Kapitel 32 ~ Bereit
Behutsam rückte Aurelia ein Stück von Gaius ab, um ihn besser in seine herrlichen Augen blicken zu können, die wie eine Nacht ohne Sterne liebevoll auf sie hinab sahen. Federleicht flatterte ihr Herz in ihrer Brust. Tränen schossen ihr in die Augen. In jeder Faser ihres Körpers hallte ihr Liebe zu ihm wieder, bis alles um sie verblasste und ihre Welt nur noch aus diesem Mann bestand, den sie so sehr liebte. Mit jedem Wimpernschlag wurde seine Miene unsicherer. Beruhigend verstärkte sie sanft den Druck ihrer verflochtenen Hände.
„Mein Herz gehört dir, Gaius. Weder jetzt noch in Zukunft wird es jemals einen anderen für mich geben", antwortete sie leise. „Also ja, ich werde dich heiraten"
Mit jedem Wort hellte sein Gesicht immer weiter auf. Kaum hatte sie geendet, hob er sie hoch und drehte sie vor Freude im Kreis. In ihrem Bauch tanzten tausende Schmetterlingen. Noch nie in ihrem Leben war sie so glücklich gewesen wie in diesem kleinen gestohlenen Moment auf der in Mondlicht getauchten Terrasse. Als Gaius sie mit seinem Körper gegen die Säule presste, schmiegte sie sich an ihn. Die Wärme seines Körpers vertrieb die Kühle der Nacht. Glücklich musterte er lange ihr Gesicht. Endlich legten sich seine Lippen auf ihre und die Welt hörte auf sich zu drehen. Die Zeit stand still. Es gab nur noch ihn und alles andere hatte seine Bedeutung verloren.
Nach einer Ewigkeit lösten sie sich voneinander und schlenderten Hand in Hand zurück zum Speisesaal. Es war an der Zeit die Neuigkeit zu verkünden: Roms begehrtester Junggeselle und seine reichste Erbin waren nicht länger ledig. Bald schon würde Rom eine neue Kaiserin haben. Den Rest des Abends schwebte sie eingehüllt in eine funkelnde Seifenblase des Glücks an der Seite ihres Gaius.
Plötzlich war alles kalt und nass. Prustend fuhr sie aus dem Schlaf hoch und versuchte verzweifelt wach zu werden. Sofort registrierte sie den Mann in ihrem Zimmer, der gerade klirrend einen leeren Eimer neben ihrem Bett abstellte.
„Bist du irre?", fuhr sie Vespasian wütend an.
„Ich wollte mich vergewissern, dass du die Nacht allein verbracht hast", erwiderte er kühl und blickte ohne einen Funken Mitleid auf sie herab. Bevor sie ihm eine Beleidigung entgegenschleudern konnte, warf er ihr einen Haufen Kleider ins Gesicht.
„Zieh dir das an und komm sofort auf den Trainingsplatz", befahl er ihr ungerührt. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und rauschte aus ihrem Zimmer. Wütend sank sie auf ihr Kissen zurück und versuchte wieder einzuschlafen. Aber es war einfach zu nass und kalt und klebrig. Frustriert sprang sie aus dem Bett und entwirrte das Kleiderknäul. Genervt seufzte sie auf. In diesem derben und engen Kleid sollte sie kämpfen. Hastig kleidete sie sich an, warf einen sehnsüchtigen Blick auf ihre Hose, die sie gestern eilig über den Stuhl geworfen hatte, raffte die Röcke und huschte lautlos durch die dunklen Gänge.
Als sie durch die Tür hinaus auf den Hof trat, tauchte plötzlich die Klinge eines Schwertes an ihrem Hals auf. Überrascht fuhr sie zurück. Wütend funkelte sie ihren Angreifer an.
„Bist du jetzt vollkommen verrückt? Du hättest mich fast geköpft", fauchte sie wütend, doch Vespasian legte nur einen Finger an die Lippen und Aurelia verstummte verwirrt. Dann packte er ihren Arm und schleifte sie halb zu ihrem gewohnten Trainingsplatz hinter den Stallungen. Grob ließ er sie los und ohne Vespasians monatelanges Training hätte sie ihr Gleichgewicht verloren.
„Wenn du an Gaius' Seite überleben willst, musst du jederzeit wachsam sein", begann er ernst. „Jetzt da er Princeps ist, lauern seine Feinde überall und es wird nicht immer jemand da sein, der dich beschützt. Jede Wache kann betäubt oder getötet werden und wenn du in deinen feinen Kleidern nicht kämpfen kannst, bist du tot. Für dieses Training wirst du zur besseren Vorbereitung schwerere Stoffe wie Wolle tragen. Ich gebe dir dreißig Sekunden Zeit um deine Waffen zu wählen, mehr als jeder Attentäter. Also beeil dich, damit das Training endlich beginnen kann"
Auch wenn ein kleiner Teil von ihr wusste, dass er recht hatte, kochte Aurelia vor Wut. Während Vespasian laut zählte, schnappte sie sich einige Messer und fixierte sie rasch in ihren Ärmeln, ihren Schuhen und schnallte eines an ihren Oberschenkel. In letzter Sekunde griff sie nach einem Gladius und konnte gerade noch beiseite springen, als Vespasian auch schon zum Angriff überging.
