Kapitel 3
Kapitel 3
Die Festhalle war reichlich gefüllt und Aurelia ebenso ermüdet von den ganzen Männern, die versuchten, ihr indirekt den Hof zu machen. Sie waren alle gutaussehend und zuvorkommend, keine Frage, und dennoch schien es, als wären sie alle viel zu bedacht darauf, ihr zu gefallen.
‚Falsch' war das richtige Wort dafür.
Mit diesen Männern langweilte sie sich fast zu Tode und der Abend war eine einzige Qual. Und sie war sich sicher, dass man es ihr auch ansehen konnte. Sie saß gelangweilt auf dem Sofa. In der Hand ein Glas Wein. Das Fünfte an diesem Abend und sie wusste, dass es nicht das Letzte sein würde. Wahrscheinlich war sie später so betrunken, dass sie wunderbar schlafen konnte. Hoffte sie.
Ihr Vater warf ihr ab und an, durch den Raum, bedenkliche Blicke zu, während er sich mit den verschiedenen Anwärtern unterhielt und wohl auch seine eigene kleine Prüfung abhielt. Dennoch nicht überzeugend von Aurelias Warte aus gesehen.
War das ermüdend!
Es war genau so langweilig, wie die Tage, die sie bei den Mönchen und Gelehrten verbracht hatte. Lächeln, freundlich sein und einfach nur versuchen, den Abend zu überleben. Dabei hatte sie sich so gefreut, wieder zu Hause zu sein und jetzt war sämtliche Freunde darüber verschwunden.
Einer der jungen Adligen setzte sich zu ihr auf das Sofa, doch Aurelia beachtete ihn keinen Augenblick lang.
„Die Lady scheint gelangweilt", sagte er und Aurelia verdrehte innerlich die Augen.
„Ich möchte nicht, dass du da sitzt. Geh", erklärte sie ohne Umschweife.
Verwirrt blinzelte dieser und blickte abwechselnd zu Aurelia und zu der restlichen Halle, als wäre er sich unsicher, ob er wirklich gehen sollte oder nicht.
„Ich möchte mich ungern wiederholen", erklärte sie und noch immer schien der junge Mann reichlich verwirrt.
Schließlich seufzte Aurelia auf und erhob sich, um sich ein anderes freies Sofa zu suchen. Sie hoffte nur, dass sie eines fand.
„Habt Ihr Euch verlaufen, Prinzessin?", erklang plötzlich eine tiefe, doch wohlklingende Stimme und ließ Aurelia augenrollend herumfahren. Konnte sie nun nicht einmal mehr ungestört in der Gegend herumstehen? Ein Mann, kaum älter als sie selbst, kam einige Schritte auf sie zu und musterte sie mit einem Lächeln. „Schlagfertig wie immer. Ihr habt Euch wirklich überhaupt nicht verändert."
Aurelias angesäuerte Miene verwandelte sich in ein leichtes Lächeln, als sie den Mann erkannte, dessen Stimme sich so verändert hatte. Doch sein Aussehen war noch fast das alte. Auch wenn er um einiges älter geworden war. „Bassus. Ich muss zugeben, Eure Stimme hat mich ein wenig irritiert", sagte sie und lächelte.
Ein strahlendes Lächeln umspielte nun den Mund des Mannes.
Auch wenn Calpurnia erzählt hatte, dass er öfter im Palast war und nach ihr fragte, hatte Aurelia nicht erwartet, ihn hier anzutreffen.
„Ihr habt mich auch überrascht. Ihr seid erwachsen geworden", bemerkte er und musterte sie mit funkelnden Augen.
„Ja, körperlich", stimmte sie ihm zu, da sie eigentlich hoffte, dass er nicht aus denselben Gründen hier war, wie alle anderen. Aber allein, dass er hier war, sprach gegen diese Hoffnung. Aber sie würde ihn nicht sofort abschießen, denn seine Gesellschaft war ihr lieber, als die der anderen Männer hier.
