die nicht so recht wusste, was sie von dem halten sollte.
Sirena schmunzelte. „Auf den Steinen dürfte das der Drache sein. Hier wohnen Kenneth und Ophir." Mit diesen Worten waren sie am Haus angekommen und Sirena klopfte an die Tür.
Die Mädchen mussten gar nicht lange warten, bis sich die Tür schließlich öffnete und ein sehr großer, sehr kräftiger Mann zum Vorschein kam. Graue, leere Augen blicken ihnen entgegen, bis er schließlich Sirena erkannte. Schlagartig weiteten sich seine Augen und sein Gesicht formte sich zu einem herzlichen Lächeln.
„Oh, Sirena, Alaska! Schön euch zu sehen. Wie ich sehe, habt ihr eine Freundin mitgebracht." Der Mann begutachtete Aurora neugierig. Auf einmal schlug er sich gegen die Stirn. „Oh, wie unhöflich von mir! Wo sind denn meine Manieren? Kommt doch herein." Damit trat er aus der Tür um seinen drei Gästen Platz zum Eintreten zu machen.
Im Inneren des verrückt aussehenden Häuschens sah es nicht viel anders aus, als von außen. Kunterbunte Farben. Grelle Farben. Möbeln in Formen, die Aurora noch nie zuvor gesehen hatte. Es war absolut irreführend.
Als sie eintraten befanden sie sich in einem Wohnzimmer. Aurora hatte das Gefühl, dass jedes Möbelstück in diesem Raum – und wahrscheinlich im ganzen Haus – eine andere Farbe hatte.
Der Mann geleitete sie zu dem Sofa, das mitten im Raum stand. Allerdings sah es eher wie eine Kreuzung aus Fisch und Tiger aus, so, wie es dort dastand. Einige Muster, die stark an Schuppen erinnerten zierten den blauen Stoff des Sofas. Zudem erstreckten sich rote Tigerähnliche Streifen über das ganze Möbelstück und die Sofafüße sahen tatsächlich wie Pfoten aus.
Bevor der Mann sich zu den drei Mädchen setzte, ging er noch zu der Wendeltreppe, die nach oben führte und rief mit seiner tiefen Stimme: „Kenneth, wir haben Besuch!" Danach gesellte er sich wieder zu seinen Gästen.
Um die unangenehme Stille zu überbrücken, die darauffolgte, als sie auf diesen Kenneth warteten, räusperte sich Sirena kurz und sagte: „Also, ich glaube, ihr beide kennt euch noch nicht. Aurora, das ist Ophir. Ophir, Aurora."
Ophir schenkte Aurora ein erfreutes Lächeln, während er sich durch seine blonden, kurzen Locken fuhr.
Bevor es wieder still wurde, kam Kenneth runter und zog damit die ganze Aufmerksamkeit des Raums auf sich. Er kam auf dem Geländer der Treppe runtergerutscht und legte eine saubere Landung hin, so, als wenn er dies öfter machen würde.
Kenneth schien den Blick bemerkt zu haben. Doch er zuckte nur mit den Schultern. „Was? Wieso langweilig Treppen laufen, wenn's auch viel schneller geht – und dazu noch viel Spaßiger?" Bei letzterem zwinkerte er den anderen zu.
Er machte theatralisch einige Schritte vorwärts, bis er neben Ophir angelangt war.
Der Unterschied der beiden Männer war verblüffend. Sie waren wie Licht Schatten. Tag und Nacht. Feuer und Eis.
Denn während Ophir sehr groß war, mit seinen 195 cm und seinem Bauch, war Kenneth mit seinen 165cm gut zwei Köpfe kleiner, als sein Mitbewohner. Doch nicht nur dabei waren sie so grundverschieden. Zu Kenneth dünner Figur kamen zudem noch glatte, rote Haare und giftgrüne Augen.
Er klatschte mit einem Schelmischen Grinsen in die Hände. „Also, was gibt's? Steht ihr etwa doch auf uns?" Er wackelte mit den Augenbrauen. „Oder warum beehrt ihr uns in so kurzer Zeit schon wieder – und sogar mit Verstärkung?"
Alaska verdrehte nur abweisend die Augen, bevor sie konterte: „Glaubst du wirklich, dass ich freiwillig hier bin?"
Kenneth holte schon Luft, um etwas zu erwidern. Doch bevor er dazu kam, ging Sirena dazwischen.
„Wir sind hier, weil wir nun doch eure Hilfe benötigen." Sirenas sanften Worte schwebten einige Augen blicke im Raum herum, bis Kenneth sich schließlich räusperte.
„Tut mir leid, aber unsere ist schon vorbei."
Alaska lachte auf. „Oh bitte! Du meinst doch wohl nicht allen Ernstes den kleinen Ausflug, den wir abgebrochen haben?"
„Oh doch!" Alaska hustete das Wort „Feigling", während Kenneth noch einen
Schritt näher zu Alaska heran trat, sodass sie sich direkt in die Augen sahen. Auch, wenn Kenneth ein Stück kleiner als sie war
„Vielleicht", meinte er. „Aber mit Stolz! Nur so zur Info: Ich bin gerne am Leben und schütze es auch dementsprechend. Besser als manch anderer, der sich andauernd Hals über Kopf für andere in irgendwelche Gefahren stürzen!"
„Diese anderen brauchen diese Hilfe! Verdammt, da draußen tobt ein Krieg! Aber das interessiert dich ja nicht! Hier seid ihr ja schön in Sicherheit! Mal sehen, wie lange noch. Und wenn Yamis Schattenkrieger hier aufkreuzen, bin ich davon überzeugt, dass ihr als erstes die Flucht ergreift. Kein Wunder, dass deine Eltern so enttäuscht von dir sind!"
Kenneth öffnete schon den Mund, um etwas zu erwidern, schloss ihn jedoch wieder.
„Nun Kenneth", mischte sich nun auch Sirena ein. „wäre es nicht schön, deine Eltern zu beeindrucken? Du Ihr könntet Helden sein. Ihr würdet auch reichlich belohnt werden." Nun wandte sie sich auch an Ophir. „Was meinst du dazu?"
„Ich denke..." Er sah hilfesuchend zu Kenneth. „Ich denke, das sollte Kenneth entscheiden."
Damit seufzte dieser. Seine giftgrünen Augen fixierten Sirenas Meeresblaue.
„Naaaa schööööööööön", antwortete er schließlich und zog die Worte übertrieben in die länge, was ihm ein erneutes Augenrollen von Alaska einbrachte. „Aber ihr müsst uns versprechen, dass wir nicht sterben werden."
„Na ich denke ihr wollt nicht Sterben", sagte Alaska. „Ich denke ihr wollt ‚euer Leben leben und dementsprechend schützen.' Dann sterbt doch nicht!"
Bevor es zu noch weiteren Streitereien kam, klatschte Sirena in die Hände. „Na dann wäre das ja geklärt!" Innerhalb kurzer Zeit waren Sie nun auch schon auf dem Weg gen Süden. Sirena, Alaska, Aurora, Ophir, Kenneth. Der nächste Zwischenstopp war die – von Yami besetzte – Stadt Vasranta, wo sie ihren nächsten Verbündeten einsammeln würden.
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