Kapitel 71 ~ Flavia Domitilla
31. August 38 n. Chr.
Seit fast einem Monat waren sie wieder in Tusculum und dieses Mal hatte Aurelia keinen Grund zur Einsamkeit. Natürlich wäre ein Teil von ihr lieber am Meer und nicht in den Bergen, aber alle hatten ihr versichert, das kühlere Klima sei besser für Julius. Außerdem war Gaius dagegen mit einem Neugeborenen so weit zu reisen, wenn sie eine Tagesreise von Rom entfernt eine Villa mit ähnlichem Erholungsfaktor besaßen. Die meisten Senatoren hatten ihre Villen am Golf von Neapel bezogen und nur die wenigsten hatten sich zu einer Reise nach Tusculum bewegt, als sie bemerkten, dass die julisch-claudische Familie sich in diesem Sommer in den Bergen aufhielt. Dennoch waren ihre Abendmahle reich an Gesichtern, die sie aus Rom kannten, nicht zuletzt da ihre gesamte Familie sich ihnen angeschlossen hatte. Selbst Vespasian war vor ein paar Tagen von seinem Landgut aus Cosa angereist.
An manchen Tagen zog sich Gaius in sein Arbeitszimmer zurück, um Berichte zu studieren oder Briefe und Bittschriften zu beantworten. Aber die meiste Zeit verbrachte er mit Julius und ihr. Jeden Nachmittag spazierten sie Hand in Hand über die Wiesen und Gärten des Landgutes und Aurelia genoss es ihren Mann in diesen Momenten nicht mit ganz Rom teilen zu müssen. Sie waren einfach nur Gaius und Aurelia, zwei frisch gebackene Eltern, die über ihre Ländereien spazierten. Natürlich drehten sich ihre Gespräche hauptsächlich um Julius. Nach drei Tagen konnte Aurelia Gaius überreden, sie ihren Sohn ab und zu stillen zu lassen. Vor der Geburt ihres Kindes hatte sie erfolgreich verdrängt, dass stillende Mütter in der römischen Oberschicht nicht nur ungewohnt, sondern auch verpönt waren. Es gehörte sich nicht selbst zu stillen, wenn man sich eine Amme leisten konnte und Gaius hatte bereits drei Ammen für ihren Sohn eingestellt. Tagelang hatten sie alle Vor- und Nachteile abgewogen. Schließlich einigten sie sich darauf, dass Aurelia Julius im Geheimen stillte, wodurch sie unschönen Tratsch vermeiden konnten. Dennoch fiel es ihr unendlich schwer Julius einer der Ammen zu übergeben, wenn er vor Hunger schrie, sobald sie von ihren Freundinnen oder ihrer Familie umgeben waren. So zog sie sich von den anderen zunehmend zurück und verbrachte die meiste Zeit mit ihrem Sohn.
„Woran denkst du?", wollte Gaius wissen und sie tauchte aus der Welt ihrer Gedanken auf. Lächelnd blinzelte sie zu ihm auf und gestand, dass sie gerade an Julius gedacht habe und sie es kaum erwarten könne ihm beim Aufwachsen zuzusehen. Zu ihrer Überraschung wurde Gaius sehr still und blieb stehen. Fragend verharrte sie ebenfalls und musterte ihn stumm. Im nächsten Moment schüttelte er den Kopf und lächelte sie unbeschwert an.
„Hast du dir deinen Geburtstag so vorgestellt?", fragte sie sanft, als er sie näher an sich zog und das Gesicht in ihren Haaren vergrub. Gaius schnaubte belustigt.
„Ehrlich gesagt, dachte ich meine Geburtstage werden ein kleines bisschen aufregender sein, wenn ich Tiberius überlebe", gestand er, richtete sich auf und legte seine Stirn an die ihre. Sofort bohrte sie nach und er begann ihr von den Spielen und tagelangen Abendmahlen zu erzählen, die er sich in seiner Zeit auf Capri zur Ablenkung in Gedanken ausgemalt hatte. Nachdenklich runzelte sie die Stirn und sein Grinsen wurde eine Spur breiter. Er hatte sie nur aufziehen wollen. Empört schlug sie ihm sanft auf den Oberarm und er lachte glücklich auf.