Wie ein Jäger fuhr er zu ihr herum und hieb ohne zu zögern auf sie ein. Mit dem ersten Schlag löste sich ihre Wut auf und ihre ganze Aufmerksamkeit lag auf ihrem Gegner. Sie wich aus, parierte, sprang zur Seite, duckte sich weg, doch sie griff nicht an. Wenn sie gegen einen erfahrenen Krieger wie Vespasian eine Chance haben wollte, musste er sich seines Sieges ganz gewiss sein. Sie warf ein paar Messer gegen die Stallwand und nachdem sie über den Rock ihres verfluchten Kleides gestolpert war, nutze Vespasian ihre Unachtsamkeit und schlug ihr mit der Schwertfläche spielerisch auf den Hintern. Entrüstet warf Aurelia ihm einen bitteren Blick zu, doch er lachte nur. Der Mistkerl war nicht mal außer Atem. Der grobe Stoff kratzte auf ihrer Haut und war einfach viel zu heiß. Hastig wich Aurelia zurück und versuchte nicht erneut über ihren Saum zu stolpern. Mit einem grimmigen Lächeln im Gesicht kam er auf sie zu. Das Schwert locker in der Hand. Mit einer blitzschnellen Bewegung seines Schwertes fiel ihre Waffe klirrend auf den Boden. Vespasian machte einen Satz und hielt ihr seine Klinge an den Hals.
„Tot", erklärte er. Aurelia lächelte ihn zuckersüß an.
„Bist du dir da ganz sicher?", fragte sie und irritiert sah er an sich herab. Die Spitze ihres Dolches schwebte abwartend zwischen seinen beiden Rippen bereit mitten ins Herz zu treffen. Überrascht erwiderte er ihren Blick. Anerkennend nickte er, dann nahm er langsam sein Schwert von ihrer Kehle und sie steckte lässig den Dolch zurück an ihren Oberschenkel.
Plötzlich klatschte jemand in die Hände. Ruckartig hob Aurelia den Kopf und erblickte überrascht im sanften Licht der aufgehenden Sonne Gaius in sicherer Entfernung gegen die Wand der Scheune gelehnt. Bei seinem Anblick wurde ihr ganz warm ums Herz. Neben ihm stand Clemens, der sich gerade vorbeugte und seinem Princeps etwas ins Ohr flüsterte. Auf Gaius' Gesicht breitete sich sein warmes Lächeln aus.
Fragend blickte Aurelia zu Vespasian, der gerade mit dem Einsammeln der auf dem Boden verstreuten Messer zu beschäftigt war, um auf sie zu achten. Zögerlich trat sie zu ihren Zuschauern.
„Gut gekämpft, Aurelia", lobte Clemens anerkennend. Leise dankte sie ihm. Gaius zog sie sanft zu sich und gab ihr einen raschen Kuss auf die Wange. Stolz lächelte er sie an.
„Einen richtigen Kuss bekommst du, wenn du dich frisch gemacht hast", erklärte er sanft und Aurelia verdrehte die Augen. Grinsend trat Vespasian zu ihnen. Scherzhaft wechselten sie ein paar Worte über den Kampf. Dann liefen sie gemeinsam angeregt plaudernd zurück zum Haus. Aurelia wusch sich rasch und wechselte in eines ihrer edlen Kleider. Erleichtert begutachtete sie die dreckigen Fetzen aus Wolle. Seufzend warf sie die Überreste auf den Boden - für den Stuhl waren sie definitiv zu dreckig. Sie würde später alles einsammeln und Lima bringen, einer gutmütigen Sklavin, die sich um die Wäsche kümmerte.
Beim Frühstück stelle Aurelia erleichtert fest, dass keiner der Männer ihre neuen Fähigkeiten ablehnte. Im Gegenteil. Clemens und Vespasian versprachen ihren Unterricht in Rom gemeinsam fortzusetzen. Nachdem Gaius sich bei Vespasian für Aurelias Training bedankt hatte, erkundigte er sich, wie sein Freund auf die Idee gekommen war einer Frau das Kämpfen beizubringen. Vespasian lächelte Aurelia verschwörerisch zu.
„Sie hat mich so lange genervt, bis mir keine andere Wahl blieb als ihr alles beizubringen, was ich weiß", erwiderte Vespasian scherzhaft und Gaius nickte ernst. Zufrieden murmelte er, dass er sich nun weniger Sorgen um die Sicherheit seiner Verlobten machte. Glücklich lächelte Aurelia zu ihm auf. Bevor sie etwas erwidern konnte, erklang Hufgeklapper aus dem Innenhof zu ihnen ins Haus. Vespasian sprang auf und lief dem Geräusch entgegen. Gaius nahm Aurelias Hand und zog sie mit sich, während Clemens ihnen wie ein dritter Schatten folgte.
„Es ist Magnus!", rief Vespasian überrascht aus, als sie aus dem Haus traten und Aurelia schirmte ihre Augen ab, um besser sehen zu können. Da galoppierte der Reiter auch schon in den Hof, brachte sein erschöpftes Pferd fluchend zum Stehen und sprang ungelenk vom Rücken des armen Tieres. Sofort eilten zwei Sklaven herbei und kümmerten sich um das Pferd. Grimmig stapfte Magnus auf Vespasian zu, begrüßte ihn mit den Worten: „Entschuldige die Störung. Aber ich habe eine dringende Nachricht an den Princeps"
Vespasian nickte seinem Freund zu und Magnus kramte in seiner Tasche. Endlich zog er einen Brief aus seiner Tasche und überreichte ihn Gaius ohne ein weiteres Wort. Stirnrunzelnd zerbrach dieser das Siegel, entrollte das Papyrus und hielt das Blatt so, dass Aurelia die Worte ebenfalls lesen konnte. Nur ein Satz blickte ihnen bedrohlich entgegen: Komm sofort zurück.
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