Kapitel 29
Kapitel 29
Doch sobald sie den Raum verlassen und Remus sich selbst überlassen hatte, drängte sich ein unbändiges Gefühl auf wieder umzukehren.
Beinahe wie paralysiert, ging sie zurück zum Palast und wartete, dass ihr Vater sie zum Kampf holen würde.
Es war vollkommen still als Calpurnia ihr mit einem mitleidigem Blick die letzte Haarnadel in die elegante Frisur steckte, welche in mehreren Zöpfen um ihren Kopf gewickelt war, mit einigen losen Strähnen im Gesicht.
„Es tut mir leid, dass ich nicht mehr für dich tun konnte", murmelte Calpurnia traurig und blickte Aurelia über den Spiegel vor ihr hinweg an.
„Du hast getan, was du konntest", meinte Aurelia mit rauer Stimme. Es war das erste, was sie sagte, nachdem sie von Remus zurückgekehrt war und Calpurnia spürte die Trauer in ihrer Stimme.
Aurelia erhob sich und nahm Calpurnia in den Arm. „Ich danke dir, dass du immer für mich da warst", flüsterte sie leise und ein ganz eigenartiges Gefühl breitete sich in der jungen Frau aus. Auch wenn Aurelia nichts sagte, Calpurnia ahnte, was geschehen würde.
Und auch wenn ihre Augen sie fragend mit einem besorgten Ton anblickten, sagte sie nichts. Stattdessen schluckte sie gequält und senkte den Blick zögerlich auf ihre Schuhe.
„Es ist mir eine Ehre, Prinzessin", murmelte sie leise und faltete ihre Hände vor ihrem Bauch, als Aurelia sich von ihr löste.
Aurelia atmete tief durch und verließ den Raum. Die Wache, die ihr Vater vor ihrem Zimmer positioniert hatte, begleitete sie sofort, doch Aurelia schwieg. Wenn sie wirklich aus ihrem Zimmer fliehen wollte, würde sie das können, ohne bemerkt zu werden. So wie sie es schon immer tat. Diese Wache war nur wieder einmal ein Fingerzeig ihres Vaters, der sie darauf hinweisen wollte, wie gefangen sie eigentlich wirklich war.
Schließlich gesellte sich ihr Vater zu ihr, doch Aurelia sagte kein Wort. Sie schenkte ihm nicht einmal einen Blick. Ihre Gedanken waren bei Remus und das würden sie bleiben.
Der Weg zum Kolosseum wirkte geradezu surreal und es kam der Rothaarigen sogar beinahe so vor, als würde die Stadt stillstehen. Alle ihre Sinne fokussierten sich auf den bevorstehenden Kampf, in dem Remus einfach siegen musste. Dabei ging sie innerlich schon ihre Fluchtmöglichkeiten durch. Es war beinahe schon ein freudiges Erwarten endlich diesem Alptraum entfliehen zu können. Und doch wusste sie nicht, was sie planen sollte. Am liebsten würde sie nichts mitnehmen und einfach ausreißen ohne alles. Ohne Geld. Ohne Titel. Ohne irgendwas was sie an ihr angebliches zu Hause erinnern würde.
Doch sie war nicht naiv genug, um zu glauben, dass sie ohne Geld weit kommen würde. Und vor allem nicht ohne wenigstens ein bisschen Kleidung. Zumindest einen Mantel musste sie bei sich haben und ein paar Vorräte, falls es länger dauern sollte. Dazu noch eine gute Summe, damit sie irgendwo neu anfangen konnte.
Gemeinsam mit Remus...
Das war alles, was sie wollte und sich wünschte. Nur weil sie floh, hinfort von ihrer Vergangenheit, hieß das nicht, dass sie kein sorgenfreies Leben wollte.
„Du wirkst abwesend", erklang plötzlich die Stimme ihres Vaters die ihr eine kalte Gänsehaut bereitete, während sie die Gänge im Kolosseum zur Loge passierten.
Aurelia schwieg. Es war das einzige, was sie tun konnte. Ihr Vater hörte doch sowieso nicht auf sie, warum sollte sie sich dann überhaupt die Mühe machen und mit ihm sprechen? Außerdem bestand so nicht die Gefahr, dass sie sich verriet.