„Ich habe alles, was ich brauche", versicherte er ernst und küsste sie sanft. Das dumpfe Widerhallen genagelter Schuhe sorgte dafür, dass sie sich widerwillig voneinander lösten. Gaius warf einen schnellen Blick über ihre Schulter und stieß einen kleinen Seufzer aus.
„Was gibt es Suetonius?", rief er dem Näherkommenden entgegen und Aurelia drehte sich um. Während Clemens in Rom geblieben war, um die Stadt nicht ohne Schutz zu lassen, hatte Suetonius sie nach Tusculum begleitet. Der Prätorianerpräfekt stapfte mit festen Schritten auf sie zu. Sobald er sie erreicht hatte, berichtete er ohne Umschweife: „Am Tor ist eine Kutsche mit einer Frau eingetroffen, die behauptet von Euch, Aurelia, eingeladen worden zu sein"
Irritiert runzelte Aurelia die Stirn und ging rasch in Gedanken durch, wer von ihren Freundinnen fehlte. Aber sie waren alle bereits vor Wochen eingetroffen. Nachdenklich erkundigte sie sich nach dem Namen der Frau.
„Sie behauptet, sie sei eine Verwandte von Euch und ihr Name laute Flavia Domitilla", antwortete Suetonius rasch und vollkommen verblüfft wechselte sie einen raschen Blick mit Gaius. Während sie Suetonius zurück zur Villa folgten, rief Aurelia sich alles in Erinnerung, was sie über diese Frau wusste. Es war erschreckend wenig. Vermutlich lag die Ursache ihrer Wissenslücke auch darin, dass Flavia Domitilla bereits irgendwann vor dem Vierkaiserjahr gestorben war. Mit jedem Schritt wuchsen ihre Aufregung und Neugierde auf diese Frau, die zwei Kaiser hervorgebracht hat – von denen mindestens einer ermordet worden war. Suetonius schickte einen Sklaven voraus und wies an Flavia Domitilla in einem der kleinen Gästezimmer unterzubringen.
Als sie die Villa erreichten, wurde gerade Flavias Gepäck von ein paar Sklaven durch das Atrium nach oben getragen. Von der Besitzerin der Truhen war nichts zu sehen. Interessiert reckte Aurelia den Hals, da trat der Verwalter des Anwesens auf sie zu in Erwartung neuer Anweisungen.
„Wurde ihr bereits eine Erfrischung angeboten?", erkundigte Aurelia sich leise und der Verwalter bejahte ihre Frage rasch.
„Hat jemand ihre Ankunft bemerkt?", fragte Gaius als Nächstes und der Verwalter schüttelte den Kopf.
„Nein, Herr", versicherte der Verwalter. „Eure Schwestern und Eure Großmutter sind von ihrem Spaziergang durch den Garten noch nicht zurückgekehrt. Die Herren Sabinus und Vespasian sind mit den anderen Männern auf der Jagd, die Herrin Clementina hat sich aufgrund von Kopfschmerzen in ihr Gemach zurückgezogen"
„Gut", murmelte Gaius und drückte Aurelias Hand. „Geh dir etwas anderes anziehen und triff sie in meinem Büro. Ich schaue derweil nach unserem Sohn"
Lächelnd hauchte sie ihrem Mann einen Kuss auf die Wange. Dann wünschte sie ihm viel Vergnügen mit ihrem Sohn und machte sich eilig auf dem Weg zu ihren Gemächern.
