Kapitel 19
Kapitel 19
„Das ist einer der Eingänge zu den Katakomben", erklärte sie und sah sich verstohlen um, ob sie auch niemand sah.
„Katakomben?", fragte Remus skeptisch und blickte Aurelia hinterher, als sie die Leiter hinabstieg. „Und Ihr seid Euch sicher, dass das eine gute Idee ist?", fragte Remus nach unten gerichtet, wo Aurelia ihren Weg fortsetzte, wobei das Echo seine Stimme zurückwarf.
„Komm schon", murrte sie und war dann ganz aus seinem Blickfeld verschwunden.
Als sie unten ankam, nahm sie den Stoffbeutel, den sie dabei hatte und holte einige Kerzen hervor, die sie entfachte und positionierte. Sie konnte zwar damit nicht den ganzen Raum erhellen und auch nicht die Gänge, aber dennoch war es genug Licht, um sehen zu können.
Wenig später kam Remus neben ihr auf dem Boden auf. Neugierig sah er sich in der Umgebung um, mit dem Versuch etwas in der undurchdringlichen Schwärze zu erkennen. „Was genau ist das hier?"
„Die Stadt wurde auf Ruinen erbaut. Wir haben sie als Kanalisation genutzt. Das hier sind alte Gebäude, die überbaut wurden. Womöglich auch Kellergewölbe", erklärte sie mit einem Lächeln.
Remus gab einen unwilligen Laut von sich, der seine Skepsis hervorhob. „Klingt unheimlich... eine Stadt unter einer Stadt", murmelte er, doch folgte dennoch brav Aurelias Wegweisung.
Diese führte ihn in eine riesige Halle. „Hier haben wir Platz und sind ungestört", erklärte sie zufrieden. Remus war sich nicht so sicher. Alleine würde er den Rückweg wohl nie finden.
„Und du glaubst, die paar Kerzen genügen für Licht? Ich meine du bist Anfänger, es wäre wohl von Vorteil, wenn du siehst, was ich dir beibringen will."
„Ich sehe gut, auch im Dunkeln", erklärte Aurelia ruhig. „Außerdem wirst du dich ja wohl nicht ans andere Ende des Raumes stellen", murmelte sie. Sie hatte nichts dagegen, wenn er ihr nahe war.
„Du kannst nie wissen, wo dich ein Kampf hinzieht", warf er ein und machte sich mit der Umgebung vertraut. Dabei schien er Aurelias Ton nicht beachtet zu haben, ebenso wie ihre Reaktion.
„Das heißt auch in eine solche Gegend", konterte sie und wartete darauf, dass Remus ihr erklärte, was sie tun sollte.
„Für den Anfang sollte genug Sicht wohl ein Grundbedürfnis sein", erwiderte er, doch machte zugleich eine wegwerfende Handbewegung. „Dann machen wir erstmal ein paar Aufwärmübungen. Ich will dich nicht bei der ersten Stunde überfordern, deswegen werden wir es wohl langsam angehen."
Aurelia verengte die Augen und sah, wie Remus wieder auf sie zu trat.
„Ich zeige dir ein paar Übungen für den Anfang und schaue mir erst einmal an, wie deine Ausdauer ist, dann sehen wir weiter", erklärte er und Aurelia nickte. Sie war neugierig, aber auch ein wenig skeptisch. Dennoch tat sie alles, was er ihr zeigte und musste feststellen, dass sie schnell ermüdete und ihr schon nach kurzer Zeit alles wehtat. Ihr Lebensstil war aber auch nicht darauf ausgelegt, dass sie sich so viel bewegte.
„Soll das schon alles gewesen sein?", fragte Remus unverständlich, als Aurelia bei quälend anstrengenden Liegestützen zu Boden fiel. „Du musst es nur sagen, wenn du aufgeben willst."
„Ich habe noch nie so viele Übungen gemacht", murmelte sie erschöpft gegen den kalten und leicht nassen Steinboden.
„Dann gib auf", bot er mit gesummtem, unschuldigem Unterton an. „Immerhin bist du nicht darauf angewiesen."
„Wenn ich nicht einmal das hier durchhalte, dann werde ich nicht einmal lange genug wegrennen können, um zu überleben", erklärte sie und drückte sich ein wenig hoch.
Remus rollte die Augen und drückte testend leicht mit dem Fuß ihren Rücken nach unten, um zu sehen ob sie einbrach.
Das plötzliche Gewischt hatte sie nicht erwartet, doch sie stemmte sich dagegen. Allerdings nicht sonderlich lange und kurz darauf lag sie mit einem leisen: „Uff", auf dem feuchten Boden und versuchte ihren Atem zu beruhigen.