Bassus lachte über ihre Bemerkung und wandte sich kurz zu Aurelias Vater um, der sie wieder zu mustern schien.
Wenn er sich solche Sorgen um sie machte, wieso hatte er sie dann überhaupt zu diesem Fest genötigt?
„Das würde ja heißen, die zehn Jahre wären umsonst gewesen."
„Ja, das sagten mir die Gelehrten auch immer wieder", erklärte sie und klang schon selbst, an sich verzweifelt.
„Aber am Ende habe ich die Prüfung doch geschafft und keiner meiner Prüfer ist in Tränen aufgelöst aus dem Raum verschwunden. Also kann es gar nicht so schlecht gewesen sein", erklärte sie, als wäre es ihr selbst gleichgültig. Dass sie von einer Prüfung sprach, die im ganzen Reich als Schwerste und Herausforderndste angesehen wurde, war ihr dabei reichlich egal.
„Und nun dürft ihr Euch von Eurem Vater vorführen lassen. Ich hatte Euch immer soweit eingeschätzt, dass ihr recht eigenständig wärt. Demnach hätte ich Euch heute gar nicht erwartet", gestand Bassus leise, aber bedenklich, während er die anderen Männer musterte, die sich hier herumtrieben.
„Das hätte mir aber nichts gebracht, denn mein Vater ist nicht davon abzuhalten, mich mit jemandem zu verloben. Allerdings wird der Mann, der mein Verlobter sein möchte, zuerst einen Test bestehen müssen", erklärte sie und klang fast schon gelangweilt. „Als würde ich es dem Zufall überlassen, wer mich ehelicht. Und als würde ich zulassen, dass mein Vater mir diese Entscheidung aufzwingt. Er behauptet ja immer, ich wäre so stur wie er."
Ein unterdrücktes Auflachen, welches in Form eines gedrückten Schnaubens ertönte, verließ Bassus Kehle.
Vielsagend blickte Aurelia ihn an, als würde sie fragen, was es da zu lachen gab. Doch der Mann setzte schnell eine fast gleichgültige Maske auf und schüttelte den Kopf.
„Eine Prüfung, ja? Dürfte ich fragen, was diese beinhaltet, Prinzessin?"
„Das werde ich dir nicht verraten. Ich gehe davon aus, dass auch du einer der Kandidaten meines Vaters bist und es wäre nicht fair den anderen gegenüber, dich einzuweihen", erklärte sie. Vor allem nicht, bevor sie die Prüfung mit ihrem Vater abgesprochen hatte. Dieser würde aus allen Wolken fallen. Hoffte sie. Aber zumindest sollte ihm dann klar sein, dass sie sich nicht auf diese Sache einlassen würde. Außerdem fragte sie sich, wie viele der Anwärter ihre Anfrage zurückziehen würden. Sie hoffte auf alle. Aber es gab unter den Jünglingen immer heldenmutige Versager.
„Nun ja", setzte Bassus an und griff nach einem Glas Wein, welches auf einem Tablett stand, das einem Dienstmädchen gehörte, welches die Gäste bediente. „Euer Vater bat mich zwar zu kommen, aber nicht als Anwärter. Das war mein eigener Impuls", stellte Bassus ohne große Umschweife klar und nahm einen großen Schluck.
„Dann würde ich dir raten, dich zurückzuziehen. Ich habe nicht vor, mich in den nächsten Jahren verloben zu lassen", stellte nun Aurelia klar und blickte zu ihrem Vater. „Dementsprechend wird auch die Prüfung ausfallen. Ich würde es schade finden, wenn dir ein Arm oder Bein abhandenkommt", erklärte sie scheinbar emotionslos, doch es stimmte. Um Bassus wäre es wirklich schade. Sie mochte ihn als Freund, aber nicht als Geliebten oder gar Verlobten.
