Kapitel 26
Kapitel 26
„Remus? Du meinst doch nicht etwa den Favoriten?", fragte sie und versuchte sich das Puzzle zusammenzusetzen. Langsam klärte sich ihr Gesicht auf, als sie so eine Vermutung bekam, was los war. Dennoch wartete sie auf die Bestätigung der Prinzessin.
„Remus", murmelte sie und schloss das Kissen fester in ihren Arm. „Ich will zu ihm", jammerte sie ganz leise in das Kissen und schien nicht einmal direkt mitzubekommen, dass sie sich mit Calpurnia unterhielt. Oder es war ihr egal.
Langsam hob sich die Matratze wieder, als wäre Calpurnia aufstand. Aurelia zuckte schluchzend zusammen, als ihre Freundin ihr durch das Haar strich und ihr etwas zuflüsterte, was Aurelia jedoch nicht verstand. Dafür gingen ihre Atemzüge zu abgehackt und laut. Kurz darauf hörte sie nur das Öffnen und Schließen einer Tür. Sie war wohl wieder allein. Doch das war wohl egal. War sie das nicht sowieso?
Aurelia zog das Kissen noch näher an sich heran und versuchte das Zittern ihres Körpers zu unterbinden. Sie fühlte sich verraten und hatte Angst davor, was die Zukunft bringen würde.
Sie wusste nicht, wie lange sie so dort lag, doch irgendwann schienen selbst ihre Tränen es leid zu sein. Ihre Augen waren verquollen und blickten aus halbgesenkten Lidern hervor ins Nichts. Wie hatte es nur so weit kommen können? Mit schleppenden Bewegungen zog sie sich die Decke hoch bis zum Kopf und zittere von dem kühlen Stoff, der ihr eigentlich Wärme spenden sollte.
Das war alles überhaupt nicht so geplant... sie wollte doch nur ein wenig ihre Freiheit genießen und nun war das komplette Gegenteil eingetreten.
Sobald sie verheiratete war, war ihre Freiheit dahin und sie würde Bassus an ihrer Seite haben. Einen Mann, den sie nicht liebte und dem sie nicht einmal ihr Leben anvertrauen wollte. In seiner Gegenwart hatte sie Angst, dass man sie abstach, während er nicht hinsah. Genauso hatte sie Angst vor seinen Berührungen und erst recht vor der Hochzeitsnacht.
Aurelia biss die Zähne fest zusammen, als sie plötzlich Geräusche hörte. Die Tür ging auf und jemand betrat ihr Zimmer.
Nur ihr Vater würde ohne zu Klopfen eintreten und Aurelia hoffte, dass diese gleich wieder ging, weil er dachte, dass sie schliefe.
Es blieb still und die Tür schloss sich sogleich wieder. Jedoch hörte sie die leisen Schritte, welche sich ihr näherten und ihr einen unangenehmen Schauer versetzten. Wieso konnte er nicht einfach wieder verschwinden!
Ihr Bett gab an der Seite nach und er schien sogar unter die Decke zu ihr zu schlüpfen. Doch als sie ein leises Wimmern von sich gab und er immer näher zu ihr kam bis er schließlich langsam die Arme über sie legte... erkannte sie seinen Duft.
Aurelia riss die Augen auf und versuchte etwas zu erkennen. Doch ihre Augen waren noch immer tränenverschleiert und so hatte sie Mühe sich zu versichern, dass es sich wirklich um Remus handelte. Aber sein Duft.
Ihre Hand bewegte sich tastend und sie fand Haut. Einen Arm wahrscheinlich.
Ein wenig zögerlich schaffte sie es schließlich die Decke von ihrem Kopf zuziehen und ein Stück auf zusehen. Kurz setzte ihr Herz aus, ehe sie sich fest an Remus Körper drückte.
Dieser sagte nichts, sondern hielt Aurelia nur ebenso fest, wie sie es tat. Erleichtert atmete der Blonde hörbar durch, als wäre er erleichtert, dass Aurelia noch hier war und ein Lebenszeichen von sich gab. Ihr Körper zitterte noch immer, doch er konnte sie einfach nicht los lassen.
„Ich bin da", hauchte er leise und streichelte Aurelia gleichmäßig über den Rücken.
Aurelia versuchte sich näher an ihn zu schmiegen, als würde sie sich in ihm verkriechen wollen. Remus. Sie wollte seine Nähe und seinen Duft. Sie wollte alles an ihm, doch wahrscheinlich war das hier das letzte Mal, dass sie sich für eine lange Zeit sehen würden. Selbst wenn sie ihn als Liebhaber nahm, so konnte sie das nicht sofort nach der Hochzeit. Es würde also eine lange Zeit vergehen, ehe sie sich wiedersehen würden und ob er sie dann noch wollte, war fraglich.
Sie wünschte er würde ihr sagen, dass sich alles aufgeklärt hatte. Er würde mit ihrem Vater sprechen und dieser würde ihr seinen Segen geben, Remus ehelichen zu können. Oder auch einfach nur überhaupt nicht heiraten zu müssen.
Sie wollte keinen anderen Mann an ihrer Seite, außer Remus. Wieso durfte sie nicht einmal diese eine Entscheidung in ihrem Leben treffen? Sie wäre lieber ein Bauernmädchen, als eine Prinzessin.
Sie liebte ihr Reich und auch ihr Volk. Doch irgendwo war auch Schluss. Sie war nicht bereit dieses Opfer ihrer selbst zu geben. Doch sie würde es wohl oder übel tun, um Remus zu schützen.
Eine Weile lagen sie lediglich da und schmiegten sich so dicht aneinander, wie möglich. Sie schienen beide zu wissen, dass es wohl das letzte Mal sein würde. Und daher nahm diese Zweisamkeit eine traurige, bedrückende Stimmung ein.