Schweigend folgte sie ihrem Vater in die Loge.
„Irgendwann wirst du es verstehen. Ich will nur das Beste für dich Aurelia", erklärte er leise und setzte sich in der Loge angekommen, auf seinen Thron neben Aurelias Platz. Alles in ihr sträubte sich, neben ihm Platz zu nehmen. Doch sie besänftigte sich damit, dass es das letzte Mal sein würde.
Sie schwieg erneut und als er ihr anbot den Kampf zu eröffnen, schwieg sie weiter. Ihr Vater war anzusehen, dass er ihr Verhalten als kindisch betrachtete, aber Aurelia störte das nicht. Sie blickte nur hinab in den Kampfring und wartete darauf, Remus zu sehen. Auch wenn sie sich wünschte, dass er gar nicht erst antreten würde. Sie hätten gestern sofort fliehen wollen. Doch Remus hatte gehofft, dass er den Kampf gewinnen und diese Sache somit lösen konnte, ohne dass Aurelia gezwungen war, sich in Gefahr zu begeben. Aurelia glaubte nicht daran. Dass er gewann, hoffte sie, doch es würde nichts ändern. Wahrscheinlich würde sie Bassus dennoch heiraten müssen.
Immerhin hatte sie bereits zugestimmt und der Kampf sollte lediglich eine Art Appell an Aurelias Untreue sein.
Bassus hatte sie und Remus gemeinsam gesehen und das hatte seinen Stolz gekränkt, weil er glaubte es wäre nicht nur der Alkohol gewesen, der Aurelia veranlasst hatte mit Bassus ein Bett zu teilen.
Aber das war er nicht und sie würde sich auch nie wieder mit diesem ein Bett teilen. Egal wer diesen Kampf gewann. Sie würde diesen Mann nie wieder ansehen, oder auch nur ein Wort mit ihm wechseln. So gesehen hoffte sie also nur darauf, dass Remus diesen Kampf möglichst unbeschadet überstand.
Ihr Vater erhob sich zu seiner Eröffnungsrede in welcher er Bassus wie gehabt als nächsten Kandidaten vorstellte. Noch nie hatten sich diese gewohnten Worte so widerlich angehört wie in diesem Augenblick. Die Rede für welche sie früher applaudiert und gejubelt hatte, trieb ihr heute nur die Galle in den Hals. Es ekelte sie regelrecht an, sie hören zu müssen und zu wissen, dass sie einem korrumpierten Spiel galten. Einem Spiel das lange nichts mehr mit Unterhaltung, sondern mit Bosheit zu tun hatte.
Und als Remus in den Ring trat, wünschte Aurelia sie könnte sich wirklich übergeben. Ihre Augen weiteten sich und sie erhob sich, um an die Brüstung zu treten und sich das Ganze genauer anzusehen. Ihr war anzusehen, dass dieser Anblick ihr nicht gefiel. Remus trug Gewischte an seinen Beinen! Etwas, was normalerweise nur bei Verurteilten gemacht wurde, oder wenn ein schwacher Gegner gegen einen zu starken antrat. Doch im Gegensatz zu seinen letzten Gegnern war Bassus ausgebildet und stark!
Aurelia drehte ihren Blick und richtete den lodernden Hass direkt auf ihren Vater, doch sie schwieg weiterhin, denn sie wollte jemanden wie ihm nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken und lieber Remus betrachten.
Mit Schwert und Schild bewaffnet hob er den Blick zu Aurelia, während er seinen Weg in die Mitte der Arena fortsetzte.
Aurelias Herz hämmerte wie verrückt vor Nervosität, dass sie glaubte es würde ihr gleich aus der Brust springen. Sie versuchte irgendeine Nachricht aus seinem Blick zu lesen, doch er war zu weit entfernt, dass sie seine Mimik hätte erkennen können.
An seinem Startpunkt angekommen senkte er den Blick auch schon wieder und blickte zu Bassus.
Aurelia ballte wütend die Hände zu Fäusten. Sie hatte vieles erwartet aber nicht das. Wie konnte ihr Vater ihr so etwas nur antun? Hatte sie ihn wirklich so falsch eingeschätzt?