Und genau, wie diese erwartet hatte, blickte Bassus sie sichtlich verwirrt an, als würde er nicht direkt wissen, was sie damit sagen wollte. Irritiert folgte er ihrem Blick zu ihrem Vater, in der Hoffnung dort eine Antwort auf seine Frage zu finden.
„Was wollt Ihr damit sagen?", fragte er leise und hielt den Blick auf dem König.
„Ich bin eine Frau. Ich brauche keinen Schmuck an meiner Seite, sondern einen Kämpfer. Keinen verwöhnten, kleinen Adligen, der sich in Politik auskennt. Das kann ich selbst. Ich brauche jemanden für ein Schlachtfeld, der mich beschützen kann, wenn es hart auf hart kommt. Sag mir, wie viele Männer in diesem Raum, die versuchen, um meine Hand anzuhalten, würdest du auf ein Schlachtfeld schicken, mit der Annahme sie kämen zurück?", fragte sie und machte sich dann auf den Weg zu ihrem Vater, um es ihm ebenfalls auf diese Art und Weise zu unterbreiten. Nur dass das Schlachtfeld, das sie sich überlegt hatte, aus dem Kolosseum bestand. Sie war gespannt, wie ihr Vater darauf reagieren würde.
Er war gerade dabei sich mit einem der Anwärter zu unterhalten, als er seine Tochter erblickte und diesen direkt zur Seite schob, um ihr entgegenzukommen.
„Aurelia, wie geht es dir? Ich hab gesehen, du hast bereits mit Bassus gesprochen", bemerkte er und blickte kurz über ihre Schulter hinweg, zu besagtem Mann.
Aurelia schenkte ihrem Vater ein klägliches Lächeln. „Genau genommen bin ich sehr gelangweilt und die Männer hier ermüden mich. Daher dachte ich, ich unterbreite dir meine Idee für den Test", erklärte sie, was ihren Vater aufhorchen ließ. Aurelia ließ sich aber nicht irritieren und zeigte auf eine kleine Sofaecke, in der sie mit ihm ein wenig ungestört reden konnte. Hoffte sie.
Mit einem kurzen Nicken folgte er der Rothaarigen und setzte sich neben sie auf das Sofa. Einige der Dienstmädchen traten zu ihnen und deuteten ihnen, etwas zu ordern, doch der König schüttelte nur ungeduldig den Kopf.
„Nun, was ist dein Vorschlag?", fragte ihr Vater und ließ keine von Aurelias Regungen unentdeckt.
„Mir ist klar geworden, dass jeder mich hier als Zierde sieht und im Grunde haben sie Recht. Ich bin eine hilflose Frau. Ich kenne mich in Politik aus, spreche, dank meiner Lehrjahre, einige Sprachen und kann gut mit Menschen umgehen. Was ich aber nicht kann, ist mich verteidigen", erklärte sie und ließ ihren Blick über die Anwärter schweifen. „Ich sehe also keinen Nutzen darin, jemanden zu ehelichen, der im Grunde dasselbe kann wie ich. Ich brauche jemanden, der stark ist und notfalls in einen Krieg ziehen kann. Der Heere für sich gewinnen kann und der mir den Rücken deckt, mir aber nicht in den anderen Belangen in den Weg kommt", erklärte sie weiter und beachtete ihren Vater überhaupt nicht. „Das heißt, ich brauche einen Krieger. Und ein solcher wird sich beweisen müssen. Ich möchte ein Duell mit einem der Gladiatoren. Denn diese sind Kämpfer durch und durch. Wenn er sich gegen einen von ihnen behaupten kann, dann wird er mich auch beschützen können." Damit drehte sie ihren Kopf zu ihrem Vater und wartete darauf, dass dieser etwas sagte. Noch blickte er sie an und musste feststellen, dass sie in ihrer Lehre das Reden wirklich gut gelernt hatte.
Natürlich war es fester Bestandteil ihrer Ausbildung und dennoch war es überraschend, wie sehr sie sich doch verändert hatte.