„Wieso hast du das gemacht?", fragte Remus irgendwann leise, ohne sich zu bewegen.
„Weil ich es nicht mehr ertrage zu sehen, wie du im Kolosseum kämpfst und ich weiß, dass jeder Kampf dein letzter sein könnte", sagte sie leise. „Wenn ich den Wünschen meines Vaters entspreche, wird er auch meinen entsprechen und du wirst aus dem Kolosseum befreit. Dann muss ich mir keine Sorgen mehr machen", sagte sie mit leiser, ziemlich rauer Stimme.
„Aurelia", seufzte er und hob ihr Kinn mit der Hand an, um sie ansehen zu können. „Ich bin ein Gladiator. Ich wurde dazu ausgebildet, seit ich ein kleiner Junge war. Und solange ich für dich gekämpft habe, hatte es wenigstens einen Sinn", murmelte er besänftigend und strich ihr überraschend sanft über die Wange.
Erneut stahlen sich Tränen in ihre Augen. „Ich möchte nicht zusehen, wie du stirbst", hauchte sie. Sie wusste, dass es ihr Herz brechen würde und dann würde sie ebenfalls sterben.
„Das werde ich nicht", flüsterte er leise an ihre Lippen, als er diese sanft streifte. „Jedenfalls nicht im Kolosseum", versprach er fast schon und liebkoste sanft ihre Lippen, um den vermutlich letzten Moment zu genießen der ihnen blieb.
Aurelia schmiegte sich noch näher an ihn und hatte sich gerade wieder ein wenig beruhigt, als sich die Tür öffnete und jemand eintrat, den sie wirklich überhaupt nicht erwartet hatte.
Das hier war ihr Zimmer. Ihr Heiligtum. Hier hatte nur ihr Vater freien Zutritt, alle anderen mussten anklopfen, doch er hatte nicht angeklopft. Er hatte sich dieses Recht einfach herausgenommen und dafür hasste sie ihn noch mehr, als sie es sowieso schon tat. Und sie war sich sicher, dass er es sehen konnte.
Aufgeschreckt wandte sich Remus zur Tür um, doch sein Gesicht nahm sogleich einen unschlüssigen Gesichtsausdruck an, als er Bassus wie versteinert in der Tür erkannte. Es schienen Minuten wenn nicht sogar gefühlte Stunden zu vergehen, in denen die beiden Männer sich nur wütend anstarrten und darauf warteten, dass der jeweils andere den ersten Schritt machen würde.
„Was fällt dir ein, mein Zimmer zu betreten?", fragte Aurelia mit einer Stimme, die nach Friedhöfen und einer ganze Menge Toten klang. Wenn sie ihn so angesprochen hätte, hätte er wohl sofort das Weite gesucht.
Bassus Blick huschte zwischen Aurelia und Remus hin und her, unfähig sich zu bewegen.
„Was...", setzte er an und schien nicht verstehen zu wollen, was hier vor sich ging. „Was macht 'er' hier?", fragte er unverständlich und umklammerte sein Schwert mit der rechten Hand.
„Wenn du diese Schwert ziehst, werde ich die Wachen rufen", erklärte Aurelia nüchtern. Vielleicht war das aber gar nicht schlecht. Wenn Bassus das Schwert zog, könnte Aurelia sagen, dass er sie angreifen wollte. Aber wahrscheinlich würde dieser es so drehen, als hätte Remus irgendwas gemacht und so wie sie ihren Vater einschätzte, würde dieser Bassus Recht geben.
Seine Hand um den Griff des Schwertes wurde so angespannt, dass seine Fingerknochen bereits weiß hervortraten.
Aurelia konnte seine Wut und Anspannung spüren, doch das war ihr egal. Sie wollte mit Remus allein sein und er hatte kein Recht ihr diesen letzten Gefallen zu verwehren. Verlobter hin oder her.
Mit einem Mal verfinsterte sich Bassus Gesichtsausdruck und mit einem heftigen Schwung schlug er die Tür wieder ins Schloss. Remus blieb noch immer aufrecht sitzen und blickte eine Weile auf die geschlossene Tür.
„Sollte ich gehen?", fragte er nach einer Weile und wandte den Blick zu Aurelia um.
Diese wirkte unendlich traurig. „Es ist unsere letzte gemeinsame Zeit. Ich hoffe wirklich Bassus tut nichts Dummes", sagte sie leise und ein Klos bildete sich in ihrem Hals. Sie wusste, dass er etwas Dummes tun würde.
Mit einem Satz rutschte Remus aus dem Bett und lief hin zur Tür. Aurelia blickte ihm mit großen Augen hinterher, aus Angst er würde gehen. Doch zu ihrem Überraschen griff er nach einer schweren Kommode und schob diese mit lautem Kratzen über den Boden hin bis zur Tür.
Aurelia blickte ihn mit großen Augen an und dann kam er zu ihr zurück. „Wie du sagtest, wird das wohl unser letzter gemeinsamer Abend und den will ich mir nicht versauen lassen", erklärte er und zuckte die Schultern, ehe er sich zu ihr hinabbeugte und ihr einen Kuss direkt auf die Lippen gab, ehe er sie auf das Bett drückte, so dass sie sich hinlegen musste.
Aurelia schloss die Augen und atmete tief durch, um seinen Duft aufzunehmen und sich diesen zu merken. Sie wusste, dass er recht hatte und auch, dass sie das hier wollte. Doch dadurch nahm die Zuneigung die Remus ihr schenkte nicht ab, allerdings waren seine Berührungen von einer bitteren Süße, die von Abschied sprach, begleitet.
Aurelia schloss die Augen und genoss seine Zuneigung so gut sie konnte.
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