Die Rothaarige biss fest die Zähne zusammen und musterte den Rand der Loge und dann die Höhe bis in die Arena. Wenn sie sich nicht täuschte, würde ein Sturz aus dieser Höhe sie umbringen.
Sie atmete tief durch. Wenn Remus hier starb, weil Bassus ihn tötete, würde sie hinterher springen. Dann hatte sie es wenigstens hinter sich. Dann müsste sie diesen Schmerz nicht mehr ertragen und war endlich frei. Dann sah sie nicht nur Remus, sondern auch ihre Mutter wieder.
Ihr Vater erhob sich erneut und stellte sich neben seine Tochter. Ohne jegliche Reue oder auch nur einen Blick zu dieser, hob er die Hände und nahm die beiden Gegner ins Visier, ehe er zum Volk sprach, der Kampf solle beginnen. Aurelias Körper begann unbändig zu zittern, während sich ihre Finger angespannt versuchten in die Reling zu graben.
Sie machte einen Schritt zur Seite, weg von ihrem Vater und richtete ihren Blick nur auf Remus.
Beide Kontrahenten gingen aufeinander los und Bassus war nicht schlecht. Aber das lag auch nur daran, dass Remus durch die Gewichte an seinen Füßen viel langsamer war, als sonst. Außerdem bemerkte Aurelia, dass er nicht versuchte das Publikum zu unterhalten. Er versuchte zu überleben und das beruhigte Aurelia ein wenig. Solange Remus den Kampf ernst nahm, würde er hoffentlich nicht sterben.
Auch das Volk schien zu merken, dass dies kein gewöhnlicher Kampf war. Hier ging es um so viel mehr und auch, wenn sie nicht wissen konnten, was dieser Kampf für ihre Prinzessin bedeutete, war dies doch umso gespannter, wie es ausging.
Der Klang von aufeinanderschlagendem Stahl und zersplitterndem Holz war so laut, dass er in der ganzen Arena widerhallte. Bassus schien eine solche Wucht in seine Hiebe zu legen, als würde er seinen ganzen Groll kanalisieren wollen und da Remus sowieso schon behindert wurde, durch die Eisenringe um seine Fußgelenke, hatte er keine andere Wahl, als die Angriffsflut mühevoll abzublocken, was ihn immer weiter in die Enge trieb.
Aurelias Blick verfinsterte sich und sie stieß ein leises Knurren aus, dass ihren Hass auf Bassus signalisierte, dennoch wandte sie den Blick nicht ab. Remus war viel stärker als Bassus und sie hatte die Hoffnung, dass er gewinnen würde. Er musste. Sie wollte nicht zusehen, wie er zu tote geschlagen wurde. Bassus würde sie genau das zutrauen.
Dieser holte gerade erneut aus und traf Remus Deckung mit solcher Wucht, dass dieser das Gleichgewicht verlor und zu Boden fiel.
Aurelias Herz setzte aus und ihre Augen weiteten sich vor Panik.
Ohne es zu merken lehnte sie sich weiter über die Brüstung, während ihre Augen glasig wurden.
Nein. Das durfte einfach nicht passieren!
„Steh auf", hauchte Aurelia heißer, so leise, das sie es selbst kaum verstand. Doch auch wenn Remus schnell versuchte sich wieder aufzurappeln, so ließ ein kräftiger Tritt seitens Bassus ihn wieder keuchend zu Boden stürzen und sein Schild verlieren.
Das Publikum reagierte mit gemischten Gefühlten. Die einen sogen überrascht die Luft ein, die anderen Brachen in einen stupiden Beifall aus, welcher Aurelia geradezu abartig erschien.
Sie hingegen krallte ihre Finger weiter in den Stein, bis sie begannen zu bluten.
Er hatte es versprochen. Remus hatte ihr versprochen zu überleben. Er musste es einfach schaffen.
Bassus holte aus und Aurelia wich sämtliche Farbe aus dem Gesicht, als sie zusah, wie das Schwert auf denn am Boden liegenden Gegner sauste.
„Remus!" Es war ein schriller, verzweifelter Schrei voller Angst, der ihre Kehle verließ und ihr war es egal, was die anderen dachten. Sollten sie doch alle in der Hölle schmoren für das, was sie ihr gerade antaten. Es war ihr egal. Sie wollte nur, dass er lebte.
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