„Du... möchtest also, dass deine Interessenten gegen Gladiatoren antreten. Hältst du das nicht für etwas unfair? Immerhin kämpfen selbst Soldaten nicht genauso wie Gladiatoren. Im Kolosseum gibt es keinerlei Regeln", gab er zu bedenken, auch wenn Aurelias Miene keine Sekunde an ihrem Entschluss zu zweifeln schien.
„In einem richtigen Kampf gibt es auch keinerlei Regeln", beharrte sie und schien sich nicht von ihrer Entscheidung abbringen zu lassen.
Ihr Vater seufzte schwer und hielt ihrem Blick bedenklich stand.
„Ich werde es in Erwägung ziehen, genügt dir das?", fragte er, auch wenn er wusste, dass er, wenn Aurelia daran festhielt, sowieso einwilligen würde. Solange es sie nicht selbst in Gefahr brachte, konnte er ihr einfach keinen Wunsch abschlagen.
„Du würdest mich also wirklich mit einem Mann verloben, der nicht in der Lage wäre, mich zu verteidigen, weil er selbst nicht in der Lage ist, zu bestehen?", fragte sie und blickte ihren Vater mit großen Augen an. „Ich weiß, dass keiner so stark sein wird wie du, aber wenn du irgendwann nicht mehr da bist, möchte ich mich wenigstens in der Nähe meines Gatten sicher fühlen können", erklärte sie und für ihren Vater war es ein deutliches Zeichen, dass es ihr nicht reichte, wenn er es lediglich in Erwägung zog.
Ihr Vater gab ein nachdenkliches Grummeln von sich, welches Aurelia nur zu gut kannte. Er machte dieses Geräusch immer, wenn er im Inbegriff war, ihr etwas zu erlauben, auch wenn er es selbst nicht wollte.
Aber Aurelia war sich fast sicher, dass er den Sinn dahinter verstand. Natürlich war es eine sehr schwere Herausforderung und Aurelia hoffte, so die meisten der Bewerber loszuwerden, doch sie wusste auch, dass es nicht ganz unwahrscheinlich war, dass jemand gewinnen würde. Früher oder später.
„Und so wird auch schnell klar, ob ich ihnen das wert bin oder ob sie nur Interesse an meinem Rang haben. Natürlich ist mir auch der politische Aspekt hinter dieser Verlobung klar, doch dein Reich ist groß und stark. Keiner der hier Anwesenden würde durch eine politische Heirat etwas beitragen. Wichtiger ist es, daran zu denken das Reich auch zu stabilisieren und zu halten, wenn ich einmal deinen Platz übernehme", versuchte Aurelia es erneut, denn sie wusste, dass ihr Vater logischen Argumenten nicht abgeneigt war. Und sie wollte ihm klar machen, dass sie die Sache wirklich durchdacht hatte und es nicht nur aus einer Laune heraus gekommen war.
Ihr Vater musterte sie mit verengten Augen und einem Schmunzeln.
„Du hast dich wirklich hervorragend weiterentwickelt. Ich bin stolz auf dich", erklärte er erfreut und strich ihr mit dem Handrücken über die Wange. „Du sollst dein Turnier haben."
Aurelia schenkte ihm ein Lächeln, denn das Lob machte sie glücklich. Sie hatte Angst gehabt, dass ihr Vater vielleicht nicht stolz auf sie sein würde, wenn sie so darauf beharrte oder wenn er merkte, dass sie wirklich nicht stark war. Zumindest nicht so wie er. Innerlich fühlte sie sich noch immer wie ein kleines Kind und sie sah sich auch noch nicht gewachsen, ihren Vater abzulösen, aber das musste sie auch noch nicht.
„Ich danke dir, Vater", sagte sie und wirkte das erste Mal an diesem Abend glücklich.
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Wenn euch das Kapitel gefallen hat würden wir uns sehr über votes und Kommentare freuen.
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