Remus seufzte und nahm seinen Fuß von ihrem Rücken, um sich einige Schritte von ihr zu entfernen. „Mach eine Pause", wies er sie an und griff in den Beutel den Aurelia mitgenommen hatte und warf ihr einen Trinkschlauch mit Wasser zu.
Diese drehte sich zur Seite und konnte ihn gerade noch so fangen. Statt sich zu erheben blieb sie am Boden sitzen und genehmigte sich einen Schluck. „Ich habe damit gerechnet, dass es anstrengend wird, aber nicht so", erklärte sie und noch immer hörte man ihr die Anstrengung an.
„Trink was", fuhr er fort ohne ihre Erschöpfung zu bemerken. „Der Anfang ist immer am schwersten, ich versuche nur deine Grenzen zu testen."
Aurelia atmete tief durch und nahm noch einen Schluck. „Die sind nicht nennenswert", murmelte sie. „Vielleicht war es doch eine schlechte Idee."
Stirnrunzelnd ließ sich der Blonde neben Aurelia auf dem feuchten Boden nieder.
„Was soll das heißen? Gibst du auf, bevor es angefangen hat?", fragte er unverständlich, als wäre es für ihn nicht nachzuvollziehen.
„Du hast doch schon von Anfang an gesagt, dass es keine gute Idee ist", murmelte sie. „Ich bin einfach nicht dafür geschaffen und es wäre nicht richtig deine Zeit zu verschwenden", erklärte sie und drehte den Trinkschlauch in ihren Händen, während ihre Augen auf das braune Leder gerichtet waren. Nachdenklich folgte er ihrem Blick zu ihren Händen und dem Leder in diesen, welches sie zwischen ihren Fingern, hin und her drückte.
„Ich hatte dabei eher gehofft, dass du mich vom Gegenteil überzeugst", gestand er und nahm ihr das Wasser aus der Hand, um selbst einen Schluck zu nehmen. „Mit Widerspruch, merkt man meistens erst, ob jemand etwas wirklich will."
Aurelia seufzte schwer. „Ich will es schon, aber vielleicht hatte mein Vater recht und es gehört sich einfach nicht. Ich muss mich wohl damit abfinden, dass ich mich auf den Schutz anderer verlassen muss."
Remus rollte die Augen und lehnte sich mit hinter dem Kopf verschränkten Armen zurück bis er auf dem Boden lag. „Wenn du wirklich so denkst, dann hättest du dir gar nicht erst den Aufwand gemacht mich aufzusuchen."
Aurelia lachte leise. „Nun, vielleicht wollte ich einfach nur Zeit mit dir verbringen? Eigentlich hatte mein Vater mir versprochen mir Selbstverteidigung beizubringen, oder jemanden als meinen Lehrer auszusuchen, aber er hat es sich anders überlegt. Indem ich mich mit dir treffe habe ich mich über seinen Befehl hinweggesetzt."
Mit einem leisen Schnauben schloss Remus die Augen und atmete tief durch. „Und du setzt dich über Befehle hinweg, um dann herauszufinden, dass es doch nichts für dich ist? Oder hast du dich einfach nach einem Partner fürs Bett umgesehen?", fragte Remus nüchtern, als wäre es vollkommen normal auch noch eine Prinzessin auf so etwas anzusprechen.
Aurelia lachte erneut. „Vielleicht habe ich auch einfach herausgefunden, warum mein Vater der Meinung war, dass ich es lassen sollte. Oder glaubst du wirklich, dass ich irgendwann auch nur ansatzweise die Fähigkeit besitzen werde mich selbst zu verteidigen? Vielleicht sollte ich lieber wegrennen lernen."
Nun öffnete Remus doch wieder die Augen und schielte zu der Rothaarigen. „Ich denke du könntest durchaus lernen ein Messer zu führen, aber kein Schwert,"
„Ich dachte eher an einen Stab. Die Mönche in meiner Ausbildungen meinten, dass dieser die perfekte Waffe für einen schwachen Mann ist, da sie lang ist und so die Angreifer fernhalten kann", erklärte Aurelia murmelnd und streckte sich ein wenig. Ihr tat alles weh und sie war verspannt.
„Mit einem Stab wirst du höchstens blaue Flecken verteilen mit deiner Kraft. Mit einem Speer aber anhaltende Schnittwunden. Hängt es wirklich von deinem Leben ab, brauchst du was anhaltendes", erklärte er und schloss die Augen nun wieder.
Aurelia zuckte die Schultern. „Ist im Grunde dasselbe nur mit Klinge. Aber schwerer zu bekommen. Es ist ja nicht so, als würde ich eine Waffe mit mir führen, oder als würden überall Speere herumstehen", murmelte sie und beobachtete die Kerzen, die bereits ziemlich heruntergebrannt waren. Die Stundenkerze sagte jedoch, dass es noch nicht so spät war.