Wenig später betrat sie Gaius' Arbeitszimmer und seufzte beim Anblick der Dokumente, die sich auf seinem Schreibtisch stapelten. Kurz bevor sie seinen Schreibtisch erreichte, zögerte sie und schaute sich in dem lichtgefluteten Raum um. Es gab genügend andere Sitzmöglichkeiten, durch die das Treffen weniger geschäftsmäßig erschien und obwohl sie wusste, dass Gaius keine Geheimnisse vor ihr hatte, war ihr unwohl bei dem Gedanken seine Dokumente beiseite zu räumen. Nachdenklich trat sie an das große Fenster und blickte hinaus in den wunderschönen Garten, in dem Gaius mit Julius auf einer Decke unter einem alten Baum saß und das Kind mit Grimassen zum Lachen zu bringen versuchte. Als sich ihre Blicke kreuzten, zwinkerte er ihr kurz zu, dann zauberte er eine Schriftrolle hervor und begann Julius mit einem feierlichen Ausdruck auf dem Gesicht daraus vorzulesen. Um Julius' Hals baumelte seine goldene Bulla, ein Amulett zum Schutz und eine dieser römischen Traditionen, von denen sie als Jugendliche fasziniert gewesen war. An manchen Tagen erschien es ihr so unwirklich diese kleinen Dinge mit eigenen Augen sehen zu können. Lächelnd verdrehte sie die Augen über sich selbst. Ein Räuspern ließ sie herumfahren. Die Frau auf der Türschwelle vermittelte ihr sofort den Eindruck underdressed zu sein. Obwohl die Fremde beinahe drei Köpfe kleiner war als Aurelia, strahlte sie ein enormes Selbstvertrauen und eine Grazie aus, um die jedes Supermodels sie sofort beneiden würde. Die Farbe ihres Kleides war von einem so tiefen Grün, dass ihre helle Haut zu schimmern schien. Ihre schwarzen Haare hatte sie zu einer kunstvollen Hochsteckfrisur aufgesteckt und jeder Strich ihrer Schminke saß perfekt. Ihr Schmuck war alles andere als dezent, aber an ihr wirkte rein gar nichts übertrieben. Auf Aurelias Gesicht breitete sich ein freundliches Lächeln aus.
„Ihr müsst Flavia Domitilla sein", sagte sie und bat die kleine Frau sich auf einen der beiden Sessel zu setzen. Flavia erwiderte ihr Lächeln selbstsicher und kam ihrer Bitte unverzüglich nach. Ihre Armreifen klirrten bei jeder Bewegung. In aller Ruhe nahm Aurelia auf dem anderen Sessel Platz und gerade als sie etwas sagen wollte, begannen die Worte nur so aus Flavia herauszusprudeln. Geduldig lauschte Aurelia ihrer kleinen Rede, in der sie immer wieder betonte, wie sehr sie von Aurelias Einladung geschmeichelt und geehrt sei. Flavias teures Parfum drang Aurelia in die Nase und sofort war sie erleichtert, dass sie Flavia nicht eher kennengelernt hatte. Während ihrer Schwangerschaft mit Julius hätte sie den intensiven Duft vermutlich nicht ertragen können und sie wollte ihren Gast nicht kränken.
„Ihr fragt Euch sicher, weshalb ich Euch eingeladen habe", fragte Aurelia, sobald Flavia ihre Rede der Dankbarkeit beendet hatte. Zum ersten Mal wirkte Flavia unsicher und nervös. Unbewusst spielte sie mit ihrem Ohrring. Aurelias Lächeln wurde eine Spur wärmer und Flavia entspannte sich augenblicklich. Sanft meinte Aurelia: „Als ich Euren Namen das erste Mal hörte und erfuhr, dass Ihr ganz allein ohne den Rest Eurer Familie in Afrika wohnt, hatte ich mich bereits in meiner neuen Familie eingelebt und war verheiratet. Ich weiß, wie es sich anfühlt, vollkommen allein in einer Welt zu leben, die von Männern beherrscht wird, die auf Frauen nur herabblicken"
An dieser Stelle erschauderte Aurelia leicht als sie an ihre ersten Tage auf Capri und an ihre Begegnung mit Tiberius in Misenum zurückdachte. Immer noch lächelnd fuhr sie fort: „Ihr seid jetzt ein Teil meiner Familie und falls Ihr Euch entschließen solltet in Rom zu bleiben, werdet Ihr die besten Aussichten auf eine Heirat haben. Ich weiß, dass auch Ihr eine römische Bürgerin seid, aber in Rom werdet Ihr dieses Recht einklagen müssen. Falls Euch in Afrika nichts hält und Ihr in Rom bleiben möchtet, werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um Euch zu Eurem Recht zu verhelfen"
Vollkommen verdattert schaute Flavia sie an und eine Sekunde fragte sich Aurelia, ob sie etwas Falsches gesagt hatte. Dann fiel Flavia ihr so plötzlich um den Hals, dass Aurelia überrascht zusammenzuckte. An Parfum hatte Flavia wirklich nicht gespart. Peinlich berührt zog Flavia sich rasch zurück und strich ihr Kleid glatt.
