Kapitel 22
Kapitel 22
Schnell richtete sich Aurelia her und griff zuletzt nach einem relativ schlichten Mantel. Sie wusste immerhin nicht, wie lange sie bleiben würden und am Abend war es doch sehr frisch.
Nach einem letzten, prüfenden Blick in den Spiegel trat Aurelia hinaus in den Gang und versuchte diesen Ausflug als etwas Alltägliches herunterzuspielen. Sie wollte nicht, dass Bassus das hier für mehr hielt, als es war, auch wenn es der Prinzessin in den Fingern juckte, sich die Frage zu stellen, ob der junge Krieger wirklich so interessiert an ihr war, wie er vorgab zu sein.
Außerdem wollte sie wissen, ob es nur mit Remus so intensiv war, oder auch mit anderen. Bisher war Remus ihre einzige Erfahrung und sie hatte sich diese Frage schon oft gestellt. Aber Bassus? Er wirkte immer so langweilig und hatte nichts, was Aurelia auch nur ansatzweise als interessant erachten würde.
Sie waren zwar zusammen aufgewachsen, doch damals war Aurelia auch recht leicht zu beeindrucken gewesen. Noch dazu wäre wohl ein solches Abenteuer der Lust innerhalb der Adelskreise ungern gesehen... doch andererseits, war sie die Prinzessin mit einem Haufen an Verehrern. Es wäre doch fast eine Verschwendung sie alle vorbeizuwinken. Und Bassus war nun mal einer von ihnen, auch wenn er sich noch nicht zum Kampf gegen Remus gemeldet hatte.
Was Aurelia ein wenig erleichterte. Natürlich fand sie nicht, dass er stark war, aber er war nun einmal ein Generalanwärter. Sie wollte nicht, dass er gegen Remus antrat. Vielleicht wäre es also besser ihm gleich deutlich zu zeigen, dass sie kein Interesse hatte?
Aurelia wusste es nicht genau und jetzt war sie erst einmal neugierig, was Bassus mit ihr vorhatte.
Der junge Mann musterte sie intensiv, als sie zu ihm trat. „Nehmt es mir nicht übel, aber Ihr seht nicht aus, wie eine Prinzessin", meinte er ganz vorsichtig.
Aurelia lächelte sacht. „Ich muss auch nicht immer als solche erkannt werden."
Überrascht blinzelte Bassus Aurelia an und folgte ihr, da diese sich bereits in Bewegung gesetzt hatte.
„Das ist wohl wahr", murmelte er nachdenklich und dachte an ihre frühere Kindheit zurück. In dieser hatte sich Aurelia auch schon wenig aus ihrem Adelstitel gemacht.
„Ich möchte einfach nicht, dass man mich als Prinzessin erkennt, dass macht es immer so schwierig seine Ruhe zu haben", erklärte die Rothaarige und schenkte Bassus ein Lächeln.
Sie wusste selbst nicht genau woher der Umschwung ihrer Stimmung gegenüber Bassus kam, doch vermutlich war es wirklich das noch abklingende Glücksgefühl von dem Besuch bei Remus.
„Ich denke ich kenne einen guten Ort, an dem man Euch nicht allzu sehr belästigen wird. Doch es wäre noch besser, wenn Ihr mir erlauben würdet Euch zu duzen", schlug er vorsichtig vor, als die beiden den Palast verließen.
„Ich habe noch nie darauf bestanden, dass mich irgendwer siezt", sagte sie und hoffte, dass er diese Antwort als Zeichen sah es nicht zu tun. „Außer natürlich in der Gegenwart von Leuten, die zu viel Wert auf solche Dinge legen."
Aurelia atmete tief durch, als sie den Marktplatz erreichten und war auch einigermaßen froh, dass sich dieses Gespräch nicht mehr allzu lange ziehen würde. Außer einiger belangloser Fragen, Antworten und Feststellungen, war nichts Relevantes gesagt worden.
Die Sonne war inzwischen untergegangen und die frische Luft wehte Aurelia um die nackten Schultern.
Sie genoss das pulsierende Leben in der Stadt und fragte sich, wo Bassus sie hinführte. Er nutzte einige Wege, die Aurelia bei offiziellen Anlässen nie gegangen war und nur von ihrer wilden Kindheit kannte.
Schließlich führte Bassus sie zu einem Gebäude aus dessen Inneren Musik drang. Eine Taverne? Aurelia war wirklich sehr überrascht, dass sie hier waren. Und auch, wenn sie glaubte, dass sie sich irrte, so wurde sie doch vom Gegenteil überzeugt, als Bassus ihr einladend die Tür offen hielt.
Mit einem überraschten und erfreuten Lächeln trat sie ein und wartete im Eingang, bis Bassus hinter ihr die Tür schloss und neben sie trat.
Die Stätte war voller Menschen und Musik, jedoch herrschte eine ausgelassene Stimmung. Aurelia gefiel es und auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte, so war sie sogar froh, dass Bassus dabei war. So musste sie sich wenigstens nicht vor ungewünschten Augen verstecken, denn immerhin durfte sie hier sein. Alleine hätte sie sich nie an einen solchen Ort getraut, umso angenehmer war es jetzt, diesen erkunden zu dürfen. Auch wenn das nur mit den Augen war.