„Ein Stab wird für den Anfang reichen zum Üben, aber wir werden auch das zustechen üben... wenn du dennoch weitermachen willst."
„Wenn du mich weiter unterrichten willst, werde ich nicht nein sagen. Es sei denn du hältst mich für einen hoffnungslosen Fall", murmelte die Rothaarige und war froh, dass sich ihr Atem langsam wieder beruhigt hatte. Ihr Tag war ziemlich nervenaufreibend gewesen, vielleicht war sie deshalb gerade so unleidlich.
„Ich werde dich nicht zwingen, aber ich fände es ziemlich schade, wenn jemand der irgendwann mein Reich führen soll, so schnell aufgibt", seufzte er und richtete sich wieder auf, um ihr aufmunternd zuzulächeln.
Aurelia lächelte schwach zurück. „Ich hatte einen langen Tag, vielleicht liegt es daran, dass ich gerade keine Lust mehr habe mich zu beweisen."
„Möglich", erwiderte er und erhob sich, um seine Kleidung abzuklopfen und Aurelia eine helfende Hand zu reichen. „Am besten du schläfst noch eine Nacht drüber."
Aurelia griff nach seiner Hand und ließ sich hochziehen. „Wahrscheinlich, aber so schnell werde ich heute nicht ins Bett kommen. Ich muss für morgen noch einige Treffen vorbereiten", murmelte sie und gähnte herzhaft.
Remus stockte leicht, bei ihrer Aussage doch räumte weiter Aurelias Tasche zusammen. „Wann genau sollen diese Kämpfe eigentlich stattfinden?", fragte er lauernd und versuchte desinteressiert zu klingen.
Aurelia streckte sich ein wenig und stöhnte leise auf. „Das kommt darauf an, wann der erste Verehrer an meine Tür klopft und ob er sich der Herausforderung stellt. Aber da mein Vater mich bereits mit potenziellen Verlobten begrüßt hat, fürchte ich viel zu bald."
Remus seufzte leise, ehe er sich den Beutel über die Schulter warf und eine der noch brennenden Kerzen in die Hand nahm. „Klingt anstrengend", murmelte er und setzte dazu an zurück zu gehen, als ihm einfiel, dass er nicht einmal wusste von wo sie gekommen waren.
„Ich hoffe, dass es reihenweise Absagen geben wird, sobald der erste gegen dich verloren hat. Die ganzen Anwärter sind nichts weiter als schwache, verwöhnte Gören", seufzte Aurelia leise. „Wenn ich daran denke, dass Bassus Anwärter auf den Posten des Generals ist, habe ich Angst, dass unser Heer zu einem Haufen Schwächlingen verkümmert."
Remus lächelte verkrampft mit gehobenen Augenbrauen, bei Aurelias Worten, die ihn in den Himmel priesen, als wäre er Achill höchstpersönlich. „Ich denke du hast ein wenig zu hohe Ansprüche an deinen Zukünftigen."
Aurelia schnaubte. „Wirklich? Jemanden, der in der Lage ist mich zu verteidigen, ist nun wirklich kein hoher Anspruch. Die meisten davon sind ja nicht einmal in der Lage sich selbst zu verteidigen", murrte sie. „Ich habe sie kämpfen gesehen. Einige von ihnen haben in meiner Nähe trainiert. Alles muss genau nach Vorschrift und Handbuch gehen. Bloß nicht unfair kämpfen. Aber wenn dich versucht jemand umzubringen, ist ihm das Handbuch egal. Die Adligen würden reihenweise umfallen wie die Fliegen."
Remus schüttelte den Kopf und folgte Aurelia, als sie ebenfalls mit einer Kerze in der Hand vorrausging. „Auch wenn du recht haben magst, das klärt noch lange nicht, ob dein Mann dich nur verteidigen soll."
„Ich bin eine Prinzessin. Ich werde niemals aus Liebe heiraten. Da mir dies verwehrt bleibt, suche ich mir eben die beste Möglichkeit aus, die ich mir für die Zukunft vorstellen kann", erklärte sie ein wenig nuschelnd. „Ich versuche einfach nur möglichst pragmatisch an die Sache heranzugehen."
„Hm", machte Remus und nahm Aurelia die Kerze ab, als diese begann die Leiter herauf zu klettern. „Klingt trauriger als gedacht, wenn du es so sagst."
Langsam machte sie sich an den Aufstieg und Remus hörte sie nur leise murmeln: „Ich habe meine Pflichten als Prinzessin. Mein Land kommt vor meinem eigenen Wohl."
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