„Bitte entschuldigt meinen kleinen Überfall", murmelte Flavia und ihre Stimme zitterte vor Dankbarkeit und Ehrfurcht. „Es ist nur so, dass ich all diese Dinge niemals erwartet habe und ein Teil von mir hat sich damit abgefunden, dass ich niemals heiraten und mein Leben in Provinzen verbringen werde. Euer Angebot ist sehr freundlich und..."
„Nein, bitte entscheidet Euch nicht sofort", unterbrach Aurelia sie eilig. „Nehmt Euch Zeit darüber wirklich nachzudenken"
Aber Flavia schüttelte nur den Kopf und meinte: „Es gibt nicht, worüber ich nachdenken müsste. Es gibt nichts, dass mich in Afrika hält. Ihr bietet mir eine Zukunft und ich werde diese Chance nutzen"
Verständnisvoll nickend lehnte sich Aurelia in ihrem Sessel zurück und ließ ihren Blick hinaus in den Garten zu Gaius schweifen. In diesem Moment hob er den Kopf und blickte sie glücklich an. Ihr Lächeln wurde eine Spur breiter, dann konzentrierte sie sich wieder auf Flavia, die ihrem Blick gefolgt war und ihre beiden Männer mit offenem Mund anstarrte.
„Ist das der Princeps?", fragte sie überrascht und Aurelia bejahte leise. Flavia runzelte die Stirn.
„Dies ist der einzige Ort, an dem wir etwas freier sein können", murmelte Aurelia und wich Flavias fragendem Blick aus.
„Warum erzählt Ihr mir nicht ein bisschen von Euch?", erkundigte Aurelia sich schnell und Flavia kam auch dieser Bitte sofort nach. Aufmerksam lauschte sie den Erzählungen dieser Frau, von der sie so wenig wusste.
„Findest du sie für Vespasian nicht ein bisschen zu aufgetakelt?", fragte Gaius und Aurelia glitt ihr wunderschöner, kunstvoll gearbeiteter Ohrring aus den Fingern. Langsam hob sie den Ohrring auf und ignorierte Gaius fragenden Blick, den er ihr mit Hilfe seines Spiegelbildes zuzuwerfen versuchte. In aller Ruhe befestigte sie ihren Ohrring, dann erhob sie sich, trat zu ihm und legte ihre Hand auf seine Wange.
„Ich glaube nicht, dass Flavia und Vespasian auf der Suche nach Liebe sind", antwortete sie leise. „Natürlich verstehe ich deine Bedenken. Sie wirkt so, als ob sie nicht mit Geld umgehen könnte und Vespasian ist furchtbar geizig. Ihre Streitereien werden uns in Zunkunft bestimmt sehr beschäftigen. Aber sie ist nicht so einfältig, wie ich erwartet habe und sehr nett. Wenn jemand akzeptieren kann, dass ihr Mann eine Geliebte hat, dann sie und du weißt genauso gut wie ich, dass Vespasian Caenis niemals fallen lassen wird. Letztendlich ist es nicht unsere Entscheidung, also lass uns einfach das Essen zu deinen Ehren genießen und beobachten, was passiert"
„Wie immer hast du mal wieder vollkommen recht", meinte er und drückte ihr einen federleichten Kuss auf die Nasenspitze. Überrascht lachte sie auf. In diesem Moment wanderten seine Lippen von ihrer Nase zu ihrem Mund und sie verlor sich in seinen sanften Berührungen.
„Ich habe ein Geschenk für dich", murmelte Gaius in ihr Ohr und sie schaute ihn entrüstet an.
„Aber heute ist dein Geburtstag!", rief sie und verdrehte die Augen. Catulus schnaubte zustimmend. Aber Gaius' grinste sie einfach nur an und legte ihr einen kleinen Gegenstand in die Hand. Fasziniert drehte sie die goldene Münze zwischen ihren Fingern und verglich mit prüfender Miene Abbild und Modell. Gaius verdrehte die Augen und drehte sich ins Profil, damit sie besser vergleichen konnte.
„Dreh sie um", bat er leise und sie kam seiner Bitte nach. Auf der anderen Seite prangte ein anderes Gesicht und Aurelia brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass es ihr eigenes war. Vollkommen sprachlos blinzelte sie ihn an und sein Grinsen wurde unsicherer.