Bassus führte sie zu einem Tisch und bestellte ihr einen Wein und sich selbst ein Bier.
Aurelia hingegen beobachtete die Leute. Sie konnte einige Gladiatoren sehen und einige leicht bekleidete Schankmädchen. Dazu kamen aber auch Leute, die eigentlich recht normal aussahen. Vielleicht aus der Mittelschicht. Sie alle waren ausgelassen und hatten Spaß, was Aurelia ein Lächeln auf die Lippen zauberte. Es schien, als würden sogar Adlige nicht immer so spießig sein.
Sie trank den bestellten Wein und hinterher gleich noch einen. Sie erkannte sich kaum wieder, als sie sogar begann mit Bassus zu spaßen, zu lachen und zu tanzen. Der Wein schmeckte köstlich und war nicht so bitter wie sie es von den trockenen Tropfen auf den Banketten kannte. Sie genehmigte sich mehrere Gläser, genoss das warme Gefühl in ihrem Bauch, die Musik, welche ihr direkt in die Füße gingen und den appetitlichen Duft von frischgegrilltem Schwein, welcher ihren Magen knurren ließ. Die Stunden schwanden und Leute kamen und gingen. Nur Aurelia und Bassus schienen keinen Augenblick daran zu denken, sich zu verabschieden.
Es floss reichlich Bier und Wein und irgendwann war Aurelia tatsächlich an Bassus geschmiegt. Die Musik wurde ruhiger und es war auch schon sehr spät. Dazu kam, dass Aurelia schon lange gedanklich die Frage verfolgte, wie es wohl war, sich auf einen Adligen einzulassen. Diesen Gedanken hatte sie schon die letzten Tage immer wieder gehabt, doch bisher hatte sie sich nicht vorstellen können, dass sie überhaupt einmal einem Adligen so nahe sein würde. Aber jetzt war sie es. Seltsamer Weise hatte Bassus sich als gar nicht so langweilig herausgestellt, wie sie erwartet hatte.
Ihr Kopf ließ es nicht zu an Morgen zu denken, sondern wollte das Hier und Jetzt genießen.
Aus halbgesenkten Augenlidern, blickte sie auf das fast leere Weinglas vor sich, welches Bassus gerade wieder großzügig auffüllte. Wie er wohl roch? Aurelia schluckte bei dem Gedanken an Remus herben Geruch und musste wieder an den Vormittag zurückdenken. Wie er sie gehalten und geküsst hatte. Sie war wirklich neugierig, ob Bassus auch so schmeckte wie Remus. Oder vielleicht schmeckte er auch anders, aber genauso gut, vielleicht sogar besser? Sie würde es nie erfahren, wenn sie zumindest nicht einmal die Möglichkeit nutzte.
Weil sie neugierig war, lehnte sie sich noch ein wenig an ihn und zog seinen Geruch ein. Er war anders und von Parfüm gezeichnet. Nicht so schön wie bei Remus, aber auf eine Art und Weise angenehm, die Aurelia dazu veranlasste, seine Nähe zu genießen.
Der Schwarzhaarige zuckte bei Aurelias Annäherung kaum merkbar, ehe er sich zu ihr zurücklehnte und den Kopf zu ihr drehte. „Was machst du da?", fragte er leise und seine Stimme klang heißer vom Alkohol.
„Nicht bewegen", murmelte sie und man hörte ihr an, dass ihre Stimme einen Klang angenommen hatte, der eindeutig vom Alkohol kam. Sie schien bereits ein Glas zu viel zu haben. Oder auch mehr... so genau konnte sie es nicht mehr sagen. Sie hatte nicht gezählt und nun, wo sie sich im Moment so wohl fühlte, wollte sie gar nicht daran denken, wie viele es waren.
„Geht es dir nicht gut?", fragte er ein wenig besorgt und legte eine Hand auf Aurelias Knie, welches direkt neben seinem ruhte. Doch irgendwas anderes schwang in seiner Stimme mit. Ein Ton, den sie auch von Remus recht gut kannte, auch wenn er anders war.
War es Verlangen? War es möglich, dass Bassus so etwas ihr gegenüber empfand? Bisher hatte sie immer nur angenommen, dass er auf ihre Macht aus war, wie so manch anderer Adliger. Aber jetzt, wo sie ihn so hörte, war das vielleicht doch nicht der Fall. Zwar schloss das Eine, das Andere nicht aus, doch Aurelias vernebelter Verstand wollte diese Aspekte im Moment nicht berücksichtigen.
Mit einem murmelnden Geräusch streckte sie sich ein wenig Bassus entgegen und glitt mit ihrer Wange an seinem Kiefer entlang. Sie erinnerte sich nicht daran, wann seine Hand an ihrem Bein hochgeglitten war oder wann seine Lippen ihre gefunden hatten. Nur vage nahm sie wahr, wie sie aufstanden, Bassus sie eine Treppe hinauf führte und Aurelia sich wenig später auf einem unbequemen Bett wiederfand.
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