Kapitel 2


Kapitel 2

„Gut, dann sehen wir uns heute Abend", versicherte Calpurnia noch einmal. Aurelia lächelte und nickte, ehe sie sich verabschiedeten und die Rothaarige auf das große Tor zu lief. Dort hoben zwei der Wachen ihren Blick und musterten sie skeptisch.

Aurelia lächelte einfach nur zurück.

Unsicher blickte der eine zum anderen, ehe er ein zögerliches Nicken von sich gab und sie beide Aurelia passieren ließen. Ihr markantes, rotes Haar hatte sie schon immer aus der Menge hervorstechen lassen und somit erkannte sie auch jeder im Reich an der Haarpracht, doch die Angestellten schienen nicht zu wissen, dass sie wieder zurück war.

Als sie die Eingangshalle betrat, erwartete sie die typische, rege Hektik der Angestellten, die hier unterwegs waren. Man merkte, dass diese nicht mit einem sich bewegenden Objekt gerechnet hatten. Sie wirkten reichlich irritiert, da der Palast zu dieser Uhrzeit eigentlich noch gar nicht für Besucher offen stand.

Als die ersten Aurelia jedoch erkannten, wurde die, über die Störung verärgerte Miene, zu einem strahlenden Lächeln.

Haufenweise erfreute Rufe kamen ihr entgegen, die hauptsächlich aus „Die Prinzessin ist zurück!", „Von Aphrodite geküsst" und „Weiß der König bereits Bescheid?", bestanden.

Ein Zustand, dem Aurelia mit gemischten Gefühlen entgegentrat.

Hatte ihr Vater sie vielleicht doch noch nicht heute zurückerwartet? Oder hatte er sogar die Bediensteten in Unwissenheit gelassen?

Einer der ranghöchsten Diener in diesem Haus musterte sie anerkennend und machte sich dann in die Richtung des Arbeitszimmers des Königs auf. Aurelia wusste, dass dieser ihren Vater benachrichtigen würde. Und er wirkte auch nicht so überrascht wie alle anderen. Doch die Frage war, ob er es sehr gut überspielte, denn er hatte die stoische Miene des Dieners wirklich gut drauf, oder ob er es gewusst hatte.

Unbedacht und mit einem freundlichen Lächeln an die Anwesenden gerichtet, machte sie sich so schnell wie möglich aus dem Staub, um den neugierigen Blicken der Leute zu entkommen. Auch wenn sie es als einzige Nachkommin gewohnt war, im Mittelpunkt zu stehen, so war es doch komisch nach all den Jahren. Hatte sie sich wirklich so sehr verändert?

Sie fühlte sich unter all den Blicken unwohl und ihr Weg führte sie direkt zum Arbeitszimmer ihres Vaters. Sie war so schnell, dass der Diener gerade erst die Tür zu diesem öffnete, als Aurelia bei ihm ankam.

Überrascht blinzelte er sie an und hielt vor der Tür inne, als Aurelia mit einem Lächeln passierte, ohne mit der Wimper zu zucken.

Sogleich erblickte sie ihren Vater, der über einem Stapel Papyrus hing und sich angestrengt die grauen Schläfen rieb. Träge hob er den Kopf, als sich sein Gesicht schlagartig aufhellte.

„Du bist ja schon hier!", stellte er freudig, aber überrascht fest und stand sogleich auf, um seine Tochter in eine feste Umarmung zu ziehen.

Aurelia schmiegte sich förmlich an ihn. „Unsere Karawane war schneller unterwegs als erwartet. Sie haben mich vor den Toren der Stadt abgesetzt und ich bin sogar noch gelaufen, weil ich wusste, dass du mich erst später erwartest", erklärte sie mit einem Lächeln in der Stimme, während sie die feste Umarmung ihres Vaters genoss.

Stirnrunzelnd zog er sich ein wenig von Aurelia zurück, um ihr Gesicht in die rauen Hände zu nehmen und sie besorgt zu mustern.

„Du bist alleine durch die Stadt gelaufen?" Auch wenn es eine Frage war, klang es eher wie eine Feststellung. „Du bist keinen Tag hier und machst schon Ärger."

Aurelia lächelte entschuldigend. „Die Wachen wussten es und sie haben mich in einem großzügigen Abstand begleitet. Ich wusste, dass du dir Sorgen machen würdest, wenn ich wirklich ganz alleine durch die Stadt laufe", erklärte sie und es klang ein wenig entschuldigend.

Lächelnd kniff der ältere Mann seiner Tochter in die rosigen Wangen.

„Du hast dich kein bisschen verändert. Trotz deiner Ausbildung", erklärte er, wobei Aurelia bei dem Kneifen seiner Finger das Gesicht verzog. „Wag es ja nicht, älter zu werden", warnte er sie mit gespieltem Ernst und erhobenem Finger, ehe er wieder lächelte und ihr deutete, ihm zu folgen.

Aurelia lachte herzhaft. „Für dich werde ich immer deine Tochter sein", erklärte sie, weil sie ihren Vater liebte. Nach dem Tod ihrer Mutter, die sie immer für ihren Einsatz bewundert hatte, waren beide nur noch mehr zusammengewachsen. Und ihr Vater war überfürsorglich geworden. Was nachvollziehbar war, immerhin war die Königin auf offener Straße erstochen worden.

Eine sehr unschöne Art und Weise, die Aurelia zwar als Kind mitbekommen hatte, doch sie war sich nie wirklich der richtigen Ausmaße bewusst gewesen.