„Gefällt sie dir nicht?", fragte er besorgt und Aurelia schüttelte schnell den Kopf. Nachdenklich spielte sie mit der Münze in ihrer Hand und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Aber sie konnte die Bedeutung nicht verstehen. Das wichtigste Mittel in Rom war die Inszenierung. In der Öffentlichkeit mussten sie ihre Rollen spielen und ihre, das hatte Antonia ihr immer wieder deutlich gemacht, war es im Schatten ihres Mannes zu agieren – denn das war der Platz, den die römische Gesellschaft von einer Frau ihres Standes einzunehmen erwartete und sie waren vollkommen abhängig vom Wohlwollen des Volkes und der Oberschicht.
„Wirst du solche Münzen wie diese in Umlauf bringen?", fragte sie zaghaft. Gaius lachte leise und legte seine Arme um sie. Augenblicklich durchflutete sie ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Da antwortete er: „Zugegeben, der Gedanke erschien mir sehr verlockend. Aber dafür werden wir irgendwann einen besseren Zeitpunkt finden. Dieser Aureus ist einzigartig – zumindest für den Moment"
Eine Weile genoss sie gedankenverloren seine Nähe, bevor sie fragte, weshalb er diese Münze dann hatte anfertigen lassen.
„Weil wir nur zusammen eins sind", wisperte er sanft und als seine Lippen nur wenige Millimeter von den ihren entfernt war, wurde die Tür aufgerissen und Agrippina stürmte ins Zimmer. Gaius zuckte nicht mal mit der Wimper, sondern drückte einfach seine Lippen auf Aurelias und ignorierte seine Schwester gekonnt, während Aurelia sofort das Blut in die Wangen schoss. Agrippina kicherte leise, was Aurelias Unbehagen nur noch steigerte. Genervt löste er sich von ihr und warf seiner kleinen Schwester einen bitterbösen Blick zu.
„Siehst du nicht, dass wir beschäftigt sind?", fuhr er Agrippina unwirsch an. Rasch erhob sich Aurelia und drehte sich mit glühenden Wangen ihrer Schwägerin zu. In versöhnlicherem Ton erkundigte sie sich nach der Ursache für Agrippinas Eindringen.
„Wir warten seit einer Stunde mit dem Essen auf euch!", erklärte Agrippina anklagend. „Und ohne euch können wir nicht beginnen. Also bitte kommt endlich, wir anderen haben Hunger!"
Neben ihr stieß Gaius frustriert die Luft aus, worauf Agrippina belustigt die Augenbraue hob. Schnell ergriff Aurelia seine Hand und zog ihn mit sich aus ihrem Schlafzimmer.
„Es ist unhöflich seine Gäste warten zu lassen", murmelte Agrippina noch, da drängten sie sich schon an ihr vorbei und liefen Hand in Hand zu ihren wartenden Gästen.
„Wir sind niemals zu spät", wisperte Gaius in ihr Ohr und sein warmer Atem strich sanft über ihren Nacken. „Die anderen sind einfach nur zu früh"
Kichernd betrat sie das Speisezimmer und sofort schien sich die Stimmung im Raum zu entspannen. Unauffällig schlich sich Agrippina zurück auf ihre Liege an die Seite ihres Mannes, Antonia und Julia nickten ihnen erleichtert zu, Sabinus warf Aurelia einen fragenden Blick zu, während Vespasian von seinem Gespräch mit Flavia kaum aufschaute. Sobald sie es sich auf ihrer Liege bequem gemacht hatten, wurde der erste Gang aufgetragen und die Gespräche begannen sich wie üblich auf Gaius zu konzentrieren. Vespasians Lachen drang an ihr Ohr und aus dem Augenwinkel beobachtete Aurelia, wie Caenis schnell den Blick abwandte. Sofort durchzuckte sie Mitleid mit der jungen Sklavin. Es war nicht ihre Schuld, dass sie in diesem Reich nur eine Sklavin war und mit einem Mal wünschte sich Aurelia, dass sie mehr für Caenis tun konnte, als für ihren Vetter eine Frau zu suchen, die eine Geliebte neben sich dulden würde. Aber Aurelia war selbst nur eine Frau und in den Augen der römischen Gesellschaft war ihr eigener Wert nur geringfügig höher als der von Caenis. Ohne Gaius hätte sie vielleicht ein ähnliches Schicksal erfahren. Wenn sie ohne ihn überhaupt noch am Leben wäre.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top