Auch wenn das Reich ihren Vater liebte und als König akzeptierte, so gab es dennoch viele aus den äußeren Bezirken, welche den Imperator und Eroberer in ihrem Vater sahen, der ihr Land übernommen hatte. Und das war der Preis, den sie hatten zahlen müssen.

Dabei war ihre Mutter jemand gewesen, der sich immer für die Schwächeren und Unschuldigen eingesetzt hatte. Die Waisenkinder, die Alten und die, die durch den Krieg verletzt zurückgekehrt waren und nicht mehr ohne Hilfe leben konnten.

Eine ehrenhafte Aufgabe, die sie mit Leib und Seele übernommen hatte. Und man hatte es ihr mit einem heimtückischen Angriff gedankt. Seitdem waren die Wachen auf der Straße nur noch präsenter.

„Ich habe für heute Abend eine Überraschung für dich vorbereitet und dir ein Gewand anfertigen lassen. Ich möchte, dass du dich heute Abend von deiner besten Seite zeigst. In Ordnung?", fragte er bestimmt und schlug mit ihr zusammen den Weg zu den inneren Räumen ein, wo sie sich an ihr altes Zimmer in den höheren Stockwerken erinnerte, die er nun ansteuerte.

„Warum?", fragte sie lauernd und dachte an die Sache zurück, die Calpurnia ihr erzählt hatte. Ihr Vater würde doch wirklich nicht diesen Abend nutzen, um sie zu verloben, oder?

Er räusperte sich kurz und schien bereits Aurelias Umschwung der Stimmung bemerkt zu haben. Immerhin kannte er sie doch schon seit klein auf und erkannte diesen Ton in ihrer Stimme sehr schnell.

„Zu deiner Rückkehr natürlich. Ich habe dich hier vermisst", winkte er nur ab und blieb mit einem Lächeln vor der prunkvollen Doppeltür stehen, die in Aurelias Gemächer führte.

Aurelia blieb ebenfalls stehen, denn auch sie verstand es, die Stimmung ihres Vaters zu lesen. „Vater, wenn ich heute Abend auch nur einen Mann bei dieser Feier vorfinde, den ich nicht kenne und mit dem du mich verloben willst, werde ich wieder umkehren und den Abend auf meinem Zimmer verbringen."

Ihr Vater legte seufzend den Kopf schief und stieß die Tür zu ihren Räumen auf.

„Es ist doch nur zu deinem Besten, Aurelia. Du bist inzwischen erwachsen und das gehört nun mal zum Erwachsen werden dazu."

Aurelia überlegte einen Moment, ehe sie meinte: „Gut. Aber ich werde mir erlauben, den Mann, den du für mich aussuchst, auch zu prüfen. Ich möchte keine Schwächlinge. Ich will jemanden, der stark ist, mutig und mich beschützen kann."

Ihr Vater lachte kopfschüttelnd und verschränkte die Arme vor der Brustpanzerung seiner Aufmachung.

„Du willst ihn prüfen, ja? Und wie möchtest du das tun?", fragte er neugierig und kannte bereits diesen Tanz, welchen die beiden oft führten. Egal ob König und Prinzessin, Vater und Tochter oder Mann und Frau. Sie waren sich so ähnlich, dass es schon erschreckend war.

Und er musste zugeben, dass sie Recht hatte. Sie brauchte einen starken Mann an ihrer Seite und nicht einen der adligen Schwächlinge. Aber eigentlich hatte er die Anwärter bereits danach geprüft. Dennoch erlaubte er ihr ein Mitspracherecht. Immerhin schien auch sie nicht komplett abgeneigt.

„Da bin ich mir noch nicht sicher. Aber du bist ein Kämpfer. Das liegt in unserer Familie. Es sollte also etwas sein, das sein Potenzial testet. Er sollte sich beweisen", erklärte sie nachdenklich.

Ihr Vater lachte erneut und setzte dazu an, sie in ihren Räumen alleine zu lassen, damit sie sich zurecht machen konnte.

„Du hast ja noch ein wenig Zeit, dir etwas auszudenken", ermunterte er sie und musste gestehen, dass er es durchaus interessant fand, seiner Tochter dahingehend ein wenig Freiraum für Experimente zu gönnen.

Er ging nicht davon aus, dass sie den Jünglingen eine unzumutbare Aufgabe angedeihen lassen würde.

„Ah, Vater. Bevor du gehst, hätte ich eine Bitte", sagte sie und ihr Vater hielt kurz inne, um zu ihr zu blicken und sie zu mustern, während er auf ihre Bitte wartete. „Ich habe gehört, es gäbe einen neuen Champion unter den Gladiatoren. Wäre es möglich, dass ich ihn mir anschaue?", fragte sie und der Imperator konnte in den goldenen Augen ein Funkeln erkennen. War es möglich, dass seine Tochter daran dachte, ihren Zukünftigen gegen einen Gladiator antreten zu lassen?

Er konnte nicht einmal sagen, dass ihm diese Idee missfiel.

Doch solange sich die Leute eigenständig dazu bereit erklärten...

„Wenn es der Wunsch meiner Tochter ist, lasse ich gleich morgen einen Kampf im Kolosseum veranstalten", willigte er nur lächelnd ein und kniff seiner Tochter abermals in die Wange.

Aurelia schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Das wäre wunderbar. Und ich hoffe, der Abend wird angenehm", sagte sie mit einem Unterton, der ihrem Vater zeigen sollte, was sie von diesem Abend hielt. Nämlich nichts.

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